Der Hobbit saß gemütlich im hohen Gras, die Augen genießerisch geschlossen, einen tiefen Zug aus einer Pfeife nehmend und kleine Rauchringe ausstoßend. Aldoc sah ihn eine Zeit lang an und trat dann einen Schritt nach vorne, sodass sein Schatten direkt auf das Gesicht des Halblings fiel, das zuvor noch von der Sonne beschienen worden war. Überrascht öffnete der rauchende junge Mann die Augen.
"Ich hörte, hier sei eine Belagerung im Gange, aber wenn du Zeit findest, dich zurückzulehnen und ein wenig Alter Tobi zu genießen, habe ich mich wohl geirrt", sagte Aldoc.
"Hm... was?" Der Hobbit blinzelte verdutzt. "Ja, da tritt mich mal ein Troll! Aldoc! Du hier? Lange nicht gesehen!"
"Zu lange", stimmte Aldoc seinem Freund Peregrin Tuk zu und schloss ihn fest in die Arme, nachdem dieser sich endlich aus dem Gras erhoben hatte. Es tat gut, Pippin wiederzusehen. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, waren zusammen aufgewachsen und hatten die Erwachsenen in Tuckbergen seit jeher dazu gebracht, sich verzweifelt die Haare zu raufen. Aber sie waren nicht immer nur zu zweit gewesen. Es fehlte noch der dritte im Bunde. "Sag, Pippin, wo ist Merry?"
"Ich bin hier", meldete sich eine Stimme hinter ihm zu Wort. "Da geht man nur mal kurz austreten, und schon fängt man an, Geister zu sehen. Wir haben uns schon gefragt, wo du schon wieder steckst, Aldoc!"
Der junge Abenteurer drehte sich nun zu Meriadoc Brandybock um, einem weiteren Freund aus Kindheitstagen, den er allerdings nicht ganz so gut kannte wie Pippin. Dennoch schloss er auch ihn freudig in die Arme, ehe er auf die Frage antwortete. "Ach, du weißt schon, ich bin mal hier und mal dort, ganz Eriador ist meine Heimat. Letztens habe ich die kulinarischen Genüsse von Tharbad ausprobieren dürfen und eine kostenlose Besichtigung eines Kerkers in Dunland von Innen erhalten. Und so ganz nebenbei bin ich jetzt auch einer von Sarumans Spionen."
"Tatsächlich? Dann sag ihm aber bitte nicht, dass wir es waren, die bei mehreren Gelegenheiten sein kostbares Pfeifenkraut haben mitgehen lassen", sagte Pippin lachend. "Sonst fühlt er sich womöglich noch verpflichtet, persönlich ins Auenland zu kommen, um an uns Rache zu üben."
Das veranlasste Aldoc dazu, ein fieses Lächeln auf dem Gesicht zu zeigen. "Wenn das so ist, habe ich eine grandiose Idee, wie wir den weißen Zauberer in eine Falle locken könnten."
Daraufhin brachen sie alle Drei in schallendes Gelächter aus. "Oh, es tut so gut, euch zu sehen, Pippin, Merry!"
"Ja, gibt’s denn so 'was?", beschwerte sich Petunia, die mit Girion ein wenig abseits stand. "Ich musste ihn an sein rotes Band erinnern, damit er mir irgendetwas erzählt, aber siehe da, wenn er mit diesen beiden spricht, schafft er es sogar, über seinen Kerkeraufenthalt zu scherzen! Diese drei Bengel waren schon immer einfach so... so... grrrr!"
"Und grrrr heißt was genau?", fragte Girion interessiert.
"Grrrr heißt eben grrrr", antwortete sie. "Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, Langer!"
Sie befanden sich gut dreihundert Meter vor Michelbinge, auf einem Hügel nahe der Straße. Aldoc, Petunia und Girion waren wie geplant am frühen Morgen aus Tuckbergen aufgebrochen, um den anderen Hobbits bei ihrer Belagerung des Vorratsstollens von Michelbinge zu helfen. Doch hier, ein wenig außerhalb der Siedlung, hatte Aldoc auf einmal ein bekanntes Gesicht entdeckt: Peregrin Tuk hatte mit geschlossenen Augen auf dem Südhang eines Hügels gelegen und den jungen Abenteurer dadurch dazu veranlasst, ihm die Sonne zu nehmen, was schließlich in diesen freudigen Wortwechsel resultiert hatte, über den sich Petunia so beschwerte.
