Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Arnor

Fornost: Das Versteck des Sternenbundes

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Fine:
Der Vormittag zog vorüber ohne dass Kerry etwas Sinnvolles zu tun fand. Die Dúnedain waren in der Stadt verstreut unterwegs und gingen unterschiedlichen Aufgaben nach, die alle darauf abzielten, das Vertrauen der Menschen in Fornost zu gewinnen. Doch dies erwies sich als schwieriger als gedacht. Zwei lange Jahre waren die Waldläufer, die in Fornost gewesen waren, als Vollstrecker Sarumans aufgetreten und hatten mehr und mehr Leute zur Arbeit an der Ausbesserung der Mauern und der Instandsetzung der Stadt gezwungen. Seit dem Beginn von Sarumans Krieg im Osten waren scheinbar nur noch sehr wenige von den gefallenen Dúnedain in Fornost, doch ihr Ruf war geblieben. Die Menschen hielten Abstand von den Waldläufern und vermieden es, mit ihnen zu sprechen.

Kerry streifte ziellos durch das alte Gebäude in dem der Sternenbund sein Lager aufgeschlagen hatte als sie zwei Stimmen hörte, die sich einen leisen, aber dennoch heftigen Austausch von Worten lieferten.
"Du hast es selbst gesehen, Belen. Die Leute haben Angst vor uns." Das war Avarons Stimme wie Kerry feststellte.
"Ihnen muss doch klar sein, dass wir gegen Saruman vorgehen und nicht in seinen Diensten stehen," antwortete Belen.
Kerry schlich sich so leise wie möglich an die offene Türe heran, durch die die Stimmen drangen. Neben dem Rahmen blieb sie stehen, den Rücken an die kalte Steinmauer gepresst die sie von dem Raum trennte, in dem sich die Sprecher aufhielten.
"Es wird seine Zeit brauchen, bis man uns vertraut," sagte Avaron nachdrücklich. "Diese Menschen haben hier Zuflucht gesucht, nur um geradezu versklavt zu werden."
"Wir brauchen so viele Kämpfer wie möglich um gegen das, was Saruman gegen uns in Marsch gesetzt hat zu bestehen," antwortet Belen mit Verärgerung in der Stimme. "Wenn sie das nicht einsehen - wenn sie es nicht verstehen - müssen wir vielleicht etwas deutlicher werden."
"Was soll das bedeuten?" wollte Avaron wissen.
"Vielleicht sollten wir uns die Tatsache zu Nutzen machen, dass die Menschen es hier gewohnt sind, auf die Befehle der Dùnedain zu hören." erwiderte Belen.
"Das wäre Zwangsrekrutierung," stellte Avaron fest. "Der Sternenbund wäre dann auch nicht besser als die Schergen Sarumans."
"Stellst du meine Befehle infrage?" fragte Belen dessen Stimme einen gefährlichen Klang angenommen hatte.
Kerry lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie wollte verschwinden und wünschte sich, das Gespräch nie mitbekommen zu haben. Wenn ich mich jetzt bewege hören sie mich, dachte sie ängstlich und hielt den Atem an, während die Stille sich immer länger zu ziehen schien.

"Noch wurde kein Befehl erteilt," sagte Avaron, das lange Schweigen brechend. In seinem Tonfall schwang Entschlossenheit mit. "Du magst dich Aravorn II. nennen, den Erben Isildurs, doch vergiss nicht, was unser Auftrag ist. Wir schützen die Bewohner dieses Landes und setzen sie nicht unter Zwang dem Krieg aus."
"Krieg steht ihnen bevor, ob sie ihn nun erwarten oder nicht," antwortete Belen. "Besser also wir bereiten sie darauf vor."
"Wenn du Gewalt einsetzt bist du keinen Deut besser als Helluin und seine verblendeten Anhänger," wagte Avaron zu erwidern.
"Sprich den Namen des Verräters nicht aus," zischte Belen. "Er und seine Gefolgsleute sind keine Dúnedain. Sie haben ihre Herkunft verleugnet als sie vor Saruman das Knie beugten." Der Anführer des Sternenbundes atmete tief aus und hielt einen Moment inne. Dann sagte er: "Ardóneth und seine Männer verteilen Hilfsgüter während wir hier sprechen. Wenn das die Leute überzeugt, für unsere Sache zu kämpfen, soll es mir recht sein. Aber ich bin bereit, jedes Mittel einzusetzen um Fornost auf den unvermeidlichen Angriff vorzubereiten. Du weißt, dass er kommen wird."
"Mithrandir warnte uns bereits," stimmte Avaron zu. "Doch hoffe ich weiterhin, die Menschen von unserem guten Willen zu überzeugen, ohne Zwang einzusetzen."
"Du magst hoffen, Avaron. Ich hingegen plane." erwiderte Belen düster.

