Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Minas Tirith

Die Straßen von Minas Tirith

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Vexor:
Das Glas ihres Schaufenster quietschte und es schien Brianna so, als würde es vor Schmerzen schreien, bevor es barst und Scherben auf das Straßenpflaster spuckte, wie ein Kranker Blut.
Lucius hatte sich vor die fünf Soldaten gestellt, die ihn begleiteten und kichernd und grunzend hinter ihrem Herren standen. Die Flammen, die wie giftige Schlangen aus dem Laden herausbrachen, , verzerrten die Gestalt des Stadtrates zunehmend.
Seine aschblonden Haare brannten förmlich und sein purpurfarbenes Gewand glühte im rotgoldenen Schein des Feuers.

„ Na da schau an, wer wie die Ratte aus seinem Bau gekommen ist. Ich wusste bei Ungeziefer hilft es immer ein wenig Auszuräuchern“, spottete der Stadtrat und hob belustigend seine Arme, um die Soldaten hinter ihm zum Lachen aufzufordern. Als Brianna schwieg fuhr Lucius gelangweilt fort.

„ Aber du bist ja allein…wo sind denn deine Begleiter? Die Hure Paola?! Der widerwärtige Verräter aus Dol Amroth?! Das Weibsbild Elea?! Wo sind sie denn alle? Habe ich wirklich nur dich hierher gelockt? Versteh das nicht Falsch Püppchen…“, jede einzelne Silbe spuckte ihr Lucius mit solcher Verachtung für die Füße und kam mit jedem Wort einen Schritt auf sie zu, bis er direkt vor ihr Stand. Süffisant lächelte er auf sie herab und zwirbelte sich die Enden seines Schnurrbartes, bevor er fortfuhr, „…ich bin froh, dass du hier bist. Aber du bist nur ein kleiner Fisch und leider nichts wert im Vergleich zu deinen widerlichen Begleiterin!“.

Er griff mit entschlossener Hand ihren Kiefer und zwang sie so ihn anzusehen, bevor er sich langsam noch vorne beugte und seine Visage immer näher kam. Brianna hatte schon befürchtet er würde versuchen seine widerwärtige Zunge in ihren Rachen zu stecken, doch er beugte sich nur neben ihr Ohr flüsterte leise. Der heiße Atem an ihren Hals und der faulige Geruch nach Lavendel, Schweiß und Ruß, die Lucius absonderte forderten Briannas Würgereiz heraus doch hielt sie ihm stand, während der Stadtrat seine giftigen Worte in Briannas Ohr setzte, wie die Brut einer ekelhaften Spinne.

„ Bring mir Araloth zurück und dir und deinen Freunden wird nichts passieren!“.
Für einen Moment verharrten sie so und nichts außer dem Gemurmel der Soldaten und das Knistern des Feuers, dass sich durch Briannas Kräuterladen fraß wie eine Bestie mit unstillbarem Hunger, waren zu vernehmen.

„ Warum sollte ich das tun, Lucius?“, erwiderte Brianna, ebenfalls flüsternd, „ Warum sollte ich dir den Mann ausliefern den ich liebe?“.
Lucius lachte lauthals und Brianna erschrak fast zu Tode, aber dennoch löste er sich nicht von ihr, sondern blickte ihr wieder streng in die Augen.
„ Du LIEBST ihn? Wie lächerlich meine Liebe. Niemand liebt diesen Mann außer mir!“, schrie Lucius und spuckte Brianna ins Gesicht. „ Niemand hat ihn je so geliebt wie ICH!“.
Die Frau aus Thal kochte vor Wut, doch die Angst lähmte sie. Die Angst vor den Männern, die nur fünf Meter hinter Lucius standen. Die Angst vor dem Stadtrat selber, der sie mit fast wahnsinnigen Blick musterte.

„ Wenn du es nicht deinetwegen tust, dann denke doch wenigstens an die Hure Paola, die oben im Palast gefangen gehalten wird!“, fuhr Lucius nun gefasster fort und versuchte wieder zurück zu seinem verachtenden, süffisantem Tonfall zu finden.
Als Brianna den Namen hörte wurde sie kreidebleich und als Lucius das sah, lächelte er höhnisch. Doch die Kräuterfrau gab nicht nach, sondern starrte betreten auf den Boden, was Lucius wieder dazu veranlasste ihren Kiefer schmerzhaft nach oben zu zerren.
„ Wenn du es nicht mal für diese dreckige Hure tun kannst, dann tu es immerhin für dein ungeborenes Kind!!“.

