Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Arnor
Bree
Thorondor the Eagle:
Elea aus Moria
Einige Tage wanderten Sie durch ein ganzes System von Höhlen um schließlich das Nebelgebirge über eine kleine, kaum sichtbare Höhle zu verlassen, die nach Westen zeigte. Tränen lagen in den Augen Elea's. Und obwohl ihre Begleiter sich nichts anmerken ließen, wusste sie, dass es ihnen ähnlich ging. Ihre Augen konnten sich an dem Grün, dem Blau, dem Gelb und Orange kaum sattsehen. Es war überwältigend.
Grashalm für Grashalm bewunderte sie, jeden Ton den ein Vogel zwitscherte genoss sie, jeden Sonnenstrahl auf ihrer Haut nahm sie in sich auf. Diese Momente waren endlos und so spürte sie kaum ihre schmerzenden Beine oder ihren Durst, noch bemerkte sie, dass das Ziel ihrer Reise bereits vor ihnen war.
Elea musste keine Sekunde überlegen um den Ort zu erkennen der vor ihren Füßen lag. Die sanfte Hügellandschaft, das öde Land umringt von alten Wäldern. Rauch stieg auf über den Dächern der Stadt Bree. Lange war es her, dass Elea dort war um Handel mit den Menschen zu treiben. Sie liebe es am Markt die neuesten Stoffe aus dem Süden zu erwerben. Sie erinnerte sich noch gut an den azurblauen Mantel den sie Haldar genäht hatte für die große Ratsversammlung bevor er nach Süden aufbrach.
Die Stadt hatte sich kaum verändert. Es war ihr noch nie geheuer, denn obwohl die Bewohner immer den Umständen entsprechend nett zu ihr waren, so hatte diese Stadt stets etwas Zwielichtiges an sich etwas dem man von Natur aus nicht traute. An den Toren musste Finjas lediglich vorweisen, dass er der weißen Hand diente und ihm wurde der Zutritt gewährt. Ohne Umschweife ritt er die Hauptstraße entlang und hielt vor einem Haus über dem das Schild "Gasthaus zum Eisfuchs" hing. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Trotzdem öffnete ein alter, hagerer Mann die Tür:
"Guten Abend mein Herr", sagte er unterwürfig "Baltur, zu euren Diensten."
Ohne ihn merklich zu beachten ging Finjas an dem alten Wirten vorbei. Elea folgte ihm unaufgefordert.
"Du kennst die Abmachung?", frage der Dunadan den Wirten.
"Kost gegen Logis sagte man mir"
Finjas nickte zustimmend: "Sie bekommt auch ein Zimmer, irgendwo unten neben der Küche. Sie wird dir in Zukunft helfen."
Er packte Elea am Oberarm und schob sie in Richtung des Wirten. Eilig führte er sie in eine kleine Kammer ohne Fenster. Am Ende des Raumes stand ein einfaches Bett, ein kleiner Tisch mit einer Waschschüssel und an der Wand waren Haken befestigt um die Kleidung aufzuhängen.
Dieses Bett bot zwar nur eine Strohmatratze, aber im Vergleich zu den Minen Morias fühlte sich das weich und leicht wie eine Wolke an. Viele Gedanken hielten Elea diese Nacht wach. Würde sie hier wohl auf alte Freunde und Bekannte treffen? Seit Jahren war sie ihrer Heimat nicht mehr so nahe. Irgendwann schlief sie schließlich ein.
In der folgenden Zeit konnte sich Elea kaum ein Bild über die Stadt machen. Baltur teilte sie fleißig zur Arbeit ein, da er selbst nicht mehr der kräftigste war. Sie musste die Wäsche waschen, kochen, die zahlreichen Zimmer putzen obwohl gar keine Gäste da waren, alte Kleidung flicken und Waren vom Markt holen. Dies waren die einzigen Stunden die sie außerhalb des Gasthofes verbrachte. Sie bemerkte, dass die Stimmung in der Stadt sehr angespannt war. Das Misstrauen war sehr groß, kaum einer schaute sie an, kaum einer schaute überhaupt jemanden an. Jeder kochte lediglich sein eigenes Süppchen und mischte sich in keinerlei andere Angelegenheiten ein.
Hie und da kam es in der Stadt zu einem Zwischenfall. Oft wegen Hausdurchsuchungen. Das waren die Tage an denen Finjas besonders mürrisch zurück kam. Elea wusste, dass sie ihn dann nicht ansprechen durfte. Es war schon einmal vorgekommen, dass er ihr vor lauter Wut mit der Hand ins Gesicht schlug. Daher zog sie sich dann am allerliebsten in ihre Stube zurück.
So trist diese Situation auch schien, hatte sie doch große Verbesserung mit sich gebracht. Elea konnte wieder besser schlafen und sie merkte bald, dass sie aufgrund des ausreichenden Essens wieder mehr Fleisch auf den Rippen hatte. Sie konnte sich wieder regelmäßig waschen und so war auch ihr Spiegelbild, dessen sie sich schon lange schämte, wieder akzeptabel geworden. 54 Jahre war sie mittlerweile doch durch das Blut der Dúnedain schien sie wesentlich jünger zu sein. Bald schon war sie wesentlich schneller bei der Arbeit und es fiel ihr alles viel leichter als vormals.