Damit schien das Gespräch beendet zu sein. So leise sie konnte schlich sich Kerry Schritt für Schritt rückwärts von der Tür weg, bis sie endlich die große Halle erreichte. Sie atmete tief durch. Ihr Kopf schwirrte vor Gedanken. Sie setzte sich mit dem Rücken an eine der großen Säulen und sank dort zu Boden, ermüdet von der Aufregung. Die Waffen und Rüstungen um sie her erinnerten sie drohend daran, dass der Krieg heraufzog. Der Krieg, vor dem sie vor vier Jahren aus Rohan geflohen war. Jetzt also würde er sie doch noch einholen. Sie fuhr mit der Hand über eine der alten Rüstungen, die in dem Regal neben ihr verstaubten. Auf der Brustplatte prangten die Sieben Sterne Arnors und darüber eine strahlende Krone. Kerry fragte sie, wer die Rüstung wohl zuletzt getragen hatte. Man sah ihr das Alter an, doch dennoch war sie in gutem Zustand und wies keine Schäden oder Dellen auf. Alle dachten, der Krieg im Norden wäre vorbei, dachte sie verbittert. Sie haben sich getäuscht. Es endet nie. Es gibt nur einen einzigen, langen Krieg. Solange der Dunkle Herrscher lebt wird es nie aufhören. Der Krieg mag unterschiedliche Länder heimsuchen, aber er verändert sich nicht. Ob damals als Konflikt zwischen Angmar und Arnor oder heute zwischen Mordor und Rohan. Da gibt es keinen Unterschied. Stets ist es Sauron, der die Reiche der Freien Völker bedroht. Vor ihrem inneren Auge sah sie Hochborn brennen. Sie wünschte sich mehr als alles andere, dass der Krieg an Fornost vorüber ziehen würde. Doch in ihrem Herzen wusste sie, dass das nicht passieren würde.
Soll ich also fliehen? Erneut weglaufen? überlegte sie. Nein. Der Krieg wird mich wieder finden. Es endet hier. Entweder wir schlagen unsere Feinde zurück und halten den Vormarsch des Schattens auf, oder wir sterben bei dem Versuch. Dann wird es wenigstens vorbei sein.. Grimmige Entschlossenheit funkelte in ihren Augen und sie sprang auf die Beine. Kerry ergriff eine der alten Klingen, die an einer der steinernen Wände hingen und schloss ihren Griff so fest darum wie sie konnte. Dieses Mal würde sie kämpfen.

Fine:
Rilmir war nirgends zu finden gewesen. Also war Kerry an ihren Lieblingsort in Fornost gegangen - auf das Dach der Rüsthalle. Das alte arnorische Schwert noch immer in der Hand stellte sie sich breitbeinig hin und ließ die Klinge senkrecht heruntersausen, einen imaginären Feind in zwei Teile spaltend. Der Griff des Schwertes war wohl ursprünglich für eine Hand gedacht, doch Kerrys Hände waren deutlich kleiner als die eines durchschnittlichen Soldaten von Arthedain. Also packte sie den Griff mit beiden Händen und führte einen weiteren Schlag, diesmal im schrägen Winkel von links oben nach rechts unten. Sie stellte sich vor, wie der Treffer ihren Gegner stürzen ließ.

