Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Umbar
Der Fürstenpalast
Fine:
Edrahil, Minûlîth, Lóminîth, Bayyin, Valion und Valirë von den Straßen von Umbar
Als die Gruppe am Fürstenpalast angekommen war, schien sich Edrahil nicht die Mühe machen zu wollen, den Plan noch einmal im Einzelnen durchzugehen.
"Ihr wisst, was zu tun ist", sagte er. "Teilen wir uns wie besprochen auf."
Valirë und Bayyin traten an seine Seite. Beide waren sie in gewöhnliche haradische Kleidung gehüllt, wie sie die Bediensteten in Hasaels Palast trugen. Auch Edrahil trug unauffällige Gewänder, doch bei ihm schien dies sowieso stets der Fall zu sein. Keiner der drei war bewafffnet, doch Minûlîth hatte bereits am Vortag Waffen im Palast versteckt, darunter auch Valirës Zweihandschwert. Sollte es zum Kampf kommen, würde Edrahils Gruppe nicht wehrlos sein.
Edrahil blickte ein letztes Mal in die Runde und nickte allen entschlossen zu.
"Wir sehen uns, wenn all das vorbei ist", sagte Minûlîth aufmunternd.
"Komm, Schreiber", neckte Valirë den leicht errötenden Bayyin. "Holen wir uns deine geliebte Schriftrolle und retten wir die Prinzessin." Sie drehte sich um und ging davon, in Richtung des geheimen Eingangs, zu dem die Zwillinge den Schlüssel von Wahhab, dem Bibliothekar, beschafft hatten. Edrahil und Bayyin folgten ihr und waren kurz darauf im Zwielicht der Dämmerung verschwunden.
"Bist du bereit?" fragte Lóminîth mit einem Lächeln in Valions Richtung. Er nickte bestätigend. Auch wenn das tief ausgeschnittene Kleid Minûlîths jüngerer Schwester wirklich ausgezeichnet stand, war er entschlossen, sich nicht ablenken zu lassen. Zu viel stand auf dem Spiel. Die Gelegenheit, die sich heute Abend bot, war zu gut um sie ungenutzt verstreichen zu lassen, und sie hatten bei der Planung und bei der Vorbereitung bereits viele Risiken eingehen und Gefallen einfordern müssen. Heute muss Hasaël stürzen, dachte Valion. Heute, oder gar nicht.
"Herrin Minûlîth, Tochter des ehrwürdigen Kapitäns Azgarzîr von der schwarzen Flotte und Erbin von Haus Minluzîr! Und ihre Schwester, die ehrwürdige Dame Lóminîth, mit ihrem Verlobten: Balkahil, Tarkûgans Sohn, vom ruhmreichen Haus Zendîkar aus dem verloren geglaubten Süden!"
So kündigte man die drei an, als sie das große Tor des Palastes passierten und in die Vorhalle des Thronsaals Hasaels kamen, wo sich bereits der Großteil des Adelstandes Umbars und einiger nahe liegenden Reiche tummelte. Valion spürte die neugierigen Blicke auf sich und fuhr nachdenklich mit den Fingern über den dunkelroten Stoff, aus dem sein Oberteil bestand. Darauf prangte das golden gestickte Wappen von Haus Zendîkar: ein großer Raubvogel mit ausgebreiteten Schwingen. Der goldene Falke auf rotem Grund war viele viele Jahre nicht in Umbar gesehen worden, so hatte Minûlîth es Valion erklärt.
"Haus Zendîkar war ein von númenorischen Seefahrern abstammendes Geschlecht, wie es auch meine eigenen Vorfahren waren. Zendîkar und seine Erben lebten jedoch viel weiter im Süden; in Ländern, die in Gondor nichts als weiße Flecke auf der Landkarte sind. Doch in Umbar waren sie bekannt und einige Zeit sogar berüchtigt, denn es gab eine Zeit, da unterhielten sie eine große Flotte an Piratenschiffen und überfielen immer wieder auch umbarische Händler. Es war einer meiner Vorfahren, der schließlich den letzten Piratenkapitän von Haus Zendîkar zur Strecke brachte. Seitdem hielt man das Haus für ausgestorben."
"Und ich soll es nun zu neuem Leben erwecken", hatte Valion geschlussfolgert.
"Ganz genau", hatte Lóminîth zugestimmt. "Keine Sorge. Wir werden uns eine gute Geschichte ausdenken, weshalb ich nun den Erben eines lange verloren geglaubten Hauses ehelichen werde."
"An konkurrierenden Bewerbern hat es bisher wahrlich nicht gemangelt", hatte ihre Schwester hinzugefügt.
Der Wappenrock, den Valion nun trug, war seit dem Ende von Haus Zendîkar in Minûlîths Anwesen als Andenken verwahrt worden und war gut erhalten. Die Schwestern hatten sich für Valion eine Antwort auf alle möglichen Fragen überlegt, die ihm womöglich während der Feier gestellt werden könnten, und er hatte in den Tagen vor dem Fest viel Zeit damit verbracht, alles auswendig zu lernen. Nun fühlte er sich bereit für den wahren Test.