An einem kühlen Vormittag war Elea gerade damit fertig geworden die verderblichen Waren im Keller zu verstauen. Bevor sie sich daran machte das Essen zu kochen ging sie in den ersten Stock um die Betten neu zu beziehen. Eilig ging sie in Finjas Zimmer, da dieser vormittags immer unterwegs war. Umso mehr erschrak sie als dieser im Raum stand. Er war nackt und von ihr weggedreht. Aus lauter Verlegenheit senkte sie ihren Blick zu Boden und bat höflich um Entschuldigung. Erst dann bemerkte sie, dass seine Kleidung neben ihm auf dem Boden lag und blutig war. Finjas beachtete die Dunadan kaum und tat ungeachtet weiter. Es entfuhr ihm ein Zischlaut, der Elea entgegen ihrer Verlegenheit neugierig machte.
Mit einem nassen Tuch reinigte sich der Mann eine Stichwunde links an seiner seitlichen Hüfte. Als er bemerkte, dass sie noch immer da war drehte er seinen Kopf zu ihr und pfauchte sie an: "Was klotzt du denn so? Hier nimm das Gewand und wasche es gefälligst." Mit dem Fuß gab er den Fetzen am Boden einen Tritt in ihre Richtung. Eilig griff sie danach und floh aus dem Zimmer.
Sie wusste nicht genau was es war, ob der Schreck, die harschen Worte oder der giftige Blick die sie so trafen, aber plötzlich als sie das Gewand in kaltes Wasser legte schossen ihr die Tränen in die Augen.
Reiß dich zusammen Elea
Die Tränen unterdrückend ging sie zum Herd, nahm aus dem großen Kessel einen Schöpflöffel voll heißem Wasser und tat es in eine saubere Schüssel. Sie fügte ein paar getrocknete Kamillenblüten hinzu und lies diese kurz einwirken. Obwohl sich so einiges in ihr sträubte, ging sie treppauf, zurück in das Zimmer.
"Was willst du hier?", pfauchte er sie gleich wieder an "Gibt es schon zu essen?"
Sie schüttelte den Kopf, zaghaft und mit hauchdünner Stimme sagte sie: "Legt euch auf das Bett bitte."
Die Verwunderung in seinen Augen war kaum zu übersehen und Elea hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren würde. Seine linke Hand war zu einer Faust geformt und sein Gesicht war verzerrt vor Schmerz. Für einen Moment hatte sie Angst, dass er sie mit einer Tracht Prügel aus dem Zimmer jagen würde, aber dann ging er langsam zum Bett und setzte sich hin. Zielstrebig ging sie zu ihm und kniete sich neben ihm nieder.
"Bitte legt euch hin, sonst kann ich die Wunde nicht reinigen"
Er folgte ihrem vorsichtig formulierten Befehl. Die Wunde wurde nicht von einem Schwert zugefügt, sondern irgendetwas anderem. Die Ränder waren zerfetzt. Behutsam strich sie mit dem in lauwarmen Kamillenwasser getränkten Tuch über die blutende Wunde. Seine Muskeln spannten sich vor Schmerz an.
"Was ist das für ein Zeug?" fragte er zweifelnd.
"Sauberes Wasser mit Kamille. Meine Freundin Brianna hat mir dies gezeigt. Sie ist oder war Kräuterkundige in den Häusern der Heilung", antwortete Elea.
"Du willst mich sicherlich vergiften, damit du mich los bist und von hier abhauen kannst."
In ihrem unterwürfigen Blick sah er einen Hauch von Vorwurf.
"Ich kann ohnehin nirgends hin. Was ich einst kannte gibt es nicht mehr."
Sie wickelte Finjas einen Verband um die Hüfte. "Die Wunde muss mehrmals täglich gereinigt und neu verbunden werden, sonst eitert sie und euer Körper vergiftet sich selbst. Bleibt vorerst liegen, ich bringe euch Essen ans Bett."
Ohne Widerspruch ließ der Dunadan die Behandlung über sich ergehen und bleib einige Tage im Bett. Sie pflegte ihn mit größter Sorgfalt.
Während dieser Zeit kamen immer wieder Männer der Stadt zu Finjas. Sie berichteten ihm über die neusten Ereignisse und verbreiteten seine Botschaften unter den Männern Sarumans. Einer davon war Hildur. Ein stattlicher Mann, gut eineinhalb Kopf Größer als Elea. Er hatte einen säuberlich geschnittenen, dunklen Bart, dunkelbraune Augen und kurzes braunes Haar. Sein Umhang wurde von einer blauen, sternförmigen Fibel zusammengehalten so wie die Waldläufer sie damals auch trugen. Es war mutig von ihm diese hier so offen zu zeigen oder vielleicht sogar mit Absicht provokant.
„Guten Tag Erelieva“, begrüßte er sie in einem höflichen Tonfall „Es ist lange her, dass wir uns zuletzt sahen.“
Elea war es gar nicht mehr gewohnt so respektvoll behandelt zu werden, aber Hildur war immer schon ein sehr guter Freund gewesen. Noch bevor sie den Bund mit Haldar einging, war Hildur einer ihrer größten Bewunderer.
Lediglich ein „Hallo“ stieß es ihr heraus als sie ihn sah. Vertrauensvoll griff er nach ihren rauen Händen und hielt sie für ein paar Sekunden fest, so als wäre in all den Jahren nichts geschehen und alles beim Alten. Es löste ein Gefühl der Geborgenheit in ihr aus, sodass sie sofort in seine Arme fallen wollte. Danach verschwand er in Finjas Zimmer für eine ganze Weile. Sie aber setzte sich auf eine Bank in der Gaststube und begann ihre Gefühle zu sortieren. Am liebsten wäre sie auf der Stelle mit Hildur mitgegangen. Fest nahm sie sich vor ihn darum zu bitten, wenn er die Stiegen herunterkommen würde, doch letztlich traute sie sich nicht und redete sich noch ein Finjas pflegen zu müssen.