Eine ganze Weile war sie mit einfachen Übungen beschäftigt, die Rilmir ihr einst gezeigt hatte. Ganz vertieft bemerkte sie nicht, wie jemand hinter ihr das Dach betrat. Es war Ardóneth, der nun neben sie trat.
"Brauchst du vielleicht Hilfe dabei?" fragte er.
Kerry fuhr herum und warf ihm einen gereizten Blick zu. "Ich komme alleine zurecht," stieß sie angestrengt hervor und schwang das Schwert in eine andere Richtung.
"Gereizt kannst du sein wenn wir gegen Sarumans Scharen kämpfen. Lass mich dir ein paar Kniffe zeigen," anwortete Ardóneth und zog sein eigenes Schwert.
Kerry hielt inne und blickte zu dem Waldläufer hinüber. "Also gut," sagte sie und wandte sich ihm zu. "Was will mir der große Meister denn zeigen?" fragte sie mit einem spöttischen Unterton.
"Stell' dich entspannt dort hin, packt das Schwert und schwing es erstmal locker hin und her. Du musst erst Gefühl für eine Waffe wie diese aufbauen" riet ihr Ardóneth. "Nun schlage von Links nach Rechts."
Kerry tat wie ihr geheißen und schwang die Klinge in einem leichten Bogen vor sich. "Du musst mich nicht wie eine Anfängerin behandeln," sagte sie währenddessen. "Ich hatte schon öfters ein Schwert in der Hand."
"Das sieht auch schon nicht schlecht aus," freute sich Ardóneth. "Natürlich bei weitem noch nicht perfekt, aber es ist ausbaufähig." bemerkte er.
Blitzschnell drehte Kerry sich herum und ließ die Schwertspitze auf das Gesicht des Waldläufers zeigen. "Ist das hier etwa auch ausbaufähig?" rief sie und stocherte mit der Klinge vor Ardóneths Gesicht herum.
Der Waldläufer schlug sie lässig mit seinem eigenen Schwert zur Seite. "Warum so feindselig? Verkraftest du die Geschichte mit Rilmir und Haleth noch immer nicht so recht? Oder woher kommt diese ungestüme Haltung?"
Kerry ließ die Klinge sinken. "Eine seltsame Frage für Schwertkampf-Übungen," sagte sie. "Und überhaupt wüsste ich nicht, was dich das angeht." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu Boden. "Im Augenblick passieren so viele Dinge gleichzeitig, da habe ich kaum Zeit, wirklich über meine Gefühle nachzudenken. Erst gestern Nacht habe ich einen sprechenden Riesenadler gesehen. Einen riesigen Adler, der sprechen konnte. Ich weiß noch nicht einmal, was ich davon halten soll."
"Nun, du warst die letzten Tage sehr geknickt, deshalb fragte ich. Zumindest kam es mir so vor. Du solltest jedoch das Schwert wieder aufheben. Wir müssen weiter machen," behauptete Ardóneth und betrachtete nachdenklich seine eigene Klinge.

Kerry tat wie ihr geheißen und die beiden setzten ihre Übungen fort. Der Dúnadan zeigte ihr, wie sie Angriffe von größeren und stärkeren Feinden ins Leere laufen lassen konnte und brachte ihr bei, in Bewegung zu bleiben. Außerdem gelang es Ardóneth, ihr klar zu machen wie sie das Schwert richtig zu halten hatte, nämlich nur mit einer Hand, während die zweite für ihr Gleichgewicht sorgen sollte.
"Es wäre besser, wenn du ein kürzeres, leichteres Schwert verwenden würdest," ergänzte er. "Wir werden bestimmt etwas Passendes in der Waffenkammer finden."
Sie tauschten noch eine ganze Weile Hiebe und Paraden aus während die warme Sommersonne über ihnen am Himmel ihren Zenit erreichte.

Es war anstrengende Arbeit. Schließlich ließ sich Kerry erschöpft zu Boden sinken und atmete heftig ein und aus. "Mir reicht's erstmal. Ich kann nicht mehr," stieß sie hervor.
"Nun solltest du dich wenigstens auch vor einigen Feinden verteidigen können," sagte Ardóneth.
Kerry nickte schweigend. Sie drehte sich um und ließ die Beine über den Rand des Daches baumeln, wie sie es schon öfter getan hatte. Fornost kam ihr mit einem Mal auf merkwürdige Art sehr still vor. Als würden alle Menschen hier die Luft anhalten, dachte sie. Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Vorzeichen des drohenden Angriffs? überlegte sie.
Ardóneth setzte sich neben sie und folgte schweigend ihrem Blick, der über die steinernen Dächer der Stadt glitt.
"Ich schulde dir Dank für die Übungen, auch wenn sie sehr anstrengend waren," sagte Kerry nach einigen Augenblicken in die Stille hinein. "Ich fühle mich jetzt etwas besser vorbereitet auf das was kommen wird."
Ardóneth blickte sie erstaunt an. "Gut, also... solltest du wieder eine Trainingsstunde benötigen, helfe ich dir gerne. Schlimme Zeiten werden auf uns zukommen. Saruman wird Fornost nicht so leicht aufgeben."
Kerry nickte. "Das denke ich auch," antwortete sie leise.

