Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rohan
Aldburg - Das Lager der Elben
Eandril:
Oronêl aus der Stadt...
Oronêl ging nicht zurück zu seinem eigenen Zelt, sondern machte sich auf den Weg zu Galadriel. Vor ihrem Zelt standen zwei Elben aus Lórien Wache, die ihn sofort zu erkennen schienen.
"Oronêl!", sagte er rechte der beiden. "Die Herrin Galadriel erwartet dich bereits." Oronêl wunderte sich kein bisschen darüber, denn inzwischen wusste er, dass man Galadriel selten überraschen konnte. Nur Sarumans Ankunft beim Rat schien sie vollkommen unvermutet getroffen zu haben.
Oronêl nickte, und betrat das Zelt. Im Inneren herrschte ein silbriges Licht, dass von den Lampen herrührte, die an den Zeltpfosten aufgehängt worden waren. Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes war eine Karte von Mittelerde ausgebreitet, und um ihn herum standen mehrere Elben: Galadriel, Celeborn, Celebithiel und Orophin. Oronêl trat neben Celebithiel, die ihm zur Begrüßung sanft die Hand auf die Schulter legte. Orophin nickte ihm von der anderen Seite des Tisches zu, und Galadriel sagte: "Willkommen, Oronêl. Wir haben uns gerade beraten wie wir uns verhalten wollen, jetzt da Saruman der Verräter unsere Verbündeten auf seine Seite gezogen hat."
"Bevor er hier eintraf waren wir bereit, jeden unserer Elben, die dazu bereit wären, den Kampf gegen Sauron fortsetzen zu lassen, an der Seite unserer Verwandten aus Imladris und Lindon.", ergänzte Celeborn.
"Jeden eurer Elben?", fragte Oronêl nach. "Und was ist mit euch?"
Galadriel lächelte traurig, und antwortete: "Wir ziehen uns in jedem Fall für eine Weile aus diesem Krieg zurück. Lothlórien fallen zu sehen, hat... Spuren hinterlassen, und jeder geht damit auf seine Weise um." Und ihr Gemahl fuhr fort: "Wir werden uns für einige Zeit nach Lindon zurückziehen, gemeinsam mit allen anderen Elben, die nicht mehr weiterkämpfen wollen."
Das war nicht die Antwort, die Oronêl sich erhofft hatte, und Galadriel schien das bemerkt zu haben. "Ich sehe die Enttäuschung in deinen Augen, Oronêl. Aber wir werden weder Mittelerde verlassen noch den Kampf für immer aufgeben. Dieser Krieg ist weit davon entfernt, beendet zu werden, und noch vor seinem Ende werden wir wieder an der Seite unserer Verbündeten stehen."
Jetzt wandte sich Celebithiel ihm zu. "Auch ich werde nach Lindon gehen, für eine Weile. Ich würde gerne hier bleiben aber... ich kann nicht."
"Ich verstehe.", sagte Oronêl. "Ich hatte gehofft, du..." "Ich weiß.", unterbrach Celebithiel ihn. "Aber ich kann jetzt nicht einfach weitermachen. Es tut mir Leid."
Oronêl nickte, sagte aber nichts. So ergriff Celeborn wieder das Wort. "Es muss noch entschieden werden, was jene tun sollen die weiterkämpfen wollen. Sollen sie an der Seite Sarumans gegen Sauron kämpfen? Sollen sie gegen Saruman kämpfen, und somit gegen die eigenen Verwandten und Freunde? Oder sollen wir allen Elben Lothlóriens verbieten zu kämpfen?"
Orophin schüttelte den Kopf und sagte: "Nichts davon sagt mir besonders zu. Ich will weiterkämpfen, aber... Ich werde niemals mit jenen kämpfen, die sich Saruman angeschlossen haben, und ich kann auch nicht meinem Herzen folgen und Krieg gegen Saruman führen. So sehr es auch schmerzt, aber unsere Verbündeten haben sich für ihn entschieden, also müsste ich auch gegen sie kämpfen."
"Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.", warf Galadriel mit einem leichten Lächeln ein. "Oronêl hat bereits Gebrauch davon gemacht."
"Das ist wahr.", erwiderte er und fragte nicht, wie sie bereits davon erfahren hatte. "Ich habe bereits jene unter den Erben Lenwes, die weiterkämpfen wollen, Erchirion, dem Prinzen von Dol Amroth, unterstellt. Sie werden ihm über das Weiße Gebirge nach Süden folgen und dort für Dol Amroth und Gondor kämpfen - gegen Sauron, aber nicht an der Seite Sarumans."
