Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Umbar

Der Fürstenpalast

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Eandril:
Edrahil von den Straßen von Umbar...

Am Tor des Palastes traf Edrahil auf Aquan, der ihm zunickte und dann sagte: "Folgt mir bitte. Der Sultan erwartet euch bereits seit Tagen ungeduldig. Er brennt darauf, von euch zu hören, was ihr so alles erreicht habt." Bei diesen Worten erschien es Edrahil merkwürdigerweise, als würde der Hauptmann kurz höhnisch grinsen - aber welchen Grund hätte er dazu? Wahrscheinlich war er bloß paranoid, obwohl ein wenig Verfolgungswahn das Leben verlängerte.
Dennoch folgte Edrahil Aquan wortlos, als dieser sich umwandte und durch das Tor den Innenhof des Palastes betrat. Als Edrahil nervös über die Schulter blickte, sah er, wie das Tor hinter ihnen lautlos geschlossen wurde.
Aquan musste einen Blick bemerkt haben, denn er sagte: "Wir wollen doch nicht, dass irgendjemand aus dem Pöbel auf die Idee kommt, ungefragt hier herein zu kommen, nicht wahr?" Edrahil nickte langsam, und erwiderte: "Da habt ihr wohl recht. Der Sultan sollte schließlich nicht gestört werden." Dabei ließ er langsam den Blick über den Innenhof schweifen, dessen Pracht überwältigend war. In der Mitte des Hofes erhob sich ein großer, kunstvoll gestalteter Springbrunnen, und der Weg zum Eingang in den eigentlichen Palast war von überlebensgroßen Statuen der alten Fürsten von Umbar gesäumt.

Edrahil erkannte die Namen, die auf den Sockeln eingraviert waren: Castamir, Angamaite, Sangahyando - diese Namen kannte er, es waren der Thronräuber und seine Urenkel. Hyarmenehte, er war von König Telumehtar bei der Eroberung Umbars erschlagen worden. Nostoher, dessen Tochter mit Hasael verheiratet war, und schließlich Hasael selbst. Eine Galerie der Feinde Gondors aus dem Süden, und Edrahil musste sich zurückhalten, seinen Hass nicht zu zeigen. Dies waren die Herrscher jener Bestien, die für den Tod seines Vaters und seiner Frau und unzähliger anderer unschuldiger Menschen verantwortlich waren, und die seinen Sohn in die Sklaverei entführt hatten.
Plötzlich stellte er fest, dass Aquan keineswegs stehengeblieben war, um den Innenhof zu bewundern, und eilte ihm so schnell hinterher, wie sein Bein es zuließ.
Als sie die Tür zu Hasaels Thronsaal erreicht hatten, hatte Edrahil den Hauptmann leicht keuchend und stärker hinkend als zuvor eingeholt..

Das hat er mit Absicht getan! Er will mich demütigen.

Aquan drehte sich zu ihm um, und fragte dann: "Seid ihr bereit?" Edrahil nickte. "Natürlich." "Nun gut, ist ja eure Sache..." Und mit diesen rätselhaften Worten wandte Aquan sich wieder ab und bedeutete den Wachen zu beiden Seiten der hohen Türen, ihnen zu öffnen. Die großen Türflügel schwangen unheilvoll knarrend auf.
"Geht doch voran.", meinte Aquan, und deutete dabei eine leichte Verbeugung an, und dabei wurde Edrahil erst recht unangenehm. Irgendetwas war doch faul an der Sache, um das zu spüren musste man nicht so bewandert in Intrigen sein wie er... oder war er wieder nur paranoid? Als er einen Augenblick zögerte, den Thronsaal zu betreten, blickte Aquan ihn fest an, und in seinem Blick lag ein Hauch von Stahl und von eiskalter Berechnung.
Da entschloss Edrahil sich, die Angelegenheit lieber hinter sich zu bringen, denn egal was passieren mochte, nichts konnte es jetzt noch aufhalten. Also betrat er den Thronsaal, und schritt auf Hasael, der auf dem alten Thron Umbars saß zu. An den Seiten ragten gewaltige Säulen auf, die das Dach des Saales trugen, und an diesen waren Banner zu sehen, Banner aus alten, längst vergangenen Zeiten des Glanzes, Banner der Númenorer, Banner der ersten Korsaren, Banner der Gefolgsleute Castamirs... je weiter er sich dem Thron näherte, desto neuer wurden sie. An den Wänden des Saales zogen sich Bänke hin, die sonst wahrscheinlich sonst mit Höflingen und Gesandten besetzt waren, doch heute waren sie leer. Bei dieser Beobachtung begann Edrahils Nacken zu kribbeln, und das war kein gutes Zeichen.

