Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Umbar

Auf den Straßen von Umbar

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Eandril:
Der Schreiber lebte in einem Zimmer in einem heruntergekommenen Haus, dass sich an die Stadtmauer von Umbar schmiegte. Edrahil und Saleme wurden von einer alten Frau empfangen, die die Besitzerin des Hauses zu sein schien und ihnen mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit den Weg zu Bayyins Zimmer wies - offenbar war sie an Besucher für den Schreiber gewohnt, selbst wenn diese wie Saleme maskiert waren.
Bayyin selbst saß in seinem Zimmer hinter einem kleinen Tisch mit einer Kerze und schrieb konzentriert. Er blickte kaum auf, als Edrahil den Raum betrat, und sagte: "Bitte wartet einen Augenblick, ich bin gleich für euch da." Edrahil warf Saleme, die hinter ihm durch die Tür getreten war, einen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen zu und lehnte sich dann mit verschränkten Armen an die Wand neben der Tür. Saleme blieb mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stehen wo sie war und für einige Augenblicke war nur das Kratzen von Bayyins Feder zu hören.

Schließlich legte Bayyin die Feder ab und hob zum ersten Mal wirklich den Blick. "Jetzt bin ich für euch da, mein Herr und äh...", er schien kurz über Salemes tief verschleierten Anblick zu stolpern, "... meine Dame. Was kann ich für euch tun?"
Edrahil machte ein paar Schritte nach vorne und beugte sich zum Schreiber hin, die Hände auf den Tisch gestützt. "Jetzt gerade? Nichts. Aber wir würden euch gerne in unsere Gemeinschaft aufnehmen, denn ein talentierter Mann wie ihr..." Er wurde unterbrochen, denn Bayyin war abrupt aufgestanden und erwiderte heftig: "Wie oft muss ich es noch klarstellen? Ich arbeite nicht exklusiv für irgendeine Organisation, und ich will auch keiner Gemeinschaft beitreten, dazu bin ich nicht hier. Es ist mir egal wer in dieser Stadt wen betrügt, also verkaufe ich auch keine Informationen. Wenn ihr einen Auftrag für mich habt dann bitteschön, aber..."
Diesmal unterbrach Edrahil ihn: "Ihr macht da einen Fehler, denke ich. Wie sind keine Gemeinschaft von Verbrechern die darauf aus sind sich zu bereichern."
"Aha.", meinte Bayyin ironisch. "Und was seid ihr dann? Die edelmütigen Rächer der Armen und Schwachen? Glaubt nicht, dass es noch niemand mit dieser Lüge bei mir versucht hat."
Edrahil schüttelte den Kopf, nahm die Kapuze ab erwiderte: "Ihr irrt euch sehr, Schreiber.  Mein Name ist Edrahil von Linhir, und ich bin hier im Auftrag Fürst Imrahils von Dol Amroth. Und ich will ehrlich sein: Unser Ziel ist nicht weniger als der Sturz Hasaels und Suladans, und die Befreiung Harads von Saurons Einfluss. Wenn euch eure Aufgabe wichtiger erscheint als das... bitte sehr, dann werde ich euch nicht weiter belästigen." Er richtete sich auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wartete auf Bayyins Antwort. Diese lies tatsächlich ein wenig auf sich warten, denn der Schreiber schien angestrengt nachzudenken.
"Wenn das tatsächlich euer Ziel ist...", begann er schließlich. "Euer Ziel ist ehrenhaft und wert dafür zu kämpfen, ja. Aber ich kann mir nicht sicher sein, dass ihr tatsächlich die Wahrheit sagt, denn auch mit dieser Lüge haben bereits Leute versucht, mich anzuwerben. Also nein, solange ihr mir nicht beweisen könnt dass ihr tatsächlich ehrlich wart... solange werde ich mich euch bestimmt nicht anschließen."
"Nun, wenn euch mein Wort nicht genügt... mehr kann ich nicht bieten.", erwiderte Edrahil. "In diesem Fall verabschiede ich mich und danke euch für eure Zeit."

Vor der Tür sagte er leise zu Saleme: "Das lief ja weniger gut. Seid ihr sicher, dass ihr diesen Schreiber unbedingt haben wollt?" "Ja.", erwiderte Saleme ebenso leise, und sagte dann deutlich lauter: "Nun, wir haben noch ein paar Kontakte. Der nächste ist eine hochinteressante junge Frau... angeblich hat sie weiße Haare, könnt ihr euch das vorstellen?" Edrahil war sich sicher, dass Bayyin die letzten Worte gehört haben musste, denn aus dem Augenwinkel sah der durch die halboffene Tür, wie der Schreiber plötzlich den Kopf hob und ihnen intensiv nachblickte.