Aldoc scherzte noch ein wenig mit seinem beiden langjährigen Freunden Merry und Pippin, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sein letztes Gespräch mit Pippin hatte kurz vor Frodo Beutlins Umzug nach Krickloch stattgefunden – und danach war ohnehin alles aus dem Ruder gelaufen, sowohl im Auenland als auch im ganzen Rest von Mittelerde. Es war noch gar nicht so lange her, dass Aldoc von der Gemeinschaft des Ringes und infolgedessen von all den Abenteuern erfahren hatte, die seine beiden Freunde im tiefen Süden erlebt hatten.
Sie hatten sich wahrlich viel zu erzählen.
Nachdem Aldoc seinen beiden Freunden kurz Girion vorgestellt hatte, machten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Michelbinge, während sie Geschichten über ihre jüngsten Erlebnisse austauschten. So erfuhr Aldoc ein wenig genauer, wie die Befreiung von Hobbingen und Wasserau abgelaufen war. Sein Interesse galt vor allem den Dúnedain des Sternenbundes, über die ihm Merry und Pippin allerdings weniger als erhofft erzählen konnten. Zwar kannten sie die Namen einiger der Mitglieder dieser Widerstandsgruppe, aber darüber hinaus hatten sie wenig über den Sternenbund zu berichten.
"So oder so ist es gut, dass es wenigstens noch ein paar Leute gibt, die sich Saruman entgegenstellen, vor allem nach dem, was in Aldburg geschehen ist", meinte Merry schließlich.
Aldburg. Wenn alles nach Plan verlaufen wäre, hätte er die beiden vermutlich dort getroffen und nicht erst wieder hier im Auenland. Aber Pläne hatten es nunmal an sich, nicht aufzugehen. Aldoc fiel ein, dass er immer noch nicht genau wusste, welches Ergebnis die dortige Versammlung eigentlich geliefert hatte. Aus irgendeinem Grund hatte er es völlig versäumt, Girion oder auch Petunia danach zu fragen.
"Was meinst du damit?", fragte er Merry daher.
"Du weißt es noch gar nicht?" Der Brandybock hob überrascht die Augenbrauen. "Einige der freien Völker haben sich mit Saruman verbündet."
"Sie haben was?" Aldoc musste sich verhört haben. Hatte Merry gerade wirklich behauptet, dass all die mächtigen Fürsten während der Ratsversammlung in Aldburg ein Bündnis mit Saruman geschlossen hatten? Mit Saruman? "Unmöglich."
"Leider ist es wohl doch möglich", meinte Pippin seufzend. "Die Rohirrim wollten mit Saruman Dol Guldur angreifen, wenn ich mich recht entsinne. Und einige Elben sind auch dabei."
Aldoc schüttelte den Kopf und wiederholte sich. "Unmöglich. Aber verdammt... irgendwie klingt es doch plausibel." Er warf einen vielsagenden Seitenblick zu Girion. "Mit Sauron auf dem Vormarsch, wer könnte es da jemandem verdenken, wenn er sich lieber für Saruman entscheidet?"
"Meine Worte", stimmte ihm der Mensch aus Thal zu, der anscheinend nicht zu bemerken schien, dass der Hobbit dabei genau an ihn gedacht hatte. Girion hatte sich ohne weiteres in die Dienste Lutz Farnrichs gestellt, und es war ihm dabei nicht einmal schlecht ergangen. Es musste noch mehr Menschen wie ihn geben, die in Saruman keine Bedrohung sahen oder aber auch schlichtweg das kleinere von zwei Übeln. Dennoch... sich vorzustellen, dass sogar große Fürsten und Könige sich nun Saruman fügten... dunkle Zeiten, wahrlich.
"Wir sind gleich da", merkte Pippin an. "Ich kann dort hinten meinen Vater sehen."