Die knochigen Finger, die Briannas Bauch tätschelten, waren wie kleine Dolche die sich durch ihr Fleisch direkt ins Herz ihres ungeborenen Kindes bohrten.
Auf einmal kam es Brianna so vor als würde sie neben sich stehen. Als beobachte sie die Szenerie zwischen den zwei Personen, die so eng aneinander standen, als wären sie ein Liebespaar.

Brianna holte aus und rammte Lucius die Scherbe ins Auge, die sie aus dem Haus vor ein paar Stunden mitgenommen hatte als Erinnerung an Araloth, und zog sie vom unteren Lidrand über die gesamte Wange bis sie in den Mundwinkeln hängen blieb und abrutschte, sodass sie klirrend zu Boden fiel.
Der Schrei des Stadtrates war so verzerrt und laut, dass Brianna das Mark in den Knochen gefror und gleichzeitig ihre Ohren schmerzten. Er brach wimmernd und sein Gesicht haltend vor ihr zusammen.
Es dauerte einen Augenblick bis seine Leibwachen verstanden hatten und es Brianna erkannte, als wären sie sich nicht sicher, ob sie erst Brianna jagen oder ihrem Herren helfen sollten.

„ In Deckung!“, ertönte es plötzlich hinter ihr und Brianna drückte sich an die Häuserwand. Eine Pfeilsalve segelte an ihr vorbei und brachte zwei der fünf Soldaten zu Fall.
Irritiert erblickte sie mindestens zehn Männer und Frauen, die am Ende der Gasse standen und nun mit gezogenen Waffen auf die Soldaten Herumors losrannten.
Der Überzahl waren die Männer nicht gewachsen und Brianna musste mit ansehen, wie sie erbarmungslos niedergeknüppelt worden.

„ Hier möchtest du es tun?“, durchbrach die Stimme der Frau, die Brianna zuvor auch gewarnt hatte, das Schweigen und hielt ihr das Schwert hin.
Sie alle hatten sich um den wimmernden Lucius versammelt, der in seiner eigenen Blutlache zappelte.
„ Ich…weiß…ich kann…“, fing Brianna an zu stottern, die immer noch nicht wirklich begriffen hatte was in den letzten Minuten passiert war.
„ Tu es! Immerhin hast du ihn zu Fall gebracht!“, forderte sie eine Männerstimme auf und die anderen brachen in Jubel auf.
Die Kräuterfrau nickte stumm und distanziert ergriff sie das Schwert und ließ es auf Lucius niederfahren.
Die Personen um sie herum jubelten, ein paar klopften Brianna auf die Schultern und ohne, dass sie es eigentlich wollte, wurde sie mit ihnen mitgerissen. Sie waren auf den Weg zu Herumors Palast.
Erst jetzt betrachtete Brianna ihre Hände und Arme, welche fast bis zu Elle komplett mit dem getrockneten Blut von Lucius bedeckt waren.


Brianna in den obersten Ring zur Zitadelle

Thorondor the Eagle:
Elea und Beregond vom Weg ins Weiße Gebirge


Die unteren Ringe der Stadt waren leergefegt und die Soldaten samt Elea kamen schnell voran. Sie liefen über unzählige Leichname hinweg vorbei an gestürzten Steinstatuen und verbrannten Häusern. Hin und wieder sahen sie Bewohner die wirr durch die Straßen liefen und nach Hab und Gut oder vielleicht bekannten Gesichtern unter den Gefallenen suchten. In solch einem Bild hatte Elea die weiße Stadt noch nie gesehen.

So viele Opfer, so viel Leid. Die Stadt des Königs ist schmutzig und mit Blut besudelt. Das Volk hat sich untereinander so bekämpft und sich selbst tiefe Wunden zugezogen. Selbst wenn dieser Krieg vorbei ist, wird eine eiserne Front zwischen dem Volke Gondors stehen. Und an all dem hier ist nur Herumor schuld; und Sauron…

Die Dunedain wurde wütend als sie in ihrem Laufschritt über die Hauptstraße lief. Als die Truppe durch das steinerne Tor im vierten Ring lief und die Treppe hinauf, stießen sie wieder auf die ungebremsten Königsgetreuen. Der sechste Ring war überfüllt mit Menschen. Überall loderten Fackeln und blitzten Schwerter. Die Zitadelle thronte hoch oben, umringt von einem Flammenmeer. Wie ein reißender Gebirgsfluss packte sie der Menschenschwall und drückte sie langsam nach vorne.
„Das Tor! Das Tor… es wird gleich bersten!“, rief eine fremde Stimme und alle begannen laut zu johlen.
„Beregond!“, rief Elea und drehte ihren Kopf nach hinten „Wir müssen schneller nach vorne. Ich muss in die Zitadelle. Ich habe noch eine Rechnung mit Herumor zu begleichen!“