Eandril:
Narissas Start:

Sie waren schon einige Straßen vom Bayyins Quartier entfernt, als Edrahil leise zu Saleme sagte: "Er folgt uns, nicht wahr?" Die Assassinin nickte unauffällig, und erwiderte mit einem belustigten Unterton: "Ja, allerdings nicht besonders geschickt."
"Ihr wisst etwas über ihn, dass ihr mir nicht verraten habt, oder?", fragte Edrahil.
"Nun... ja. Besser gesagt, ich vermute einiges. Meine Vermutungen stellen sich übrigens in den meisten Fällen als zutreffend heraus, und die Tatsache dass er uns folgt deutet bereits an, dass ich mich keineswegs irre."
"Ihr vermutet, dass Bayyin und unser nächster Kontakt sich kennen." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und so gab Saleme auch keine Antwort. Dafür stellte Edrahil doch eine Frage: "Werdet ihr mir wenigstens verraten wie dieses weißhaarige Mädchen heißt? Das wäre praktisch zu wissen, wenn ich gleich mit ihr reden soll."
"Der Name dieses Mädchens ist Narissa... auch wenn die Bezeichnung Mädchen viel zu harmlos für sie klingt. Wenn sie die ist für die ich sie halte, dann hat sie in ihrem kurzen Leben bereits Dinge getan und erlebt, die ihr euch nicht einmal vorstellen könnt.", erwiderte Saleme.
Edrahil schnaubte belustigt. "Ich kann mir eine ganze Menge Dinge vorstellen." "Wir werden sehen..." Saleme blieb vor der Tür einer heruntergekommenen Hütte, die sich an die Stadtmauer drückte, stehen. "Wir sind da.", sagte sie, und deutete eine einladende Geste in Richtung der Tür an. Edrahil seufzte - er mochte es nicht, einem neuen Kontakt derart unvorbereitet entgegenzutreten - und öffnete dann die Tür. Der winzige schäbige Raum war leer bis auf ein Strohlager in einer der Ecken und einen schiefen Tisch, auf dem eine einzelne Kerze brannte. Doch trotz der brennenden Kerze war niemand zu sehen... Reflexartig wandte Edrahil sich um, und sah sich einer jungen Frau gegenüber, die offenbar in eben diesem Moment vom gegenüberliegenden Dach gesprungen war. Die Frau hielt einen Dolch in jeder Hand, doch Edrahil fielen vorerst nur ihre kurzen, unregelmäßig geschnittenen Haare auf - sie waren völlig weiß.