"Das ist... eine gute Idee.", meinte Orophin. "Ich werde nach Gondor gehen, und meine verbliebenen Grenzwächter werden mir folgen."
Auch Celeborn schien mit dieser Möglichkeit zufrieden zu sein. "Dann soll es so sein. Alle Elben Lóriens, die weiter gegen Mordor kämpfen wollen, sollen nach Süden gehen und sich Dol Amroth anschließen. In den Adern des Fürsten fließt elbisches Blut, also wird er sie willkommen heißen."
"Nicht nur elbisches Blut, sondern Oronêls Blut.", sagte Galadriel. "Aber du wirst sie nicht begleiten, nicht wahr?"
"Nein.", antwortete Oronêl mit einem Kopfschütteln. "Meine Tochter Mithrellas wird an meiner Stelle gehen. Ich habe..." "Eine andere Aufgabe zu erfüllen.", beendete Galadriel den Satz. Plötzlich wirkte sie noch viel ernster und entschlossener als zuvor. "Und diese Aufgabe könnte die wichtigste sein, die du jemals hattest."
In ihren Augen schimmerte ein silbernes Licht als sie fortfuhr: "Ich habe nach dem Rat in meinen Spiegel geschaut." Celeborn war der einzige, der nicht überrascht schien. "Ich habe die Schale bei der Flucht aus Caras Galadhon mit mir genommen.", erklärte Galadriel. "Außerhalb des goldenen Waldes und mit gewöhnlichem Wasser ist seine Macht begrenzt, aber er ist dennoch von Nutzem, und ich habe vieles gesehen."
Sie machte eine Pause, wie um sich zu sammeln.
"Der Krieg steht noch immer auf Messers Schneide, aber auch wenn Sauron übermächtig erscheint, gibt es noch Grund zur Hoffnung. Dieser Krieg wird nicht von Elben oder Zwergen entschieden werden, nicht einmal von Zauberern. Die Menschen sind es, die die Waage in die eine oder die andere Richtung senken werden. Ich habe Zorn und Kriegsmüdigkeit gesehen, nicht in Gondor, sondern im Süden und im Osten. Die Entscheidung dieser Menschen könnte eines Tages den Ausschlag geben, ob Sauron besiegt werden kann - oder nicht."
"Habt ihr noch mehr gesehen, Herrin?", fragt Orophin beinahe zaghaft.
"Vieles, aber alles unklar und verschwommen - mehr als üblich. Und was davon Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit war, kann ich nicht sagen. Aber eines war klar und deutlich." Sie blickte Oronêl direkt in die Augen. "Ein Ring der Menschen bewegt sich nach Westen."
"Nach Westen?", fragte er verwirrt. Damit hatte er nicht gerechnet. "Ich hätte gedacht, dass der Ring Amrothos nach Osten lenken würde."
"Das dürfte die eigentliche Absicht des Rings gewesen sein, ja.", anwortete Galadriel. "Aber nach Osten richtet sich Sarumans wachsamer Blick... Vielleicht hat der Ring das gespürt und versucht dem Zauberer zu entgehen - Oder Amrothos hat noch mehr Macht über sich selbst. Aber was auch immer der Grund dafür ist: Der Ring befindet sich westlich von uns, wo genau kann ich nicht sagen. Ich habe dunkle Gänge gesehen, und Feuer in der Tiefe... und dann ein Licht und einen dunklen See unter Sternen."
"Moria.", sagte Celeborn. Allein der Klang des Wortes genügte, um Oronêl erschauern zu lassen. "Und das der dunkle See am Ende könnte der See am Westtor gewesen sein. Vielleicht hat Amrothos es geschafft, Moria ungesehen zu durchqueren und ist nach Eregion gekommen.", fuhr der Herr von Lothlórien fort.
"Aber wohin ist er dann?", fragte Oronêl.
"Ich kann ihn nicht klar sehen.", antwortete Galadriel. "Dieser Ring befindet sich noch immer westlich des Gebirges, aber ob in Eregion oder den umliegenden Ländern kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber eines ist sicher: Du musst den Isen überqueren und durch die Pforte von Rohan nach Norden gehen. Geh zum Tor von Moria, wenn es sein muss, und nimm dort die Spur wieder auf. Und eile dich, denn wir müssen um jeden Preis verhindern, dass der Ring in Sarumans oder zurück in Saurons Hände gelangt."