Schließlich hatte er den Thron erreicht, und wollte sich auf ein Knie niedersinken lassen, als Hasael sprach: "Ich braucht nicht zu knien. Ich denke, wir beide können uns diese Posse ersparen, nicht war, Edrahil von Dol Amroth?" Als er seinen Namen hörte, glaubte Edrahil, der Boden sei ihm unter den Füßen weggebrochen. Wie konnte das möglich sein? Er hatte mit allem möglichen gerechnet, aber nicht damit... Niemals hätte er gedacht, dass seine Tarnung scheitern könnte, selbst nicht in dieser riskanten Situation.
Als er schwieg, fuhr Hasael fort: "Nichts? Kein einziges Wort von euch, Edrahil, Meister der Intrigen? Nun, ein Meister seid ihr wohl doch nicht, oder?" Trotz des Spotts sah Edrahil dem Sultan an, dass hinter seiner Maske der Zorn brodelte, und ihm wurde klar, dass ihn wohl nichts und niemand mehr würde retten können.
"Wie habt ihr es herausgefunden?", fragte er.
Hasael beugte sich leicht vor und antwortete: "Nun, es wird wohl nichts schaden, es euch zu erzählen - euch das ganze Ausmaß eurer Unfähigkeit vor Augen zu führen, bevor ihr verrottet...
Nun gut, ihr habt euch für sehr schlau gehalten. Ihr seid aus Dol Amroth nach Umbar gekommen, und habt euch dieser lästigen Saleme angeschlossen. Dann habt ihr geplant, mich und meine Söhne töten zu lassen. Aber irgendwann scheint euch aufgegangen zu sein, dass es möglicherweise nicht besonders günstig für Dol Amroth wäre, wenn ich tot bin, und Saleme die Macht übernimmt. Verständlich, denn wer weiß schon, was im Kopf dieser Schlange vor sich geht? Also habt ihr euch entschlossen, sie zu verraten und einige ihrer Assassinen zu erledigen. Soweit so gut, damit konnte ich leben, doch ihr habt mir nicht erzählt, dass ihr zwei meiner Söhne verbrennen wolltet, und einen meiner Generäle wolltet ihr auch noch erledigen!
Aber ich wusste es, und wisst ihr auch, warum? Ihr habt euer Vertrauen in den Falschen gesetzt. Ihr habt Hasil den Assassinen als Verräter ausgegeben, und dachtet, ich würde ihn für euch erledigen, nicht wahr? Nur leider, war Hasil tatsächlich ein Verräter - er hat die ganze Zeit über für mich gearbeitet."
Hasael lehnte sich wieder zurück, und ließ Edrahil Zeit, das Gehörte zu verarbeiten, und das war auch nötig. Noch nie zuvor in seinem Leben war ihm sein solcher Fehler unterlaufen, und noch nie zuvor hatte er sich in eine derart aussichtslose Situation gebracht. Hasael wollte ihn tot sehen, und von Saleme war wohl keine Rettung zu erwarten.

Vergebt mir Imrahil, ich habe versagt.