Tatsächlich hatten sie bereits Fuß in die Siedlung Michelbinge gesetzt, den Ort, der im Auenland einer Stadt wohl am nächsten kam und den die meisten Hobbits wohl auch tatsächlich als solche bezeichnet hätten. Aber für Aldoc, der in seinem bislang kurzen Leben doch schon weit herumgekommen war, mutete Michelbinge eher wie ein großes Dorf an oder höchstens wie eine Kleinstadt. Auf jeden Fall kein Vergleich zu Tharbad und erst recht nicht zu Orten wie Mithlond.
Obwohl Michelbinge genau wie Hobbingen und Wasserau in einer recht hügeligen Gegend lag, gab es hier neben einigen wenigen Smials hauptsächlich oberirdische Gebäude aus Holz oder Stein. Peregrins Vater, der amtierende Thain des Auenlandes, Paladin Tuk der Zweite, stand ein wenig vor der Stadthöhle, in der für gewöhnlich der Bürgermeister von Michelbinge residierte und vor welcher unter einem an den Seiten offenen, quadratischen Zelt ein großer Tisch aufgestellt worden war, auf dem verschiedene anscheinend vollgekritzelte Blätter lagen.
"Was ist das, wenn ich fragen darf?", wandte sich Aldoc an Pippin.
"Das ist unser Ralt", antwortete dieser, womit er jedoch lediglich einen verwirrten Ausdruck auf Aldoc Gesicht hervorrief. "Das steht kurz für Ratszelt. Oder eigentlich Kriegsratszelt, um genau zu sein. Dort planen wir, wie wir die Strolche aus dem Vorratsstollen bekommen... und das nun schon seit Tagen. Oder Wochen... die Zeit vergeht im Krieg so schnell."
"Ich glaube, deine Desorientierung, was die Zeit angeht, liegt eher am übermäßigen Pfeifenkrautgenuss", vermutete Aldoc in trockenem Ton. "Aber warum haltet ihr die Besprechungen in diesem Ralt ab und nicht in der Stadthöhle? Dort müsste es doch passende Räumlichkeiten geben, oder?"
"Früher vielleicht." Pippin rümpfte die Nase. "Aber seit diese Rüpel hier waren, ist die Stadthöhle kaum noch betretbar. Ich sage dir, Aldoc, eine solche Unordnung hast du noch nicht gesehen. Wir konnten nicht warten, bis das aufgeräumt war, also haben wir unseren Kriegsrat einfach nach draußen verlegt."
"Kriegsrat... dieser Begriff ist vielleicht ein wenig übertrieben", murmelte der junge Abenteurer. "Und wie gehen die Aufräumarbeiten voran, Pippin?"
"Welche Aufräumarbeiten?"
"Na, du weißt schon, in der Stadthöhle..."
"Ach, die..." Pippin winkte achselzuckend ab. "Als hätten wir Zeit, uns um irgendwelche Aufräumarbeiten zu kümmern. Wir haben eine Belagerung zu führen!"
Ja... genau... eine Belagerung... bei der man nebenbei noch die Zeit hat, sich auf einen sonnigen Hügel zu legen und... ach, vergiss es. Aldoc war für einen Hobbit so aktiv, dass er manchmal vergaß, welch faules und gemütliches Völkchen seine Leute doch eigentlich waren. Offenbar hatte sich auch bei Merry und Pippin sogar nach ihrer großen Reise weit in den Süden nichts daran geändert.
Der Thain blickte auf, als er die kleine Gruppe bemerkte, und sah nacheinander Pippin, Merry, Petunia, Aldoc und schließlich Girion an, bei dessen Anblick er leicht die rechte Augenbraue hob. Überraschenderweise war Girion nicht der einzige Mensch im Ralt. Ein hochgewachsener Mann in einem grauen Mantel, mit einem Bogen am Rücken und einem Schwert an der Hüfte, stand neben Paladin Tuk. Ein Waldläufer der Dúnedain, erkannte Aldoc. Petunia hatte ihm bereits erzählt, dass sie nicht alle abgereist waren. Viele waren allerdings nicht mehr hier... drei oder vier, wenn er sich recht entsann. Hier sah er im Moment jedoch nur diesen einen.