"Um das endgültig zu verhindern müsste ich ihn zerstören.", meinte Oronêl. Bei dem Gedanken daran drohte ihn der Mut zu verlassen. Wie sollte er, ein ganz normaler Elb, in der Lage sein einen Ring der Macht, und wenn es nur einer der Neun war, zu zerstören? Wiedereinmal schien die Herrin Lothlóriens seine Gedanken zu lesen. "Ja, der Ring muss zerstört werden. Aber verliere nicht den Mut, denn um einen Ring der Macht zu vernichten brauchst du keine besondere Macht. Wenn du den Ring gefunden hast, musst du nach Eregion gehen, und Celebrimbors Schmiede finden, wo dieser Ring herstammt. Entfache das Feuer von neuem, und es sollte in der Lage sein, den Ring zu vernichten."
"Aber wie soll ich die Ringschmiede finden?", fragte Oronêl. "Ich kenne mich in Eregion nicht aus, und auch sonst niemand hier der mich begleiten würde."
"Nein, niemand hier.", erwiderte Galadriel. "Aber hier in der Stadt, und du hast ihn bereits beim Rat gesehen."
Oronêl war sofort klar, wen sie meinte. Er verstand nicht, wie er Mathan nach dessen kühnen Plänen zum Wiederaufbau Eregions hatte vergessen können - allerdings hatte Sarumans Ankunft alles andere aus seinem Kopf verdrängt.
"Das wäre einen Versuch wert.", sagte er langsam.
Galadriel rief einen der beiden Wächter vor dem Zelt herein und sagte zu ihm: "Sucht nach Mathan Nénmarma. Er ist groß, hat braune Haare und grüne Augen. Bittet ihn, sich zu uns zu gesellen, und sagt ihm, es sei überaus wichtig."
Fine:
Cyneric aus der Stadt
"Ihr Zelt befindet sich am südlichen Rand des Lagers," hatte Oronêl gesagt, und daran versuchte sich Cyneric zu halten nachdem er das große Tor von Aldburg durchquert und zum zweiten Mal an diesem Tag das Lager der Elben betreten hatte. Im Lager herrschte nach wie vor hohe Aktivität, viele Leute waren hierhin und dorthin unterwegs. Cyneric versuchte sich zu orientieren. Thranduils Zelt war im nördlichen Teil, dem Bereich der Düsterwaldelben gelegen gewesen, erinnerte er sich. Also bog er an der ersten Kreuzung zunächst einmal rechts ab.
Schon wenige Minuten später hatte er sich bereits hoffnungslos verlaufen.
Durch die unvorhergesehene Ankunft der Flüchtlinge aus Lothlórien und dem Düsterwald war das ursprünglich von dem Heer aus Imladris errichtete Lager rasch und unkoordiniert gewachsen. Verschlungene ausgetretene Pfade führten zwischen eng nebeneinander stehenden Zelten und Unterständen aus Holz hindurch. Elben eilten hin und her und schienen dennoch ganz genau zu wissen wohin sie wollten. Cyneric versuchte sich grob nach Süden zu halten, doch schon wieder versperrte ihm etwas den Weg: eine kleinere Gruppe Zelte die um einen frei stehenden Baum herum errichtet worden waren.
Dreimal hatte er bereits versucht nach dem Weg zu fragen. Der erste Elb den er ansprach machte ihm mit Gesten klar, dass er kein Westron sprach. Die zweite, eine hübsche braunhaarige Elbin hatte noch nie etwas von einer Dame namens "Mithril-las" gehört. Der dritte, ein in silberne Rüstung gepanzerter Soldat Bruchtals war sich nicht sicher in welchem Teil des Lagers sie sich befanden und konnte Cyneric ebenfalls nicht weiterhelfen.
Er wich einem Reiter aus, der über den Weg auf dem er stand geprescht kam und stolperte dabei rückwärts über einen am Boden liegenden Pfahl. Was mache ich hier eigentlich, dachte er missmutig und blieb zunächst sitzen. Hier gehöre ich nicht hin. Dieses... Durcheinander kommt mir so unelbisch wie sonst was vor, und doch scheinen sie sich wunderbar zurecht zu finden. Er bemerkte, wie ihn einige Elben verwundert ansahen und miteinander in ihrer Sprache redeten. Gerade wollte er schnell aufspringen; entschlossen sich nicht weiter zum Gespött zu machen, als ihn von rechts eine helle Stimme auf rohirrisch ansprach.
"Habt Ihr Euren Helm verloren, feorhhyrde?"