Als er sich wieder gefangen hatte, sagte Edrahil: "Und was habt ihr nun mit mir vor? Wollt ihr mich öffentlich hinrichten lassen, zu Belustigung des Volkes?"
"Oh nein.", erwiderte der Fürst. "Ihr habt geplant, mich und meine Söhne zu töten, und ihr seid ein Verräter. Eine einfache Hinrichtung ist viel zu gut für euch. Aquan, werft ihn in den Kerker, und lasst ihn dort verrotten. Achja, und sucht eine besonders... schöne Zelle aus."

Eandril:
Als Aquan ihn unsanft aus dem Thronsaal zerrte, schwanden Edrahils letzte Hoffnungen, die Sache schnell hinter sich zu bringen. Damit, den Palast lebend zu verlassen hatte er schon nicht mehr gerechnet, seit Hasael seinen Namen gesagt hatte. Eine saubere, schnelle Hinrichtung war seine letzte Hoffnung gewesen, aber wie es aussah, würde ihm auch ein schneller Tod nicht vergönnt sein.
Flankiert von drei Wachen - eine hinter und zwei jeweils links und rechts von ihm - und geführt von Aquan hinkte Edrahil immer tiefer in die Gewölbe des Fürstenpalastes. Schließlich, nachdem sie mehrere Treppen hinuntergestiegen waren, erreichten sie einen schmalen, niedrigen Gang. An seinen Seiten konnte Edrahil mehrere mit Eisen beschlagene Holztüren mit einem winzigen vergitterten Fenster erkennen, die sehr nah beieinander lagen. Scheinbar waren die Zellen, die sich dahinter befanden, nicht besonders groß.

Aquan führte ihn mehrere Schritte in den Gang hinein und ignorierte die ersten Türen. Schließlich blieb er stehen und löste einen gewaltigen Schlüsselbund von seinem Gürtel. Mit einem der Schlüssel öffnete er die Tür, vor der sie standen, und was sich dahinter befand, überstieg Edrahils schlimmste Befürchtungen. Die Zelle war wirklich klein, so klein, dass höchstens zwei Mann eng aneinander darin liegen konnten, und die Decke war so niedrig, dass er höchstens gebückt stehen können würde. Zur hinteren Wand hin, die höchstens acht Fuß von der Tür entfernt war, fiel die Decke auch noch ab, sodass am Ende der Zellen wahrscheinlich auch aufrechtes Sitzen unmöglich war.
Der Boden war aus nacktem, kalten Stein, ohne eine Schicht Stroh, wie es in den Kerkern von Dol Amroth üblich war. Licht spendeten höchstens die Fackeln, die außerhalb der Zellen an der Wand des Ganges hingen, doch wenn diese einmal erloschen, würde es vollkommen finster sein.
Immerhin habe ich einen Eimer, dachte Edrahil, als sein Blick auf selbigen fiel, der in einer Ecke an der Wand stand.

Nachdem er die Tür geöffnet hatte, verneigte Aquan sich spöttisch und sagte: "Willkommen im Loch, Fürst Edrahil. Ich hoffe, es ist alles nach eurer Zufriedenheit?" Edrahil würdigte diese Provokation keiner Antwort, was Aquan wütend zu machen schien. Er stieß Edrahil unsanft hin die Zelle, knallte die lautstark die Tür hinter ihm zu, und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Noch einmal sah Edrahil ihn durch die winzige vergitterte Öffnung in der Tür blicken, und hörte ihn sagen: "Viel Vergnügen in euren ganz persönlichen Gemächer, euer Erhabenheit." Dann waren die Augen fort, und für einen Augenblick hörte Edrahil noch die Schritte der sich entfernenden Wachen. Als ihn Stille umfing, ließ er sich an der Seitenwand seiner Zelle zu Boden sinken und schloss die Augen.

Eandril:
Die Dunkelheit des Lochs umfing Edrahil. Das einzige bisschen Licht, das in die Zelle fiel, stammte von einer Fackel draußen auf dem Gang, und es reichte nicht aus, um den Raum wirklich zu erhellen. Selbst mit geschlossenen Augen war es nicht viel dunkler.

