Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Weit-Harad
Tol Thelyn
Fine:
Am folgenden Morgen versammelte Narissas Onkel Thorongil, der Herr der Insel, seine Familie und wichtigsten Berater an dem großen ovalen Tisch, der in einem der größeren Räume des Turms stand und an dem sie zuvor alle gemeinsam gefrühstückt hatten. Die lange Seite des Raumes, die an die Runde Außenmauer des Turms grenzte, war von einem sehr breiten Fenster durchbrochen, durch das sich ein guter Blick über das Meer und den Hafen von Tol Thelyn bot. Die schweren roten Vorhänge waren beiseite gezogen worden und warme Seeluft und Sonnenstrahlen drangen herein.
Aerien saß zwischen Narissa und Kapitän Hallatan, dessen Schiff neben den beiden anderen, größeren Booten fest vertäut war. Abgesehen von Thorongil selbst waren seine Frau Melíril, Meister Edrahil von Dol Amroth, sowie drei weitere Männer und zwei Frauen anwesend, aus denen Thorongils Rat sich heute zusammensetzte.
"Die Sicherheit und der Schutz der Insel müssen für den Moment oberste Priorität für uns haben," sagte Thorongil. "Mein Vater hat, wie Narissa mir berichtete, den Angriff Suladans früh kommen sehen, und nicht zuletzt dank seiner entsprechenden Vorbereitungen gelang es dem Großteil der Thelynrim, rechtzeitig zu fliehen. Wir müssen die Bewegungen unserer Feinde noch genauer überwachen als es damals der Fall war, und darauf vorbereitet sein, die Insel im Notfall erneut zu verlassen."
"Aber das hier ist unsere Heimat!" warf Narissa empört ein. "Willst du sie also einfach kampflos aufgeben und davonrennen, wie..." sie unterbrach sich als Aerien ihr vorsichtig die Hand auf den Unterarm legte.
"Ich bin nicht mehr wie früher," sagte Thorongil streng. "Aber einen Kampf zu bestreiten, den wir nicht gewinnen können, würde nur zu Tod und Verderben führen."
"Herr Thorongil hat recht," sagte Edrahil bedacht. "Gegen die geballte Macht eines haradischen Heeres kann die Weiße Insel nicht lange bestehen. Eure Hoffnung muss auf Heimlichkeit beruhen. Lasst den Hammerschlag niedergehen und euch (selbstverständlich organisiert und geplant) verstreuen, wie Wasser, das später wieder unversehrt zusammenfließt. Ich werde dafür sorgen, dass die Thelynrim in Gondor stets willkommen sein werden."
"Ich danke Euch, Meister Edrahil. Eure Worte sind weise. Und so werden wir es also halten: die gesamte Küste, die in Sichtweite der Insel liegt, soll scharf im Auge behalten werden, und die Häfen, die in den Händen unserer Feinde sind, sollen beobachtet werden. Auch wenn ich glaube und hoffe, dass Suladan und Hasaël von Umbar im Augenblick andere Probleme haben und sich nicht mit uns abgeben werden, ist es dennoch wichtig, zumindest auf die Möglichkeit eines erneuten Angriffes vorbereitet zu sein."
"Wenn Ihr erlaubt, Herr," nahm einer der Männer das Wort, die Aerien noch nicht kannte. Thorongil bedeutete ihm, weiterzusprechen, und er sagte: "Sollten wir nicht auch zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dem Malik, der in Ain Séfra gekrönt wurde, Unterstützung anzubieten? Es wäre durchaus in unserem Interesse, dass er den Krieg gegen Suladan gewinnt, und wenn Narissas Eindruck von ihm korrekt ist scheint Qúsay uns ebenfalls wohlgesonnen zu sein. Siegt er über Suladan, ist die unmittelbare Gefahr für die Insel vorbei."
"Ein guter Einwand, Ríador," sagte Thorongil. "Doch wir wissen, wer Suladan unterstützt: der Dunkle Herrscher von Mordor. Selbst wenn Suladan fällt bleibt die Gefahr, die im Schattenland droht, bestehen. Möge es niemals dazu kommen; aber wenn wir nicht vorsichtig sind wird sich dieser Schatten auch eines Tages bis an die weißen Strände von Tol Thelyn erstrecken."
"Dann sollten wir Arandirs Karte benutzen," warf Narissa entschlossen ein. "Mit Aeriens Wissen können wir dort ordentlichen Schaden anrichten und wichtige Gefangene befreien."
"Unter anderem den König von Gondor," ergänzte Aerien.
Das ließ Edrahil aufhorchen. "Dann ist es also bestätigt, dass Elessar am Leben ist, und in Mordor gefangen gehalten wird? In Dol Amroth zweifelte man zum Zeitpunkt meiner Abreise an der Wahrheit der Worte der Boten Saurons."
"Aerien hat ihn gesehen und mit ihm gesprochen," bestätigte Narissa, und Aerien nickte.
"Dann würde seine Befreiung Sauron sein größtes Druckmittel nehmen," überlegte Edrahil. "Gondor und Dol Amroth könnten wieder ungehindert militärisch gegen die von Mordor besetzten Gebiete vorgehen. Sollte eine Befreiung möglich sein, bin ich dafür, die Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen."
"Man kann doch nicht einfach nach Mordor spazieren," widersprach eine Aerien unbekannte Frau. "Wenn dieser geheime Weg tatsächlich existiert ist es nur schwer zu glauben, dass er noch immer unentdeckt ist."
"Wir können es nur sicher wissen wenn wir jemanden dorthin entsenden, Deireth," erwiderte Thorongil.
"Dann sollten wir genau das tun," antwortete Deireth. "Der Schreiber könnte eine Kopie der Karte anfertigen und dann könnte einer unserer besten Kundschafter nach dem Eingang zu diesem geheimen Weg nach Mordor suchen."
"Mein Sohn Hírilorn würde sich dafür eignen," meinte Hallatan. "Eine Aufgabe wie diese würde ihn unter anderem davon abhalten, hier auf der Insel auf dumme Gedanken zu kommen."
Die Anwesenden lachten herzlich - offenbar kannten sie alle den jungen Hírilorn bereits.
"Nun, seinen letzten Auftrag hat er tadellos ausgeführt, und er besitzt definitiv ein Talent dafür, sich ungesehen zu bewegen," sagte Ríador. "Ich stimme Hallatans Vorschlag zu."
Alle Augen wandten sich nun Thorongil zu, doch dieser blickte nachdenklich drein. "Darüber muss ich nachdenken," sagte er. "Es kann sein, dass wir bei diesem Weg nur einen einzigen Versuch haben."
Edrahil nickte zustimmend; offenbar war er derselben Meinung. "Für die nächsten Tage und Wochen sollten wir uns auf den Schutz der Insel und ihren Wiederaufbau konzentrieren. Wenn absehbar ist, in welche Richtung sich der Krieg in Harad entwickelt werden wir entscheiden, was diesbezüglich zu tun ist."
"Vergesst nicht die Verbündeten, die ihr habt oder haben könntet," sagte Edrahil. "Für die Unterstützung Dol Amroths und Gondor habe ich bereits gesorgt und werde mich auch in Zukunft darum kümmern. Und dann ist da noch der Silberne Bogen - Narissa, wenn mich nicht alles täuscht kannst du uns etwas mehr darüber sagen?"