"Narissa, nehme ich an?", fragte er so ruhig wie möglich, und warf dabei Saleme einen Seitenblick zu. Diese stand so unbewegt wie immer neben ihm, als wäre Narissas plötzliches Auftauchen für sie nicht im Geringsten überraschend gewesen. "Wüsste nicht was euch das angeht.", erwiderte die junge Frau abweisend. "Aber ihr schnüffelt hier herum, also was sucht ihr hier?" Während sie sprach beobachtete Edrahil aufmerksam ihr Gesicht. Es war ein hochinteressantes Gesicht - einerseits schmal und fein gezeichnet, andererseits aber hart und abweisend. Es war schwer zu benennen. Durchaus ein hübsches Gesicht, dachte Edrahil, wenn auch die Nase etwas zu schmal und der Kiefer zu kantig ist, um wirklich schön zu sein. Ihn verwunderten auch die verblüffend grünen Augen - die Bewohner Harads hatten seiner Erfahrung nach eher dunkle Augenfarben. Vielleicht númenorische Vorfahren? Das könnte eine Möglichkeit sein, warum Saleme so interessiert an diesem dürren Ding war.
Er riss sich auch seinen Gedanken und antwortete: "Wir suchen nach euch." "Und warum solltet ihr das tun?", erwiderte Narissa, und fuhr mit kalter Stimme fort: "Nach mir zu suchen kann böse enden..." Für einen Moment schien sie den Faden verloren zu haben, und so sagte Edrahil mit einem beruhigenden Lächeln: "Wir können durchaus auf uns aufpassen. Wir..." Er konnte nicht weitersprechen, denn mit einem Mal schlug er rückwärts gegen das raue Holz der Hüttenwand, und einer von Narissas Dolchen befand sich an seiner Kehle. Er hatte ihre Bewegung nicht einmal wahrgenommen, so schnell war sie gewesen. "So?", fauchte sie ihn an, "Ihr könnt also auf euch aufpassen? Ihr könnt euch ja nicht einmal vor mir verteidigen."
"Lass ihn los, Kind.", sagte Saleme mit sanfter Stimme, in der aber eine leichte Drohung mitschwang. "Lass ihn los, oder du könntest es bereuen." "Achja?", fragte Narissa spöttisch. "Was wollt ihr denn..." Diesmal war sie es, die nicht weiterkam, denn Saleme bewegte sich noch schneller als Narissa zuvor. Plötzlich lag die junge Frau mit den weißen Haaren rücklings und entwaffnet im Straßenstaub, und Saleme kniete ungerührt über ihr und ihr hielt ihr das eigene Messer an die Kehle. "Du bist sehr gut ausgebildet worden... aber dir fehlt noch eine ganze Menge Übung, bevor du es zur Meisterschaft bringst." Narissas Antwort bestand in dem Versuch ihr ins Gesicht zu spucken - allerdings blieb es bei dem Versuch, denn Saleme versetzte ihr blitzschnell eine kräftige Ohrfeige, die ihren Kopf zu Seite riss. "Und diese Wut müssen wir auch unbedingt loswerden, denn..."
Diesmal war sie es, denn Bayyin hatte es in seiner Rolle als stummer Beobachter offenbar nicht mehr ausgehalten. Er stürmte aus seinem Versteck in einer winzigen Nebengasse hervor und rief: "Narissa!" Dann wollte er sich auf Saleme stürzen, wurde jedoch von Edrahil aufgehalten, der ihm ins Ohr knurrte: "Ihr wollt euch doch nicht weh tun, Schreiber." Mit Bayyins Auftritt hatte Narissa schlagartig aufgehört, sich unter Salemes Griff zu wehren, und nun sah sie vom Boden rücklings zu dem Neuankömmling auf. "Bayyin?", fragte sie, und zum ersten Mal hörte Edrahil ein leichtes Zittern in ihrer Stimme. "Was... was machst du denn hier?" Saleme entließ sie aus ihrem Griff und streckte ihr eine Hand entgegen um ihr aufzuhelfen. Zögernd ergriff die weißhaarige Frau die Hand und stand auf. "Wunderbar.", sagte Saleme, und Edrahil konnte ihre Zufriedenheit aus ihrer Stimme heraushören. "Es ist doch immer schön, wenn sich alte Bekannte wiedersehen. Ihr habt doch sicher eine Menge zu besprechen, und wie es sich trifft haben mein Freund Edrahil und ich ebenfalls eine Menge mit euch zu bereden. Ich schlage als vor, dass wir uns in dieses... Haus zurückziehen, wo wir ungestört miteinander sprechen können."
Narissa warf Bayyin einen raschen Blick zu. Bayyin zuckte nur resigniert mit den Achseln und nickte dann knapp. Edrahil folgte ihnen als letzer in die Hütte. Auch wenn er sich davor hütete, es zu zeigen: Er war gespannt, was es mit diesen beiden wirklich auf sich hatte, und ob Saleme mit ihren Vermutungen, was auch immer diese sein mochten, richig gelegen hatte.