Sie mischten sich unter die geladenen Gäste und Valion staunte angesichts der Vielfalt von Menschen, die die Halle erfüllten. Er sah haradische Stammeshäuptlinge, Händlerprinzen aus fernen Reichen, umbarische Adelige aller Art und sogar einige Gäste, die ihm wie Ostlinge vorkamen. Aus Qafsah war eine Delegation Suladâns anwesend, die ihren Sultan vertrat. Suladân selbst hatte sich laut den Gerüchten, die in der Stadt kursierten, aufgrund wichtiger Angelegenheiten entschuldigen lassen. Valion fragte sich, ob sich der Sultan Harads wohl auf den bevorstehenden Krieg gegen Qúsay vorbereitete.
Der Herold am Eingang riss ihn aus deinen Gedanken.
"Seine Exzellenz Hasaël I. bin Qasim bin Abdul-Abbas al-Quahtani-Qasatamiyun, ruhmreicher Fürst von Umbar und ehrenhafter Scheich der Quahtan!"
Alle Augen wandten sich zu der breiten Treppe, die von der Halle zum Thronsaal führte. Dort erschien nun der Fürst selbst, umgeben von seinen Söhnen. Valion tauschte einen schnellen Blick mit Minûlîth aus, die beinahe unmerklich nickte. Nun also beginnt der spannende Teil, dachte Valion.
Eandril:
Edrahil und seine Begleiter erreichten den Seitenturm, in dem sich laut Minûlîths Informationen die Palastbibliothek befand, ohne Schwierigkeiten. Edrahil ließ langsam die Finger über den rauen Stein der Mauer gleiten, während Valirë und Bayyin in beide Richtungen nach Stadtwächtern Ausschau hielten. Schließlich fanden seine Finger eine Vertiefung ihm Stein, die sich wie ein Schlüsselloch anfühlte. Er zog Wahabs Schlüssel aus der Tasche, und drehte ihm im Schlüsselloch herum. Es klickte leise, und die bislang verborgene Tür ließ sich mit einem leichten Stoß nach innen aufschwingen. Edrahil spähte kurz ins dämmrige Innere, und gab seinen Begleitern dann ein Zeichen, ihm durch die Tür zu folgen.
Drinnen zog der die Tür rasch wieder zu, und verstaute den Schlüssel wieder. "So weit so gut", meinte er, während er einen Blick durch den Raum warf. Die Bibliothek des Fürsten füllte den gesamten Turm aus. An den geschwungenen Wänden zogen sich endlose Regale, die mit Büchern und Schriftrollen gefüllt waren, nach oben, und vor den Regalen verliefen schmale, hölzerne Laufgänge, die über gewundene Treppen zu erreichen waren. Zum Glück der Eindringlinge war der Raum menschenleer.
"Sehr beeindruckend", hörte Edrahil Bayyin sagen, der ein paar Schritte in den Raum hineingemacht hatte, und die Wände hinaufblickte. "Es muss doch eine praktischere Möglichkeit geben, eine Bibliothek anzulegen...", sagte Valirë leise. "Ich frage mich, wie ein Mann wie Wahab an seine Bücher kommt. Ob er wohl jemanden hat, der sie für ihn holt?"
"Jede Frage zu seiner Zeit", warf Edrahil ungeduldig ein. "Und jetzt haben wir keine Zeit, also... Bayyin, besorg dir ein Licht und fang an zu suchen."
Der Bibliothekar starrte noch immer mit leicht geöffnetem Mund die Regale entlang, schaffte es dann aber doch zu antworten: "Ich weiß nicht, wo ich..."
"Wo du suchen sollst?", schnitt Edrahil ihm das Wort ab, und verdrehte die Augen. "Verdammt, Mann, ich dachte du wärst Bibliothekar. Da müsste das hier doch wie Zuhause für dich sein." Bayyin blinzelte verwirrt, und setzte zum Widerspruch an, doch Edrahil hatte keine Zeit für so etwas.
"Kein aber, dazu haben wir keine Zeit. Du weißt was du sagst, wenn jemand kommt und dich fragt, wer du bist?"
"Ich bin Schreiber aus dem Gefolge Suladâns, der im Auftrag des Sultans hier nach Aufzeichnungen über Qúsays Illegitimität suchen soll, und von dieser Bibliothek so sehr begeistert ist, dass er hier gerne ein wenig länger bleiben will", antwortete der Bibliothekar ohne zu zögern, und Edrahil nickte zufrieden. Die Tarnung war vielleicht nicht perfekt und relativ leicht zu widerlegen, aber es sollte ausreichen wenn Bayyin sich nicht allzu verdächtig verhielt. "Also gut, fang an. Valirë, weiter."
Edrahil und Valirë traten aus der Bibliothek hinaus auf den ebenfalls menschenleeren und nur schwach erleuchteten Gang. Aus der Ferne drangen die Geräusche des Festes heran, doch dieser Teil des Palastes schien wie erwartet wie ausgestorben zu sein.
"Wir müssen nach... links, dann sollten wir bald auf eine Treppe stoßen, die uns tiefer bringt", sagte Edrahil. Mit Minûlîths Hilfe und seinen eigenen Erinnerungen hatte er einen groben Plan des Palastes zeichnen können, der zwar nicht vollständig aber ausreichend war. Sie folgten dem Gang, der von mehreren kleinen Laternen erhellt wurde, und von dem mehrere Türen nach beiden Seiten abgingen.