Narissa nickte. "Aerien und ich sind mit dem Anführer der Gruppe befreundet, die als Silberner Bogen bekannt ist. Sie waren einst Teil der Assassinen, aber jetzt nicht mehr. Wir habe ihnen geholfen, ihre Burg gegen einen Angriff Salemes zu verteidigen, doch der Schattenfalke hat beschlossen, dass seine Gruppe ein neues Versteck braucht."
Erstauntes und aufgeregtes Raunen unterbrach sie. Offenbar war der Schattenfalke den meisten der Anwesenheit ein Begriff. "Seine Krieger verfügen über eine geradezu legendäre Ausbildung," sagte Deireth.
"Er wäre ein sehr mächtiger Verbündeter," meinte Ríador.
"Würde ein Bündnis denn nicht dazu führen, dass die Feinde des Silbernen Bogens auf die Insel kommen würden?" warf ein Mann ein, der bisher noch kaum etwas gesagt hatte.
"Das ist auch meine Befürchtung, Saivin," sagte Thorongil. "Dennoch denke ich, dass ich dem Schattenfalken und seinen Leute zumindest für einige Zeit auf Tol Thelyn Zuflucht gewähren würde, wenn sie hierher kämen. Durch die Silberbögen würde sich die Anzahl unserer Krieger und Spione auf einen Schlag verdoppeln."
"Dann sollten wir den versteckten Wachposten am Festland Bescheid geben," sagte Hallatan.
Die Ratssitzung zog sich noch ungefähr eine halbe Stunde hin, in der vor allem über Umbar gesprochen wurde und wie man es überwachen und Hasaël schaden könnte. Schließlich wurde beschlossen, dass drei von Thorongils besten Leuten in die Stadt geschickt werden sollten, um die Stadtwache zu infiltrieren. Nach dieser Entscheidung war die Besprechung zu Ende, und die Ratsmitglieder verließen den Raum, um sich ihren Aufgaben zuzuwenden.
Aerien und Narissa beschlossen, im Obstgarten zu picknicken und wurden von Laedris und mehreren ihrer Freundinnen begleitet, die Narissa von früher kannten. Zwar hatten sie zu Beginn noch einige wenige Vorbehalte Aerien gegenüber, doch es dauerte nicht lange bis es niemanden mehr zu stören schien, dass sie aus Mordor kam, und eine fröhliche Runde voller Austausch, guten Gesprächen und viel Gekicher entstand.
Im Anschluss daran machte Narissa ihr Versprechen wahr, das sie dem kleinen Túor gegeben hatte, und zeigte ihm, wie man mit dem Dolch umging. Aerien sah eine Weile zu, doch irgendwann verlor sie das Interesse. Sie erhob sich und sagte zu Narissa, dass sie sich etwas die Beine vertreten wollte, bis ihre Freundin mit ihrem Neffen fertig geworden war. Aerien umrundete den Turm und folgte der kleinen Straße zurück zum Hafen, eine Strecke, für die man ungefähr zwanzig Minuten brauchte. Als sie ungefähr auf halbem Weg ein kleines Wäldchen durchquerte, fiel ihr auf, dass der Boden an einer Stelle neben der Straße geschwärzt war; offensichtlich hatte hier jemand ein kleines Feuer gelegt, das nach kurzer Zeit von selbst wieder ausgegangen war. Aerien wunderte sich und sah sich die Stelle genauer an. Irgendetwas kam ihr daran bekannt vor, und als sie sich hinkniete, fiel ihr ein, was es war: während Ihrer Kampf- und Überlebensausbildung in Durthang hatte der Waffenmeister ihr beigebracht, mit kleinen, wenig rauchenden Feuern den Waldboden freizumachen, um dort etwas zu verstecken. Durch die Asche wurde dafür gesorgt, dass an der verbrannten Stelle schneller wieder etwas wuchs und das Versteck verbarg. Mit wachsender Sorge schob Aerien die aufgewühlte Erde vorsichtig beiseite und zog einen kleinen metallischen Gegenstand aus dem Boden... einen ihr nur allzu gut bekannten agân-Wurfstern. Sie wusste, was dieser Fund bedeuten musste...
Fine:
Das kann nur eines bedeuten.
Aerien spannte sich an und tastete nach ihrem Schwert, um kampfbereit aufzuspringen, doch es war zu spät. Eine schlanke Klinge legte sich an ihren Hals. Das Metall fühlte sich kalt auf Aeriens Haut an und übte gerade genug Druck aus, um einen einzelnen Blutstropfen hervortreten zu lassen. Aerien war erstarrt und hoffte innerlich, dass sich das alles nur als Missverständnis herausstellen und die Klinge einem der Thelynrim gehörte. Doch sie wusste, dass diese Hoffnung trügerisch war. Sie wusste, wer hinter ihr stand. Es konnte niemand anderes sein als...
"Hallo, Azruphel," wisperte Karnuzîrs Stimme unangenehm nah an Aeriens linkem Ohr. "Du hast es mir ja wirklich einfach gemacht, dich zu finden. Fast schon zu einfach. Ich muss schon sagen; ich hätte mehr von dir erwartet. Deine Spur führte auf geradem Weg zur Insel der Turmherren... gerade in dem Moment wo Gerüchte über die Rückkehr der Dúnedain der Weißen Insel auftauchten. Wirklich vorhersehbar."
Aerien wagte nicht zu antworten. Wenn ihr Vetter hier war, musste das bedeuten, dass die versteckten Wachposten am Ufer tot oder abgelenkt waren. Sie fragte sich, ob er alleine war, als sich seine Hand unter ihre Schulter schob und Aerien anhob und auf die Beine stellte, ohne dass Karnuzîr den Dolch von ihrem Hals nahm.
"Vorwärts," befahl er und stieß sie in Richtung der dichter werdenden Bäume südlich der Straße. "Es wird Zeit, meinen Freunden meine zukünftige Frau vorzustellen."
Aerien setzte einen Fuß vor den anderen und unterdrückte den Würgereiz, der ihren Hals hinauf kroch. Sie hatte eine ziemlich gute Vorstellung von dem Leben, das sie als Karnuzîrs Frau erwarten würde. Um Liebe würde es dabei niemals gehen. Sie wusste, dass sie sich momentan keine falsche Bewegung leisten konnte. Karnuzîr wollte sie zwar eigentlich unversehrt nach Mordor zurückbringen, aber Aerien wusste, dass er dennoch nicht zögern würde, sie zu töten wenn sie es wagen würde, Widerstand zu leisten.
Sie kamen auf eine kleine Lichtung, auf der sie von drei Gestalten erwartet wurden: einem Mann, einer Frau, und einer dritten Person, die gefesselt war und einen Sack über dem Kopf hatte, sodass Aerien nicht erkennen konnte, um wen es sich dabei handelte. Die anderen beiden kamen ihr erst bekannt vor, als diese Karnuzîrs Anlkunft bemerkten. An ihren Stimmen erkannte Aerien die beiden geheimnisvollen Personen wieder, die sie in Qafsah belauscht hatte, kurz bevor sie den Ringgeist getroffen hatte.
"Sieht so aus als schuldest du mir drei Rationen, Rae," sagte der Mann selbstzufrieden. Er trug eine feste, rötliche Lederrüstung mit großen eisernen Schulterschützern. Sein Haar und Bart waren schwarz, lang und lockig. Als er aufstand sah Aerien, dass er mit zwei gezackten Schwertern bewaffnet war, die links und rechts an seinem Gürtel hingen.