Es war ein junges Mädchen dessen Alter Cyneric nur schwer bestimmen konnte - es schien irgendwo zwischen dreizehn und sechzehn zu liegen. Die langen blonden Haare waren zu einem breiten Zopf geflochten, der ihr über die linke Schulter fiel und unverkennbar elbische Muster aufwies. Auch ihre Kleidung schien elbisch zu sein; das hellblaue Kleid das sie trug war am Saum mit goldenen Blättern verziert. Sie hatte ein schmales Gesicht auf dem sich einige Sommersprossen zeigten, doch es waren ihre Augen, die Cyneric zuerst auffielen. Grün, aber auch blau schimmernd spiegelten sie das nun langsam schwindende Licht der sinkenden Sonne - doch schien es Cyneric als hätten diese Augen bereits viel Leid gesehen. Er kannte den Blick - er selbst hatte ihn an vielen Tagen auf dem Gesicht gehabt. So jung und dennoch so voller Trübsinn, dachte er.
"Ihr täuscht Euch. Ich habe meinen Helm nicht verloren", sagte er und schob die düsteren Gedanken fort. "Er liegt an seinem Platz - in der Rüstkammer. Ich bin nicht im Dienst. Ich bin hier, weil - moment mal, Mädchen, kennt Ihr vielleicht eine gewisse ... ich meine, eine Elbin namens Mithril-lass... oder so ähnlich?"
"Mithril-las!" lachte das Mädchen und stupste ihn an. "Wenn sie das hört!" Dann wurde sie wieder ernst und sagte: "Ich kenne die Dame, die Ihr sucht. Kommt, ich bringe Euch hin!"
Sie sprang auf und eilte gewandt davon, den Elben auf dem Weg ausweichend. Cyneric hatte Mühe, zu folgen. Schließlich kamen sie zu einem Zelt, vor dem eine Elbin saß, die eine unverkennbare Ähnlichkeit zu Oronêl besaß - und Cyneric seltsamerweise auf gewisse Art an den Boten aus Gondor erinnerte, den er am Vormittag beim Kriegsrat getroffen hatte.
"Das ist Mithrellas," sagte das rohirrische Mädchen und blieb neben der Elbin stehen. "Mithrellas, hier ist ein feor...ein Gardist des Königs von Rohan. Er hat dich gesucht, um.... ja, wieso eigentlich?"
Cyneric hob die Hand zum Gruß vor die Brust. "Mein Name ist Cyneric, Cynegars Sohn. Ihr seid die Tochter des Fürsten Oronêl von Dwimordene? Ich... bin auf seinen Wunsch hier. Es gibt... Dinge zu besprechen," sagte er mit einem Seitenblick auf das blonde Mädchen, das ihn aufmerksam zu beobachten schien.
"Ich grüße Euch, Cyneric von der Königlichen Garde. Ich habe schon gehört, dass Ihr nach mir suchtet und so schickte ich Irwyne los um Euch zu finden," sagte Mithrellas lächelnd.
Die Schönheit der Elbin verwirrte Cyneric. Als wäre sie direkt einem der alten Lieder entstiegen, dachte er. Er hatte während des Krieges schon mit Elben zu tun gehabt, jedoch waren es zum größten Teil Männer gewesen. In seiner Zeit in Aldburg hatte er noch keine Elbin gesehen, die ihm nicht überirdisch schön vorgekommen gewesen war. Als gäbe es keinen Makel unter ihrem Volk. Und dennoch sieht man beinahe überall nur Leid und Trauer bei den Elben - nach dem Verlust ihrer Heimat keine Überraschung. Da fiel ihm auf, was Mithrellas gesagt hatte - das blonde Mädchen, das ihn gefunden und vor weiteren Peinlichkeiten bewahrt hatte war Irwyne, von der Oronêl gesprochen hatte.
"Dann wisst Ihr vermutlich auch, in welcher Angelegenheit mich Fürst Oronêl aufgesucht hat?" fragte er.
"Ja wissen wir," antwortete Irwyne, doch Mithrellas brachte sie mit einer sanften Geste zum Schweigen.
"Mein Vater und ich haben seit dem Fall von Lothlórien für Irwyne gesorgt, doch nun ruft ihn das Schicksal nach Westen," sagte sie.
"E will über das Meer fahren und Mittelerde verlassen?" vermutete Cyneric, der bereits von den Leuten in der Stadt Geschichten über die Elben, die nach Westen über das Meer zu den unsterblichen Landen fuhren gehört hatte."
Mithrellas lachte ein glockenhelles Lachen, und Irwyne grinste. "Nein, Cyneric, Ihr irrt Euch. So leicht wird ihn Mittelerde nicht los."