"Willkommen zurück, Aldoc", grüßte ihn der Thain und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, weil niemand wusste, wo du warst. Nicht einmal Peregrin und Meriadoc, obwohl die sich in den letzten Jahren auch außerhalb der Grenzen herumgetrieben haben."
"Ihr mögt es mir vielleicht nicht glauben, aber außerhalb der Grenzen ist tatsächlich ein sehr großes Gebiet", sagte Aldoc. "Es ist schwer, sich irgendwo außerhalb einfach über den Weg zu laufen. Aber ja, eigentlich hätte ich Pippin und Merry in Aldburg treffen müssen. Es ist einiges schief gelaufen..."
"Wie auch immer, jetzt bist du ja wieder hier." Nun wandte sich der Thain an Girion. "Und du bist?"
"Girion aus Thal", stellte sich der Mensch vor und neigte leicht den Kopf. "Zu euren Diensten."
"Du bist ein Freund Aldocs?"
"Ich kenne diesen jungen Mann noch nicht lange und bin mir auch nicht sicher, wie er von mir denkt, aber ich für meinen Teil betrachte ihn als Freund", antwortete Girion. Aldoc sah ihn überrascht an. Das hatte er nicht erwartet.
"Gut, das reicht mir", meinte Paladin mit einem zufriedenen Nicken. "Wir können immer zwei starke Arme brauchen, die uns zur Hand gehen."
"Ich habe gehört, ihr belagert den Vorratsstollen", lenkte Aldoc das Gespräch nun auf den eigentlichen Grund, warum sie alle hier waren. "Petunia sagte mir, die Strolche hätten sich dort drinnen verschanzt und drohen, die gefangenen Hobbits umzubringen?"
"Allerdings." Dieses Mal war es der Dúnadan, der ihm antwortete. Der Lange verschränkte die Arme vor der Brust. "Diese Bastarde haben Vorräte, Waffen und vor allem Zeit. Uns sind die Hände gebunden. Sobald wir gegen diesen verdammten Hügel vorrücken, schlitzen sie allen Gefangenen die Kehle auf, das behaupten sie jedenfalls. Und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie diese Drohung auch wirklich umsetzen. Immerhin haben ein paar von diesen Kerlen schon vorher Hobbits umgebracht, einige erst vor kurzem, in dem Gefecht, das dieser Belagerung vorausging."
"Und wir können wirklich nichts tun?" Aldoc warf einen kurzen Blick auf eine Karte, die auf dem Tisch lag und anscheinend Michelbinge zeigte. Verschiedene Angriffswege waren auf ihr markiert und mit kurzen Kommentaren versehen worden, aber die Lage schien wirklich verzwickt. Es gab im Grunde nur einen richtigen Eingang in den Stollen und ansonsten nur ein paar Enge Luftschächte, durch die ein Hobbit zwar vielleicht passen würde, aber ein Eindringen durch diese würde niemals unbemerkt bleiben.
"Habt ihr versucht, euch von oben zum Stollen durchzugraben?", fragte er.
"Der Hügel ist tatsächlich ziemlich steinig", erklärte der Waldläufer. "Würden wir dort graben, würden Sarumans Schergen es ohne Zweifel hören. Und dann können wir uns von den Geiseln verabschieden."
"Hm." Aldoc zermarterte sich den Kopf über eine Möglichkeit, in den Stollen einzudringen, ohne dass die Gefangenen getötet wurden, aber ihm fiel einfach nichts ein, was wirklich funktionieren könnte. Und bestimmt waren all die Hobbits hier in den letzten Tagen auch nicht untätig gewesen und hatten sich selbst alle möglichen Gedanken gemacht. Doch wenn ihnen bis jetzt keine Lösung eingefallen war...
"Irgendwelche Ideen?", fragte der Thain. "Eine neue Perspektive zu hören kann nie schaden."
Aldoc musste betrübt den Kopf schütteln. "Nein, nichts."
"Schade", seufzte Paladin. "Ich hatte gehofft, dass du vielleicht auf irgendetwas kommst, vor allem, wenn man bedenkt, dass deine Eltern unter den Gefangenen sind, aber..."
"Bitte was?", unterbrach ihn Aldoc schockiert. "Meine Eltern sind unter den Gefangenen?"