Der Nachmittag verging. Kerry half bei der Vorbereitung des Abendessens als mehr und mehr Dúnedain von ihren Aufgaben zum Versteck des Sternenbundes zurückkehrten. Auch Rilmir traf schließlich ein, gefolgt von Haleth.
Bestimmt waren sie den ganzen Tag zu zweit unterwegs, dachte Kerry die eine leichte Bitterkeit nicht unterdrücken konnte.
In der Hoffnung, dass man ihr ihre Gedanken nicht vom Gesicht ablesen konnte durchquerte sie den Raum und begrüßte Rilmir freundlich.
"Wo hast du denn den ganzen Tag gesteckt, Dúnadan?" wollte sie wissen.
"Oh, hallo Kerry. Ich war in den westlichen Vierteln unterwegs," antwortete er lächelnd. "Es war meine Aufgabe, die Augen nach Ork-Aktivitäten offen zu halten, doch ich habe keine gesehen. Also lässt entweder mein Geschick als Kundschafter nach, oder Ardóneth und seine Gefährten waren erfolgreicher als wir angenommen haben."
"Die Orks sind fort," warf Haleth mit glockenheller Stimme ein. "Jetzt sind nur noch die Menschen in Sarumans Diensten hier. Und auch die werden wir schon bald aus der Stadt vertrieben haben."
"Wir wollen es hoffen," sagte Rilmir und betrat leichten Schrittes den Raum, in dem das Essen aufgetragen wurde.
Der Angriff auf die Stadt wird trotzdem kommen, dachte Kerry während sie den beiden Dúnedain zu Tisch folgte.
Der Abend verlief ruhig. Die Waldläufer berichteten Belen von ihren Aufträgen und verschwanden nach und nach entweder in den Schlafräumen oder zur Nachtwache. Auch Kerry blieb nicht mehr lange wach sondern fiel erschöpft von all den Schwertübungen sehr schnell in einen tiefen Schlaf.

Am folgenden Morgen war sie früh auf den Beinen und begleitete Mírlinn und Avaron zum östlichen Tor Fornosts, wo diese überprüfen sollten, ob dieser Eingang in die Stadt von den Wachen der Weißen Hand noch verschlossen gehalten wurde.


Mírlinn, Avaron und Kerry in die Stadt

Fine:
Mathan, Halarîn, Avaron, Mírlinn und Kerry aus der Stadt


Kerry folgte der Gruppe nach drinnen und durch die große Halle bis in einen der kleineren Räume. Dort waren Belen und Gandalf über eine große Karte von Arthedain gebeugt und unterhielten sich in gedämpftem Ton. Beide verstummten und blickten überrascht auf, als Avaron, Mírlinn, Kerry und die beiden Elben eintraten.
"Dies sind Mathan und Halarîn," stellte Avaron die Neuankömmlinge vor. "Sie wollen sich unserem Kampf anschließen."
"Eine gute Entscheidung, Freunde," sagte Belen und machte eine grüßende Geste. "Ich bin Belen, Berens Sohn aus Isildurs Linie, doch in meiner Rolle als Stammesführer der Dúnedain werde ich Aravorn II. genannt. Ich kommandiere den Bund der Sieben Sterne, in dessen Hauptquartier ihr euch befindet."

Kerry war auf eine Art und Weise von den Elben fasziniert, die sie kaum in Worte fassen konnte. Natürlich hatte sie bereits Elben getroffen und einige, wie Lindir, bereits recht gut kennen gelernt. Doch Mathan und Halarîn schienen von anderem Schlag als die Elben von Imladris zu sein, denen Kerry auf der Großen Oststraße begegnet war. Insbesondere die anmutige Halarîn mit ihren bronzefarbenen Haaren und leuchtenden Augen war es, an der Kerrys Blick wieder und wieder hängen blieb.
Was machen sie wirklich hier? Woher kommen die beiden? Wie alt sind sie? Tausende solcher Fragen schossen ihr durch den Kopf. Doch ein Blick auf Belen sagte ihr, dass sie gut daran täte zu schweigen um nicht aus dem Raum geworfen zu werden.

"Euer Eintreffen kommt zu einem schicksalhaften Zeitpunkt," sagte Gandalf nachdenklich. "Die Lage im Norden ist schwierig. Zwar richtet sich Sarumans Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den Osten, wo er seine Kriege führt, doch ihm ist nicht entgangen, dass sich in Eriador Widerstand gegen ihn regt."
"Sagt, was bringt euch beide nach Fornost?" fragte Belen.
Mathan und Halarîn deuteten eine Verbeugung an und grüßten Belen formal, wie es sich gehörte.
"Erfreut euch wiederzusehen, Mithrandir.," sagte Halarîn erstaunlich freundschaftlich und ernte ein Zwinkern des Zauberers.
"Uns ist bereits die schwierige Lage des Nordens zu Ohren gekommen. Umso mehr sorgt uns, dass womöglich bald ein Angriff erfolgen wird, den wir nicht abwenden können. Ein Schlag gegen den Norden wäre ein Hieb in den Rücken der Truppen vor Dol Guldur; ebenso würde dies einen Weg nach Mithlond eröffnen, was wir um jeden Preis verhinden wollen.  Zusätzlich würde es dann kaum noch einen Rückzugsort für die Flüchtlinge geben," fasste Mathan zusammen.
"Auch ist es nicht im unserem Sinne mit einem Verräter in die Schlacht zu ziehen; deswegen entschieden wir uns, als wir von Widerstand erfuhren, diesen zu unterstützen," setzte Halarîn nach.
"Außerdem können wir von dem Funken der hier glimmt ein Feuer der Hoffnung schüren," schloss Mathan und wirkte sehr positiv.
"In der Tat," erwiderte Gandalf zufrieden.
Belen verschränkte die Arme vor der Brust. "Ihr seht wie erfahrene Krieger aus," sagte er abschätzend. "Zwar würde ich meine eigenen Leute auch nicht gerade als Anfänger bezeichnen, doch ist ihre Lebensspanne begrenzt. Auch wenn den Dúnedain ein längeres Leben vergönnt ist als geringeren Menschen treten sie doch eines Tages alle den Weg zu Mandos' Hallen und darüber hinaus an. Ihr beiden jedoch seid Eldar und unterliegt somit nicht solchen Einschränkungen. Eure Talente werden gut wir gebrauchen können."