Gleich wurde sie wieder ernst. "Doch es gibt nun Dinge zu tun, die von unserem Lager hier in Aldburg nicht zu bewerkstelligen sind. Mein Vater bricht schon sehr bald zur Pforte von Rohan auf, und ich werde die Stadt ebenfalls verlassen. Es ist eine... Familienangelegenheit."
Sie verstummte und ließ den Blick in die Ferne schweifen.
Kurz darauf ergriff Mithrellas wieder das Wort. "Die Reise wird gefährlich. Und wir wollen Irwyne nicht gefährden. Deshalb wird sie hier in Aldburg bleiben." Cyneric konnte sehen, dass das Mädchen anderer Meinung war, aber sie sagte nichts, zupfte gedankenverloren an ihrem Haar herum.
"Da Ihr nun hier seid nehme ich an dass Ihr Oronêls Anliegen nachzukommen gedenkt?" sagte Mithrellas und blickte Cyneric freundlich an.
"Richtig, ja," antwortete er. "Wenn Irwyne es möchte kann sie so lange bei mir bleiben, wie sie will," fügte er hinzu. "In der Unterkunft der Wache gibt es noch ein paar ungenutzte Räume; der gesamte dritte Stock steht leer."
Mithrellas lächelte erfreut. "Mein Vater und ich danken Euch von Herzen, Cyneric." Sie strich ihr Kleid glatt und stand auf. "Noch ist der Tag unserer Abreise nicht gekommen, aber er rückt stetig näher. Kommt morgen zur selben Zeit wieder und macht Euch weiter mit Irwyne bekannt. Ich kann sehen, dass Ihr ein guter Mann seid. Mögen die Valar Euren Weg segnen!" Sie deutete eine anmutige Verbeugung an und verschwand zwischen den Zelten.
Cyneric blieb unschlüssig stehen. Irwyne war geblieben als Mithrellas gegangen war und blickte ihn scheinbar erwartungsvoll an. Er wandte sich ihr zu.
"Ich... hatte auch einmal eine Tochter," sagte er vorsichtig. "Ihr Name war Déorwyn. Schau, hier ist ein Abdruck ihrer Hand," fügte er hinzu und zog den Stofffetzen hervor, den er immer bei sich trug. Irwyne nahm ihn ihm aus der Hand und betrachtete ihn einen kurzen Moment.
"Was ist mit ihr passiert?" wollte sie wissen.
"Sie ist verschwunden, als der Krieg nach Rohan kam," antwortete Cyneric, die schmerzhaften Erinnerungen unterdrückend.
"Ihr... du meinst sie ist gestorben?"
"Nein! ... ich meine... nein, ihre Mutter starb, ich fand sie tot vor meinem Haus. Aber ... meine Tochter ist nicht tot. Da bin ich mir sicher..."
"Das ist gut!" sagte Irwyne. "Vielleicht treffe ich sie eines Tages!"
Cyneric wusste nicht, was er darauf antworten sollte. In seinem Herzen hatte er die Hoffnung aufgegeben, Déorwyn je wiederzusehen. Doch irgend etwas daran, wie dieses Mädchen es gesagt hatte....Vielleicht treffe ich sie eines Tages,. Es klang so.... möglich. Mit einem Mal schien ein schon lange ausgebrannter Funke wieder zu glühen zu beginnen.
"Das wäre... das wäre schön, Irwyne," sagte er schließlich. "Ich ... ich denke, ich sollte gehen. Ich komme morgen wieder. Inzwischen kümmere ich mich darum, dass es dir an nichts fehlen wird, wenn Oronêl und ... Mithrell-las aus Aldburg abreisen," versprach er.
"Ja, komm wieder, Cyneric!" sagte Irwyne mit leuchtenden Augen. "Aber verlauf' dich nicht wieder, oder ich muss dich noch einmal vor dem Gerede des ganzen Elbenlagers retten!"
Gemeinsam lachten sie darüber, bis Cyneric sich schließlich verabschiedete und sich mit seltenen Gedanken von Hoffnung und Fürsorge auf den Rückweg in die Stadt machte.
Vielleicht treffe ich sie eines Tages...
Cyneric zurück in die Stadt
Eandril:
Während die anderen Elben im Zelt blieben um auf Mathans Ankunft zu warten, nutzte Oronêl die Gelegenheit und trat für einen Moment ins Freie. Die Sonne stand bereits tief im Westen und warf noch ein letztes goldenes Licht über das Lager und die Stadt dahinter. Zu Oronêls Überraschung wurde er draußen bereits von Mithrellas erwartet. "Und, was habt ihr beschlossen?", fragte sie ohne weitere Begrüßung.