„Ich habe Finjas mit Nachdruck gebeten, dich künftig angemessen zu behandeln. Immerhin bist du die Mutter unseres Oberhauptes“, sagte er lächelnd zu ihr. Elea konnte dem allen kaum Glauben schenken. Was geschah hier? Sie hätte gedacht, dass ihr im Leben kein Glück mehr wiederfahren würde. Von Dankbarkeit überkommen stürzte sie nun doch noch in seine Arme: „Vielen Dank. Ich habe schon befürchtet, dass niemand mehr so ist wie ich ihn einst kannte“, ihre Stimme war wackelig „Aber du hast mir eben das Gegenteil bewiesen. Ich danke dir.“
Noch an diesem Tag brachte Baltur alle Sachen von Elea in ein Zimmer im ersten Stock. Darin waren ein kleiner Schrank, ein bequemes Bett, ein Schreibtisch mit Lampe, ein Waschtisch, ein Fenster und ein Regal voller alter Bücher. Behutsam strich sie über die Lederrücken der Bücher und überflog die Titel: Fram der Drachenkrieger, das Pfeifenkraut der Halblinge, ein elbisches Gesangsbuch, Die Schlacht von Grünfeld und noch etliche mehr befanden sich in dem Regal.
Von diesem Tag an schien sich einiges zu verändern. Elea musste nicht mehr im Haushalt helfen, allerdings tat sie viele Dinge gerne noch freiwillig. Sie hatte zum ersten Mal die Gelegenheit auch hinaus zu gehen und die Stadt zu erkunden. Es war keineswegs ein erfreuliches Abenteuer, da die Menschen alle misslaunig, schroff und abweisend waren. Sie erfuhr, dass den Flüchtlingen aus Süden die Tore versperrt wurden und die Anhänger Sarumans jeglichen Widerstand sofort im Keim erstickten. Es gab öffentliche Gerichtsverfahren und Hinrichtungen um die Leute zu verschrecken. All das hatte Elea bereits erlebt in ihrer Zeit in Minas Tirith.
Thorondor the Eagle:
Elea war eines morgens auf dem Weg zum Markt, da die ohnehin sehr spärliche Auswahl da noch am größten war. Auf dem Weg zurück zum Gasthaus fiel ihr ein kleines Mädchen auf, dass weinend am Straßenrand saß.
„Was ist denn los meine Kleine?“, fragte Elea sie aufmerksam.
Misstrauisch schaute das Mädchen auf: „Heute Nacht hat man mich auf die Straße gejagt“, antwortete sie schniefend.
„Wer? Wer hat dich rausgeschmissen?“
„Der Mann bei dem wir… ähm ich… gewohnt habe.“
„Und wieso hat er dich raugeschmissen?“
„Ich hatte solchen Hunger und habe mir ein Brot aus der Küche geholt“, entgegnete die Kleine.
„Du hast nicht danach gefragt, stimmts?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Komm mit mir, ich werde dir heute etwas Gutes auftischen.“
Kaum waren sie im Gasthaus angekommen, hat die Kleine jede Scheu abgelegt. Sie erzählte, dass ihr Name Rabea sei und dass sie ursprünglich aus Rohan komme. Sie hatte ihre Eltern im Krieg verloren und war mit einer ganzen Schar von Flüchtlingen nach Eriador gekommen. Als man sie bei Bree abwies, hat sie sich ein kleines kaum sichtbares Loch im Heckenwall gesucht und ist durchgeschlüpft. Seitdem ist sie von Almosen der Menschen abhängig.
Fröhlich über diesen Glücksgriff den Rabea gemacht hatte, half sie sofort überall mit. Beim Kochen, beim Vorräte holen und vielem mehr. Immer wieder stopfte sie sich beim Kochen bereits die rohen Zutaten in den Mund und lachte dabei schelmisch.
Elea selbst bemerke, dass ihr das Kochen mit der Kleinen sehr viel Freude bereitete. Es war bereits dämmrig als Finjas zur Tür hereinkam. Es war erst der dritte Tag nach seiner Bettruhe und er konnte zwar wieder gehen, verzog aber bei jeder Bewegung des Oberkörpers das Gesicht.
Kaum hatte er begriffen, dass Elea nicht alleine war lief sein Gesicht rot an: „Wer ist diese Göre?“, schrie er sie an.
„Ich habe sie auf der Straße aufgelesen. Sie ist eine Waise und hat Hunger“, verteidigte sie Elea.
„Wir sind hier aber kein Waisenhaus und keine Herberge! Ich kenne diese Kleine. Gemeinsam mit ein paar anderen Rotznasen bestehlen sie regelmäßig die Leute. Lumpenpack!“, bedrohlich schaute er die kleine Rabea an „Von hier aus geht es geradewegs in den Kerker!“
Von Panik erfasst versuchte das Mädchen zu flüchten, aber Elea hielt sie zurück.
„Sie stiehlt nicht, ich habe sie eingeladen“, unterstrich die Dunadan.