Die Tage vergingen. Zumindest glaubte Edrahil, dass sie vergingen, denn in der endlosen Dunkelheit war ihm schnell das Zeitgefühl abhanden gekommen. Seine einzige Möglichkeit, einen Tag vom nächsten zu unterscheiden war der Kerkermeister, der ihm ab und zu Essen brachte - meistens altes, teilweise schon schimmliges Fladenbrot. Anfangs hatte er sich noch geweigert, das Brot zu essen, teilweise aus Ekel, teilweise aus Sturheit, aber schließlich hatte ihn der Hunger doch überwältigt.
Die einzige Beschäftigung, die er in seine Kerker hatte, war denken. Und das tat er, viel zu viel, denn seine Gedanken waren nicht angenehm. Er stellte sich vor, wie Dol Amroth schließlich von den Korsaren überrannt wurde.
Die Stadt brannte. Überall waren Männer mit schwarzen Augen in der Kleidung der Korsaren, die alles niedermetzelten, was ihnen in den Weg kam. Auf dem Platz der tausend Schwanenfedern wurden Frauen zusammengetrieben, und in den Straßen wurde bereits vergewaltigt. Edrahil wandte sich zum Palast des Fürsten.
Über dem Tor hingen mehrere Köpfe, Edrahil kannte sie alle: Imrahil, seine Söhne Erchirion und Elphir, Hilgorn, der Hauptmann der Wache, Amros von Edhellond... Nur Amrothos und Lóthiriel fehlten. Aber zumindest wo Lóthiriel war, konnte er sich vorstellen.
Er trat durch den Torbogen, aber war plötzlich nicht mehr im Palast von Dol Amroth, sondern in einer kleinen Fischerhütte, die ihm trotz der langen Zeit, die vergangen war, immer noch völlig vertraut war. Vor der Feuerstelle lag ein Körper, blutig zerschunden. Seine...

NEIN!

Edrahil riss die Augen auf, und zwang sich gerade zu aus seinen Träumen. Die Dunkelheit der Zelle umfing ihn diesmal geradezu freundlich. Hier unten gab es nichts, wovor er sich fürchten musste... außer ihm selbst.
"Ah, ihr seid wach.", hörter er plötzlich eine Stimme neben sich. Weiblich.
"Wer...", brachte Edrahil heraus, seine eigene Stimme fremd und rau von der Zeit, die er sie nicht gebraucht hatte.
Ein Licht flammte auf, und er sah wieder die Maske vor sich, die Saleme am Tag seiner Ankunft in Umbar bei ihrem Gespräch getragen hatte. Sie trug eine kleine Laterne, die gerade so ihr Gesicht - oder eher, ihre Maske - beleuchtete.
"Saleme."
"Höchstpersönlich."
Edrahil setzte sich leise ächzend auf, den Rücken an die kalte Steinwand gelehnt.
"Wie seid ihr hier hereingekommen?"
Sein Gegenüber lachte leise. "Nun sagen wir... ich habe Freunde an allen möglichen Orten. Aber Edrahil, die für euch wichtige Frage sollte nicht Wie, sondern Warum sein."
Edrahil schüttelte den Kopf. "Nein, die Antwort auf diese Frage weiß ich schon."
"So?"
"Ich wollt mich töten. Aus Rache für eure Leute, die ich verraten und getötet habe."
Wieder lachte Saleme, leise und unangenehm. "Glaubt ihr wirklich, ich würde euch jetzt töten? Was hätte ich denn davon? Nein, ich wollte euch nur... einen Besuch abstatten, um unseres Bündnisses Willen."
Es fiel Edrahil schwer, Salemes Worten glauben zu schenken.
"Oh, damit ihr nichts falsches denkt: Ich bin wirklich wütend auf euch für das, was ihr getan habt, und würde die Welt tatsächlich am liebsten hier und jetzt von euch befreien. Aber ich kann es mir nicht leisten, mich von Gefühlen ablenken zu lassen."
"Na gut. Warum seid ihr wirklich hier?", krächzte Edrahil.
"Es hat sich etwas ereignet, das für große Veränderungen sorgen wird. Und ich werde euch brauchen, um dafür zu sorgen, dass diese Veränderungen zu meinen Gunsten ausfallen."
"Was hat sich ereignet?"
"Das werdet ihr schon früh genug merken. Und jetzt schlaft." Die Assassinin öffnete ihre linke Hand, und blies Edrahil ein feines Pulver ins Gesicht. Sofort spürte er, wie seine Lider schwer und seine Gedanken langsam wurden.
"Wartet, ich..." Dann fielen seine Augen zu, und ihn umfing erneut der Schlaf - diesmal zum Glück vollkommen traumlos.