"Die Kleine ist ihm also wirklich in die Falle gegangen," meinte die Frau, die offenbar Rae hieß. "Also gut, Breyyad, du hattest Recht." Sie trug ein Kettenhemd, das teilweise von dem langen blauen Halstuch verdeckt war, das um ihren Oberkörper geschlungen war. Ihre Haare waren schulterlang, hellbraun, und wurden von einem gestreiften Stirnband im Zaum gehalten. Ihre Augen waren dunkel.
Breyyad - der schwarzhaarige Mann - lachte und baute sich vor Aerien auf, die noch immer von Karnuzîrs Dolch in Schach gehalten wurde. "Hm," macht er und stupste sie mit seiner schweren Hand unsanft gegen die Brust. "Etwas zu dürr für meinen Geschmack, aber dass Gesicht ist ein echter Hingucker. Aber sowas kriegt man gegen genügend Bezahlung eigentlich in jeder größeren Stadt, Karnuzîr. Ich kann den Aufwand nicht so recht nachvollziehen."
"Wenn du dich an die Anweisungen des Sultans erinnern würdest, du riesiger Idiot, dann wüsstest du, dass wir nicht nur wegen dem Mädchen hier sind," zischte Rae. "Die Gerüchte sind wahr: diese lästigen Turmherren und ihr Volk haben überlebt und sind zurückgekehrt. Zu schade, dass Suladan momentan keine Zeit hat, um der Insel einen ordentlichen Besuch abzustatten..."
"Also gut," brummte Breyyad. "Dann lasst uns die Kleine verschnüren und einpacken, und dann nichts wie weg hier. Ich mag das Meer sowieso nicht - mochte es noch nie. In dieser Gegend gibt's auch so schon zu wenig Wasser, da muss es doch nicht auch noch versalzen sein."
"Ich hatte dich vorm Trinken gewarnt, aber du wolltest ja nicht hören," warf Rae ein.
"Genug davon," unterbrach Karnuzîr. "Wir sind hier noch nicht fertig. Azruphel hat noch eine Aufgabe zu erfüllen."
Als Aerien das hörte, stieg ein schrecklicher Verdacht in ihr auf. Und dieser wurde beinahe augenblicklich bestätigt als ihr Vetter seinen Gefährten ein Zeichen gab, und Breyyad den Sack von Kopf der zweiten Gefangenen zog. Darunter kam Serelloth hervor, geknebelt, und mit einer Mischung aus Wut und Furcht in den Augen.
"Jetzt hör mir ganz genau zu, wenn du nicht willst, dass deiner kleinen Freundin etwas zustößt," raunte Karnuzîr Aerien ins Ohr. Seine Stimme hatte einen zutiefst bösen Klang angenommen. "Du wirst folgendes tun..."
Es waren die schwersten Schritte, die Aerien in ihrem gesamten bisherigen Leben getan hatte. Sie dachte an Serelloth und zwang sich dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen, obwohl sich jede Faser ihres Körpers dagegen sträubte. Die Straße zum Turn zurück kam ihr kurz vor - viel zu kurz. Und schon stand sie vor dem Eingang, schwer atmend, und kurz davor, sich schreiend auf den Boden zu werfen. Doch Karnuzîrs Anweisungen waren eindeutig gewesen. Unter Aufbietung ihres gesamten Willens betrat Aerien den Turm und zwang sich die Stufen hinauf, bis zu Narissas Zimmer. Sie begegnete weder Minûlîth noch Thorongil, die sie vielleicht aufgehalten hätten, und auch die Tür zu Edrahils Raum war verschlossen. Und so stand sie schließlich im offenen Durchgang und sagte zu Narissa: "Es gibt da etwas, das ich dir zeigen muss..."
Jeder Teil von ihr schrie danach, ihrer Freundin zu offenbaren, was gerade geschah, doch Karnuzîrs Drohung, Serelloth unvorstellbare Dinge anzutun hielt Aerien davon ab und brachte sie dazu, die Fassade gerade so aufrecht zu erhalten, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte.
"Was möchtest du mir zeigen?" fragte Narissa neugierig, kam zu ihr herüber und hauchte Aerien einen Kuss auf die Wange, was die Sache für sie umso unerträglicher machte. "Was ist mir dir? Stimmt etwas nicht?" fragte Narissa, ehe Aerien antwortete.
"Nein, alles in Ordnung," log sie mit blutendem Herzen und ergriff Narissas Hand. "Komm! Es ist nicht weit. Du wirst es sehen wenn wir dort sind."
"Eine Überraschung also," antwortete Narissa. "Also gut. Dann geh' voran!"
Aerien blieb still, während sie Narissa zu der Stelle führte, die Karnuzîr ihr beschrieben hatte. Und wie angewiesen hatte Aerien dafür gesorgt, dass ihre Freundin unbewaffnet war. Ihr eigenes Schwert hatte sie ebenfalls im Turm gelassen. Und so lief Narissa, wie Aerien vor ihr, ahnungslos in die Falle. Auf der kleinen Lichtung standen Karnuzîr und Breyyad, die die gefesselte Serelloth zwischen sich hatten und sie am Boden hielten.
"Was -" setzte Narissa zutiefst erschrocken hervor, riss die Augen auf und fuhr mit zur Abwehr erhobenen Händen herum, doch selbst für ihre schnellen Reflexe war sie diesmal zu langsam. Rae tauchte hinter ihr auf und trat ihr die Beine weg, sodass Narissa keuchend in die Knie brach. Zwei Dolche zeigten auf ihre Kehle.
Narissas Blick fiel auf Aerien, die tatenlos daneben stand. Als Aerien sah, wie sich Narissas Gesichtsausdruck von Überraschung zu Entsetzen und dann zu Wut änderte schüttelte sie heftig den Kopf, wagte aber nicht, etwas zu sagen.
"Willkommen, Turmerbin," sagte Karnuzîr hämisch. "So sieht man sich wieder."
"Du hättest tot bleiben sollen," zischte Narissa und spuckte aus. "Aerien hat dich..."
"Sie hat nichts dergleichen getan," erwiderte Karnuzîr mit einem bösen Lächeln. "Und ihr Name ist auch nicht... ich werde diese schmutzige Elbensprache nicht in den Mund nehmen. Sie ist Azruphel von Aglarêth, eine treue Dienerin Mordors. Und sie hat dich wirklich meisterhaft getäuscht. Einzigartig. Meinen Glückwunsch, Azruphel!"
"Nein, nein, du lügst! Aerien ist meine Freundin! Sie gehört nicht länger zu Mordor,!" schrie Narissa.
"Sie hat nie aufgehört, dem Großen Gebieter zu dienen," sagte Karnuzîr. "Hast du wirklich gedacht, sie würde ihr Volk einfach so verraten? Dachtest du, sie würde tatsächlich etwas für dich empfinden? Wie naiv! Wie tragisch!"
"Sag, dass das nicht wahr ist, Aerien!" rief Narissa, der inzwischen die Tränen über die Wangen strömten. "Sag, dass er lügt!"