Belen fasste für Mathan und Halarîn die Lage in Fornost zusammen und berichtete von den bisherigen Erfolgen des Sternenbundes: Wie sie den Aufstand im Auenland begonnen hatten und die Feste der Erben Isildurs am Abendrotsee erobert hatten. Wie sie mit Mablungs Hilfe die versiegelte Rüsthalle gefunden hatten. Wie Ardóneths Gruppe die Orks in den westlichen Vierteln besiegt hatte.
Kerry stimmte der Einschätzung Belens in ihren Gedanken zu. Mathan und Halarîn sahen wirklich aus wie Kämpfer. Ihm dort möchte ich nicht im Nahkampf gegenüberstehen, dachte sie mit einem Blick auf die beiden Schwerter, die Mathan trug. Und seine Gefährtin ist sicherlich tödlich mit dem Bogen. Ich frage mich, wie zielsicher sie auch auf große Entfernungen sein kann.
Belen unterbrach ihre Gedanken als er sagte: "Der Sternenbund ist zu klein um es allein mit den Schergen Sarumans aufzunehmen. Wir müssen die Menschen in Fornost dazu bringen, offen Widerstand gegen ihre Unterdrücker zu leisten. Die Waffen aus dieser Halle können wir an sie verteilen, doch die meisten werden nicht wissen, wie sie damit umzugehen haben. Also brauchen wir Leute, die ihnen zeigen wie's geht."
Mathan nickte. "Das Lehren kann ich übernehmen, auch wenn ich sagen muss, dass ich bis jetzt noch nie Menschen unterwiesen habe. Wenn ihr einen Freiwilligen habt, mit dem ich proben kann, dann würde das einiges erleichtern. Vorzugsweise jemand der nicht ganz so viele Kämpfe bestritten hat um die Unterschiede zwischen Mensch und Elb herauszufinden," sprach er und blickte die Anwesenden an.
"Ein Elb bewegt sich komplett anders im Kampf. Er muss lernen wie sich normale Menschen im Kampf bewegen," erklärte Halarîn den Umstehenden leise um Verwirrung zu vermeiden. "Ich kann den Leuten beibringen wie man Wunden versorgt. Die Zeit um jemanden im Bogenschießen einzuweihen würde, denke ich nicht ausreichen," sagte sie nun in die Runde.
"Nun, ich denke da wird sich jemand Geeignetes finden lassen," erwiderte Belen mit einem Seitenblick auf Kerry.

Oh, dachte sie. Er meint mich. Dabei habe ich doch schon einiges an Übung. Doch in einem ernsten Kampf um Leben und Tod war sie noch nie gewesen.
Gandalf strich sich nachdenklich durch den Bart. "Es ist das Vertrauen der Leute in der Stadt, das wir erringen müssen bevor wir sie für den Kampf ausbilden," wandte er ein. "Auch denke ich, dass wir zuallererst die Wächter der Weißen Hand an den Toren und an den wichtigsten Orten in der Stad loswerden sollten um uns frei innerhalb Fornosts bewegen zu können, wenn wir die Waffen und Rüstungen an die Menschen hier verteilen wollen."
"Wir arbeiten daran," antwortete Belen. "Zu beiden Anliegen habe ich Leute beauftragt. Schon bald wird die Stadt frei von jeglichen Dienern Sarumans sein."
Gandalf nickte. "Wir wollen hoffen, dass unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sind und wir auf alles, was uns Saruman in den Weg stellt vorbereitet sind."
Das hoffe ich auch, dachte Kerry. Doch Mathans Worte kamen ihr in den Sinn: den Funken der Hoffnung wollten sie zu einem großen Feuer entfachen. Ich fühle mich schon etwas hoffnungsvoller, stellte sie fest. Es scheint zu funktionieren.