Kurz darauf verließ sie ihr Glück für einen Moment, als kurz vor ihnen ein Mann, der ein wenig besser gekleidet war als die gewöhnlichen Dienstboten, aus einem Nebenraum trat. "Was treibt ihr hier hinten?", fragte er mit gerunzelter Stirn. "Solltet ihr nicht auf dem Fest helfen?"
"Verzeiht, Herr", erwiderte Edrahil in dem unterwürfigstem Ton, zu dem er fähig war. "Wir sind erst kürzlich vom gnädigen Fürsten eingestellt worden, und kennen uns noch nicht besonders gut im Palast aus. Könntet ihr uns vielleicht den Weg zur Küche weisen?" Nach allem was er wusste lag die Palastküche unterirdisch unter einem der Innenhöfe. Und unten war genau die Richtung, die sie brauchten. Sein Gegenüber verdrehte genervt die Augen, seufzte und meinte: "Ich muss dringend mit den anderen darüber reden, dass sie nicht immer die letzten Trottel einstellen - einfach den Gang weiter, die nächste Treppe nach unten und dann nach links. Auf keinen Fall nach rechts, denn dann kommt ihr in den Kerker, in dem ihr sowieso landen werdet, wenn ich euch noch einmal an Orten erwische, an denen ihr nichts zu suchen habt."
"Ja, Herr." Edrahil verneigte sich, und stieß Valirë, die es ihm daraufhin unwillig gleich tat, an. "Habt dank Herr."
Sie eilten in die gewiesene Richtung davon, und stießen kurz darauf auf die Treppe. Unten angekommen hörte Edrahil Valirë leise sagen: "Wenn ich nur mein Schwert gehabt hätte...?"
"Was dann? Hättest du ihn niedergehauen, der nächste Diener wäre über die Leiche gestolpert und hätte Alarm gegeben?"
Im flackernden Licht der Fackeln, die hier unten anstatt der Laternen die Gänge erhellten, sah er Valirë erröten. "Soweit hatte ich nicht gedacht."
Edrahil seufzte, während sie dem Gang nach rechts folgten. Er selbst war vor wenigen Wochen von Aquan durch diesen Gang gezerrt worden, und dann weitere Treppen hinab, immer tiefer und tiefer bis er ganz unten im Loch angelangt war. Ein unwillkürlicher Schauer überlief ihn, als er sagte: "Das ist das Problem mit dir und deinem Bruder, ihr denkt nie weit genug. Gewöhnt euch ein wenig das denken an, und ihr könnt es weit bringen."
Bei seinen letzten Worten senkte Valirë den Blick, und Edrahil hätte schwören können, dass sie noch tiefer errötete als zuvor. Doch in diesem Moment erreichten sie die kleine Nische in der Wand, von der Minûlîth gesprochen hatte, die von einem Wandbehang mit einem goldenem Falken auf rotem Grund verborgen wurde. Das Wappen des ausgestorbenen Haus Zendîkar, dass auch Valion gerade trug, war somit in gewisser Weise das Zeichen für ihren Plan.
Edrahil tastete hinter dem Wandbehang, und stieß sofort auf den Griff eines Schwertes. Er zog das lange, leicht geschwungene Schwert, an das sein eigener Dolch gebunden war, hervor, löste die Schnur mit dem wie Waffen aneinander gebunden waren und reichte das Schwert an Valirë weiter. Den Dolch befestigte er an seinem Gürtel, spähte einmal kurz über die Schulter ob sie auch tatsächlich noch alleine waren, und sagte dann: "Na los, gehen wir eine Prinzessin retten."
Fine:
Der Fürst von Umbar stieg die Treppe ungefähr bis zur Hälfte hinab und wandte sich dann an seine Gäste. Mit lauter Stimme rief er: "Meine Freunde und Verbündeten! Ich heiße euch alle zu diesem bedeutsamen Anlass willkommen. Auf dass unseren Schiffen die Seewinde ein weiteres Jahr gewogen sein mögen!"
"Das sind die traditionellen Worte, die jeder Fürst von Umbar an diesem Tag sprechen muss," flüsterte Minûlîth Valion erläuternd zu.
"Ich erkläre hiermit das diesjährige Fest der Seewinde für eröffnet!" rief Hasaël und hob beide Arme. Jubel erklang und der Fürst und seine Söhne mischten sich unter die Gäste in der Halle.
Es dauerte gar nicht lange, bis Hasaël in Minûlîths Richtung kam. Ihr Stand und Ansehen in Umbar mussten größer sein, als Valion gedacht hatte. Der Fürst gesellte sich zu ihrer Gruppe hinzu und alle drei neigten sie vor ihm leicht das Haupt, wie es sich gehörte.
"Herrin Minûlîth," grüßte Hasaël mit einem Lächeln, das wohl echt wirken sollte. "Wie schön, dass Ihr es einrichten konntet. Ihr seht so bezaubernd wie eh und je aus."
Minûlîth gab ein helles Lachen von sich. Sie schien dieses Spiel meisterhaft zu beherrschen. "Ihr tätet besser daran, meinen Vorfahren anstatt meiner selbst zu schmeicheln, mein Fürst. Sie sind es, denen ich das Blut zu verdanken habe, das mir erlaubt, meine Jugend etwas länger als die meisten zu bewahren."