Entschlossen kämpfte sie sich ihren Weg durch die Menschenmassen in Richtung Tor. Immer wieder musste sie andere anrempeln oder sich elegant zwischen starken Männern hindurchschlängeln. Eine Faust traf sie im Gesicht, ein Ellenbogen seitlich bei den Rippen und haarscharf entging sie einem schwingenden Dolch, doch schließlich hatte sie ihr Ziel erreicht und das gerade rechtzeitig, denn plötzlich sprang das Tor auf.

Elea war sich nicht sicher, ob es gefallen war, oder ob es die Soldaten geöffnet hatten, denn wie auf Kommando strömten duzende in silberne Rüstungen gehüllte Wächter aus dem Tor heraus und begannen die Menschenmenge zurück zu drängen. Mit ihren Schwertern hämmerten sie auf die Vandalen ein und brachten so viele zu Fall. Einer kam auf Elea zu und erhob gerade seine Klinge gegen sie, als Beregond ihm gegenüber trat. Er packte die Frau mit festem Griff am Oberarm: „Seht nur wen wir hier gefunden haben! Ich bringe sie Herrn Herumor.“
Der Soldat schaute tief in Eleas Augen, ein fieses Lächeln war hinter dem Metall zu erkennen: „Es wir ihm diesen bitteren Tag versüßen!“
„Da bin ich ganz sicher!“, antwortete Beregond.
„Macht Platz für den Hauptmann!“, brüllte er zu den Soldaten die das offene Tor bewachten.

Ungehindert konnte die Truppe das Tor in die Zitadelle durchschreiten. Es war ein gelungener Schachzug von Beregond gewesen. Im Brunnenhof war geschäftiges Treiben. Die Soldaten und Wächter der Zitadelle brachten Holz herbei um die Tore zu sichern. Einige Bogenschützen hatten sich an der Mauer postiert und feuerten Pfeile nach unten um die Soldaten vor dem Tor zu unterstützten. Die Halle des Königs lag in einem bedrohlich roten Schein der Flammen, dahinter erhob sich die schwarze Silhouette des Mindolluin. Nur schweren Herzens ging Elea nochmals die Treppen hinauf. Vor dem Eingangstor blieb sie nochmals stehen und holte tief Luft. Der Horizont legte sich bereits in ein blasses Blau, der Morgen brach langsam herein.


Elea und Beregond zum Der Brunnenhof und der Zitadelle

Vexor:
Brianna und Paola von Briannas Wohnung


Hätte Brianna raten müssen hätte sie niemals getippt, dass diese Stadt – die Stadt in der sie nun seit mehreren Monaten lebte, die sie ihr Zuhause nannte – dass diese Stadt Minas Tirith war; denn die Stadt, die sich vor ihren Augen offenbarte, litt unerträgliche Schmerzen. Sie litt unter dem Verlust von Kind, Gatte und Freund. Sie litt unter dem eisernen Griff Saurons. Sie litt unter der Zwietracht, die ihre eigene Bevölkerung gegen sich selbst aufbrachte und sie schrie. Ja sie schrie so laut, dass Brianna die Ohren schmerzten, als sie mit Paola die altbekannten Straßen hinab schritten.
Das Grauen, dass sich ihr bot, nahm ihr jegliche Worte und so presste sie sich das senfgelbe Tuch noch Fester gegen den Mund, denn die Gerüche schienen sie ebenfalls zu übermannen.
Es stank so fürchterlich. Es stank nach verbranntem Fleisch, da hatte Paola nicht gelogen. Aber es stank nach mehr…nach Verrat. Verrat der Menschen an sich selbst.
Aber es würde nicht mehr lange dauern, da würde Brianna wirklich verstehen was dieser Geruch bedeutete.
Paola und Brianna passierten den Kräuterladen, oder vielmehr was davon übrig geblieben war. Es schien wie ein endloser schwarzer Schlund, der das fahle Sonnenlicht in sich aufsaugen wollen würde.
Die Kurtisane drehte sich mit mitleidvollem Blick um und flüsterte leise. „ Es tut mir so Leid Süße. Ich weiß, was dir der Laden bedeutet hat….verflucht sei der Tod, der nach allem greift, was nicht fliehen kann…und schlussendlich kann niemand mehr fliehen…“.
Die Verbitterung in Paolas Stimme traf Brianna wie ein Stich ins Herz und so umarmte sie ihre Freundin so fest sie konnte und hauchte leise:
„ Du tust dem Tod unrecht Paola. Er ist nicht das Übel, sondern nur der Leidvolle, der diesen Beruf ausführen muss….verurteile ihn nicht, sondern bemitleide ihn lieber!“
Verdutzt blickte Paola die Kräuterfrau aus Thal an und ihre Brauen kräuselten sich.
„ Woher hast du denn das?“
„ Meine Mutter!“, erwiderte Brianna knapp und sie bemerkte, wie sich Paolas Gesichtszüge wieder entspannten.