Finjas versuchte die Kleine am Arm zu packen aber Elea drückte ihn von sich und der Kleinen weg. Plötzlich griff er mit aller Gewalt Elea’s Oberarme und drückte sie gegen die Wand. Mit seinem ganzen Körpergewicht drückte er sie zur Wand. Ein Schmerz hämmerte durch den Körper der Frau, ihren Kopf dreht sie schützend zur Seite. Sie spürte seinen warmen, schnaubenden Atem auf ihrer Schläfe.
„Du widersprichst mir nicht!“, befahl er ihr in leisem aber festen Tonfall.
Starr vor Angst versuchte sie zu nicken.
„Gut so! Schick sie sofort weg!“, sagte er, lies langsam von ihr ab und setzte sich an den Tisch.
Zittrig vor Angst ging sie zurück in die Küche. Rabea hatte sich in eine Ecke gekauert. Sie wickelte ein paar Brotstücke in ein Tuch, schob es dem Mädchen unter ihren Mantel und schickte sie schleunigst weg. Ihre Hände zitterten noch immer als sie den Teller zu Finjas brachte.
Ohne weitere Worte aß er auf. Elea verschwand sofort in ihr Zimmer und vergrub sich unter der Bettdecke. Diesmal hatte sie sich offensichtlich zu weit hinausgelehnt.
In dieser Nacht war es das erste Mal, dass Finjas ihr Zimmer betrat und seinen Trieben nachgab. Ungefragt legte er sich mit seinem nackten Körper auf Elea und befriedigte seine Lust. Elea wusste, dass schreien keinen Sinn hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie vermochte kaum zu atmen. In dieser Nacht tat sie kein Auge zu und auch nicht in der nächsten. Aber zu einem weiteren Mal kam es nicht.
Ab diesem Zeitpunkt versuchte Elea Finjas so oft es ging aus dem Weg zu gehen. Sie verbrachte viel Zeit auf den Straßen von Bree. Sie sprach dort mit niemanden außer mit der kleinen Rabea wenn sie sie zufällig traf. Aber mit der Zeit wurden es sehr regelmäßige Treffen. Eines Tages hockte sie mit dem kleinen Mädchen unter einem Vordach nahe dem Markt.
„Erelieva!“, rief ihr Hildur an diesem verregneten, trüben Tag zu „Was machst du denn hier heraußen bei diesem miesen Wetter?“
„Ich… ich bin ein bisschen spazieren gegangen und hab mich hier mit der Kleinen getroffen“, antwortete sie flüchtig. Rabea begrüßte ihn.
„Aber ihr zittert ja und deine Hände, sie sind eiskalt. Wieso seid ihr nicht drinnen?“
„Finjas hat es nicht gerne wenn ich Besuch mitbringe“, antwortete sie und log dabei nicht einmal.
„Aber das ist ja lächerlich. Kommt mit, ich rede mit ihm.“
„Nein Hildur, bitte nicht. Das ist nicht notwendig“, entgegnete Elea schleunigst, aber der Mann ließ sich nicht abbringen. Gemeinsam gingen sie zum Gasthaus und Hildur klopfte an die Tür.
„Finjas mein Freund!“, begrüßte er ihn „Hast du eine nahrhafte Suppe und einen Krug Bier, ich habe wichtiges mit dir zu besprechen.“
Finjas zuckte mit den Schultern und warf einen Blick in die leere Gaststube.
„Deine Köchin und ihre Gehilfin habe ich mitgebracht, falls du sie suchst“, sagte Hildur und trat lächelnd einen Schritt zur Seite.
Finjas Mimik blieb unverändert, aber nur weil er seinen Zorn unterdrückte.
Elea verfiel innerlich in Panik, wollte sich die Blöße allerdings nicht geben und schob Rabea vor sich in die Gaststube. Die Frau ging von ihrer schlimmsten Befürchtung aus, daher beschloss sie wenigstens die paar Stunden des Glücks mit dem Mädchen zu genießen. Fröhlich und mit einem Lachen im Gesicht, kochten sie für die beiden Herren. Nur zugut erinnerte sie sich an die Zeit mit dem kleinen Helluin.
Nachdem sie Hildur und Finjas bewirtet hatten, setzten sie sich an einen Tisch abseits und aßen selbst eine große Schüssel der Suppe. Es war ein Genuss dem kleinen Mädchen zuzuschauen wie es die Suppe hinunterschlang als hätte sie nie etwas Besseres gegessen. Auf einmal kam Hildur zum Tisch der beiden und verabschiedete sich höflich von ihnen. Er bedankte sich für die ausgezeichnete Suppe. Anschließend gingen die beiden Männer zur Tür.
„Hör mir zu Rabea, wenn Finjas kommt werde ich ihn für einen Moment ablenken und dann kannst du schnell aus der Tür laufen. Versteck dich gut vor ihm“, wies sie das Mädchen an die nur zustimmend nickte. Als Finjas die Tür schloss und um die Ecke zum Tisch der beiden kam, schmiss sich Elea ihm entgegen und versuchte ihn festzuhalten. Das kleine Mädchen huschte von der Bank direkt zwischen seinen Beinen und der Wand vorbei zur verschlossenen Tür.
Thorondor the Eagle:
Zu Elea’s Erstaunen wehrte sich der Mann kein bisschen. Wie angewurzelt blieb er stehen, die Überraschung war ihm kaum anzusehen: „Die Kleine“, sagte er mürrisch „Sie kann vorübergehend bleiben.“
Ihren Ohren kaum trauend schaute sie Finjas an und schickte sofort ein Dankgebet zugunsten Hildur’s an die Valar.