"Dennoch seid Ihr dafür zu beneiden," gab Hasaël zurück. "Und wie ich sehe, genießt auch Eure entzückende Schwester diesen Vorteil. Lóminîth, richtig?"
Die Angesprochene nickte anmutig und erwiderte Hasaëls forschenden Blick ohne die Augen abzuwenden.
"Nun, ich muss schon sagen; ich freute mich für Euch, als ich von Eurem überraschenden Verlöbnis hörte; auch wenn mein Sohn und Erbe Meneldur recht enttäuscht war."
Valion hatte bereits davon gehört, dass Hasaël nur zu gerne seinen ersten Sohn von Arannis mit einer in Umbar so angesehenen Frau verheiratet hätte um seinen eigenen Stand bei der Adelsschicht der Stadt zu verbessern. Doch Lóminîth tat Hasaëls Aussage mit einem bescheidenen Lächeln ab.
"Meneldur ist zehn Jahre jünger als ich," antwortete sie sanft und höflich. "Es wäre keine schickliche Verbindung gewesen, und sie wäre weit über meinen Status hinaus gegangen. Der Erbe Umbars sollte eine Frau haben, die ihm gleichgestellt ist - sicherlich gibt es in den Reichen Harads viele geeignete Kandidatinnen."
"Die gibt es," erwiderte Hasaël freundlich und wandte sich Valion zu. "Nun lasst mich also Eure Wahl begutachten. Haus Zendîkar ist ein Name, den ich selbst noch nie gehört habe. Mein Bibliothekar Wahhab sagte mir, eure Vorfahren waren recht wilde Seefahrer, nicht wahr? Wie kommt es, das die Nebel der Zeit sie nicht verschlungen haben, so wie bislang angenommen wurde?"
Valion blickte dem Fürsten in die Augen und rief sich die Geschichte wieder in den Sinn, die er auswendig gelernt hatte. "Als das letzte Schiff meiner Vorfahren in der Seeschlacht im Golf von Kerma sank nahm man an, dass niemand an Bord überlebt hatte. Doch der Sturm, der bald darauf heraufzog, trug meinen Vorfahren auf seinen Flügeln weit in den Süden, an bislang unbekannte Ufer. Dort gelang es ihm, ganz von Neuem zu beginnen und die Linie von Haus Zendîkar zu erhalten und fortzusetzen."
"Waren es nicht die Vorfahren der beiden anmutigen Damen hier, die die Piratenflotte Zendîkars zerschmetterten?" warf Hasaël mit einem breiten Grinsen ein, und Valion nickte. "So rächt Ihr Euch also! Da Minûlîth es bislang versäumt hat, eine Erben in die Welt zu setzen, werdet Ihr Euch also durch schmeichelnde Worte und Heirat ihren Reichtum aneignen. Ha! Ihr seid wirklich ein verschlagener Bursche. Ihr gefallt mir!" Er schlug Valion kameradschaftlich auf die Schulter.
Kurz darauf wandte sich der Fürst anderen Gästen zu. Offenbar war es ihnen gelungen, seinen Zweifel bezüglich Valions Identität zu zerstreuen. Auch die übrigen Gäste, die Neugierde und Zweifel daran mehr oder weniger offen zeigten, konnten einigermaßen problemlos beschwichtigt werden. Lóminîth hatte zwei Arten von Werbern: jene, die von ihrem Aussehen angezogen waren, und jene, die ganz offensichtlich am Vermögen ihrer Familie interessiert waren. Auf einige traf sogar beides zu.
Einige für Valion recht ermüdende Unterhaltungen später verkündeten die Herolde feierlich den Beginn des großen Banketts, welches ebenfalls Tradition an diesem Tag war. Alle Gäste begaben sich nun in den an die Eingangshalle angrenzenden Festsaal, wo jeder von Dienern zu seinen vorbestimmten Platz geführt wurde. Glücklicherweise hatte man Valion rechts neben Minûlîth gesetzt, und seine "Verlobte" ihm direkt gegenüber platziert. Der Sitz rechts neben ihm blieb einige Minuten leer, doch als das Bankett gerade aufgetragen wurde zog jemand den Stuhl geräuschvoll zurück und eine in ein hellrotes samtenes Kleid gehüllte Frau ließ sich neben Valion nieder. Er nickte ihr höflich zu und wandte sich dann wieder dem Essen zu, doch irgendetwas kam ihm seltsam an seiner neuen Sitznachbarin vor. Während dem Mahl riskierte er so vorsichtig wie möglich immer wieder einen Blick auf die Frau, die sich angeregt mit den Adeligen um sie herum unterhielt. Sie kam ihm bekannt vor, doch er kam einfach nicht darauf, woher. Gerade lachte sie über den Witz den ein junger haradischer Stammesführer gemacht hatte und blickte damenhaft zu Boden als ihre Wangen sich röteten. Sie drehte den Kopf zu Valion herum und blickte ihm direkt ins Gesicht. Ihre Augen waren von so dunklem Braun dass sie beinahe schwarz wirkten, und als er sich darauf konzentrierte erkannte er sie schließlich.