Aerien wollte der Aufforderung nachkommen, doch sie wusste, dass sie es nicht tun konnte, ohne Serelloths Leben zu gefährden. Auch wenn es ihr das Herz brach: sie hatte sich innerlich damit abgefunden, ihre Freiheit und ihre Liebe im Austausch dafür zu opfern, dass Serelloth - und Narissa - unversehrt blieben. Also schüttelte sie nur stumm den Kopf und umklammerte das Medaillon Míriels, den Stern von Akallabêth, so fest, dass ihre Hand zu schmerzen begann.
"Nein... das ist eine Lüge," stieß Narissa hervor und sank tiefer auf die Knie. "Es ist nicht wahr!"
"Sieh es ein - du bist getäuscht worden," fuhr Karnuzîr unbarmherzig fort. "Dank Azruphels meisterlicher Infiltration wissen wir nun, dass die Überreste des Silbernen Bogens hierher unterwegs sind und dass die Verantwortlichen für Hasaels Sturz hier auf der Insel sind, die schon bald wieder ein Teil von Suladans Reich sein wird. Dank dir, Turmerbin!" Er stieß Serelloth grob zu Boden und das Mädchen gab einen erstickten Laut von sich. "So unterhaltsam das nun auch war; es wird Zeit, zu gehen." Er zog einen seiner Wurfsterne hervor und schleuderte ihn in Serelloths Richtung. Aerien riss entsetzt die Augen auf als sie sah, dass sich der agân tief in ihre Brust gebohrt hatte und Blut aus dem Schnitt hervorquoll.
"Du solltest besser nach deiner Freundin sehen, ehe sie stirbt," höhnte Karnuzîr. "Viel Zeit bleibt ihr nämlich nicht mehr! Und wir werden in der Zwischenzeit verschwunden sein. Auf dass unser nächstes Treffen ebenso erfreulich sei!"
Er stapfte durch den Wald davon, und Rae und Breyyad folgten ihm. Aerien warf einen letzten Blick auf Narissa, die an Serelloths Seite geeilt war und versuchte, die Blutung zu stoppen. Dann folgte sie ihrem Vetter, und als Narissa ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte, ließ Aerien den Tränen freien Lauf.
Aerien mit Karnuzîrs Gruppe zur Mehu-Wüste
Eandril:
Narissa kniete neben Serelloth, deren Bewusstsein bereits zu schwinden schien, und betrachtete verzweifelt die Verletzung, die Karnuzîr dem Mädchen zugefügt hatte. Der Wurfstern war ein winziges Stück rechts des Brustbeines tief eingedrungen, genau zwischen zwei Rippen hindurch und steckte noch immer tief im Fleisch. Narissa zog leicht an dem kalten Metall, doch der Stern besaß Widerhaken und rührte sich nicht. Stattdessen stöhnte Serelloth dumpf vor Schmerzen auf, und aus der Wunde trat ein Schwall Blut aus und mischte sich mit Narissas Tränen, die die ganze Zeit über auf den Oberkörper des Mädchens tropften.
"Was mache ich nur?", flüsterte Narissa vor sich hin, und sah sich verzweifelt auf der kleinen Lichtung um. Sie verdrängte jeden Gedanken an Aerien - Azruphel - aus ihrem Geist, denn sonst wäre sie hier und jetzt zusammengebrochen. Für den Moment zählte nur Serelloth.
Der Atem des Mädchens ging schnell und flach, doch ansonsten normal und es war kein Blut an ihrem Mund zu sehen - also war die Lunge vermutlich durch ein Wunder (oder Karnuzîrs Wurfkünste) unverletzt geblieben. Narissa ordnete mühsam ihre Gedanken. Wenn die Lunge unverletzt geblieben war, ging die größte Gefahr von der Blutung aus, die die Wunde verursachte. Also riss sie ohne zu zögern ein breites Stück Stoff vom Saum ihres Kleides ab, legte es rund um den Wurfstern herum auf die Wundränder, und drückte vorsichtig leicht darauf, um die Blutung zu stoppen. Serelloth erzitterte leicht, und lag dann wieder still, das Gesicht bleich wie der Tod und die Augen geschlossen.
"Du darfst nicht sterben, hörst du?", flüsterte Narissa. Sie wagte es nicht, um Hilfe zu rufen, denn vielleicht war auch das hier nur eine weitere Falle, um mehr ihrer Freunde in den Tod zu locken. "Es sind nur noch wir beide übrig, und selbst wenn du mich hasst, will ich nicht, dass du stirbst." Weitere Tränen tropften auf Serelloths blutgetränkte Kleidung. ´
In ihrem Kopf jagten die Gedanken umher wie kleine Fische, gefangen in einem Netz. Wie war Serelloth überhaupt in Karnuzîrs Hände gelangt? Was war mit Níthrar geschehen, der sie doch begleitet hatte, hatte sie diesen Freund auch verloren? Azruphel musste Karnuzîr verraten haben, in welche Richtung Níthrar und Serelloth aufgebrochen waren - wie genau, spielte keine Rolle. Und dann... arbeitete Saleme mit Karnuzîr zusammen? Hatte Azruphel - Narissa weigerte sich, von ihre als Aerien zu denken - ihr die Position der Burg des Silbernen Bogens verraten?
"So viel Verrat..."
Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, als aus Richtung der Straße drei Männer zwischen den Bäumen hervorkamen. Es waren Edrahil, auf seinen Stock gestützt, keuchend und mit Schweißperlen auf der Stirn, ihr Onkel Thorongil, der beinahe so grau im Gesicht war wie Serelloth, und Hírilorn, dem der Schock ebenfalls deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
"Was... ist hier passiert?", stieß Edrahil scharf hervor, während Thorongil neben Serelloth auf die Knie ging, Narissas Hände sanft von der Wunde zog und de Stoff selbst darauf drückte. Über die Schulter sagte er rasch zu Hírilorn: "Hol jemanden, der ihr helfen kann - sofort." Ohne ein Wort verschwand Hallatans Sohn zwischen den Bäumen, und Thorongil wandte sich wieder Narissa zu, die sich nicht gerührt hatte und auf ihre blutigen Hände starrte.
"Wer ist sie?", fragte er, und deutete mit einem Nicken auf Serelloth. "Und wer hat das getan?"
"Se-Serelloth", sagte Narissa mit schwankender, brüchiger Stimme. Sie hatte beiden Männern erzählt, wer Serelloth war, deshalb erklärte sie nicht weiter, sondern fuhr langsam und mühsam fort: "Und das war... Karnuzîr. Er hat... Er hat sie verwundet, damit... damit er entkommen konnte, mit, mit, mit... Azruphel." Ihre Stimme war immer leiser geworden, sodass sie am Ende nur noch ein Flüstern war und schließlich brach.
"Azruphel...", sagte Edrahil langsam, und blickte aus dunklen Augen auf sie hinunter. "Das heißt also..."
"Sie hat mich verraten!", stieß Narissa hervor, kam unbeholfen auf die Füße und taumelte einen Stück zurück. Es auszusprechen war beinahe so schlimm wie es mit anzusehen, zu sehen wie ihre Freundin neben Karnuzîr stand und mit keiner Miene erkennen ließ, dass es Lügen waren, was er sagte. Es auszusprechen bedeutete, es zur Wahrheit zu machen, und das riss Narissas Herz beinahe entzwei.