In dieser Nacht ließ Elea die kleine Rabea bei sich im Bett einschlafen. Geborgen in ihren Armen und in einem weichen Bett fand das Mädchen sofort in einen tiefen und ruhigen Schlaf. Stunden starrte Elea auf das zarte Gesicht in ihren Armen, dass im blassen Mondlicht aussah wie zerbrechliches Porzellan. Ach wie gerne würde sie den kleinen Helluin jetzt in ihren Armen halten. Geborgen und beschützt vor dieser rauen Welt da draußen. Und kaum dachte sie daran, hörte sie die schweren Schritte Finjas die Treppen hinaufsteigen. Augenblicklich spannte sich ihr ganzer Körper an und ihr Herz begann wild zu schlagen.
Erst als sie hörte wie eine Türe ins Schloss fiel beruhigte sie sich langsam. Aus irgendeinem Grund fühlte sie auch Dankbarkeit gegenüber Finjas. Vielleicht war es die Angst, dass er in ihr Zimmer kommt oder es war diese Dankbarkeit, die Elea aufstehen lies und langsam zur Tür schleichen. Sie öffnete sie einen Spaltbreit und starrte zu der gegenüberliegenden Tür zu seinem Zimmer. Sie zwängte sich durch den Spalt. Am Gang angelangt, atmete sie tief ein und lies die Luft mit einem leisen Seufzen wieder heraus. Sie fasste allen Mut und all ihre Kraft zusammen, öffnete leise die Tür zu seinem Zimmer. Sie lies ihre Nachthemd zu Boden gleiten und verschwand unter seiner Decke.
Die kommende Zeit verlief sehr friedlich. Rabea brachte noch zwei weitere Kinder zu Elea die keine Unterkunft hatten. Die beiden Jungen hießen Madal und Aldred. Zweiterer hatte ein bisschen Ähnlichkeit mit Helluin in seiner Kindheit. Dies stimmte Elea zumeist sehr glücklich, zeitweise aber auch sehr traurig. Aber alles in allem genoss sie die Anwesenheit der Kinder und beschäftigte sich unentwegt mit ihnen. Abends las sie ihnen immer die Heldengeschichten aus den Büchern vor, sodass sie sogar von ihren Vorfahren erfuhren ehe sie Rohan besiedelten.
Trotz dessen, dass sie mehr Mäuler zu stopfen hatten, bekamen sie nicht mehr Lebensmittel. Hin und wieder ging Finjas jagen und brachte einen Hasen oder Fasan mit. Er behauptete zwar stets, dass er selbst wieder etwas Vernünftiges am Teller haben wollte, aber Elea vermutete auch andere Beweggründe.
Womit Elea gar nicht gerechnet hatte, war ein Kompliment einer fremden Frau, dass ihr eines Tages am Markt gemacht wurde. Sie bewunderte sie, dass sie in diesen schweren Zeiten einfach fremde Kinder aufnahm und sich um sie kümmerte als wären es ihre eigenen. Erst ab diesem Zeitpunkt fiel ihr auf, dass ihr so manche Frau und seltener ein Mann freundlich zunickte, wenn sie sie auf der Straße begegneten.
In den kommenden Wochen kam es immer wieder dazu, dass fremde Menschen das Gespräch mit Elea suchten und dieser Schleier des Zwielichtigen begann sich langsam zu senken. Ja manchmal verspürte sie sogar ein wenig Vertrauen in diesen Ort und ihre Bewohner. Die Dunadan wusste, dass diese Entwicklung nicht unbemerkt an Finjas vorbeiging und oft ertappte sie ihn, wie er sie argwöhnisch und misstrauisch musterte. Doch Elea versuchte ihm zu jeder Zeit das Gefühl zu geben, dass er keinen Grund zur Sorge gab. Manchmal, wenn er gut gelaunt war und zusätzlich etwas Fleisch mitbrachte, gab sie ihm einen dankbaren Kuss auf die Wange, was er natürlich mit einem Murren abtat.
Es war an einem kalten Abend kurz nachdem die Dämmerung eingesetzt hat, als plötzlich die Tür der Gaststube aufstieß und der eisige Wind hereinwehte. Ein leichter Nieselregen kam aus den Wolken und kalter Dunst lag auf den Straßen. Elea war in der Küche als sie von dem Knall aufschreckte den die Tür beim Aufprall an die Wand von sich gab. Sie konnte niemanden sehen und ging zur Eingangstür um sie wieder zu schließen. Da erblickte sie plötzlich die kleine Rabea auf dem Boden. Sie zog an einer scheinbar leblosen Hand eines Jungen.
„Oh du meine Güte“, murmelte sie im Schock zu sich selbst und lief sofort zu der Kleinen.
„Rabea, was machst du da? Was ist geschehen? Wer ist das“, stießen ihr die Fragen wie ein Wasserfall heraus.
„Ich, ich“, die Kleine stotterte „Ich habe ihn am Straßenrand gefunden. Er… Ich glaube er wurde verprügelt.“
Elea sah die zahlreichen blutigen Wunden am Rücken des Jungen. Sachte drehte sie ihn zur Seite. Sein Gesicht war angeschwollen und von Blutergüssen übersäht: „Der arme Junge wurde nicht nur verprügelt.“
Von Angst erfüllt wollte Elea am liebsten Rabea bei der Hand nehmen und die Türe schließen. Sie wusste, dass dieser Junge von Sarumans Männern gefoltert wurde und zum Sterben auf die Straße geworfen wurde. Ihn aufzunehmen würde das Leben der Kinder und ihr eigenes gefährden.