"Ihr seid Ta-er as-Safar," wisperte er ihr zu. Ein Aufblitzen ihrer Augen verriet ihm, dass er Recht hatte. "Was tut Ihr hier, in dieser...Verkleidung?" Sein Blick wanderte an ihrem Hals hinunter, doch da ergriff sie unter dem Tisch seine Hand und drückte fest zu, was seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gesicht lenkte.
"Ihr seid in Gefahr," hauchte sie so leise dass er es kaum verstand.
"Wie meint Ihr..." setzte er an, doch sie unterbrach ihn mit einem scharfen Blick. "Später," wisperte sie und sah ihm noch einmal eindrücklich in die Augen. Dann ließ Ta-er Valions Hand los und wandte sich wieder ihren übrigen Sitznachbarn zu; lachend und scherzend als wäre nichts gewesen.
Was das wohl zu bedeuten hat? fragte er sich während das Bankett langsam dem Ende entgegen ging. Er hoffte, dass bei Edrahil und seiner Schwester alles glatt lief...
Eandril:
Nur wenige Schritte weiter hörte Edrahil leise Stimmen aus dem Gang vor ihm.
"Na komm schon, Schätzchen. Ein strammer Kerl wie du, wird eine Dame doch wohl nicht abweisen?", fragte eine weibliche Stimme, und eine männliche antwortete etwas, das Edrahil nicht verstehen konnte.
"Was geht da vor sich?", wisperte Valirë, während Edrahil vorsichtig um die Ecke spähte. Am Ende des schmalen Ganges sah er eine massive Holztür mit einem kleinen vergitterten Fenster darin, und davor auf dem Gang zwei Männer in der Rüstung der Palastwache. Beide standen allerdings alles andere als aufmerksam Wache, sondern waren von einer sehr leicht bekleideten Frau abgelenkt, die ihnen abwechselnd ins Ohr flüsterte und die Aufmerksamkeit der beiden Wachen offensichtlich genoss. Edrahil zog den Kopf zurück und antwortete Valirë: "As'ar hat seinen Teil offensichtlich erfüllt, die Wachen sind beschäftigt. Sei bitte möglichst leise, und pass auf, dass dem Mädchen nichts geschieht."
Valirë nickte mit aufgeregt funkelnden Augen, und zog ihr Schwert. Dann verschwand sie mit leisen Schritten um die Ecke, und Edrahil hörte einen dumpfen Aufschlag, ein leises Klirren, ein ersticktes Stöhnen und das Geräusch von zwei Körpern, die auf dem Boden aufschlugen. Dann sagte Valirë: "Fertig", und auch Edrahil trat um die Ecke. Beide Wächter lagen auf dem Boden, der eine mit einer Stichwunde in der Brust und der andere mit aufgeschnittener Kehle. Valirë stand zwischen den Leichen, und hielt der Kurtisane, deren Augen weit aufgerissen waren, die Hand vor den Mund. "Sie hätte geschrien", erklärte sie auf Edrahils fragenden Blick hin.
"Nimm die Hand runter", sagte er, und an das Mädchen gerichtet: "Du kannst gehen, aber pass auf, dass du niemandem auffällst."
"Macht euch da nur keine Sorgen." Sie hatte sich anscheinend schnell von ihrem Schock erholt, und warf Valirë nun einen frostigen Blick zu. "Und ich hätte schon nicht geschrien, ich bin anderes gewohnt." Damit bestätigte sie Edrahils Verdacht, dass As'ar sich nicht nur auf den Besitz von Bordellen beschränkte, sondern noch andere Felder hatte, in denen er aktiv war.
"Das glaube ich sofort", erwiderte er, warf ihr eine Goldmünze zu, und fügte hinzu: "Richte deinem Herrn meine Grüße und meinen Dank aus." Kaum dass die Kurtisane verschwunden war, ertönte aus der Zelle hinter der Tür eine weibliche Stimme: "Was geht da draußen vor? Wer ist da?"
Die Erleichterung, die Edrahil beim Klang dieser Stimme verspürte war größer als er erwartet hätte, und erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr er sich davor gefürchtet hatte, dass Minûlîth ihn über Lothíriels Aufenthaltsort belogen haben könnte. Er trat an die Tür heran und blickte durch die kleine vergitterte Öffnung direkt in das Gesicht von Imrahils Tochter. Lothíriel wirkte im Licht der einzelnen Kerze in ihrer Zelle noch blasser als üblich, und bei Edrahils Anblick blinzelte sie ungläubig.
"Edrahil? Was...?" Sie wurde unterbrochen, als Valirë sich neben Edrahil drängte, ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, und sagte: "Hallo, Lothíriel. Und, wie geht es dir so?"
Edrahil verdrehte die Augen, denn anscheinend war der bisherige Erfolg ihr zu Kopf gestiegen, doch bei Valirës Anblick verwandelte sich der Ausdruck der Ungläubigkeit auf Lothíriels Gesicht allmählich zu zaghafter Hoffnung.
"Wir sind hier, um euch hier herauszuholen, Herrin", sagte Edrahil, bevor Valirë an seiner Statt antworten konnte, und schob seine Gehilfin zur Seite. "Durchsuch die beiden Wächter nach einem Schlüssel."
Während Valirë den Befehl ausführte, fragte Lothíriel: "Aber... wie seid ihr hierher gekommen? Und wie habt ihr mich gefunden?" "Mit Hilfe meiner sagenumwobenen Talente... und ein wenig Hilfe natürlich", erwiderte Edrahil lächelnd, und riss sich dann innerlich zusammen. Anscheinend hatte der bisher so makellose Verlauf ihres Planes auch Auswirkungen auf ihn selbst.