Edrahil erwachte von einem Tritt gegen sein linkes Bein. Flackerndes Fackellicht erfüllte die Zelle, und enthüllte den Kerkermeister, der über ihm stand.
"Aufstehen, Verräter."
Edrahil kämpfte sich langsam aus seiner liegenden Position in eine sitzende hoch.
"Verdammt, wirds bald?" Mit der freien Hand packte der Kerkermeister ihn unsanft am Arm und zog ihn grob auf die Füße.
"Der Fürst will dich sehen, Verräter."

Eandril:
Edrahil fühlte sich stark an seinen ersten Besuch im Thronsaal von Umbar zurückerinnert. Wieder war der Saal völlig leer, bis auf die Gestalt Hasaels, die auf dem Thron zu erkennen war. Und wieder humpelte er hinter einem Führer her, diesmal nicht Aquan, sondern der namenlose Kerkermeister, und wieder ging dieser Führer ein Stück zu schnell für ihn.
Als er vor dem Thron stand, keuchte Edrahil noch mehr als gewöhnlich, denn die Zeit im Kerker hatte ihm zu schaffen gemacht. So blieb er auch einen Moment länger auf den Knien liegen als ihm Recht war, nachdem der Kerkermeister ihn unsanft auf selbige hinab gezwungen hatte.
Hasael trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf seine Armlehne, dann gab er dem Kerkermeister ein Zeichen und dieser zog Edrahil ebenso unsanft auf die Füße wie er ihn zuvor auf die Knie gestoßen hatte.  Als Edrahil dem Fürsten ins Gesicht sah, fiel ihm auf, dass dieser ungewöhnlich blass war und die Stirn von Sorgenfalten durchzogen war, die bei ihren ersten Begegnungen noch nicht so ausgeprägt gewesen waren.
"Ihr habt schon besser ausgesehen, Edrahil.", ergriff der Fürst das Wort.
"Ihr aber auch." Jetzt war nicht die Zeit für höfliche Spielchen. Edrahil war bewusst, dass ihm keine noch so schlimme Unverschämtheit in seiner Situation noch schaden konnte, und das gedachte er auszunutzen.
Hasael seufzte und erwiderte: "Ihr seid zwar unverschämt, aber ihr habt recht." Er richtete sich auf seinem Thron auf.
"Ich habe ein Problem, Edrahil. Mein verräterischer Neffe, von dem euch diese Schlange Saleme bestimmt schon erzählt hat, hat sich in Linhir auf die Seite eurer Leute geschlagen und meine Verbündeten dort in einer Schlacht besiegt."
Edrahil rührte sich nicht, und zeigte auch keine Veränderung seiner Miene.
"Ihr freut euch gar nicht? Gut, dann wisst ihr wahrscheinlich, was das bedeuten könnte: Sauron wird nicht erfreut darüber sein, und er könnte seinen Blick wieder auf Dol Amroth richten. Ich könnte mich darüber freuen, wenn unser Anführer die Lage dort beruhigt, aber er könnte, nachdem er Dol Amroth und den Rest von Gondor dem Erdboden gleichgemacht hat, zu dem Schluss kommen, dass ich mit der Herrschaft über Umbar überfordert bin."
Diesmal konnte Edrahil ein schadenfrohes Zucken seiner Mundwinkel nicht ganz vermeiden.
"Das würde euch gefallen, nicht wahr? Vergesst aber nicht, dass zu diesem Zeitpunkt von Dol Amroth nur noch Ruinen übrig sein werden, und jeder den ihr kennt, tot sein wird. Aber, Edrahil, wir könnten verhindern, dass es überhaupt so weit kommt..."
"Und wie gedenkt ihr das zu tun, oh großmächtiger Fürst?", fragte Edrahil im Ton beißenden Spotts.
"Nun, ihr werdet eurem Fürsten einen Brief schreiben. Ihr werdet ihm raten, Qúsay nicht zu trauen, und das Bündnis mit ihm aufzukündigen. Meine Spione werden euch Dokumente zukommen lassen, die beweisen, dass mein Neffe auch Dol Amroth verraten wird, nachdem er mich gestürzt hat."
Edrahil dachte einen Moment nach. Der Fürst von Umbar versuchte zu spielen, ein gefährliches Spiel, aber er spielte mit den falschen Leuten. Hasael war kein guter Spieler - ganz im Gegensatz zu Edrahil selbst. Dies konnte eine Gelegenheit sein, diese Sache doch noch zu seinen Gunsten zu wenden.