In Edrahils Augen las sie etwas, was sie dort nicht erwartet hatte, zu sehen: Mitleid, und Bedauern. Doch der Spion äußerte diese Gefühle nicht, sondern sagte leise: "Wir haben ein Warnsignal vom Festland erhalten, dass sich Feinde in der Gegend befinden. Wir waren gerade auf dem Weg zum Hafen, als ich eine kleine geschwärzte Stelle neben der Straße entdeckte, von der Spuren tiefer in den Wald führten - hierher. Du musst mir erzählen, was geschehen ist."
Thorongil, der noch immer auf Serelloths Wunde drückte, blickte zu Edrahil auf und sagte: "Jetzt ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, um..."
Narissa schüttelte den Kopf, und unterbrach ihn. Ihre Tränen waren versiegt, ausgetrocknet, und nur langsam begriff sie die Tragweite des Geschehenen. "Sie hat... mich hierher gelockt", begann sie stockend. "Karnuzîr war hier, und sagte, dass sie immer für ihn gearbeitet hätte, und dass sie nun wüssten... dass der Silberne Bogen hier Zuflucht sucht... dass die Turmherren wieder hier seid... dass ihr aus Umbar hierher geflohen seid... und dass Suladân uns wieder angreifen würde. Nur weil ich so dumm war, und geglaubt habe, sie wäre meine Freundin!" Den letzten Teil schrie sie beinahe, trat gegen einen kleinen Stein der zwischen den Bäumen davon flog, und spürte, wie ihr erneut Tränen über das Gesicht zu strömen begannen. Serelloth zuckte in ihrer Ohnmacht unruhig, und Edrahil betrachtete Narissa aus beinahe schwarz erscheinenden Augen, die jetzt keine Emotion mehr zeigten.
"Vielleicht hast du dich tatsächlich in ihr getäuscht", sagte er ruhig. "Doch vielleicht... es braucht viel, um mich zu täuschen. Und ich habe Aerien geglaubt."
"Niemand ist unfehlbar", gab Narissa bitter zurück. "Vielleicht seid ihr auch nur ein alter Mann, dessen Urteilsvermögen nachlässt."
Edrahil zuckte unmerklich zusammen, ließ sich aber nichts anmerken als er erwiderte: "Mag sein. Dennoch denke ich wird es interessant sein, zu hören was die junge Serelloth zu sagen hat, wenn sie überlebt..."
Zwei Stunden später kniete Narissa auf ihrem Bett, dass sie vor das Fenster gezogen hatte, und blickte auf das Meer hinaus. Das Wetter war noch schöner als an den vergangenen Tagen, die Sonne strahlte vom wolkenlosen, hellblauen Himmel und glitzerte auf dem Wasser des Meeres, und ein leichter Wind von Westen sorgte dafür, dass es nicht unangenehm heiß war - ein krasser Gegensatz zu dem, wie Narissa sich fühlte.
War alles nur ein Schauspiel gewesen, eine Lüge... wirklich alles? Und war es wirklich nötig gewesen, ihr Liebe vorzugaukeln - oder nur ein grausames Schauspiel, um ein wenig Spaß zu haben? Hatte Azruphel daher gewusst, sie in Ain Salah zu suchen? Aber warum hatte der Nazgûl dann versucht, sie mitzunehmen... nichts ergab mehr Sinn.
Als sie mit der verwundeten Serelloth in den Turm zurückgekehrt waren, hatte Narissa mit niemandem gesprochen - sie war sofort in ihr Zimmer geflüchtet, und hatte die Tür hinter sich verschlossen. Der Raum duftete noch immer nach ihr und hier zu sein war eine langsame, schmerzhafte Qual - und dennoch wollte Narissa nirgendwo anders sein. Sie hatte gehört, wie sich Thorongil und Edrahil vor der Tür leise berieten - offenbar hatten Karnuzîr und seine Schergen Yinsen und Langlas überrascht und überwältigen können. Yinsen war tot, doch Langlas hatten sie nur für tot gehalten und so war es ihm gelungen, später das Warnsignal zu geben.
Jetzt klopfte es leise an Narissas Tür, und sie hörte Minûlîth fragen: "Narissa?" Narissa antwortete nicht, und rührte sich auch nicht vom Fleck sondern starrte weiter auf das Meer hinaus. Sie wollte mit niemandem reden. Sie wollte nicht denken, nicht fühlen... nicht existieren. Vorhin, auf der Lichtung, hatte sie kurz geglaubt, Azruphel zu hassen. Doch das Gefühl war vorübergegangen, und zurückgeblieben war nur eine gewaltige Leere in ihrem Inneren.
"Ich weiß, dass du allein sein möchtest...", fuhr Minûlîth auf der anderen Seite der Tür fort. "Aber... Serelloth ist aufgewacht, und sie will mit dir reden."
Bei diesen Worten zuckte Narissa zusammen, sprang ruckartig vom Bett auf und eilte zur Tür. Als sie diese entriegelte und aufriss, stand Minûlîth ihr direkt gegenüber, und lächelte traurig.
"Sie ist unten im Erdgeschoss", sagte sie. "Aber wenn du möchtest..."
Weiter kam sie nicht, denn Narissa fiel ihr in die Arme und ließ den Tränen ein weiteres Mal freien Lauf - obwohl sie eigentlich gedacht hatte, keine einzige Träne mehr in sich zu haben. Minûlîth strich ihr sanft über den Rücken, doch sie sagte nichts, und das war gut so. Narissa brauchte niemanden zum Reden, denn sie hatte nichts zu sagen, nur jemanden, der für sie da war.
Schließlich löste sie sich aus der Umarmung, trocknete sich mit einem Ärmel ihres Kleides das Gesicht ab, und rang sich etwas ähnliches wie ein Lächeln ab. "Ich bin bereit."
Serelloth lag in einem Bett, einen dicken Verband quer über der Brust und im Gesicht beinahe so weiß wie die Laken unter ihr. Dennoch, ihre Augen waren offen, und suchten sofort Narissas Gesicht. Hinter Narissa betraten Edrahil und ihr Onkel das Zimmer, und sie schickte sie nicht fort. Die beiden mussten ohnehin erfahren, was Serelloth zu sagen hatte, und das Mädchen schien es nicht zu stören. Als Narissa sich neben dem Bett auf einem Hocker niederließ, tastete Serelloth nach ihrer Hand und ergriff sie. Zu Narissas Erleichterung war sie nicht länger eiskalt, sondern warm.
"Ich scheine euch nur Schwierigkeiten zu machen", flüsterte das Mädchen, und trotz allem spürte Narissa ihre Mundwinkel zucken.
"Ich hoffe, du bist nicht wütend auf mich, weil ich weggelaufen bin?"
Narissa schüttelte langsam den Kopf. Was geschehen war, wäre ohnehin irgendwann geschehen, und Karnuzîr hätte einen anderen Weg gefunden, sie von der Verfolgung abzuhalten.
"Gut", stieß Serelloth mühevoll hervor. "Ich hasse dich nämlich gar nicht. Elendar ist ebenso wie ich freiwillig mitgekommen, und wusste um die Gefahr - Aerien hatte recht."
"Das ist nicht ihr Name", erwiderte Narissa langsam und mit zusammengepressten Kiefern. "Sie heißt Azruphel von Aglarêth, und ist eine treue Dienerin Mordors."
Der Schrecken in Serelloths Augen überraschte sie. "Nein, du... irrst dich", erwiderte Serelloth, und hustete angestrengt. "Sie wollte nur mich... mich..."