Wie um ihn an den Ernst der Lage zu erinnern, sagte Valirë hinter ihm: "Keiner von denen hier hat einen Schlüssel dabei... aber der hier lebt noch."
"Ich bin gleich zurück, verhaltet euch einfach ruhig", meinte Edrahil zu Lothíriel, nachdem er einen leisen Fluch ausgestoßen hatte. Er wandte sich ab, und kniete sich neben den verwundeten Wächter, den Valirë auf den Rücken gedreht hatte, und dessen Herz ihr Stich anscheinend knapp verfehlt hatte. Edrahil zog seinen Dolch, und drückte dem Mann die Spitze unter das Kinn.
"Wer hat denn Schlüssel für diese Zelle?" Der Wächter hustete, und ein dünner Blutfaden lief ihm aus dem Mund. "Warum... sollte ich euch das verraten?"
"Weil ich dich dann von deinen Schmerzen erlöse", gab Edrahil zurück. "Du stirbst sowieso... möchtest du, dass es lange dauert und schmerzhaft wird?" Er sah die Angst in den Augen des Mannes und wusste, dass er gewonnen hatte.
"Hauptmann... Aquan. Er ist der einzige, der diesen Schlüssel hat."
Anscheinend komme ich doch noch dazu, mich zu revanchieren...
"Und wo finden wir ihn?"
"Den Gang nach rechts entlang, dann der Raum auf der linken Seite."
"Vielen Dank für deine Hilfe", sagte Edrahil, und stieß dem Verwundeten den Dolch in die Kehle. Der Mann zuckte noch einmal, dann wurden seine Augen glasig und er lag still.
"Du hast gehört, was er gesagt hat", wandte Edrahil sich an die neben ihm kniende Valirë. "Gib mir dein Schwert, und dann hol Aquan. Sag ihm, du hättest hier merkwürdige Geräusche gehört, wenn er hört dass es die Zelle der Prinzessin ist, wird er selbst kommen."
Ohne ein weiteres Wort schnallte Valirë Gilrist ab, drückte es Edrahil in die Hand und verschwand in die gewiesene Richtung. "Sie ist ja doch zu Gehorsam fähig...", sagte Edrahil vor sich hin, stand dann auf und ging wieder zu Lothíriels Zellentür. "Bleibt einfach ruhig und macht euch keine Sorgen", sagte er leise und beruhigend. "Wir werden den Schlüssel besorgen und nach Hause bringen."
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern verließ den kurzen Gang und drückte sich im Hauptgang in den Schatten der Wand, Valirës Schwert noch immer in der Hand. Er brauchte nicht lange zu warten, bis aus der anderen Richtung schnelle Schritte und Stimmen zu hören waren. Valirë war es offensichtlich gelungen, Aquan vom Ernst der Lage zu überzeugen, und eilte dem Anführer von Hasaels Leibwächtern und drei weiteren Männern voran. Kurz vor dem Zellengang blieb sie stehen, und ließ die Wächter vorangehen. "Hier habe ich es gehört", sagte sie dabei, und überraschte Edrahil damit, wie überzeugend ihre ängstliche Stimme klang.
Als die Wachen in Lothíriels Zellengang verschwunden waren, trat Edrahil aus dem Schatten, und warf Valirë ihr Schwert zu, dass sie sofort aus der Scheide fahren ließ. Auf seinen prüfenden Blick hin grinste sie nur, und stürmte dann den Wächtern hinter her - und dieses Mal folgte Edrahil ihr sofort mit gezogenem Dolch.
Der erste der Wächter fiel unter Valirës Klinge auf die Leiche des Mannes, den Edrahil getötet hatte, ohne dass er Zeit gehabt hätte, seine eigene Waffe zu ziehen, und dem zweiten rammte Edrahil ohne Zögern seinen Dolch in den Rücken. Der dritte der Wächter schaffte es, sein Schwert zu ziehen, doch Edrahil tauchte unter seinem Schlag hindurch und legte Aquan seinen Dolch an die Kehle.
Der Hauptmann war gerade dabei gewesen, Lothíriels Zelle aufzuschließen und hatte nur Zeit gehabt, sich um zu drehen, bevor Edrahil ihn gegen die Zellentür presste.
"Wie nett von euch, mir die Arbeit ersparen zu wollen", stieß Edrahil hervor, während Valirë den letzten der Wächter mit einem eleganten Schwerthieb zu Boden schickte.
"Ich würde euch ja gerne ins tiefste Loch dieses Kerkers stecken und langsam ausbluten lassen", fuhr Edrahil fort. "Aber dazu ist keine Zeit." Aquan wollte gerade trotz des Messers an seinem Hals nach seinem Schwert greifen, als Edrahil ihm mit einer flüssigen Bewegung die Kehle aufschnitt.
Er trat einen Schritt zurück, während Aquan sich verwirrt an die Kehle griff, und wischte sich mit dem Ärmel einen Blutspritzer von der Wange. Dann hob er den Schlüsselbund auf, den der Hauptmann hatte fallen lassen, trat über dessen zusammengesackten Körper hinweg und schloss die Tür auf, wobei er Aquans Leiche beiseite schob. Er machte eine einladende Geste zu Lothíriel, die mit vor der Brust zusammengepressten Händen auf der anderen Seite stand.
"Bitte entschuldigt das viele Blut", sagte er. "Aber anders ließ es sich leider nicht machen."
"Leider", meinte Valirë mit hochgezogenen Augenbrauen, und stieß ihr Schwert, dass sie an einer der Leichen gesäubert hatte, zurück in die Scheide, während Lothíriel vorsichtig blinzelnd aus der Zelle trat. "Und ich dachte, ein paar weniger von Hasaels Dienern wären ein Grund zur Freude."
"Durchaus", gab Edrahil zurück. "Doch Aquans Fehlen wird vermutlich bald bemerkt werden, und dann wird hier die Hölle los sein. Ich schlage also vor, dass wir uns beeilen."
Fine:
Nach dem Ende des Banketts erhoben sich alle Gäste und folgten Hasaël in einen weiteren großen Saal, dessen längere Seite offen war und in einen großen Balkon überging. Von hier bot sich ihnen ein atemberaubender Blick über die Stadt und die Bucht von Umbar, auf derem ruhigen Wasser sich der inzwischen aufgegangene Vollmond spiegelte. Die Teilnehmer des Festes bereiteten sich nun auf den Höhepunkt der Feierlichkeiten vor, denn sobald auf der Spitze des Leuchtturms am Eingang der Bucht das vorbereitete und aufgeschichtete Holz in Brand gesteckt worden war würden im Gedenken an die Tradition des Fests der Seewinde überall in Umbar Fackeln, Laternen und Lampen aller Art entzündet werden und die Stadt in ein Lichtermeer tauchen. So hatte Minûlîth es Valion erklärt.
"Für gewöhnlich ist es ein sehr schöner Anblick," sagte sie gerade als sie den Balkon betraten. "Und heute wird es uns als perfekte Ablenkung dienen."
Sie standen einige Minuten am Geländer des Balkons und blickten schweigend über die Bucht hinaus. Valion musste sich zwingen, nicht ständig daran zu denken, wie es seiner Schwester wohl gerade erging. Um ihre Sicherheit machte er sich keine Sorgen; er wusste, dass Valirë auf sich aufpassen konnte. Dennoch war es schwer für ihn, sich nicht von Gedanken über den Erfolg von Edrahils Mission zu machen.
"Ein beeindruckender Ausblick, nicht wahr?" Die Stimme lenkte Valion von seinen Gedanken ab und er wandte den Kopf in die Richtung aus der sie gekommen war. Ta-er war neben ihn getreten und lehnte sich entspannt an das reich verzierte Geländer.
Er nickte zur Antwort. "Was Ihr beim Bankett gesagt habt..." setzte er an, doch erneut unterbrach sie ihn. "Was ich sagte ist die Wahrheit. Ihr und eure Freunde seid in Gefahr."
"Wie meint Ihr das? Wovon sprecht Ihr?" fragte Minûlîth leise.
Ta-er beugte sich leicht vor und wisperte: "Euer Plan ist gut, doch ich fürchte, es wird zu unvorhergesehenen Komplikationen kommen. Indem ihr zu Hasaëls Ablenkung hergekommenen seid habt ihr euch selbst zum Ziel gemacht."
"Zu wessen Ziel?" wollte Valion wissen, doch ehe Ta-er antworten konnte betraten weitere Gäste den Balkon, unter ihnen der Fürst selbst.
"Sagt Euch die Feier zu, meine Dame?" sagte er mit einer Höflichkeit, die ebenso falsch wie sein Lächeln war. Minûlîth erwiderte die Geste, doch ihr Lächeln war deutlich schwerer als unecht zu erkennen.
"Wie immer habt Ihr Euch als vollendeter Gastgeber erwiesen, Fürst Hasaël," gab sie freundlich zurück. "Wir warten nun alle auf den Moment, in dem die Lichter unserer großartigen Stadt voller Freude erleuchten werden."
Arannís, die Frau des Fürsten, löste sich aus Hasaëls Gefolge und schloss Minûlîth in eine innige Umarmung. Valion, der nahebei stand, hörte die leise ausgetauschten Worte die die Frauen wechselten: "Geht es dir gut, meine Liebe? Als keine Nachricht von dir mehr aus dem Palast kam wurde meine Sorge mit jedem Tag größer."
"Ich komme zurecht, Cousine," antwortete Arannís. "Ich habe meine Kinder, die mir Gesellschaft leisten, und seit Menelmirs Geburt lässt der Fürst mich größtenteils in Frieden und widmet sich lieber seinen Konkubinen."
"Dennoch bist du eine Gefangene des Palastes, ein Vogel im goldenen Käfig," wisperte Minûlîth. "Doch verzage nicht. Ich werde dir helfen."
Arannís löste sich von ihrer Cousine, einen Ausdruck von Zweifel und Furcht im Gesicht. "Nein," hauchte sie. "Es ist zu gefährlich..."
"Was ist zu gefährlich, Arannís?" fragte Hasaël, dessen Aufmerksamkeit nun wieder bei seiner Frau lag.