Wenn Mama und Papa unten in der Küche einen Auftritt vorbereiteten, oder gemeinsam den Tag ausklingen ließen, schlich ich mich immer herunter, denn ich wollte nicht gern allein sein. Ich fürchtete mich vor Monstern und bösen Geistern, die unter mein Bett kriechen konnten. So versteckte ich mich immer hinter dem Tresen und spielte mir ein paar Münzen, die ich in einer Ritze im Dielenboden versteckt hatte.
Ich sammelte Münzen, die ich auf der Straße fand, denn ich wollte mir eines Tages eine Stadt davon kaufen…
An diesen Abend hörte ich, wie Mama und Papa sich in der Küche unterhielten. Normalerweise klangen ihre Stimmen nicht so…so…böse. Vor allem Mama klang verärgert und verängstigt.
„Was meinst du damit du warst bei einer anderen Frau?“
„ Du weißt, dass die Situation anders war…und sein…sein…“
„ Wage es ja nicht ihn als Vorwand zu benutzen…oder glaubst du mir geht es besser seit er tot ist? Aber ich rannte nicht zu einem anderen Mann!!“
Tot ich fand schon immer, dass das ein seltsamer Begriff war. Oft redeten die Menschen auch von dem Tod, aber ich weiß gar nicht, was sie gegen ihn haben.
Ich fand, dass er ein ganz gemütlicher Zeitgenosse ist. Vor allem kann man sich so schön mit ihn unterhalten.
„ Joana du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich dafür schäme…“
Er kam mich oft besuchen in den letzten Wochen. Am Anfang war er noch ganz schüchtern, gehüllt in schwarzen Reisemantel. Als ich ihn das erste Mal sah, da besuchte er gerade den Nachbarsjungen. Der war immer so blass und hatte gelbe Augen, die waren so gelb wie die schönen Butterblumen, die auf dem Feldern vor den Stadtmauern blühten.
Nachdem der Tod den Jungen besucht hat war er nicht mehr da…vielleicht hat der Fremde ihn mit zu den Elben genommen. Seine Eltern waren furchtbar traurig, aber ich glaube es geht ihn besser dort….Reisen möchte ich auch mal gerne, aber ich möchte nicht, dass Mami und Papi auch so traurig sind, wenn ich die Elben oder Zwerge suchen gehe.
„ Lass uns nicht mehr streiten Falost…ich bin müde…und wir müssen stark sein…stark für Brianna…“

Als ich ihn das nächste Mal traf, da kam er zu mir, oder viel mehr zu unseren Hund -  er hieß Schnuffel. Den Namen hab ich ihn gegeben.
Aber in den Tagen bevor der Mann kam, schlief Schnuffel fast noch. Er wollte gar nicht, wie früher mit mir in den Wäldern spazieren gehen oder verstecken spielen.
Ich sah den Mann, wie er in der Nacht zu Schnuffels Bett kam, als ich mir ein Glas Milch holte.
Der Tod bemerkte mich und nickte mir kurz zu. Danach war Schnuffel verschwunden. Meine Mama sagte, dass er an einen besseren Ort war, aber das wusste ich bereits, denn der Tod hatte ihn ja mitgenommen…so wie den Nachbarsjungen.
„ Wunderst du dich nicht auch, dass Brianna nichts sagt…immerhin ist es jetzt bald zwei Jahre her…“
Das dritte Mal war fast genau zwei Jahre bevor meine Eltern sich stritten. Es war hellster Sonnenschein und ich spielt draußen an den kleinen Bächlein. Wir durften nie mit den anderen Stadtkindern spielen, denn wir waren ja Spielmannskinder. Man sagte unsere Eltern würden Kinder essen. Ich fand das schon immer seltsam…immerhin hab ich meine Eltern nie ein Kind zubereiten sehen…wir hätten ja nicht mal einen Kochtopf, wo eines reinpassen würde.
Ich spielte an den Tag am Bächlein, aber ich war nicht allein….
„ Beunruhigend finde ich es schon, aber andererseits scheint es ihr nicht schlecht dadurch zu gehen. Es scheint als hätte sie ihren inneren Frieden, damit geschlossen, dass er tot sei.“
„Ich spring über den Bach und bekomme von dir ein Honigbrot, einverstanden?!“
„ Ach der ist doch gar nicht breit!“
Er war auch nicht sonderlich breit und tief erst recht nicht. Gerade mal Knöcheltief mit vielen runden Kieselsteinen.
Das nächste woran ich mich erinnere ist rotes Wasser. So rot, wie wenn wir den Marktfrauen im Herbst zuschauen, wenn sie Obst zerstampfen, um leckeren Fruchtsaft zu gewinnen. Und kalte Füße. Ich hatte schrecklich kalte Füße vom Bach…aber es war ja auch schon mitten in der Nacht. Immerhin hatte ich Gesellschaft…der Tod.


Die Straßen Minas Tiriths waren völlig verwüstet. Hier und da lagen Leichen, teilweise zerfetzt und entblößt, geplündert von einer grausamen Nacht und den Ungeheuern, die sie still und heimlich, zerfleischend und brandschatzend, hervorgebracht hatte.
Nicht selten kamen weinende Personen den beiden entgegen. Oft trugen sie einen schlaffen und leblosen Kinderkörper. Oft aber auch nur ein Kleidungsstück.
Die Trauer legt sich wie ein Netz über die Stadt…bald wird sie alles und jeden hier ersticken und gefangen nehmen
Die nächste Straße, in die sie bogen war vollkommen verwüstet und in Briannas Gedächtnis flackerten Bruchstücke der gestrigen Flucht und Odyssee durch die Stadt auf. Bilderfetzen von Schlachtgewimmel, Zärtlichkeit und den Kopf einer Statue, die nun zu Brianns Füßen lag.
„ Paola wo wollen wir eigentlich hin? Ich habe in meinen Leben eigentlich schon genug Leid gesehen…ich brauche diesen Anblick nicht wirklich!“, protestierte Brianna zornig als Paola sich weiter machte.
Die Kurtisane drehte sich um und ihre kakaobraunen Augen flackerten böse.
„ Glaubst du ich nicht?! Wenn es nicht wichtig wäre, würden wir nicht gehen!“
So stapften sie weiter vorbei an Schutt, Asche und Tod, einen Ring weiter hinauf.


„ Weißt du der Tod ist nur ein armer Tropf. Er wischt den Menschen hinterher und räumt auf, was sie verwüstet haben….er erfüllt auch nur seine Aufgaben“, flüsterte Briannas Mutter und streichelte über ihren Kopf.
Brianna lag in ihren Bettchen und blickte hinauf zu dem Traumfänger, den ihre Mutter für sie gebastelt hatte.
„Ich weiß“, antworte sie, als wäre es überhaupt nichts Neues. Als würde ihre Mutter ihr erzählen, dass der Himmel blau, Süßigkeiten lecker oder sie ihre Eltern waren.
“Passt du auf ihn auf?“, fragte ich den Tod, der sich neben mich an Rand des Bächleins gesetzt hatte.
Er hatte auch die nackten Zehen  in das kalte Wasser gestreckte und nickte auf Briannas Frage hin. Die warmen Augen musterten mich kurz, bevor ich mit belegter Stimme fragte: „ Du musst gehen oder?“
Wieder ein Nicken.
„Bringst du dahin, wo der Nachbarjunge ist und Schnuffel?“
Wieder ein Nicken.
„Werde ich dich wieder sehen?“
Der Tod zuckte zusammen und ich konnte sehen, wie sich Wasser in seinen Augen sammelte, bevor er zaghaft nickte.
„Bald?“, fragte ich mit freudiger Stimme.
Wieder ein Nicken.
„Machs Gut!“
Und im nächsten Moment saß ich allein an dem Bächlein und der Tod war mit dem Jungen entschwunden. Den Jungen, den ich fünf Jahre lang als Bruder kannte. Der Junge, der starb weil er nicht über einen Bach springen konnte, ausrutschte und sich den Kopf aufschlug.
Der Tod und ich haben eine besondere Beziehung. Immer wenn er mich besuchen kommt – Mama, Papa, Rhia… – begrüße ich ihn freundlich…wie einen alten Bekannten.


„Paola das können wir nicht machen!“
Briannas Stimme hallte durch den Raum, als Paola das Schloss zur Schatzkammer knackte.
„Ich kann und ich werde…und sei ein bisschen toleranter immerhin war es dein Verlobter, der mich darum gebeten hatte.“
Sie befinden sich in einen der Gemächer, die wie Brianna feststellen konnte, das Gemach Herumors war. Es war säuberlich zusammengeräumt und das Bett fast penibel gemacht. Kein Anzeichen von der drohenden Verwüstung, die sich in Minas Tirith durch alle Ringe zog.
„ Da haben wir es schon“, triumphierte Paola und reichte Brianna ein Schwert und einen Siegelring.
„ Das sind die Gegenstände deines Liebsten und er möchte sie zurückhaben“, fuhr sie fort.
Brianna nickte nur und da sie kein Wort fand, dass ihre tiefe Dankbarkeit für diese Tat beschrieb, umarmte sie Paola bloß.
„Schon gut, schon gut. Genug der Gefühle. Wir sind noch nicht fertig. Einen Stopp haben wir noch!“

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Sie waren erneut auf den Straßen und Brianna musste blinzeln, als sie die unscheinbare Gestalt mit den wettergegerbten Reisemantel erblickte. Als sich ihre Blicke trafen, nickte jene nur und Brianna nickte zurück.

"Ich schlendre vorbei an der Häuserzeile,
mit der Sonne die Tag ein Tag aus vom Himmel sinkt,
Stunde um Stunde, Tag um Tag diese gewisse Meile,
während mir täglich der Tod zum Gruße winkt.

Er steht da gekleidet in gar unterschiedlicher Rob,
nimmt die Seelen der Toten behutsam an der Hand,
nur selten vernimmt er daraufhin auch nur ein Lob,
bevor das Bild sich auflöst hinter der nächsten Wand.

So schlendre ich Tag ein Tag aus,
vorbei am Tod der zum Abschied seinen Hute zieht,
pfeife ich fröhlich wenn ich komm nach Haus,
in der Gewissheit dass man den Bekannten morgen wieder sieht"


Paola und Brianna in die Taverne zum Schwarzen Bären

Thorondor the Eagle:
...Elea von den Pelennor-Feldern, vor der Stadt

Schon im ersten Ring verließen Brianna und Paola die Dunedain. Ihr Ziel war klar, sie musste auf schnellstem Wege in die oberen Ringe. Beregond war sicherlich gerade in der Kaserne um mit den letzten der Wächter die Patrouillendienste einzuteilen.

Eilig lief sie die graue, vereinsamte Straße hinauf. Kein Mensch war zu sehen, doch plötzlich hörte sie einen lauten Aufschrei. Sie stoppte abrupt und starrte in eine schattige Gasse zu ihrer linken Seite. Der Klageschrei kam definitiv aus dieser Straße.
Elea hätte abwägen können, ob es wichtiger wäre weiter zu gehen oder dieser unbekannten zu helfen, doch das tat sie nicht. Instinktgesteuert lief sie in die Gasse die nach wenigen Metern eine Beuge nach rechts machte.
Es war düster und die Wände zum größten Teil noch mit Ruß befleckt. Am Ende der Gasse war ein Gebäude abgebrannt und scheinbar eingestürzt. Der Durchgang war versperrt. Vorsichtig tastete sich Elea nach vorne und überprüfte die offenen Fenster und Türen nach der hilfsbedürftigen Frau.

Da sah sie plötzlich eine schwarze Silhouette auf dem Boden eines Hauses liegen. Fahles Licht fiel von den hinteren Fenstern herein und warf einen langen Schatten auf den Boden. Eine Hand zuckte ein wenig.
Behutsam tappte Elea nach vorne. Mit ihrem Blick prüfte sie den Raum ab, doch der schien längst leer zu sein. Der Übeltäter musste scheinbar die Flucht ergriffen haben.
„Was ist passiert?“, flüsterte Elea entsetzt und kniete sich neben den Oberkörper der Frau. Sie bemerkte, dass Blut aus ihrer Nase tropfte und ihr Gesicht zerkratzt war. Sie nahm sie vorsichtig an der Hand, was der Fremden jedoch nur einen schmerzhaften Seufzer entlockte.
„Sag mir was geschehen ist? Wer hat dich so zugerichtet?“, fragte sie nochmals.
„G… g…“, stammelte sie leise. Die Dunedain beugte ihren Kopf knapp über sie. Der Stern an ihrer Halskette berührte dabei den Boden.
„G… g… ge… geh fo“, stotterte sie und keuchte dabei vor Schmerzen.
„Ich komme gleich wieder. Ich hole Hilfe, ich hole Hilfe“, antwortete Elea.
„Ne…ne… Nein“, hechelte sie, plötzlich stockte ihr Atem „Es“. Sie schluckte „E.. es… t… mir Leid.“ Die Fremde kniff ihre Augen zu und hielt die Luft an. Sie begann am ganzen Körper zu zittern.

Plötzlich entdeckte Elea den Schatten auf dem Boden. Erschrocken wich sie zurück und sah zur Eingangstür. Ein Mann, beinahe so groß wie die Tür stand darin.
„Wer seid ihr?“, fragte die Frau ängstlich.
Er antwortete nicht.
Aus Furcht schob sie sich auf den Händen abstützend ein wenig zurück bis sie an die hintere Wand des Raumes stieß. Der Fremde ging ein paar Schritte auf sie zu.
Sie tastete sich der Wand entlang nach oben bis sie völlig aufrecht stand. Mit ihren Händen versuchte sie etwas zu greifen, was sie als Waffe benutzen konnte, doch da war nichts.

Das blasse Licht spiegelte sich in seinen grausamen schwarzen Augen. „Versuchst du dieser Verräterin zu helfen?“, knurrte er.
„Ich… ich habe sie schreien hören“, stotterte Elea.
„Und eben wolltest du Hilfe holen“, stieß es ihm hervor.
„Sie stirbt ansonsten!“
„Ja, so wie es Verräterinnen wie sie verdient haben. Sieh dir ihr Gesicht an!“ befahl er herrisch und drückte mit dem Fuß ihr Gesicht in den Lichtstrahl vom vernagelten Fenster.
Ein leiser Schrei entfuhr ihr und ihre Mine verzerrte sich vor qualvollen Schmerzen. Elea erinnerte sich an das Mädchen. Es war als Helferin in den Heilhäusern beschäftigt.
Aus Verzweiflung lief Elea hin und gab dem Mann einen heftigen Stoß nach hinten. Dieser fing sich jedoch sogleich.

Der Ausdruck in seinen Augen verwandelte sich in Wut und war nun nur auf Elea gerichtet. Er stampfte eilig auf sie zu und stieß sie heftig gegen die Wand.
Beim Aufprall schmerzen ihre Schulterblätter. Seine Hand legte sich fest um ihren Hals und schnitt ihr die Luft ab. Mit ihren Händen wehrte sie sich. Sie zerkratze ihm das Gesicht, schlug ihm gegen den festen Körper, in die Rippen, doch all dies half nichts. Der Griff um ihre Kehle löste sich nicht.

Sie tastete wieder in ihrer Umgebung, um nach Gegenständen zu greifen, doch der Raum schien ziemlich ausgeräumt zu sein. In letzter Verzweiflung umfasste sie die Handgelenke des Angreifers und versuchte sie von sich wegzudrücken. Es gelang ein wenig, doch nicht genug. Sie spürte wie die Adern aus ihrem Hals quollen und die Luft immer knapper wurde. Elea presste die Augen  zusammen um all ihre Kraft aufzubringen. Plötzlich ließ die Spannung nach und der Körper der Frau hing schlaff zu Boden.

Aragorn, der II.:
Gil-Annun von den Häusern der Heilung


Am darauffolgenden Tag brach Gil-Annun schnell auf. Die Sonne streckte gerade erst ihre ersten Strahlen über das Gebirge, als er von seinem Bett aufstand, seine Ausrüstung anlegte, den Elbenmantel um seine Schultern legte und sich aufmacht, die Häuser der Heilung zu verlassen. Auf dem Weg hinaus traf er auf Ioreth: „Es freut mich zu sehen, dass es Euch besser geht, Herr. Ihr müsst aber trotzdem Acht geben. Ach, wenn doch nur der Herr Elbenstein hier wäre. Jetzt haben wir nur noch Herr Faramir, auf den wir hoffen können.“ „Es wird hier nicht lange sicher sein“, antwortete Gil-Annun, „Saurons Zorn wird sich zuerst gegen Minas Tirith richten. Ich wünsche Euch Glück, Frau Ioreth, aber ich habe keine Hoffnung, dass wir uns unter dieser Sonne wiedersehen. Lebt wohl!“

Auf den Straßen von Minas Tirith herrschte trübe Stimmung. Obwohl einige der Häuser erleuchtet waren und auch die Straßen nicht menschenleer waren, kam es Gil-Annun so vor, als ob jeder in der Stadt wusste, dass die weiße Stadt bald fallen würde. „Sie fürchten sich. Anstatt hier auf das Ende zu warten, sollten sie in den Süden nach Dol Amroth oder in den Norden nach Rohan oder zu den Elben gehen. Aber nein, sie warten hier wie ein unschuldiger zum Tode Verurteilter auf seine Hinrichtung und machen keine Anstalten etwas an ihrem Schicksal zu verändern. Keine der Nachfahren Numenors sind sie, nur noch ein Schatten des alten Glanzes von Westnis. Minas Tirith wird fallen.“  
Am Tor sah er einige der Soldaten der Turmwache und wenige der Reiter auf Rohan. „Heil, Soldaten des Westens. Öffnet Ihr mir bitte das Tor, den ich will mich in den Süden aufmachen“, sagte er zu ihnen. „Seid mir gegrüßt. Ihr seid einer der Waldläufer aus dem Norden, die mit Herrn Aragorn von den Schiffen kamen, nicht wahr?“, fragte der größte von ihnen, einer mit langem blondem Haar und einer Rüstung der Rohirrim. „Ja, ich bin Gil-Annun, und ich stamme aus dem Norden.“ „Mein Name ist Elfhelm“, antwortete der Mann. „König Eomer und Herr Aragorn gaben mir den Befehl über die Reiter von Rohan in der Mundburg. Es ist eine lästige Aufgabe, hier auf das Ende und die Vernichtung durch den dunklen Gebieter zu warten. Lieber wäre ich ruhmreich am Tor von Mordor gefallen oder würde in den Norden nach Edoras reiten, aber ich befolge die Befehle der Herren der Menschen. Wo wollt ihr hingehen?“, fragte Elfhelm, der auf Gil-Annun eine freundlichen Eindruck machte. „Ich will nach Dol Amroth, und dann will ich hoffen, dass die Valar mir gnädig sind, wenn ich dort versuche, die Menschen zum Kampf zu bewegen. Dol Amroth könnte einer Belagerung leichter Stand halten als Minas Tirith, nach allem, was ich gehört habe. Ich hoffe nur, dass meine Kraft reicht, denn vor ungefähr zwei Wochen wurde ich in der Schlacht an der Schulter verwundet.“ „Könnt Ihr reiten?“, fragte Elfhelm. „Ich lebte eine Zeitlang in Rohan, und ich kann es nicht so gut wie die Rohirrim, aber es reicht für meine Zwecke“, antwortete Gil-Annun grinsend. „Nun, mein Freund Grimbold ist in der Schlacht gefallen, sein Pferd Goldwine hat jedoch überlebt. Es ist eines der schnellsten Pferde unserer Armee. Hier in Minas Tirith haben wir keine Verwendung dafür, und es wäre eine Verschwendung, wenn es untätig in den Ställen der Mundburg bleiben würde. Nehmt es, denn Ihr seid ein Freund meines Volkes, Gil-Annun von den Dunedain des Nordens. Ich würde es holen lassen, und so lange können wir noch speisen. Was haltet Ihr davon?“, fragte Elfhelm.
Gil-Annun nahm die Einladung dankend an und führte ein langes Gespräch mit Elfhelm, bis Goldwine von einem der Burschen gebracht wurde. „Lebt wohl, Gil-Annun. Ein freundlicher Mensch seid Ihr, und keiner soll je wieder sagen, dass die Menschen des Nordens Diebe und Räuber seien. Ich hoffe dass wir uns wiedersehen. Ich verabschiede mich von Euch in Freundschaft“, sagte Elfhelm und verabschiedete sich nach Art der Rohirrim. „Mein Herz sagte mir, dass wir uns wiedersehen, ehe das Ende kommt und die Welt auseinander bricht, Elfhelm, Marschall der Mark. Lebt wohl“ und so gingen Gil-Annun und Elfhelm für das erste auseinander und der Dúnadan ritt auf dem schnellem Pferd der Mark Richtung Süden.


Gil-Annun nach Lebennin

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