„Bitte“, flehte Rabea „Bitte, Mama Elea.“ Ihre Augen waren Tränen unterlaufen.
„Kennst du ihn?“, frage Elea.
Das kleine Mädchen nickte beschämt.
Zusammen schafften sie es mit Müh und Not den Jungen in die kleine Kammer hinter der Küche zu bringen in der Elea zu Anfang geschlafen hatte. Sie legten ihn auf das Bett. Eilig holte Elea heißes Wasser, saubere Tücher und Kräuter. Sie zogen ihm die Kleider aus und gemeinsam begannen sie damit die Wunden zu reinigen. Zum Glück war der Verletzte bewusstlos, ansonsten hätte er vor Schmerzen gebrüllt.
Nachdem sie ihn so gut es ging verbunden haben, blieb Rabea bei seinem Bett sitzen.
„Ihr müsst ganz leise sein. Versprich es mir. Finjas darf nicht wissen, dass er da ist. Ich weiß nicht was er dann tun würde“, sagte sie zu dem Mädchen und versuchte gar nicht erst ihre Besorgnis zu verbergen.
Zitternd vor Angst lag Elea in ihrem Bett. Jeder noch so kleine Laut im Haus ließ sie zusammenzucken.
Sie legte ihre Hand auf ihr Herz und begann kaum hörbar zu flüstern: "Hohe Sternenkönigin, ich bitte euch, lindere den Schmerz des jungen Mannes damit er unbemerkt bleibt und uns nichts geschieht. Ich flehe dich an..."
Thorondor the Eagle:
Die Nacht verlief ruhig bis plötzlich jemand leise aber schwungvoll die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Ein Schauer gefolgt von einem unaufhaltsamen Krampf breite sich über ihren Körper aus. Sie spürte kalte Hände die sie hilfesuchend umschlangen.
"Er ist tot", schluchzte Rabea unkontrolliert laut.
Mit Tränen in den Augen nahm sie das Mädchen, dass in diesem Moment noch kleiner und unschuldiger wirkte, in den Arm. Sie versuchte sie zu trösten, doch die Tränen flossen endlos aus ihr heraus. Lange noch streichelte sie ihm über den Rücken ehe es vor Erschöpfung einschlief.
Am nächsten Morgen wurde Elea unsanft vom Getrampel im Stiegenhaus geweckt. Sie konnte gerade so ihre Gedanken ordnen ehe die Tür gewaltsam aufgestoßen wurde und im ersten Anflug von Vernunft warf sich die Dunadan Finjas entgegen.
"Es ist meine Schuld!", schrie sie flehend "Ich habe den Jungen auf der Straße gefunden und hereingebracht"
Rabea wurde aus ihrem Schlaf gerissen und versteckte sich sofort hinter der Stirnseite des Bettes.
Finjas Adern an den Schläfen pulsierten heftig: "Du verdammtes Weib!", brüllte er sie an packte sie grob am Arm und schliff sie die Stiegen hinunter. Elea konnte sich nicht auf den Beinen halten. Er zog sie in das Zimmer und warf sie gegen die Bettkante, sodass sie mit ihrem Oberkörper und Gesicht auf dem leblosen Körper landete, die Knie aber am Boden aufschlugen und aufsprangen.
"Denkst du jemals nach was du da machst?", schrie er und die Verzweiflung war ihm anzuhören. "Weißt du eigentlich, wen du uns da ins Haus gebracht hast?"
Elea krümmte sich vor Schmerz.
"Sag schon du idiotisches Weibsbild! Weißt du es?"
Zaghaft schüttelte sie den Kopf.
"Das ist Hildamar, Hildur's Sohn", sagte er etwas leiser um sicherzugehen, dass ihn niemand hörte.
"Sie, sie", Finjas musste aus lauter Verzweiflung stottern, "sie werden uns für Verbündete Fornosts halten, wenn wir die Leiche von Hildur's Sohn hier haben. Sie werden denken wir haben ihn zu Tode gefoltert."
Elea schluchzte: "Ich.. ich... Wir wussten nicht wer er war. Er lag bereits so verwundet auf der Straße."
"Ich wusste, dass ich mit dir nur Ärger haben werde. Dafür stehe ich nicht gerade, dafür werde ich nicht hängen... Baltur ist mein Zeuge!", sagte der Mann bestimmt und schrie seinem Gehilfen der ohnehin unmittelbar vor der Türe stand mit einem Ausdruck der Genugtuung im Gesicht.
"Baltur!"
"Ja mein Herr", antwortete er ohne Zögern.
"Geh und hole Herrn Hildur hierher, sofort"
"Natürlich, mein Herr!"
Es dauerte keine halbe Stunde bis Hildur das Gasthaus betrat. Elea's Wahrnehmung war verschwommen. Sie hörte nur Wortfetzen von dem was gesprochen wurde und sah nur schemenhaft was passierte. Sie war es nun - ganz alleine - die einem Vater die Nachricht über den Tod seines Sohnes überbrachte. In ihrem Magen formte sich ein großer schwerer Klumpen, die Schmerzen verdrängte sie. Unbewusst fiel sie in einen trostlosen Tagtraum in dem Helluin hier leblos am Bett lag. Rücksichtslos stieß sie alle beiseite und stürzte sich auf die Leiche ihres Sohnes. Tränen benetzten ihr ganzes Gesicht, Schreie stießen aus ihrem Mund bis kein Ton mehr kam. Ihr Herz zersprang in tausend Stücke... Erst durch das laute Geräusch eines fest aufsetzenden Schuhs wurde sie aus dieser albtraumhaften Illusion gerissen. Ihr Blick schärfte sich wieder und sie sah Hildur in der Tür der Kammer stehen. "Hildur..." brachte sie lediglich heraus, doch die übrigen Worte steckten in ihrer Kehle fest. Sein Gesicht war festgefroren. Wortlos drehte er sich um und ging.
