Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Nah-Harad und Harondor

Aín Sefra - In der Stadt

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Eandril:
Gondor! Konnte sie es denn möglich sein, dass Narissa innerhalb einer Woche nach Edrahil bereits dem zweiten Menschen aus Gondor begegnete? Bevor sie antwortete machte sie einen weiteren Schritt zur Seite, der sie endgültig aus dem Menschenstrom auf der Hauptstraße beförderte, und zog das andere Mädchen - nein, Aerien - mit sich.
Sie fragte sich ob ihr Gegenüber tatsächlich Aerien hieß, oder ihr ebenfalls einen falschen Namen genannt hatte. Von einem Herrn Damrod von Ithilien hatte sie noch nie gehört - natürlich wusste Narissa, dass es sich bei Ithilien um eine Provinz Gondors handelte, doch der Name Damrod war ihr unbekannt. Vielleicht hätte sie sich bei Edrahil nach den aktuellen Verhältnissen in Gondor erkundigen sollen.
"Ja, ich..." Narissa unterbrach sich, denn was sollte sie sagen? Eigentlich war ihr Ziel geheim und wusste noch nicht, ob Aerien tatsächlich vertrauenswürdig war. "Ich komme tatsächlich nicht aus Gondor, sondern weiter aus dem Süden." Mit der Vermutung, dass Narissas Familie im Verborgenen lebte hatte Aerien bereits sehr nahe an der Wahrheit gelegen, doch Narissa beschloss fürs erste kein Risiko einzugehen und die Insel nicht zu erwähnen.
"Ich bin hier um zu sehen, was Fürst Qúsay für ein Mensch ist. Ob er sein Bündnis mit Gondor ehrlich meint, und ob er wirklich gegen Suladan und Mordor kämpfen will." Sie holte tief Luft und blickte Aerien offen ins Gesicht, denn sie hatte einen Großteil ihrer Karten offengelegt. Und das, obwohl irgendetwas an der Art und Weise, wie das andere Mädchen sprach, merkwürdig war und sich von Edrahils Art zu sprechen unterschied. Aber vielleicht lag es nur daran, dass beide aus unterschiedlichen Regionen Gondors kamen.
"Und du, was führt dich aus Gondor so weit in den Süden?"

Fine:
"Eigentlich wollte ich nach Dol Amroth, doch mir sind wichtigere Dinge dazwischen gekommen," antwortete Aerien, die sich mehr und mehr entspannte. Gelassen lehnte sie sich an die Hauswand, zu der Herlenna sie herübergezogen hatte, etwas abseits von den Massen, die auf der Straße unterwegs waren. Hier war es nicht so laut und man konnte besser verstehen, was sein Gegenüber sagte.

In Aeriens Kopf spielte sie die unterschiedlichsten Szenarien durch. Herlenna wollte also ebenfalls wissen, ob Qúsays Bündnis mit Gondor auch wirklich etwas wert war und ob man ihm vertrauen konnte. Doch weshalb? Gehörte sie vielleicht einem geheimen Orden an? Es wirkte nicht so, als ob das Mädchen alleine arbeitete sondern vielmehr schien sie einem Auftrag zu folgen. Vielleicht kam sie aus einer vergessenen Kolonie tief im Süden, wo noch immer die Gesetze und Gebräuche von Westernis galten? Allein die Möglichkeit faszinierte Aerien. Sie musste mehr herausfinden, doch dazu war es erforderlich, Herlennas Vertrauen zu gewinnen. Sie beschloss, ihr also offen und ehrlich zu erzählen, was sie hier tat. Ihre wahre Herkunft und wahren Namen würde sie jedoch nicht preisgeben, denn sie wusste, dass sie dadurch mit einem Schlag alles verlieren würde. Herlenna würde niemandem vertrauen, der aus Mordor kam, das war Aerien klar.

"Ich ging zuerst nach Minas Tirith, wo ich einen guten Mann befreite - die Stadt ist von den Nazgûl besetzt, musst du wissen - und nach Ithilien brachte, wo der Widerstand gegen Mordors Besatzer im Verborgenen geführt wird. Damrod ist ihr Anführer, ein wirklich misstrauischer Mann. Er gab mir den Auftrag, nach Ain Sefra zu reiten und dem Fürsten Qúsay folgende Nachricht zu überbringen: Die Nordgrenze ist gesichert und das Bündnis wird anerkannt. Doch der eigentliche Grund warum ich hier bin ist deinem eigenen ziemlich ähnlich: Ich soll herausfinden, ob Qúsay ein guter Verbündeter für Gondor ist und ob man darauf vertrauen kann, dass er sein Wort hält. Die Audienz mit ihm scheint das zu bestätigen, aber ich denke, es wird ebenfalls wichtig sein, sich den Maljes heute anzusehen. Dort wird Qúsay wohl eine wichtige Rolle spielen."