Oronêl sah sich kurz um, bevor er antwortete. Nach Sarumans Auftauchen konnte man nicht vorsichtig genug sein, vor allem wenn es um diese Dinge ging.
"Ich werde nach Westen gehen und die Spur von Amrothos und dem Ring wiederaufnehmen. Alle Elben Lóriens die weiterkämpfen wollen, werden sich gemeinsam mit dir Dol Amroth anschließen, und Orophin wird diese Gruppe anführen. Celeborn und Galadriel gehen mit allen übrigen nach Lindon um ihre Wunden heilen zu lassen."
"Es ist eine gute Nachricht, dass noch mehr Elben mit nach Gondor gehen werden. Wir werden dort jeden Bogen und jedes Schwert gebrauchen können. Aber..." Mithrellas zögerte. "Wenn Orophin nach Dol Amroth geht, können doch er und Ladion unsere Leute anführen. Dann kann ich dich auf deiner Suche begleiten."
Oronêl schüttelte den Kopf. "Nein, wir werden es so machen wie wir es beschlossen haben. Du bist die einzige, die das Land und die Stadt kennt. Und als Ahnherrin des Fürsten bist du ein wichtiges Symbol für die Menschen. Du bist eine Gestalt aus ihren Legenden, und wenn du ihnen nun in der Stunde ihrer Not zur Hilfe kommst, könnte das ihren neuen Mut einflößen."
"Was du sagst sehe ich ein." Mithrellas sah zu Boden, und für einen Augenblick erinnerte sie Oronêl trotz ihres Alters wieder an das kleine Mädchen, dass sie vor über viertausend Jahren gewesen war. "Mein Herz allerdings verlangt mit aller Macht mit dir zu gehen, Vater. Ich weiß nicht, was ich tun soll." Oronêl legte seiner Tochter die Hand auf die Schulter. "Ich weiß, wie du dich fühlst. Mich zieht es ebenso stark nach Dol Amroth zurück, wie es mich auf die Suche nach Amrothos treibt. Mein Herz sagt mir, dass ich meine Axt in Sarumans Schädel schlagen muss, aber mein Verstand sagt etwas anderes. Es ist nicht leicht, ich weiß. Aber du musst nach Dol Amroth gehen."
Noch bevor Mithrellas etwas erwidern konnte sah Oronêl Mathan gemeinsam mit Halarîn und einer weiteren Elbin auf sich zukommen.
Curanthor:
Mathan, Halarîn und Faelivrin aus der Stadt
Mathan folgte der Wache durch die Stadt, bis sie im Lager der Elben eintrafen, mit einem flüchtigen Gruß eilte der Wächter voraus und verschwand im Gewühl des Lagers. Die Luft war angenehm kühl und die Sonne senkte sich dem Horizont zu. Halarîn deutete zum größten Zelt im Lager und lächelte. Faelivrin, die ihre Mutter um etwa einen Kopf überragt zog die meisten Blicke auf sich als sie ebenfalls auf das Zelt deutete. Die beiden Frauen grinsten Mathan an und er nickte ungehalten. "Sehr nett von euch.", kommentierte er die Gesten und ging voraus. Vereinzelt wurde er mit seinem Rang gegrüßt, die meisten Elben waren aber entweder mit irgendetwas beschäftigt oder warfen Faelivrin ab und an neugierige Blicke zu. Dass Halarîn diesmal keine Aufmerksamkeit geschenkt bekam, kam ihr ganz gelegen, was Mathan an ihrem leichten Lächeln deutete. Seine Tochter dagegen wirkte alles andere als ausgeglichen, starrte jeden und alles an, zog ab und an eine Augenbraue hoch und machte einen eher genervten Eindruck. Für ihn selbst war das alles neu, dass seine Tochter so erwachsen und ernst geworden war, selbst dass Halarîn ungewöhnlich still war besorgte ihn etwas. Vielleicht lag es auch an der Anspannung, die sich wie eine Wolke über die Stadt und das Lager gelegt hatte. Gelegentlich hatten sie sogar Momente der vollkommenden Stille, was bei einer solchen Anzahl von Elben ihn erschaudern ließ. Irgendwann ertönte leises Harfenspiel irgendwo im äußeren Teil des Lagers, das scheinbar einige der umherlaufenden Eben beruhigte.