Curanthor:
Mathan musterte die Anwesenden und konnte in den meisten Gesichtern leichte Hoffnung aufschimmern sehen. Belen wirkte gefasst, für seinen Geschmack etwas zu ernst, zu steif, zu sehr auf etwas fixiert. Für einen Anführer war es wichtig stets offen zu sein und auch mal entspannen zu können, selbst wenn es schlecht aussah um die Moral hoch zu halten. Sein Blick glitt zu der jungen Frau, die Belen zuvor angesehen hatte. Die blonden Haare waren aufwändig geflochten, das Gesicht war etwas streng aber für Menschen durchaus ansprechend.
Der Elb fragte sich wie alt sie ist und musterte den Körperbau. Wirklich muskulös war sie nicht, aber hatte Potential. Was er von Menschen wusste, dass sie schnell wuchsen und sich rasch anpassen konnten. Er beschloss, dass er ihr anbieten würde, sie persönlich zu trainieren.

Halarîn dagegen sah sich neugierig die Halle an und widmete sich weniger der Besprechung und war mehr an den Leuten interessiert. Sie bemerkte die neugierigen Blicke der jungen Frau und zwinkerte ihr schmunzelnd zu. Sie nahm sich vor mit ihr ein wenig zu reden, denn sie war ebenfalls neugierig warum sie hier gelandet war.
"Wenn ihr jemanden braucht, der ein paar der Kerle beseitigt, so stehe ich zur Verfügung. So können sich die Männer und Frauen etwas schonen.", sagte Mathan nach einer Weile und zog damit Halarîns Aufmerksamkeit wieder auf sich. Sie kannte seine Art zu kämpfen und empfand eine Spur Mitleid für seine Gegner.
"Ich könnte eine kleine Rast gebrauchen und ich denke mein Mann ebenfalls.", sagte sie und atmete tief ein und aus.
In der Tat fühlte sie sich ein wenig erschöpft und wollte sich etwas ablenken. Halarîn drehte sich zu der jungen Frau um.
"Wenn Ihr einen schönen Platz zum Entspannen kennt, könnt Ihr ihn uns zeigen? Es muss nichts zum Liegen sein, einfach etwas um die Gedanken schweifen zu lassen.", fragte sie mit einem Lächeln.
Mathan konnte tatsächlich etwas Ruhe gebrauchen und nickte zustimmend.
"Wenn die Herrschaften nichts dagegen haben, ziehen wir uns etwas zurück.", sagte er und unterdrückte ein Gähnen.
Auch war er froh, dass Halarîn die "Freiwillige" gefragt hatte, denn so konnte er sie nochmals fragen, aber diesmal ohne Belens Anwesenheit. Er wollte keinen Zwang und Sinn machte es nur, wenn sie es auch wollte.
Das Mädchen folgte ihnen durch den Türrahmen in den Gang. Sie trug einen schwer zu deutenden Ausdruck im Gesicht, doch in ihren Augen schimmerte so etwas wie Entschlossenheit.
"Hier unten werdet ihr kaum Raum zum Entspannen finden," sagte sie. "Ständig laufen Waldläufer durch. Sie sind sehr beschäftigt, müsst ihr wissen. Es gibt so viel zu tun in dieser Stadt. Deshalb ist mein Lieblingsort oben auf dem Dach - unterhalb der großen Kuppel ist ein flaches Stück, ungefähr doppelt so groß wie der Raum aus dem wir gerade kamen. Dort kann man wunderbar die Beine baumeln lassen und den Kopf frei bekommen. Kommt mit, ich zeige euch den Weg!"
Sie hüpfte davon und schaffte es, gleichzeitig anmutig und etwas verspielt zu wirken.Mathan und Halarîn folgten ihr geschwind und sahen sich kurz an. Ihre Führerin erinnerte sie wenig an ihre Tochter, als sie noch bei ihnen war. Nach ein kurzen Weg traten sie auf das Dach. Ihnen bot sich ein leicht bedrückendes Bild. Die kahlen, kalten Wänder der zerstörten Häuser ragten stumm in den Himmel, vereinzelt standen zerbrochene Pfeiler wie Zahnstummel in den Ruinen und deuteten auf größere Gebäude hin. In etwas Entfernung konnte man die Lagerfeuer der Flüchtlinge erkennen, sowie viele Stoffdecken gegen den Wind. Die drei setzten sich auf den Rand des Dachs und genossen die Ruhe.
"Das erinnert mich an meine Jugend.", sagte Mathan grinsend und ließ die Beine hin und her schaukeln. "Nur wurde ich immer angefaucht wenn ich das gemacht habe."
Halarîn lachte und schaukelte ebenfalls mit ihren Beinen. " Bei mir gab es so etwas nicht.", sagte sie und wirkte etwas fasziniert. Die beiden Elben blickten zu ihrer Gastgeberin. "Wir duzen uns einfach. Sag, bist du hier oft?", fragte Halarîn interessiert und legte ihren Bogen hinter sich.
Mathan schnallte seine Schwerter ab und legte sie ebenfalls hinter sich aufs Dach.