Sie hatte mehr geredet als sie vorgehabt hatte und als sie dies bemerkte, verstummte Aerien. Ich werde Herlenna mit meinem Gerede noch verjagen, dachte sie besorgt. Unbewusst fuhren die Finger ihrer linken Hand über den Sternenanhänger der Halskette.
"Entschuldige," sagte sie nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. "Deine Herkunft interessiert mich," platzte sie mit der Wahrheit heraus. "So wie alles, was die Dúnedain betrifft. Aber ich verstehe, wenn du vorsichtig sein willst. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen da unsere Ziele ähnlich sind, und wenn wir uns etwas besser kennen erzählst du mir vielleicht mehr über deine Familie. Ich bin mit Qúsay den ganzen Weg von den Harnen-Furten bis hierher geritten und kann dir bestimmt einige Fragen über ihn beantworten, wenn du möchtest."

Eandril:
Narissa schwirrte der Kopf von den vielen Informationen. Minas Tirith gefallen und von einem der Neun besetzt, Widerstand in Ithilien, der Aerien nach Aín Sefra geschickt hatte... Sie fragte sich, wie viel Edrahil davon gewusst hatte.
Auch wenn Aeriens Geschichte noch immer einige Ungereimtheiten aufwies - zum Beispiel, von wo und in wessen Auftrag sie nach Minas Tirith gegangen war, und wie sie es geschafft hatte in die besetzte Stadt einzudringen - beschloss Narissa doch, ihr fürs erste zu glauben. Den Ausschlag dazu gaben Aeriens offensichtlich ehrliche Neugierde und der sternförmige Anhänger der, wie Narissa zu sehen glaubte, die Form der untergegangenen Inseln Númenor zu haben schien. Warum sollte ein Diener Mordors ein Symbol tragen, dass für einige von Saurons ärgsten Feinden stand?

Narissa setzte sich auf ein leeres Fass, dass an der Hauswand stand. "Weiter im Süden, noch jenseits von Qafsah und Umbar gab es weitere Kolonien Númenors, und einige von ihnen sind auch nach dem Fall der Insel dem Westen treu geblieben. Meine Vorfahren haben lange Jahre an Gondors Seite gearbeitet, selbst nachdem das Königreich seinen Einfluss in Harad verloren hat. Ich glaube, inzwischen weiß niemand in Gondor überhaupt, dass wir noch existieren - oder existiert haben." Sie verstummte, denn der Gedanke an den Tag als Suladans Truppen auf Tol Thelyn eingefallen waren, war schmerzhaft. Wie Aerien zuvor legte sie nun unbewusst die Linke auf den Anhänger ihrer Mutter, den sie verborgen unter ihrem Hemd trug. Sie beschloss, ein wenig mehr Risiko einzugehen.
"Im Augenblick bin ich allerdings im Auftrag eines Mannes aus Gondor hier, den ich in Umbar getroffen habe. Er steht in Diensten des Fürsten von Dol Amroth, und er hat mich hergeschickt um Qúsays Absichten zu prüfen - und ihm eventuell eine Zusammenarbeit anzubieten." Narissa zupfte das Tuch zurecht, dass ihre Haare noch immer vor neugierigen Blicken verbarg. "Wahrscheinlich sollte ich mir den Maljes tatsächlich ansehen.", meinte sie, und fügte mit einem übermütigen Lächeln, das sie selbst überraschte, hinzu: "Ist bestimmt leichter als sich in seine Gemächer zu schleichen."

Fine:
Aerien konnte gar nicht anders, als dieses seltsame Mädchen zu mögen. Sie verstand es nicht, es widersprach so vollständig ihrer bisherigen Auffassung dass sie sich fragte, ob überirdische Kräfte ihre Hand im Spiel hatten. Doch sie schob die Verwunderung beiseite und hörte gespannt zu, wie Herlenna von ihren Vorfahren erzählte. In ihrer Vorstellungskraft sah sie versteckte Außenposten der Getreuen, verborgen hoch oben im Gebirge, auf vergessenen Inseln oder in unbekannten Oasen tief in der Wüste, die Gondor und die Reiche im Norden aus den Schatten heraus unterstützten und selbstlos und mutig für die Interessen des Westens eintraten. Doch sie konnte sehen, dass die Geschichte Herlennas auch von einem tragischen Unterton begleitet war und sie stets in der Vergangenheitsform erzählte. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. Bevor sie nachfragen konnte wechselte das Mädchen das Thema und Aerien wurde von diesen Gedanken abgelenkt.