Das merkwürdige Trio bahnte sich einen Weg durch das Lager, wichen einem Trupp Reiter aus, einer Marschkolonne und einem Würdenträger der Menschen. In der Zeit sprachen sie keinen Ton und eine peinlich Stille machte sich bei den Dreien breit. Mathans Gedanken kreisten die ganze zeit um den Ring, den Oronêl erwähnt hatte. Keiner hatte damals geahnt, dass Sauron diese Ringe benutzten würde um die bekannte Welt zu unterwerfen, auch wenn die Elben reagiert hatten und die Ringe gut versteckt haben, so hatten doch allein die neun Ringe der Menschen genug Schaden angerichtet. Er fragte sich, ob der verschollene Ring das Kleinod war, an dem er mitgeholfen hatte. Scheinbar würde sein Gewissen solange belastet sein, bis Sauron verschnichtet ist. Verwirrt blickte Mathan auf, als er kurz einen Ellbogen in seiner Seite spürte. Er starrte auf das Zelt vor ihm und erkannte den Mann, der davor stand, schließlich hatte er ihn schon im Rat gesehen und zuvor auf der Ebene von Celebrant. Die Elbe neben den Axtträger erkannte er nicht. Mit einem Kopfnicken trat er zu ihnen. "Seid gegrüßt.", grüßte Mathan die Beiden recht förmlich, Halarîn neigte dagegen nur leicht den Kopf. Mathan musste ein Schmunzeln unterdrücken als seine Tochter vortrat, sie mochte es scheinbar ihre Rang zu verdeutlichen, da sie noch immer die Krone trug und nur kaum merklich nickte.
"Ich grüße Euch. Mein Namen ist Faelivrin Nénharma.", sagte sie schlicht.
Merkwürdigerweise ernschien erst jetzt die Wache, die sie aus der Stadt abgeholt hatte. Ohne sie zu beachten lief der Mann an ihnen vorbei und verschwand im Inneren des Zelts, Halarîn blickte ihm mit eine hochgezogenen Braue nach. "Nun, mich brennt es zu erfahren worum es geht.", bemerkte Mathan und zupfte wiedereinmal an seinem Schwertgurten herum. Eine etwas überflüssige Angewohnheit um sich zu vergewissern, ob er die dualen Klingen bei sich hatte. Auch wenn es ihm unlogisch schien im Lager bewaffnet zu sein, doch war eine Großzahl der Elben, die er gesehen hatte bewaffnet gewesen, teilweise in sogar Rüstung.
Curanthor:
Nach ein paar Augenblicken nickte Mathan schließlich und deutete zum Eingang.
"Ich denke wir sollten heingehen, es schien sehr dringen zu sein.", sagte er und ging voran. Halarîn wartete draußen mit Faelivrin, die beiden begannen auch sofort über ihre Familie zu sprechen. Mathan dagegen rang seine aufkommende Nervösität zu Boden und trat durch die Schleier und landete sofort unter den wichtigesten Elben im Lager, die ihn stellenweise argwöhnisch, aber mehr freundlich anblickten.
"Hauptmann Mathan Nénharma zu Diensten.", grüßte er die Versammelten und konzentrierte sich auf Galadriel die ihn ebenfalls begrüßte, während die anderen Anwesenden, von denen er nur Celeborn und Orophin in Erinnerung hatte nur nickten. Hinter ihm stand Oronêl, der etwas angespannt aussah, bis schließlich Galadriel das Wort ergriff: "Mathan, danke für Euer kommen. Ihr fragt Euch sicherlich warum Ihr hier seid, die Antwort ist, dass Eines der neun Übel aus den Griff des Dunklen Herrschers entwunden wurde. Die Spur des Rings führt nach Westen, Eurer alten Heimat. Oronêl wird aufbrechen und versuchen ihn zu finden und zu zerstören."
Mathan nutze die Pause Galadriels und ergriff seinerseits das Wort. "Er wird die Schmieden nicht finden.", warf er bestimmt ein und handelte sich skeptische Blicke ein.
"Deswegen seid Ihr hier.", antwortete Galadriel schlicht.
Einen kurzen Moment war es still in dem Zelt und er konnte die Stimmen seiner Frau und Tochter hören, die vor dem Zelt miteinander sprachen. Der Schmied rang einen kurzen Augenblick um Fassung und sagte schließlich: "Das ist einfach gesagt. Ich selbst habe bei der Erschaffung der verfluchten Ringe geholfen, jedoch ist der Weg zu den Schmieden streng geheim gewesen. Außerdem ist es dadurch mit meine Schuld, dass diese Ringe so viel Schaden anrichten konnten. Auch wenn alles in mir danach drängt mit dem Heer zu ziehen, so widerstrebt es mir Saruman in meinem Rücken zu wissen. Meine Verantwortung ist es den Ring zu zerstören, nicht Oronêls, er mag zwar den Auftrag haben, so ist es aber meine persönliche Angelegenheit aus meiner Vergangenheit. Und aus diesem Grund werden Halarîn und ich ihn begleiten." Er drehte sich zu Oronêl um. "Natürlich wenn es Euch zusagt."