Weinend und hoffnungslos schleppte sich Elea wieder die Treppe hoch. Niemand hinderte sie daran, da jeder ratlos war was nun passieren würde. Sie legte sich in ihr Bett und kauerte sich zusammen. Verloren starrte sie in die Leere. Die beiden Buben versuchten sie vergeblich zurück ins Leben zu holen indem sie sich neben sie legten, ihr ins Ohr flüsterten oder sogar lachend im Bett herum hüpften. Nur Rabea ließ sich den ganzen Tag nicht mehr blicken.
Die Dämmerung war längst hereingebrochen als auf einmal Hildur die Tür zu Elea's Schlafzimmer öffnete. Er griff um ihren erschöpften Körper und richtete sie auf. Danach setzte er sich neben sie auf das Bett und lehnte sie an sich.
"Elea, du wunderbares Wesen", sprach er sie sanft an.
Sie rührte sich kaum.
"Was Finjas getan hat war keineswegs richtig, aber du musst verstehen warum er so gehandelt hat. Es war die pure Verzweiflung die ihn zu so einem groben Umgang gezwungen hat", versuchte er seinen Untergebenen zu verteidigen "In diesen Tagen ist der Zweifel und das Misstrauen in die anderen Menschen groß. Es ist nur natürlich, dass er Angst bekommen hat."
Elea blicke nun zu Hildur auf und verharrt einen Moment in seinen Augen: "Was mit mir geschieht ist mir egal. Dein Sohn... ich konnte ihm nicht helfen. Meine Angst vor Finjas war so groß; ich habe nur das nötigste getan." Beschämt blickte sie nach unten.
"Nein, nein. Du hast getan was du konntest. Hildamar ist bereits vor ein paar Wochen verschwunden. Wahrscheinlich hat der Sternenbund ihn entführt und gefoltert. Mein armer Sohn, er wusste von gar nichts", antwortete Hildur. Seine Stimme war gedämpft.
"Es tut mir so leid für dich", sagte sie mitfühlend.
Erst eine Woche später traute sich Elea wieder aus ihrem Bett. Baltur übernahm alle Arbeiten im Haus. Die Kinder ließ er links liegen, aber lange bevor sie hierher kamen lernten sie schon wie sie zu ihrem Essen kamen. Rabea blieb weiterhin verschollen. Die Dunadan wagte es nicht Finjas anzuschauen. Sie ging ihm wieder stets aus dem Weg und wenn sie ihm zufällig doch über den Weg lief, starrte sie schweigend auf den Boden. Eines Tages als Elea in die Küche ging um sich ein Frühstück zu machen, erblickte sie auf der Anrichte den Stern der Dunedain. Jenes wertvolle Erbstück, dass ihr ihr Großvater am Sterbebett überreicht hatte. Elea glaubte es verloren zu haben in der Zeit wo sie an der Grenze des Düsterwaldes nach Helluin gesucht hatte.
Ungläubig griff sie nach dem Schmuckstück. Der saphirblaue Edelstein eingefasst von einem silberglänzenden Stern war unverändert schön. Augenblicklich legte sie ihn an, dabei stellte sich die Frage woher er nun kam...
Hatte Hildur den Stern als Dankeschön hier gelassen? Aber woher sollte er ihn haben? Oder hat ihn gar Finjas in Moria oder vorher an sich genommen. Aber warum gibt er ihn mir jetzt? Ist das seine Art sich zu entschuldigen? Oh nein, nicht so… garantiert nicht so. Er gibt mir mein Eigentum zurück und glaubt ich nehme seine Entschuldigung an.
Vor lauter Wut beschloss die Dunadan das Haus zu verlassen um nach Rabea zu suchen oder sonst wohinzugehen. Just in diesem Moment fiel ihr ein wo sie nach der Kleinen suchen konnte.
Thorondor the Eagle:
Am Markt erkundigte sie sich bei einer ihr bekannten Händlerin wo die Toten hier bestattet werden und wurde von der Frau angewiesen die Straße nach Archet zu nehmen. Nach knapp einer Stunde Fußweg würde sie einen seltsam geformten Grabhügel erreichen. Dieser wurde erst vor knapp einem halben Jahr errichtet sagte die Händlerin dazu.
Ein kalter Schauer lief Elea über den Rücken, als sie diesen riesigen Grabhügel sah. Der Eingang stand offen und war so groß, dass Menschen ohne sich zu bücken reingehen konnten. Dies war sehr ungewöhnlich, da diese Orte nur geöffnet wurden um die Asche der Toten beizusetzen und dies war sehr selten der Fall - zumindest in Friedenszeiten. Voll Ehrfurcht betrat sie den hallenartigen Raum unter dem begrünten Dach. Die Wände waren nicht wie gewöhnlich aus Stein, sondern lediglich aus geglätteter Erde und wurden gestützt von dicken Holzbalken. An der hinteren Wand standen im Schein der Kerzen zahlreiche Urnen aus Holz. Sorgsam las Elea die Namen der Toten die feinsäuberlich in die Gefäße geschnitzt wurden bis sie die eine Gesuchte fand: Hildamar, Hildursohn - Erbe Numenors, ergebener Diener Arnors
"Es ist schon eigenartig", erklang plötzlich eine Frauenstimme aus dem Hintergrund. Elea erschrak und drehte sich um. Unter der Kapuze eines grünen Mantels fixierten graue Augen Elea's Gesicht.