Ihre Augenlieder flatterten, und Narissa erkannte, dass das Bewusstsein sie wieder zu verlassen begann. Mit letzter Kraft sagte das Mädchen: "Sie wollte mich... beschützen." Dann fiel ihr Kopf zurück in das Kissen, und ihre Augen schlossen sich in erneuter Bewusstlosigkeit.
Als sie das Zimmer verlassen hatten, sagte Edrahil: "Nun, dass deckte sich mit meinem Eindruck. Vielleicht solltest du..." Narissa wartete nicht ab, was er zu sagen hatte, sondern eilte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Ihr Herz klopfte wie wild, und in ihrem Kopf kämpften Unglauben und Hoffnung miteinander. Sie wollte glauben, dass es stimmte, dass sie nicht verraten worden war, dass Ae... Azruphel tatsächlich nur Serelloths Leben retten hatte wollen. Sie wollte es so sehr glauben wie sie nie zuvor etwas gewollt hatte, doch sie konnte es nicht. Erst wenn sie ihrer Freundin in die Augen gesehen hatte und die Wahrheit gehört hatte, würde sie ihr glauben... oder sie töten.
In ihrem Zimmer angekommen riss sie sich das Kleid herunter, und schlüpfte in ihre übliche Reisekleidung: Ein lockeres Hemd aus weißem Stoff, dass genug Platz zum Bewegen ließ, eine Hose aus weichem, hellbraunem Leder und Stiefel, die kurz unter dem Knie endeten. Dann, mit zwei Wurfmessern auf dem Rücken und ihren Dolchen - Ciryatans Dolch und das verbliebene Geschenk König Músabs - an beiden Seiten, eilte sie wieder die Treppe hinunter.
Unten stand Edrahil noch immer vor Serelloths Zimmer, und wirkte kein bisschen begeistert. Der Grund wurde Narissa klar, als ihr Onkel kurz nach ihr die Treppe hinunter kam, ebenfalls in etwas abgetragene Reisekleidung gehüllt, an der rechten Seite ein Schwert und an der linken einen Dolch.
Als er Narissa erblickte, nickte er grimmig. "Ich wusste, dass du gehen würdest", sagte er, und blickte Edrahil an: "Herr des Turmes oder nicht, ich werde jemanden, der meiner Nichte so etwas antut, nicht ungestraft davonkommen lassen."
Der alte Spion seufzte und nickte dann langsam. "Ich schätze, ich könnte euch ohnehin nicht davon abhalten. Aber ihr solltet euch wenigstens von eurer Frau verabschieden..."
Ein seltsames Jagdfieber hatte Narissa erfasst, und den Schmerz über die Geschehnisse in eine tiefe Ecke ihres Geistes verdrängt - er war noch immer spürbar, in jeder Faser ihres Körpers, doch er beherrschte sie nicht mehr. Sie würde Karnuzîr und seine Schergen finden, und sie töten. Und dann würde sie die Wahrheit über Azruphel von Aglarêth herausfinden.
Narissa und Thorongil zur Mehu-Wüste...
Eandril:
Narissa, Aerien, Thorongil und der Silberne Bogen aus der Mehu-Wüste
Obwohl nur eine Woche vergangen war, seit sie Tol Thelyn verlassen hatten, kam es Narissa viel länger vor, als Hallatan die Thoroval in den kleinen Hafen steuerte. Am Kai hatte sich wie zuvor eine kleine Menschenmenge versammelt um die Rückkehr ihres Herrn und die Ankunft der Neuankömmlinge vom Silbernen Bogen zu erleben. Ganz vorne stand erneut Minûlîth mit Túor an der Hand, und neben ihr Edrahil, dessen dunklen Augen nichts zu entgehen schien. Als erstes trat Thorongil vor seine Frau, und Narissa und Aerien neben ihm.
"Nun, anscheinend hattet ihr Erfolg", sagte Edrahil trocken, während Thorongil Minûlîth in eine Umarmung zog. Edrahil verzog keine Miene, das Lächeln beschränkte sich auf seine Augen. Narissa musste an das Gespräch denken, dass sie auf der Reise über Edrahil geführt hatten, und stieß Aerien grinsend den Ellbogen in die Seite. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, fand sie sich in Minûlîths Umarmung wieder, die danach auch die ein wenig verdutzte Aerien in ihre Arme zog.
"Ich bin froh, dass ihr beide wieder hier seid, und dass es euch gut geht", sagte Minûlîth schließlich. "Und ihr müsst mir unbedingt erzählen, was geschehen ist."
"Natürlich", sagte Narissa nickend, wobei sie mit Aerien einen wortlosen Blick tauschte, der Vielleicht aber nicht alles besagte. "Ich freue mich auch, wieder hier zu sein... zuhause." Ihr Blick fiel auf Túor, und sie stupste ihren jungen Vetter spielerisch gegen die Schulter. "Und du? Bist du schon bereit für eine weitere Lektion?"
Túors Mundwinkel zuckten und ein schelmisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht, das dem seines Vaters so ähnlich war, aus. "Solange du nicht wieder diesen Trick mit deinem Fuß machst..." Narissa musste ebenfalls lächeln. Beim letzten Mal, als sie Túor "ein paar Tricks" beibringen wollte, hatte sie ihm einmal mit dem Fuß beide Beine weggezogen, und der Junge war unsanft auf dem Rücken gelandet.
Sie wandte sich wieder Minûlîth zu: "Was ist mit Serelloth? Wir sollten vielleicht mit ihr sprechen." "Geht es ihr gut?", fügte Aerien, offensichtlich besorgt, hinzu. "Ist sie..."
"Es geht ihr den Umständen entsprechend gut", erklärte Minûlîth beruhigend. "Wir haben für sie getan was wir konnten, und sie befindet sich auf dem Weg der Besserung. Ihr könnt später zu ihr gehen, wenn wir mit den Begrüßungen fertig sind."
Erst jetzt bemerkte Narissa, dass Ta-er und Eayan zu ihnen getreten waren. Edrahil neigte Ta-er gegenüber leicht den Kopf, und sie erwiderte das Nicken beinahe unmerklich, während Eayan sagte: "Ich bin Eayan al-Tayir vom Silbernen Bogen. Der Herr des Turmes war so freundlich, uns für einige Zeit Zuflucht vor unseren Feinden zu gewähren."
Edrahil zog die Augenbrauen zusammen, und erwiderte: "Noch mehr Feinde sind eigentlich nicht das, was wir gebrauchen könnten."
"Gerade diese Feinde sind schon lange ebenso die euren wie die unseren", warf Ta-er ein. "Seit Umbar, um genau zu sein."
"Saleme", schloss Edrahil sofort. "Nun, in diesem Fall habe ich keine Einwände gegen eure Anwesenheit hier, nachdem sie mir in Umbar so eindrucksvoll die Feindschaft erklärt hat."
Eayan lächelte leicht, und antwortete: "Sie scheint ein Talent dafür zu haben, sich mächtige und kluge Feinde zu schaffen. Ich glaube nicht, dass sie uns schlagen kann, wenn wir zusammenarbeiten - nicht einmal mit der Hilfe ihres geheimnisvollen Meisters."