Fine:
Kerry lehnte sich zurück und stüzte sich auf ihren Ellbogen ab. Die helle Mittagssonne blendete sie, erwärmte ihr Gesicht aber auf angenehme Art und Weise. Sie blinzelte und blickte zu Halarîn hinüber, die neben ihr saß.
"Es ist für mich der schönste Ort Fornosts," beantwortete sie die Frage. "Hier kann ich dem hektischen Alltag des Sternenbundes für einige Zeit entfliehen."
Sie machte eine Pause und zupfte gedankenverloren an den blonden Strähnen herum, die ihr über die Schultern fielen.
"Deine Jugend liegt bestimmt schon viele Jahre zurück," sagte sie in Mathans Richtung. "Ihr Elben lebt so lange. Wie könnt ihr euch da nur an alles erinnern? Ich bin gerade einmal dreiundzwanzig und habe schon so vieles aus meiner Kindheit vergessen. Und euch sehe ich an, dass ihr schon einiges erlebt haben müsst. Wie ist es euch ergangen? Was macht ihr hier?"
Die Fragen sprudelten aus ihr heraus ohne dass sie es unterbinden konnte.
Stopp! Du wirst sie noch vergraulen, schoss es ihr durch den Kopf.
Dem Elb schlich sich ein flüchtiges Grinsen ins Gesicht.
"In der Tat, auch wenn ich damals ausgesprochen unelbisch war und einigen Leuten ab und an auf den Nerv gegangen bin," erzählte er vergnügt.

Die beiden schien es nicht zu stören, dass sie so viele Fragen hatte, denn Halarîn erklärte ein paar Dinge:
"Nunja, an wirklich alles kann ich mich jetzt nicht erinnern, es sind eher die Erinnerungen an denen starke Emotionen hängen. Ich könnte zum Beispiel jetzt nicht sagen, was ich vor fünfhundert Jahren zum Frühstück gegessen habe. Aber falls dir die Schlacht von Dagorlad etwas sagt... wir waren dort und erinnern uns beide sehr gut daran. Manchmal ist es nicht schön wenn man nicht einfach die Hälfte vergessen kann, die man nicht im Kopf haben will."
Ihre Stimme war ruhig, auch ihre Hände lagen bewegungslos da, als sie von der Schlacht sprach: "Den Tod unseres Hochkönig Gil-galad wird uns immer im Gedächtnis bleiben, oder die vielen anderen Elben, die während des Gefechts gefallen sind." Ihre Stimme klang nun trauriger.
"Oder die anderen Opfer, die in der darauf folgenden Belagerung von sieben Jahren ihr Leben verloren hatten," ergänzte ihr Mann.
Für eine kurze Zeit trat Stille ein und jeder hing seinen Gedanken nach.

"Wir sind viel durch Mittelerde gereist," sagte Mathan nach einer Weile.
Er streckte sich und strich sich durchs Haar, Halarîn gähnte heimlich.
"Wir waren im Land jenseits der Wüste von Harad, tief im Süden. Dort gibt es ebenfalls Menschen aber sie sind anders als hier. Schwer zu beschreiben, aber dort gibt es sehr leckere Äpfel," erzählte sie und kicherte.
"Und Apfelwein," sagte Mathan mit einem Grinsen und stupste seiner Frau in die Seite. Sie drückte seinen Arm herab und warf ihm einen tadelnden Blick zu, während sie weiter erzählte: "Du hast uns gefragt, was wir hier machen. In erster Linie helfen wir den freien Völkern und behindern Saruman so viel wir können". Sie warf sich ihre langen Haare über die Schultern.
"Wir haben für eine lange Zeit in Lórien gewohnt," warf Mathan. Halarîn nickte und fuhr fort: "Ein anderer Grund ist, dass wir unserer Tochter beschützen wollen, die in Mithlond weilt. Natürlich ist sie erfahren genug um sich selbst zu schützen, aber eine Armee ist schon etwas anderes. Wenn wir den Schlag spätestens hier nicht abfangen, dann wird Sarumans Arm sie dort erreichen können."
"Deshalb schneiden wir ihn hier ab und verhindern, dass er sich weiter ausbreitet. Es ist Zeit, dass die Freien Völker wieder aus ihrer defensiven Stellung herauskommen. Ein letztes mal aufstehen und für die Unabhängikeit kämpfen, das haben wir bereits vor sehr lange Zeit getan und da war Sauron persönlich unterwegs. Und es hat funktioniert. Es kann auch wieder klappen.", fügte Mathan mit einer grimmigen Miene hinzu.
Halarîn nickte und rieb Kerrys Rücken sehr einfühlsam.
"Ich denke, wir sollten sie nicht zu sehr überfallen. Keine Sorge, es wird schon alles gut gehen. Doch sag, wie sollen wir dich rufen? So wie deine Begleiter dich vorgestellt haben? Und wenn du noch Fragen hast, zögere sie nicht sie zu stellen," sagte sie feundlich.