Minûlîth trat einen Schritt auf den Fürsten zu. "Meine Schwester möchte mit ihrem Verlobten hier eine Reise in den Süden unternehmen um die Lande zu sehen, die Haus Zendîkar nun bewohnt. Arannís ist jedoch um Lóminîths Sicherheit besorgt."
"Die Gebiete im Süden sind umstritten," melnte Hasaël. "Doch wenn der junge Balkahil glaubt, seiner Verlobten sicheres Geleit bis zu seiner Heimat zu versprechen..."
Er wurde von einer neuen Stimme unterbrochen. "Das kann er nicht, Vater. Denn er ist gar nicht der, der er zu sein vorgibt, sondern nur ein gewöhnlicher gondorischer Hund!
Zutiefst erschrocken fuhren sie herum. Dort stand kein anderer als Mustqîm... gehüllt in die feinen Gewänder eines haradischen Adeligen.
"Was sagst du da, Bastard?" rief Hasaël aufbrausend.
"Dies ist eine Verschwörung gegen Euch!" sagte Mustqîm und zeigte überheblich auf Valion. "Und diese Verräter von Adeligen sind mit den Gondorern im Bunde!"
Hasaël richtete wutentbrannt seinen Blick auf Minûlîth und Valion. "Wachen! Ergreift sie!"
Doch anstatt der Antwort der Palastwachen erklang von unten, aus der Stadt, ein lauter, anhaltender Hornstoß. Und bei diesem Signal brach in der Festhalle Chaos aus.
Bedienstete zogen Dolche und andere Waffen aus ihren Gewändern und sogar einige der Gäste schienen auf der Seite der mysteriösen Angreifer zu sein. Die meisten Wachen im Raum wurden sofort niedergestochen, doch auf Hasaëls Ruf hin eilten weitere Gardisten in die Halle und wilde Kämpfe brachen aus. Valion sah, wie mehrere der von Hasaël eingeladenen Prinzen und Fürsten bereits tot am Boden lagen während andere verzweifelt versuchten, dem Chaos zu entrinnen, doch die Eingänge der Halle waren hoffnungslos verstopft. Und nun erreichten die mysteriösen Angreifer auch den Balkon.
"Assassinen!" rief Ta-er as-Safar und zauberte einen langen Dolch aus dem Ärmel ihres Kleides hervor. In einer fließenden Bewegung schnitt sie die untere Hälfte ihres Rocks ab und gewann sofort an Beweglichkeit, als ihre Knie frei wurden.
"Verräterin!" rief einer der Assassinen Ta-er zu und schleuderte einen Wurfdolch in ihre Richtung, doch sie duckte sich darunter hinweg. Sogleich gingen zwei weitere Assassinen mit gezogenen Dolchen auf sie los und ein heftiges Gefecht entbrannte.
Valion, der unbewaffnet war, hob die Pike einer gefallenen Palastwache auf und stellte sich schützend vor Minûlîth und Arannís, die noch immer am Geländer des großen Balkons standen. Er suchte den Raum mit den Augen nach Lóminîth ab, und sah, wie es seiner "Verlobten" gelang, durch eine der Seitentüren zu entkommen.
"Wo ist Hasaël?" rief Minûlîth über den Lärm hinweg.
"Dort hinten! Er entkommt!" antwortete Arannís und zeigte in Richtung des hinteren Endes des Balkons, wo Mustqîm gerade eine verborgene Tür in der Wand geöffnet hatte, die an der kurzen Seite des Balkons lag.
"Er darf uns nicht entwischen!" stellte Minûlîth fest und zog Valion eilig mit sich. Doch da sah er, wie einer der Assassinen Ta-er den Dolch aus der Hand schlug. Er überlegte nicht lange sondern handelte rasch. Valion schüttelte Minûlîths Hand ab und rannte zu Ta-er hinüber, wo er die Pike auf den Rücken des Assassinen niedergehen ließ. Diese Ablenkung war alles, was Ta-er benötigt hatte. Blitzschnell entwand sie dem zweiten Angreifer dessen Schwert und stieß es ihm ins Herz.
"Danke," keuchte sie, doch Valion blieb keine Zeit. Er rannte zurück zu Minûlîth.
"Zu spät," stellte diese fest. "Sie haben die Tür hinter sich verriegelt. Hasaël ist entkommen. Hoffen wir, dass er es nicht aus der Stadt heraus schafft und dass Edrahils Mission ein Erfolg war... sonst war all das hier umsonst."
Arannís drückte Minûlîths Hand. "Nein, nicht umsonst. Ich bin frei, und Umbar wird es auch bald sein."
"Vielleicht," gab Minûlîth zurück. "Wir werden sehen. Ich schlage vor, wir verschwinden von hier und begeben uns zum Treffpunkt. Morgen früh werden wir wissen, was wir heute erreicht haben."
Sie verließen den Balkon. In der Festhalle waren die Kämpfe zum Erliegen gekommen. Die Assassinen waren verschwunden. Die Gruppe konnte den Palast ohne Hindernisse durchqueren und traf unterwegs auf Lóminîth, die zum Glück unversehrt geblieben war. Gemeinsam begaben sie sich zum Treffpunkt um auf Edrahil und die anderen zu warten.
Valion, Minûlîth, Lóminîth, Arannís und Ta-er as-Safar auf die Straßen von Umbar
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