Bei diesen Worten schien Edrahil aufzumerken, und auch Narissa lauschte aufmerksam. Zwar hatte Aerien ihr erzählt, was Saleme beim Angriff auf die Burg des Silbernen Bogens gesagt hatte, aber sie fragte sich, was Eayan selbst zu dem Thema zu sagen hatte.
"Ihres Meisters?", fragte Edrahil scharf. "Nach der Formulierung vermute ich, dass ihr nicht von Mordor sprecht? Ihre Taten sprechen ohnehin nicht dafür..."
Eayan schüttelte den Kopf. "Nein, sie dient nicht Mordor - aber ich weiß nicht, wer ihr Herr jetzt ist. Wir sollten vielleicht später darüber sprechen, an einem anderen Ort." Edrahil nickte langsam, ohne den Blick von dem Schattenfalken zu wenden. Für einen Augenblick herrschte Schweigen, bis Thorongil sich räusperte und sagte: "Wir haben noch jemanden mitgebracht... einen Gefangenen."
Auf sein Stichwort hin führten zwei Krieger des Silbernen Bogens den gefesselten und geknebelten Karnuzîr nach vorne, dessen Blick trübe und stur auf den Boden vor ihm gerichtet war. Bei seinem Anblick spürte Narissa einen Stich des Hasses - und ein Gefühl der Befriedigung, als ihr Blick auf seine fehlenden Finger und die an mehreren Stellen blutige Kleidung fiel. Sie ergriff unauffällig Aeriens Hand, während Edrahil Karnuzîr aufmerksam musterte und schließlich fragte: "Karnuzîr, nehme ich an?"
"Das ist mein geliebter Vetter Karnuzîr Wüstenklinge - auch wenn er seine Klinge verloren zu haben scheint, und auch sonst in einem erbärmlichen Zustand ist", sagte Aerien, und ihre Augen blitzten. Narissa drückte ihre Hand ein wenig fester, als sie fortfuhr: "Ich bin mir sicher, er würde sich äußerst gerne mit euch unterhalten."
"Wir werden sehen, wie gerne", sagte Edrahil leise und mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. Ihm mussten ebenfalls die Spuren der Folter auf Karnuzîrs Körper aufgefallen sein, und er tauschte einen Blick mit Thorongil und Eayan. "Ich denke, wir haben vieles zu besprechen."
"Das haben wir", stimmte Thorongil zu. "Eayan, ich fürchte eure Leute müssen noch einige Zeit im Freien lagern - wir werden weitere Häuser in Stand setzen, aber das wird Zeit brauchen."
Eayan verbeugte sich leicht mit einem Lächeln. "Sie sind daran gewöhnt, und die Sicherheit eurer Gastfreundschaft wiegt alle anderen Unannehmlichkeiten auf."
Edrahil, Thorongil und Eayan entfernten sich ein Stück, während sie leise weiter sprachen, und Narissa blickte ihnen ein wenig enttäuscht hinterher. Sie hatte eigentlich erwartet, in was auch immer für Pläne die drei Männer schmiedeten, eingeweiht zu werden. Dass das nicht der Fall war, und offenbar keiner der drei überhaupt daran dachte, sie und Aerien einzubeziehen, machte sie wütend.
Minûlîth schien ihren Stimmungswandel bemerkt zu haben, denn sie sagte mit einem wissenden Lächeln: "Lasst sie erst einmal ihre Ränke schmieden - früher oder später werden wir ebenfalls davon erfahren und dann werden wir weiter sehen. Hab Geduld, Nichte."
Narissa stieß ungeduldig die Luft durch die Nase aus, und Minûlîth lachte. "Und außerdem... wolltet ihr nicht nach Serelloth sehen? Sie würde sich sicherlich freuen, euch zu sehen. Als ich ihr gesagt habe, dass ihr beide zurückkommt, schien sie viel gesünder zu werden."
"Das werden wir sofort tun", erwiderte Aerien, und zog Narissa an der Hand in Richtung des Turmes. "Danke, Minûlîth."
Fine:
Man hatte Serelloth ein kleines Zimmer im unteren Drittel des Turms gegeben. Als Aerien und Narissa herein kamen stießen sie auf Laedris, die junge Bedienstete, die gerade Serelloths Verbände wechselte. Aerien konnte sehen, dass die Wunde kurz unterhalb ihres Halses begann und sich ein gutes Stück senkrecht nach unten zog. Auch wenn alles danach aussah, dass der Schnitt gut verheilte, würde er dennoch eine große Narbe hinterlassen. Serelloth war noch immer etwas bleicher als gewöhnlich, aber in ihren Augen leuchtete bereits wieder ihre gewohnte ungestüme Freude auf, als sie Aerien und Narissa entdeckte.
"Da seid ihr ja endlich," rief sie als die beiden an ihr Bett traten. "Ihr habt mich ja ganz schön lange warten lassen."
"Serelloth," stieß Aerien erleichtert aus und nahm die Hand des Mädchens. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Es... es tut mir so Leid, was mit dir passiert ist. Das war alles meine Schuld!"
"Unsinn, 'Rien," meinte Serelloth gut gelaunt. "Du hattest ja keine Wahl. Der Fehler lag bei mir. Ich bin nach der Sache in Qafsah in meiner kindischen Wut unvorsichtig geworden und habe mich schnappen lassen. Zum Glück hat Narissa alles wieder ins Reine gebracht."
"Nun, ich hatte etwas Hilfe," gab Narissa bescheiden zu. "Erzähl uns, was geschehen ist nachdem du mit Níthrar nach Norden geritten bist. Wo ist er eigentlich?"
"Eines nach dem Anderen," beschwichtigte Serelloth und begann, von ihrer Reise zu erzählen. "Ich ritt geradewegs nordwärts, auf schnellstem Wege zurück in Richtung Ithilien. Am Ufer des Harduins holte mich dein elbischer Freund schließlich ein und bot mir an, mich zu begleiten. Eigentlich wollte ich ablehnen, weil er... nun, weil er mich an dich erinnerte, Narissa. Tut mir Leid. Aber ich habe damals einfach nicht klar denken können, wollte einfach nur weg und den Schmerz über Elendars Tod loswerden. Ich weiß jetzt, dass das dumm von mir war. Ich hatte hier einige Zeit zum Nachdenken."
"Ist schon gut, Serelloth. Erzähl weiter," sagte Narissa freundlich.
"Níthrar führte mich zu einer nahgelegenen Furt, und wir ritten hindurch und weiter nach Norden durch das umstrittene Gebiet zwischen Qafsah und Ain Séfra. Dabei kamen wir eines Tages durch eine Schlucht, und dort lauerten sie uns auf, Karnuzîr und seine Leute. Mich haben sie geschnapt, aber nicht ehe ich zwei von ihnen mit meinen Pfeilen erwischt habe. Das hat mir eine ziemliche Tracht Prügel eingebracht. Níthrar hingegen ist entkommen; er durchbrach die Absperrung am Nordende der Schlucht auf dem Rücken seines Pferdes. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört."
"Er sagte, er habe Gerüchte über sein Volk gehört und wollte sich selbst ein Bild der Lage machen," erinnerte sich Narissa. "Aber dennoch passt es nicht so recht zu ihm, dass er nicht einmal versucht hat, dich zu befreien."