Rohirrim:
Zarifas Einstieg

„Aber was können wir tun?“
Eine schwierige Frage angesichts der Tatsache, dass Zarifa und Ziad nur zwei Obdachlose Diebe in einer Großstadt waren und Ziad nach seiner langen Zeit in Gefangenschaft ein wenig Zeit brauchte, um wieder zu Kräften zu kommen. Stunde um Stunde redeten die beiden in ihrem Zelt und Stunde um Stunde drehten sie sich dabei im Kreis. „Wir müssen möglichst weit oben in der Kette ansetzen. Die Mächtigsten Personen Umbars müssen gestürzt werden. Dann können wir etwas verändern.“ „Und wer genau soll das sein?“ „Nun, der Mächtigste ist wohl der Fürst Hasael, aber an den kommen wir wohl so schnell nicht ran. Sein Palast ist zu gut gesichert. Wir müssen beim Geld ansetzen. Die mächtigsten Kaufleute Umbars unterstützen Hasael. Wenn wir uns irgendwie ihren Reichtum zu eigen machen könnten, hätten wir ganz neue Möglichkeiten, während Hasael gleichzeitig Macht einbüßen würde.“ „Aber wie sollen wir das anstellen? Es geht hierbei nicht darum ein kleines bisschen Essen oder eine Geldbörse mit ein paar Münzen zu stehlen. Wir haben überhaupt keine Erfahrung in solcherlei Dingen und beim kleinsten Fehler sind wir geliefert.“ „Wir bräuchten Unterstützung.“ „Aber wo sollen wir die herbekommen? Wir können wohl kaum einfach so Flugblätter aushängen“ „Wir könnten ein Zeichen setzen. Indem wir einen reichen Sack demütigen zeigen wir den kleinen Leuten, dass es Hoffnung gibt. Wir können ja wohl kaum die einzigen sein, die unter der aktuellen Herrschaft leiden. Die Leute trauen sich nur nicht den Mund aufzumachen“ „Das ist richtig, aber auch hier stellt sich die Frage, wie wir das anstellen sollen. Ich denke wir sollten eher im Geheimen arbeiten.“ „Aber was wollen wir im geheimen bewirken?“

So ging es noch eine ganze Zeit weiter. Schließlich wurde ihnen klar, dass sie zu zweit dem Fürsten oder dessen engsten Vertrauten in deren Palast ungefähr so gefährlich werden konnten, wie eine Fliege, die vor den Fenstern des Palastes vor sich hin summt. Vielleicht ein bisschen nervig, aber in keiner Weise bedrohlich oder gar gefährlich. Gefährlich wäre es nur für die Fliege selber, denn auf sie wartete als Strafe für die Störung vermutlich der Tod. Also beschlossen die beiden, sich erst einmal ein wenig auf der Straße umzuhören und nach potenziellen Verbündeten zu suchen. Mit diesem Entschluss legten die beiden sich schlafen. Bei Zarifa blieb zumindest dieses Vorhaben jedoch lange Zeit erfolglos. Stunden vergingen, während sich die junge Südländerin immer wieder hin und her wälzte, während sie über alles nachdachte. Neben dem Feuer des Enthusiasmus, welches das Vorhaben des Aufstandes in ihr entfacht hatte, schlich sich nun ein neues Gefühl in die Gedanken Zarifas. Was wenn sie scheiterten? Die Narben an ihrem Rücken fingen auf einmal ungewöhnlich stark an zu brennen, während sie sich an ihre früheren Strafen zurückerinnerte. Sie versuchte diese Gedanken zu verdrängen, doch es gelang ihr nicht recht. Ihre Gedanken flitzen zwischen Gefängnissen, Peitschenhieben und einem zahnlosen Grinsen hin und her. Doch dann wiederum dachte die junge Haradrim an Ziad und daran wie sehr sie drauf brannte etwas zu verändern. Und das Risiko eines weiteren Zellenaufenthalts war  es allemal wert. Doch würde sie diesmal erneut mit Einzelzelle und Peitschenhieben durchkommen? Oder wartete am Ende gar der Tod auf sie?

Sie kauerte allein in einem völlig kahlen Raum. Es gab keine Fenster und von den feuchten Wänden ging ein modriger Geruch aus. Die verschlossene Tür vor ihr war der einzige Ausweg. Kälte sowie die Angst um das eigene Schicksal ließen sie erschaudern. Wie würde es jetzt mit ihr weitergehen?
Von außerhalb der Tür hörte sie immer wieder Schritte. Patrouillierende Wachen? Wann würden sie sie aus ihrer Zelle holen und was würde dann mit ihr geschehen? Man hatte ihr nichts gesagt. Die Männer draußen redeten und lachten gelegentlich. Bildete sie es sich nur ein, oder hörte sie sie über „die süße Diebin“ sprechen?
Ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Die junge Südländerin erschauderte als sie hörte wie die Tür quietschend aufging, als sie fühlte wie ihr Angstschweiß über den Rücken rann, als sie sah wie sich vor ihr ein großer, dicker Mann mit zahnlosem Grinsen aufbaute und als sie die Tränen auf ihre Zunge schmeckte. Das Grinsen des Mannes wurde breiter und er streckte seine Hand nach ihr aus.
Erschrocken fuhr Zarifa aus dem Schlaf. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust, sie atmete schwer und sie schwitzte am ganzen Körper. Doch sie lag in ihrem Bett. Unversehrt.