"Sicherlich ist das der leichtere Weg," sagte Aerien und erwiderte das Lächeln. "Ich weiß leider nicht, wann der Majles stattfinden wird - und wie viel davon öffentlich abgehalten werden wird - doch sein Ergebnis wird ganz sicher von Qúsay und den wichtigsten der hiesigen Stammesführern und Königen für die Ohren des Volkes verkündet werden. Hier in Ain Séfra versammelt sich die Hauptmacht der rebellierenden Heere, was Sauron und Suladan bestimmt nicht entgangen sein wird. Ich fürchte, der Krieg wird bald auch hierher kommen."
Sie hielt einen Augenblick inne, hatte erneut ihre Gedanken laut ausgesprochen. Irgendetwas an Herlenna ließ sie sämtliche, gut antrainierte Vorsicht vergessen.
"Du sagtest, dein Auftraggeber steht in Diensten der Stadt Dol Amroth? Dann mag es sein, dass sein Herr derselbe ist, der nun dafür gesorgt hat, dass ich hier im Süden bin: Prinz Imrahil, Adrahils Sohn, der nun Truchsess von Gondor ist. Wir könnten also zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen."

Sie dachte angestrengt darüber nach, was sie bisher über Dol Amroth wusste. Zwar war ihr die Geschichte der Stadt wohl bekannt, soweit sie aus den Aufzeichnungen in Durthang hervorging, doch Beregond hatte ihr auf der Reise durch Harondor nur wenig zur aktuellen Lage erzählen können. Sie hatte also keine Möglichkeit, Herlennas Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Aerien schwankte einen Augenblick zwischen Vorsicht und Sympathie, entschied sich dann jedoch, dem Mädchen weiterhin zu vertrauen.

Eandril:
Als Aerien behauptete im Auftrag Dol Amroths nach Harad gekommen zu sein erwachte Narissas Misstrauen von neuem, obwohl sie ihr in ihrer offensichtlichen Begeisterung für die Dúnedain Harads unwillkürlich sympathisch war.
Dennoch, Edrahil hatte nichts davon erwähnt, dass Fürst Imrahil ebenfalls Boten nach Dol Amroth entsandt hatte, und so gab es nun drei Möglichkeiten: Aerien sagte die Wahrheit und Edrahil hatte entweder gelogen oder wusste davon nichts, oder das Mädchen log. Insgeheim ärgerte Narissa sich, dass sie dem alten Gondorer nicht mehr Informationen entlockt hatte, zum Beispiel wie lange er bereits in Umbar war und wann er zuletzt Kontakt mit Dol Amroth gehabt hatte. So wäre es ihr möglich gewesen, den Wahrheitsgehalt von Aeriens Aussage besser einschätzen zu können, denn ihr war nicht klar was Edrahil davon gehabt hätte, ihr die Anwesenheit weiterer Boten Gondors in Aín Sefra zu verschweigen.
Auch hatte er nicht erwähnt, dass Fürst Imrahil nun der Truchsess von Gondor war. Nach Narissas letztem Wissensstand hatte Truchsess Denethor einen Sohn, Faramir gehabt, der nun eigentlich Truchsess sein müsste. Aber vielleicht war dieser Faramir tot oder gefangen.

"Früher oder später kommt der Krieg überall hin.", sagte Narissa gleichmütig und zuckte mit den Schultern. Sie würde Aerien für den Moment vertrauen, aber weiter vorsichtig sein und die Augen nach Zeichen des Verrats offenhalten. Allerdings, die Bereitwilligkeit mit der Aerien ihr alles erzählt hatte machte das Mädchen entweder zu einer sehr schlechten Spionin - oder zu einer sehr guten.
"Du hast eine Audienz bei Qúsay erwähnt. Wie ist dein Eindruck von ihm gewesen, ist er ehrlich? Was hat er gesagt?" Ihre eigene Neugierde ging nun ein wenig mit ihr durch, aber je mehr sie über Qúsay in Erfahrung bringen konnte, desto besser wurden ihre Chancen ihn richtig einzuschätzen.

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