"Das wäre ihm wahrscheinlich sowieso nicht gelungen," meinte Serelloth. "Die Gruppe, die mich bis ans Ufer des Meeres brachte, war viel zu groß um von einem einzelnen Mann besiegt zu werden. Erst als sie das Boot bestiegen waren Karnuzîr und seine Leute nur noch zu dritt. Der Rest ritt wieder zurück in die Wüste - wohin weiß ich nicht."
"Ich bin froh, dass am Ende alles gut gegangen ist," sagte Aerien und setzte sich auf die Bettkante. "Hast du noch Schmerzen? Verheilt deine Wunde gut?"
"Kann mich nicht beschweren," meinte die Waldläuferin. "Das wird natürlich eine ziemliche Narbe geben, aber das stört mich nicht."
"Was wird dein Vater dazu sagen?" fragte Aerien nachdenklich. Sie hoffte, dass Damrod sie nicht für Serelloths Verletzung verantwortlich machen würde.
"Er wird natürlich ein paar Tage mächtig sauer sein, aber später zugeben, dass er froh ist dass ich überlebt habe," antwortete Serelloth. "Jetzt erzählt mir davon, wie es euch ergangen ist und wie ihr Karnuzîr erwischt habt. Das frage ich mich schon seit Tagen."
Narissa und Aerien wechselten sich ab und berichteten von den Ereignissen der vergangenen Woche. Serelloth stellte zwischendurch hin und wieder eine Frage, hörte aufmerksam zu und sagte am Ende: "Ich hoffe, Edrahil lässt deinen widerlichen Vetter noch ein wenig am Leben. Ich würde mich gerne für die Narbe bedanken, die er mir verpasst hat."
"Das lässt sich ganz bestimmt einrichten," sagte Minûlîth, die gerade herein kam. "Mädchen, ihr habt doch bestimmt Hunger, nicht wahr? Laedris, wärst du so lieb und würdest Aerien und Narissa ihr Abendessen bringen?" Die Dienerin nickte und eilte hinaus.
"Danke, Tante," sagte Narissa und schlug die Beine übereinander. Der Stuhl, auf dem sie saß, erlaubte ihr, sowohl die Tür des kleinen Raumes als auch das Bett im Augen zu behalten. Minûlîth setzte sich neben sie und stellte einige Fragen zu ihrer Reise, schien jedoch das meiste bereits zu wissen. "Ihr habt in eurer Abwesenheit nicht allzu viel verpasst," erzählte die Herrin von Tol Thelyn anschließend. "Der Wiederaufbau geht noch immer weiter. Jetzt werden allerdings einige neue Dinge ins Rollen kommen, nun da der Silberne Bogen hier eingetroffen ist. Wisst ihr, früher dachte ich, der Schattenfalke wäre nur eine Legende. Aber wieder einmal zeigt sich, dass alle Gerüchte irgendwo einen wahren Kern besitzen."
"Stimmt," sagte Aerien. "Ich bin froh, dass Herr Thorongil Eayans Leuten erlaubt hat, hier Zuflucht zu finden. Aus diesem Bündnis könnte viel Gutes erwachsen."
"Aber auch neue Gefahren," wandte Narissa ein. "Du hast ja gehört was Saleme gesagt hat. Die Assassinen werden wieder angreifen."
"Nun, lasst das erst einmal die Sorge meines Mannes sein," sagte Minûlîth. "Er hat sich das Ganze gut überlegt und ich vertraue seinem Urteil. Er mag zwar nicht der Sohn sein, den dein Großvater sich einst gewünscht hatte, Narissa, aber nun, da das Schicksal Tol Thelyns in seinen Händen liegt, nimmt er diese große Verantwortung auf seine Art und weise sehr ernst und ist uns ein guter Anführer."
"Er hat mehr von Großvater in ihm, als ihm vielleicht selbst klar ist," meinte Narissa. "Ich bin froh, dass er zurückgekehrt ist."
Minûlîth lächelte verschwörerisch. "Es hat mich viele Jahre der Überzeugung gekostet um ihn endlich dazu zu bringen. Ich habe schon immer davon geträumt, eines Tages eine eigene Insel zu besitzen von der ich mit meinem Schiff jederzeit in Segel stechen und auf große Fahrt gehen könnte."
"So ist das also? Hast du Thorongil nur deswegen geheiratet?" unterbrach Aerien, die nun ebenfalls lachen musste.
"Ganz bestimmt," meinte Narissa grinsend. "Vielleicht sollten wir etwas gegen diese Intrigen unternehmen. Liebste Tante, nimm dich in Acht!"
"Oha, ist das etwa eine Drohung, Narissa?" erwiderte Minûlîth zwinkernd.
"Und wie," bestätigte Narissa. "Sieh dich also vor!"
Sie beendeten das Abendessen und Minûlîth wandte sich gerade zum Gehen als Aerien ein wichtiger Gedanke kam. "Herrin Minûlîth," hielt sie die Herrin der Insel auf, "hast du jemals von einer Frau namens Taraezaphel Bellakanî gehört?"
Minûlîth blieb im Türrahmen stehen und drehte sich langsam um. "Wo hast du diesen Namen gehört?"
"Von Thorongil, der ihn aus Karnuzîr herausbekommen hat. Diese Frau war bei Serelloths Entführung dabei und ist eine von Karnuzîrs und Sûladans wichtigsten Verbündeten."
"Rae ist also wieder aufgetaucht," murmelte Minûlîth und ihr war die Überraschung anzumerken. Sie trat ans Fenster neben Serelloths Bett und blickte hinaus. "Sie ist meine Cousine zweiten Grades, und es gab eine Zeit, in der ich sie als meine beste Freundin bezeichnet hätte. Rae lebte ein Jahr unter meinem Dach, in Umbar, ehe sie nach Süden ging um sich in ihrer Heimat einen Namen zu machen. Vielleicht habt ihr schon von der Jungfrau von Arzayân gehört. Aber nachdem es vor vier Jahren still um sie wurde, dachte ich, sie wäre endgültig verschwunden."
"Sie ist wieder da, und steht mit unseren Feinden im Bunde," stellte Narissa klar. "Und sie weiß von der Insel und von deinen Taten in Umbar."
"Wirklich? Das sind keine guten Neuigkeiten," sagte Minûlîth und drehte sich zu ihnen um, die Arme vor der Brust verschränkt. "Das könnte uns deutlich mehr Ärger einhandeln als es die Bedrohung durch die Assassinen jemals könnte. Jetzt bin ich umso froher, dass der Silberne Bogen hier ist und unsere Küsten überwacht. Ich muss.. darüber nachdenken. Wir sprechen später, Mädchen." Sie durchquerte den Raum und ging hinaus.
"Sie kennen sich also von früher," stellte Narissa fest. "Interessant."
"Und offenbar kannten sie sich ziemlich gut," überlegte Aerien. "ich bin gespannt, was da für eine Geschichte dahintersteckt."
"Und ich erst," meldete sich Serelloth zu Wort. "Ihr müsst mir dringend alles ganz genau erklären. Ich bin wohl noch ein paar Tage an dieses blöde Bett gefesselt und bekomme kaum etwas davon mit, was auf der Insel geschieht."
"Das werden wir," versprach Narissa. "Aber zuerst möchte ich Aerien am Strand etwas zeigen. Kommst du?"
"Bin direkt hinter dir," sagte Aerien und stand auf. Dann folgte sie Narissa durch den Turm nach unten.
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