Zarifa und Ziad bleiben am selben Ort

Eandril:
Edrahil schloss die Tür der Hütte hinter sich und tauchte den einzigen Raum somit in ein schummriges Halbdunkel, in dem Narissas Haare geradezu zu leuchten schienen.
Die muss sie dringend färben, sonst kommt sie nie ungesehen irgendwo rein, dachte er bei sich, während Saleme das Wort an die beiden jungen Leute: "Also, offenbar war meine Vermutung, dass ihr euch bereits kennt, zutreffend. Von daher gehe ich davon aus, dass der Rest meiner Vermutungen ebenfalls stimmt."
"Achja?", entgegnete Narissa feindselig, und ihre Schultern spannten sich an. "Was vermutet ihr denn so?" Saleme seufzte, setzte sich vorsichtig auf die Kante des kleinen Tisches und verschränkte die Arme.
"Ihr seid die Enkelin Hadors von der Weißen Insel, wo ihr in Künsten der Spionage und Attentate ausgebildet wurdet. Euer Freund Bayyin dagegen kommt aus Aïn Séfra, wo er Bibliothekar war, bis die Bibliothek niedergebrannt ist. Ihr wart gemeinsam auf der Weißen Insel als Suladans Truppen sie angriffen und zerstörten, und ihr seid beide entkommen."
Narissa entspannte sich kein bisschen, und auch der Schreiber - oder Bibliothekar - Bayyin wirkte weiterhin angespannt. "Woher wisst ihr von der Insel? Ich dachte, niemand außer uns wüsste davon!", fragte das Mädchen, offenbar zornig das jemand anderes ihr Geheimnis kannte.
Ihr Zorn erregte jedoch nur Heiterkeit bei Saleme, die in amüsiertem Tonfall erwiderte: "Ich habe viele Spione und weiß vieles. Eure Insel war weder so unbekannt noch so unbedeutend wie ihr glauben mögt. Und außerdem..." Die Spionin unterbrach sich, und Edrahil war klar, dass die mehr wusste als die Narissa mitteilen wollte.
Bevor das Mädchen nachhaken konnte, sagte er mit aller Autorität die er sich im Lauf der Jahre angeeignet hatte: "Die Insel mag in Harad nicht unbekannt sein, aber in Gondor hat noch niemand davon gehört. Was hat es damit auf sich?"
"Das ist eine Geschichte für eine andere Zeit.", meinte Saleme. "Fürs erste genügt euch zu wissen, dass diese beiden ebenso Suladans und Mordors Feinde sind wie wir."
Oder zumindest ich, fügte Edrahil in Gedanken hinzu. Auch wenn er glaubte, dass Saleme momentan tatsächlich auf seiner Seite stand, war er bei dem größeren Spiel, dass sie spielte, nicht so sicher. Im entging auch nicht, dass Narissa sich bei der Erwähnung Suladans noch mehr verkrampfte als zuvor. Es schien irgendeine Verbindung zwischen dem Sultan und diesem dünnen Mädchen zu geben - wahrscheinlich war es nur die Tatsache, dass Suladan ihre Heimat niedergebrannt hatte. Dennoch hatte Edrahil auch hier das Gefühl, dass Saleme mehr wusste als die preisgab.
Und was diese Insel angeht... Auch wenn er die Wahrheit gesagt hatte, er hatte tatsächlich noch nie davon gehört,  deuteten Narissas Aussehen und der Name ihres Großvaters doch ziemlich eindeutig auf eine númenorische Abstammung hin. Zwar floss gerade in Küstennähe in ziemlich vielen Haradrim númenorisches Blut, schließlich hatten die Númenorer einst hier gesiedelt und Umbar gegründet, doch nur die wenigsten nahmen immer noch Namen wie Hador an. Dies deutete darauf hin, dass Narissas Volk sich seiner westlichen Wurzeln noch immer immer erinnerte und sie in Ehren hielt.

Jetzt rührte sich der junge Schreiber, der bislang kein Wort gesagt hatte. "Ich glaube euch.", sagte er, und erntete dafür einen entsetzten Seitenblick von Narissa. "Edrahil kommt mit Sicherheit aus Gondor - so wie er spricht und aussieht. Dort leisten sie Mordor noch immer Widerstand, und warum sollte er hierher kommen, wenn nicht um Suladan zu stürzen?" Er richtete das Wort jetzt direkt an Edrahil, nicht an Saleme, wie Edrahil mit gewisser Genugtuung feststellte. "Ich weiß zwar nicht, was ihr mit einem Schreiber und Bibliothekar anfangen wollt, aber wenn ihr mich haben wollt - ich stehe euch zur Verfügung."
Auf Narissas Gesicht malten sich Schrecken und Unglauben ab, und bevor sie etwas sagen konnte, griff Edrahil ein: "Bayyin muss mit Sicherheit noch einige Sachen aus seiner Unterkunft einsammeln." Der Schreiber nickte. "Ich schlage vor, dass Saleme ihn dahin begleitet und ihn dann zu unserem Versteck führt. "Wenn Saleme verwundert war, zeigte sie es mit keiner Regung, und so fuhr Edrahil fort, direkt an Narissa gewandt: "Und da du nicht viele Habseligkeiten zu besitzen scheinst, begleite ich dich direkt dorthin. Wenn du es dir auf dem Weg anders überlegst, sollte es dir ja nicht schwerfallen  mir zu entwischen.", schloss er mit einem Augenzwinkern.
Nach einem kurzen Zögern nickte das weißhaarige Mädchen.

Narissa und Edrahil in das Versteck...

Eandril:
Narissa aus Edrahils Versteck...

Es war bereits früher Nachmittag, als Narissa das unscheinbare Haus verließ, dass Edrahil als Unterschlupf diente. Ihr Weg führte sie durch die glücklicherweise noch einigermaßen leeren Straßen, die sich nach der mittäglichen Hitze erst allmählich wieder füllten, zum Nordwesttor unterhalb des Fürstenpalasts.
Am Tor befanden sich einige Ställe in denen Reisende ihre Reittiere unterstellen konnten, und dort befand sich auch die graue Stute, die Narissa und Bayyin am Tag zuvor für ihre Reise nach Aín Sefra gekauft hatten. Sie betrat den Stall und stellte erleichtert fest dass der Besitzer tatsächlich so ehrlich war wie er gewirkt hatte, denn das Pferd stand noch in seiner Box.
Narissa löste den Knoten, mit dem die Stute an die Stallwand gebunden war, und strich ihr über den silbergrauen Hals. Das Pferd schnaubte leise, und blickte sie aus einem schwarzen Auge vertrauensvoll an, und Narissa fühlte plötzlich Dankbarkeit gegenüber Bayyin, denn den Großteil des Preises hatte er für sie bezahlt.
Sie führte die Stute aus dem Stall und gab dem Besitzer, der sie offenbar wiedererkannt hatte. Den Weg durch das Stadttor legte sie noch zu Fuß zurück, ihr Pferd am Zaumzeug führend, denn inzwischen war das Gedränge so dicht geworden, dass Reiten keinen Zweck hatte. Schließlich hatte Narissa jedoch das Tor hinter sich gebracht, und außerhalb der Stadtmauern zerstreute sich die Menge etwas. Sie schwang sich in den Sattel und rückte das Tuch, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte um ihre auffälligen weißen Haare zu verbergen, zurecht. Auch das dünne helle Hemd, über das schräg über den Oberkörper ein schmaler Ledergurt verlief, war verrutscht. An dem Gurt steckten über ihrer Schulter zwei Dolche, und am Gürtel der um die Hüfte verlief, trug sie zwei weitere. Am Sattel hing Wasserschlauch, und den Beutel mit ihren Habseligkeiten und etwas Nahrung hatte sie vor sich quer über den Sattel gelegt und am Sattelknauf festgehakt.
Ihr Pferd stampfte ungeduldig mit dem Vorderhuf. Narissa beugte sich vor und flüsterte der Stute ins Ohr: "Die meisten Pferde haben Namen, heißt es. Also nenne ich dich Grauwind, und ich hoffe dass du dem Namen gerecht wirst." Sie setzte sich wieder auf und bedeutete Grauwind mit einem sanften Hackenstoß in die Flanken, sich in Bewegung zu setzen.
Die Stute wurde ihrem Namen mit Leichtigkeit gerecht, und schon bald hatten sie Umbar hinter sich gelassen.

Narissa nach Aín Sefra...

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