Der Thain sah ihn überrascht an. "Hat dir das noch niemand gesagt? Ich dachte, Peregrin, Meriadoc oder Petunia hätten dir bereits davon erzählt."
Aldoc warf besagten drei Hobbits, die es wohl allesamt nicht für nötig gehalten hatten, ihm dieses kleine Detail zu eröffnen, einen verärgerten Blick zu. Pippin sah nervös auf seine Füße, Merry sah überall hin, nur nicht in seine Augen, lediglich Petunia erwiderte seinen Blick. "Ich wollte den richtigen Zeitpunkt abpassen. Tut mir leid, Aldoc."
"Schon in Ordnung." Irgendwie konnte er auf sie nicht richtig wütend sein. Und auf Merry und Pippin auch nicht. "Wie ist das geschehen? Ich meine, mein Vater... er ist doch noch einer der fügsameren Tuks. Schwer vorzustellen, dass er die Strolche dazu gebracht hat, ihn einzukerkern."
"Nun ja, Reginard war wieder einmal geschäftlich in Wasserau", erklärte Paladin. "Das ist nun schon ein paar Wochen her, es war noch vor Gandalfs Ankunft hier. Einer der Rüpel hat wohl einen abschätzigen Kommentar über seine Frau abgegeben, da hat Reginard gesagt, er habe wenigstens eine hübsche Frau und hätte es nicht nötig, seine Frustration an Anderen auszulassen. Den Menschen hat das nicht gefallen. Sie haben ihn verprügelt und mitsamt deiner Mutter zu den anderen Gefangenen in den Vorratsstollen geworfen. Ich erfuhr erst gut einen Tag später von einigen Augenzeugen davon."
"Gerade er", murmelte Aldoc. "Gerade er beleidigt einen dieser Strolche... das hätte ich wirklich nicht erwartet. Mein Vater ist ein Feigling."
"Ist das deine Art, über deinen Vater zu sprechen?", fragte Girion. "Ich kenne den Mann nicht, aber ich denke, du solltest ihn mit ein wenig mehr Respekt behandeln. Er hat seine Frau, deine Mutter, verteidigt. Das ist für mich wahrlich kein Grund, schlecht über ihn zu reden."
Der junge Abenteurer schloss kurz die Augen. Es war nicht so, als ließe ihn die Gefangennahme seiner Eltern völlig kalt. Es fiel ihm einfach nur schwer, es zu glauben. Reginard war wirklich ein Feigling. Aldoc hätte eher geglaubt, wenn sein Vater die Beleidigungen wortlos über sich hätte ergehen lassen... sich gegen die Langen aufzulehnen, das passte irgendwie nicht zu ihm. So oft hatte er sich gewünscht, sein Vater würde einmal, nur ein einziges Mal, ein wenig Rückgrat beweisen, aber nun... als wäre die Situation nicht schon schlimm genug gewesen.
"Verdammt!", entfuhr ihm schließlich ein zorniger Ausruf und er ließ seine Faust auf den Tisch krachen. Sein Vater Reginard, das war eine Sache... aber auch noch seine Mutter? "Diese verfluchten Bastarde. Wartet nur, bis ich euch in die Finger kriege! Einfach meine Eltern einsperren? Das würde euch wohl so gefallen! Aber nicht mit mir. Nicht mit mir. Das könnt ihr vergessen."
"Nun, das ist die richtige Einstellung", meinte Girion grinsend. "Vielleicht sollten wir dich zu den Strolchen in den Stollen werfen, damit du ihnen dort die Seele aus dem Leib prügeln kannst."
Girion lachte laut über seinen eigenen Scherz, doch Aldoc erstarrte auf einmal, während langsam eine Idee in seinem Kopf Gestalt anzunehmen begann. Mich einfach dort hineinwerfen? Das... das ist es!
Er wandte sich an den Dúnadan. "Sag, wie viele von euch befinden sich momentan noch hier?"
"Außer mir noch drei, warum?", antwortete der Waldläufer.
Aldoc beugte sich mit gerunzelter Stirn über die Karte von Michelbinge und dachte nach. "Ich denke, ich habe da so eine Idee..."