"Also gut. Ich werde es tun."
"Dann ist das also beschlossen. Kerkermeister, besorgt ihm eine vernünftige Zelle, einen Tisch und etwas zum schreiben."

Eandril:
Die Zelle, in die der namenlose Kerkermeister in nach der Begegnung mit Hasael gebracht hatte war mit seiner vorherigen tatsächlich in keiner weise zu vergleichen. Auf dem Boden lag sauberes Stroh, es gab ein schmales Strohlager in einer der Ecken, einen abgedeckten Eimer, einen Tisch mit einem Stuhl und sogar ein winzig kleines vergittertes Fenster.
Edrahil saß an dem Tisch und betrachtete den Brief, den er vor sich liegen hatte. Dieser war wahrscheinlich das komplizierteste Täuschungsmanöver, dass er jemals durchgeführt hatte: Der Inhalt war in einer Geheimschrift geschrieben die er einst für eben solche Zwecke entworfen, aber nie zuvor genutzt hatte.
Dabei war der Text, den er für Hasael geschrieben hatte nur lesbar, wenn man immer eine Hälfte einer Zeile abdeckte - erst dann ergaben die Schriftzeichen einen Sinn. Diese Technik war zwar nicht vollkommen unüblich, doch normalerweise ergab die abgedeckte Hälfte des Textes keinen Sinn und diente nur zur Verwirrung. In diesem Fall handelte es sich jedoch ebenfalls um einen sinnvollen Text, der von Edrahil allerdings zusätzlich über ein Codewort verschlüsselt worden war. Das ganze war höchst riskant, denn es musste unauffällig genug sein, um Hasaels Leuten nicht aufzufallen, aber deutlich genug, damit seine Leute in Dol Amroth es bemerkten. Wenn es gelang würden sie zusätzlich zu Hasaels Botschaft eine Botschaft erhalten, die genau das Gegenteil besagte:

Geht auf keinen Fall auf Hasaels Angebot ein. Erhaltet das Bündnis mit Qúsay aufrecht, aber traut ihm nicht. Ich versuche die Lage in Umbar weiter zu destabilisieren. Provoziert Mordor auf keinen Fall direkt. Falls Qúsay das Bündnis zu brechen scheint handelt schnell. Edrahil.

Nachdem er den Brief ein letztes Mal gelesen hatte faltete Edrahil das Blatt zusammen und stand auf. Er hieb mit der Faust gegen die Tür, und ein kleines Fenster öffnete sich darin. Edrahil übergab den Brief an den Wächter auf der anderen Seite der Tür und die Klappe schloss sich sofort wieder.
Stunden später, draußen war es bereits dunkel geworden, erklang von der anderen Seite des Palastes eine Glocke, sie schnell hintereinander läutete. Edrahil erhob sich von seinem Lager, und blickte zwischen den Gitterstäben hindurch durch das Fenster. Seine Zelle befand sich in einem der nördlichen Türme des Palastes und gewährte ihm einen guten Blick nach Süden. Dort wurde die Nacht von einem rötlichen Schein erhellt, und Rauchschwaden stiegen von dort über dem Palast auf.
Feuer...
Edrahil lächelte, denn das konnte zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur eins bedeuten. Tatsächlich waren beinahe im selben Augenblick zwei dumpfe Schläge vor seiner Zellentür zu hören, und kurz darauf hörte er, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Als die maskierte Frau den Raum betrat verneigte Edrahil sich ironisch und sagte: "Ah, ich bewundere eure Raffiniertheit, Saleme. Brilliant inszeniert." Wortlos bedeutete die angesprochene ihm, die Zelle zu verlassen.
Draußen standen vier weitere maskierte Gestalten, und zu ihren Füßen lagen die beiden Männer, die vor der Tür Wache gestanden hatten. Sobald Edrahil die Zelle verlassen hatte zogen seine Retter eine der beiden Wachen in den Raum, legten ihn auf das Strohlager und breiteten eine Decke über seinem Körper aus. Dann schlossen sie ebenso wortlos wie zuvor die Tür und zwei Männer, die wie Edrahil jetzt erst auffiel, die Kleidung der Palastwachen trugen, stellten sich davor. Die anderen beiden packten den verbliebenen Wächter, während Saleme Edrahil bedeutete, zu gehen. Sie eilten einen Gang entlang, bis sie zu einem Fenster gekommen waren. Dort hielten ihre beiden Begleiter kurz an, und als Edrahil einen Blick über die Schulter warf sah er, wie sie die Leiche des Wächters aus dem Fenster fallen ließen.
"Wird das nicht jemandem auffallen?", fragte Edrahil an Saleme gewandt. "Früher oder später auf jeden Fall.", antwortete die Stimme hinter der Maske. "Aber unter dem Fenster liegt der Haufen mit den Küchenabfällen, und dort wir so schnell niemand nachschauen."
Edrahil zog eine Augenbraue hoch. "Respekt, ihr habt das gut durchdacht." "Ich mache so etwas nicht zum ersten Mal.", kam die vollkommen unbeeindruckte Antwort. "Wir kommen gleich zu einem bewachten Ausgang, durch den wir den Palast verlassen können. Die Wächter dort sind bestochen. Sie werden zwar nicht ewig den Mund halten, aber das ist auch gar nicht nötig."
Tatsächlich verließen sie den Palast ohne Zwischenfall, und verschwanden in den engen Gassen Umbars.
Nach einigen Minuten blieb Saleme auf einem kleinen menschenleeren Platz stehen. "Euer Täuschung mit dem Brief war... sehr interessant.", sagte sie, und auf Edrahils überraschten Blick hin fuhr sie fort: "Oh bitte, ihr glaubt doch nicht, dass wir den Boten nicht abgefangen hätten? Aber keine Angst, Hasael hat euren Trick nicht durchschaut, und wir werden den Brief mit einem vertrauenswürdigen Boten nach Dol Amroth weiterschicken. Unverändert, falls euch das Sorgen macht."
"Warum habt ihr mich befreit?", fragte Edrahil. "In Hasaels Hand hätte ich einiges ausrichten können." Seine anfängliche Freude über die wiedergewonnene Freiheit war langsam Ärger gewichen.
"Nur die Ruhe, Meister Edrahil.", erwiderte Saleme. "Mir ist durchaus bewusst, was ihr in eurer neuen Situation alles hättet bewirken können. Aber in Freiheit könntet ihr noch viel mehr ausrichten, was Hasael und auch Suladan schadet. Meine Leute haben einige höchst interessante Leute ausgemacht, die sich im Augenblick hier in Umbar herumtreiben. Ich denke, ihr solltet einige von ihnen um euch sammeln und eure eigene Gruppe zusammenstellen mit der ihr gegen Hasael vorgehen könnt."


Edrahil und Saleme auf die Straßen Umbars

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