"Wer bist du?", fragte sie und spürte dabei ihr Herz rasen.
"Ich bin Fíriel", gab sie zur Antwort "Und du bist Erelieva stimmts?"
"Woher wisst ihr das?"
"Man hört Gerüchte von dir in der Stadt. Elea, die Bamherzige. So nennen dich die Menschen am Markt. In manch einer Gutenachtgeschichte ist dein Name bereits eine Legende, aber bei uns - die die deinen Namen schon länger kennen - wir wissen wer du bist und was du getan hast."
"Was ich getan habe?", frage Elea verwundert.
"Dein Sohn, er hat uns alle verraten und verkauft und nun ist auch klar warum. Du bist sicher bei ihm gesessen und hast ihm den Verrat eingeflüstert", fauchte die Fremde sie nun an „Bist du hier um dein Werk zu betrachten oder nur um auf Nummer sicher zu gehen?“
Elea war wie gelähmt als sie diese Worte hörte, aber dann entfachte die Wut in ihr:
"Dass du hier stehst und mich eine Verräterin schimpfst!" fauchte Elea zurück und zeigte mit dem Finger auf die Urne von Hildamar "Warst du es nicht, die diesen armen Jungen gefoltert hat bis er nicht mehr auf seinen Beinen stehen konnte um ihn dann zum Sterben auf die Straße zu werfen? Du? Warst du es?"
Bei den folgenden Worten kämpfte Elea bereits mit den Tränen: "Dann warst auch du es, die die Seele meiner kleinen Ziehtochter zerbrochen hat als er in ihren Armen starb und die, die mir diese Wunden zufügte!"
Dabei zeigte sie ihr die Blutergüsse am Handgelenk und Schürfwunden an den Armen.
"und jetzt ist Rabea weg und ich hoffte doch so sie hier zu finden. Aber du, du bist schuld..."
Weinend sackte Elea auf die Knie: "Hast du sie gesehen? Die kalten eisblauen Augen? Die Augen die früher so viel Hoffnung, Zuversicht und Freude ausstrahlten?"
Fragend schaute sie in die grauen Augen der fremden Frau die bereits glasig waren. Sie gab allerdings keine Antwort.
"Du weißt nicht wie es ist in die kalten herzlosen Augen seines eigenen Kindes zu sehen, dass vorgibt dich nicht mehr zu kennen und dass seine Liebe in einen Kerker gesperrt hat tief unten in die dunkelsten Verliese der Welt, dorthin wo selbst die Zeit keinen Weg mehr findet. Ohne zu zögern würde ich mein Leben geben, wenn es meinen Helluin zurückbringen würde."
Das Wimmern Eleas hallte durch dieses Grabmal.
Die fremde Frau ging ein paar Schritte an Elea vorbei. Sie legte zwei ihrer Finger auf ihre Stirn, dann auf ihren Mund und schließlich auf ihr Herz. Dabei wisperte sie ein paar Worte zu sich selbst und legte die Finger sodann auf die Urne von Hildamar. Nach ihrem Gebet sprach sie wieder laut und deutlich:
"Hildamar war unser Verbündeter, ja unser Freund sogar. Nicht wir haben den armen Jungen so zugerichtet, sondern Sarumans Männer. Sein Vater hat entdeckt, dass er sich dem Sternenbund angeschlossen hat. Als ihn Hildur zu seinen Folterknechten brachte hatte er bereits aufklaffende Wunden am ganzen Körper. Wir wissen nicht wie lange er ihn zuhause verprügelt hat, aber er lebte noch als er in den Kerker gebracht wurde. Da siehst du was Saruman aus unseren ehemaligen Freunden gemacht hat. Ich wette er hat seinem Sohn nicht einmal eine Träne nachgeweint. Elender Verräter!"
Nein. Unmöglich. Ein Vater könnte das niemals seinem Kind antun. Sie ist eine Lügnerin! Hildur konnte unmöglich so grausam sein. Aber er hat tatsächlich keine einzige Träne vergossen. Er ist nach so kurzer Zeit schon wieder zu mir gekommen um mich zu trösten. Kann das wirklich wahr sein?
"Es ist schon eigenartig... Die Menschen versprechen uns eine glorreiche Zukunft, Reichtum und eine Ära in deren Vergleich alle vergangenen Königreiche wie ein Abglanz wirken und wir lassen uns ködern und werden zu Verrätern. Aber letztendlich landen wir alle, egal wo und für wen wir kämpfen, in so einem kleinen Krug und werden von den Überlebenden gerühmt oder auch verachtet", die Fremde pausierte ihren Monolog für einen Moment um nachzudenken "Manchmal wünschte ich mir in einer anderen Zeit geboren zu sein, aber darauf habe ich keinen Einfluss. Sehr wohl aber auf den Weg den ich einschlage."
Sie streichelte Elea über den Kopf und das Gesicht zum Kinn und drückte sanft ihren Kopf nach oben: "Der wunderschöne Stern den du hier trägst ist das Symbol unserer Vorfahren und unserer ganzen Familie. Wir sollten alles daran setzen wieder Eine Familie zu werden."
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