Kerry blieb einen Moment still, überwältigt von den vielen neuen Eindrücken und Erzählungen der Elben. Sie wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte und legte etwas nervös die Hände in den Schoß.
"Ich mag Äpfel," sagte sie schließlich. Mathan und Halarîn lachten, was Kerry ermutigte, weiter zu sprechen.
"Ihr könnt mich Kerry nennen - das ist kurz für Kerevalline. Das tut jeder hier. Zwar ist es nicht der Name, den meine Eltern mir gaben, doch darunter kennt man mich hier im Norden."
Sie machte eine weitere Pause und blickte in Halarîns freundliches Gesicht. Die Elbin vermittelte ihr das Gefühl, dass Kerry sich ihr öffnen und anvertrauen konnte. Seltsam, dachte sie. Es ist, als könnte sie in mich hineinblicken. Und ich fühle mich nicht unwohl dabei.
"Ihr beiden seid also echte Abenteurer, was? Habt in großen Kriegen gekämpft und viele fremde Länder bereist, nehme ich an. Ihr wisst, wie man mit Situationen wie dieser zurecht kommt - wenn man auf eine Schlacht wartet, der man nicht entgehen kann. Stimmt's?"
Sie wollte die Elben mit Namen ansprechen doch ihr Gedächtnis ließ sie wieder einmal im Stich. "Verzeiht mir, doch ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ihr heißt... ich bin nicht so gut mit Namen," erklärte sie errötend.
"Das ist nicht schlimm. Ich bin Halarîn.", sagte die Elbin freundlich.
"Und ich Mathan.", sagte er mit einem Zwinkern und fuhr fort: " Ja, so könnte man uns beschreiben: echte Abenteurer, ständig auf der Suche nach Neuem." Er lachte leise und wurde wieder ernst.

"Wenn man auf eine Schlacht wartet, der man nicht entgehen kann gibt es viele Möglichkeiten sich darauf vorzubreiten. Aber ganz wichtig ist es, das hier zu tun." Er setzte sich bequem hin und gähnte ausgiebig.
"Entspannen," erklärte Halarîn schmunzelnd.
"Ein ausgeruher Krieger ist doppelt so viel wert wie ein müder und angespannter. Ich habe meine Männer immer angehalten, am Tag zuvor nichts tun, Faulenzen auf Befehl sozusagen. Aber davor haben wir trainiert und uns so gut es geht darauf vorbereitet."
Der Elb überlegte eine Weile und schien sie wie zuvor in der Halle unten genau zu mustern.
"Wenn du möchest, Kerry, kann ich dich persönlich trainieren - sogesehen als Schülerin. Das ist nur ein Angebot, aber ich denke, dass einiges in dir steckt. Zumindest sagt mir das mein Gefühl als Hauptmann," bot er an und lächelte freundlich.
"Es ist nicht schlimm wenn du nicht willst. Ein Probetraining um die Unterschiede zwischen Mensch und Elb herauszufinden würde uns trotzdem helfen. Natürlich freiwillig, ohne das jemand befiehlt," sagte Halarîn ergänzend und nickte.
"Danke," rutschte es Kerry heraus. "Das wäre schön. Von jemandem mit so vielen Jahren an Erfahrung kann sich bestimmt viel lernen."
Ich hoffe immernoch, dass ich solches Wissen nicht anwenden muss, stellte sie fest. Ich bin keine Kämpferin und will in keine Schlacht ziehen. Aber es muss diesmal sein. Diesmal laufe ich nicht davon. Diesmal stelle ich mich dem Schatten.
Ein entschlossener Ausdruck trat auf ihr Gesicht und sie streckte den Rücken durch. "Ja," sagte sie. "Du kannst es mir beibringen, Schwertmeister. Und du..." sie wandte sich an Halarîn, "Du... Halla... hmm.." Kerry stockte. Halla? Ja, so werde ich dich nennen. Das wird gehen.
"Also, Halla, was wirst du tun? Ich würde mich freuen, hin und wieder Zeit mit dir zu verbringen. Du kannst mir bestimmt noch viele Geschichten von euren Reisen erzählen."

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