Galadriel wirkte etwas erleichtert, als er seine Zusage machte und nickte. "Ich dachte mir, dass Ihr so denkt."
"Dennoch wird diese Reise für nur drei Gefährten gefährlich. Die Wege in Eregion sind längst nicht mehr so sicher.", merkte Celeborn an.
Mathan schmunzelte. "Es ist meine Heimat, ich kenne dort jeden Stein trotz er Zeit die vergangen ist.", antwortete er und rollte vielsagend seine Schultern.
Nun war es an Orophin, den er aus den Grenzwächtern kannte, einen Einwurf zu machen. "Hauptmann, eure Fähigkeiten und Heimat in Ehren, aber dort in der Wildnis ist es mit nur drei Gefährten auf längere Zeit zu gefährlich. Wir können jene Fragen, die nicht mit Saruman ziehen wollen und auch nicht nach Gondor gehen, ob sie eure Gemeinschaft begleiten wollen."
"Wir dürfen auch nicht zu viele werden, unser Proviant ist begrenzt und eine kleine Gruppe fällt nicht so sehr auf.", erwiderte Oronêl, dem Mathan mit einem Nicken zustimmte. "Wir können zwei Boten ausschicken, die in der Stadt fragen, ob einige Mitstreiter für eine Expedition in die Lande westliche des Gebirges mitziehen wollen.", schlug er vor und stieß auf überwiegende Zustimmung.
"Dann ist es beschlossen.", stellte Galadriel fest und faltete die Hände vor ihrem Körper. "Lasst mir eine Nachricht zukommen wie viel Proviant ihr braucht. Wir selbst werden auch bald nach Westen aufbrechen, so würde ich euch zu Eile raten.", schloss Galadriel und somit schien scheinbar das Meiste gesagt zu sein. "Ich danke für Euer kommen. Hoffen wir, dass bessere Zeiten auf uns zukommen und das wir uns alle in einer besseren Situation befinden, wenn wir uns erneut treffen."
Damit schien die Versammlung beendet zu sein, Orophin trat aus dem Zelt, während Mathan zu Galadriel trat. "Herrin, ich möchte Euch jemanden vorstellen.", sagte er und winkte Faelivrin herein. "Die Königin der Avari, die nicht in Mittelerde weilen, es ist mir eine Freude.", sprach Galadriel und lächelte, Faelivrin erwiderte die Geste. "Mein Name ist Faelivrin Nénharma, die Freude erfüllt auch mich. Ich hörte, dass Ihr nach Westen zum Meer zieht, da hier in Aldburg meinem Volk leider niemand helfen vermag, würde mein Weg mich ebenfalls nach Westen führen."
Mathan hatte den Eindruck, dass Galadriel und Celeborn damit bereits gerechnet hatten. Denn Celeborn erklärte freundlich, dass es ihnen nichts ausmacht, wenn Faelivrin sich ihnen anschließen würde.
Mathan beschloss sich zurückzuziehen, damit sie in Ruhe die Einzelheiten besprechen konnten. Er verabschiedete sich und trat aus dem Zelt zu seiner Frau, die er sogleich sanft umarmte. "Ich weiß, ich konnte ein paar Dinge mithören.", sagte sie leise und hob den Kopf. "Wir schaffen das.", sprach sie entschlossen und gab ihm einen Kuss. Er nickte. Der Gedanke seine Heimat wieder zu durchstreifen machte ihn beklommen, selbst Halarîn schien nur halbwegs darüber glücklich zu sein. Seine Gefühle waren gemischt, irgendwo zwischen Freude, Wut und Trauer. Nach einigen Augenblicken trat auch Faelivrin zu ihnen, die ebenfalls nicht glücklich wirkte.
"Ich werde meine Unterkunft aufsuchen, wir sehen uns dann morgen.", sagte sie, umarmte beide flüchtig und eilte durch das Lager in die Stadt. Mathan wollte ihr folgen, doch Halarîn hielt seinen Arm fest. "Lass sie, sie braucht Zeit für sich. Wir werden später noch einmal mit ihr sprechen.", sagte sie leise.
Er antwortete nicht sondern legte nur einen Arm um ihre Schultern, während die Nacht hereinbrach und die ersten Fackeln entzündet wurde.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln