Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dol Amroth
Der Palast des Fürsten
Eandril:
Eine Woche war vergangen, seitdem Edrahil und Lóthiriel in Dol Amroth angekommen waren, und an diesem Morgen trafen die Berichte ein, die über Erfolg oder Misserfolg von Edrahils Vorhaben bestimmen würden.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, mit dem Rücken zur durch das östliche Fenster scheinenden aufgehenden Sonne, und nahm die erste Nachricht, den Bericht eines seiner wichtigsten Spione, der die Aufgabe, Mithéldirs Kontaktmann gefangen zu nehmen, gehabt hatte. Zuvor hatten seine Männer durch das Verhör von Mithéldirs Stellvertreter, der sich verdächtigt gemacht hatte und sich nun auch als Verräter gegen seine neuen Herren erwiesen hatte, den gesuchten Treffpunkt ausfindig gemacht. Sofort hatte Edrahil seine besten Leute dorthin gesandt, um dem Kontaktmann Mithéldirs aufzulauern.
Edrahil - Wir haben den Kontakmann am richtigen Ort gefunden und ihn und seine Wächter überwältigt. Durch das Verhör dieser Leute haben wir folgendes erfahren:
- Die Armee, die Dol Amroth vom Meer aus angreifen soll, wird viertausend Mann stark sein.
- Die Flotte wird eine Truppe von weiteren tausend Mann nördlich von Dol Amroth an Land setzen.
- Dieser Truppe sollten Mithéldir und seine Vertrauten heimlich das Tor öffnen, während alle anderen mit der Verteidigung des Hafen beschäftigt sein werden.
- Der Angriff soll in zwei Tagen bei Sonnenuntergang erfolgen.
- Außer Mithéldir sollten sich noch drei weitere Verräter in der Stadt befinden, alles Soldaten unter seinem Befehl.
Da diese Männer sich als außerordentlich willenstark erwiesen haben, rate ich dazu, dass ihr euch nicht nur auf diese Zahlen verlasst. Leider haben die Spione das Verhör nicht überlebt.
Edrahil nickte zufrieden. Er hatte schon ähnliches vermutet, und entsprechende Vorbereitungen treffen lassen. Aber dachte der Mann etwa, er sei ein Anfänger? Sich nicht mit Sicherheit auf durch Folter erlangte Aussagen zu verlassen war eines der ersten Dinge gewesen, die er gelernt hatte...
Er nahm den nächsten Bericht zu Hand.
Fürst Edrahil,
wir haben etwa zwei Drittel der Flotte im Hafen von Edhellond stationiert. Als Signal wurde wie ihr wünscht ein Leuchtfeuer auf dem Dach des Palastes errichtet. Mithéldirs ehemalige Kompanie wurde auf euren Befehl in die Berge von Dor-en-Ernil entsandt, um versprengte Orks zu jagen und wird dauernd von Spähern beobachtet. Die am Hafen stationierten Bogenschützen wurden mit Feuerpfeilen ausgestattet, und es wurde der Befehl ausgegeben, dass sich zum Zeitpunkt des Angriffs nur wenige Soldaten auf den Mauern am Tor zeigen sollen.
gez. Hilgorn, Hauptmann von Dol Amroth
Auch diese Vorbereitungen waren ganz zu Edrahils Zufriedenheit abgeschlossen worden. Die Flotte des Feindes würde nichtsahnend die noch im Hafen der Stadt befindlichen Schiffe angreifen und schließlich vom zurückkehrenden Rest der Flotte eingeschlossen werden. Die Gefahr dabei bestand lediglich darin, dass die wenigen Schiffe im Hafen und die dort stationierten Soldaten überwältigt würden, doch sollte es Anzeichen dafür geben, würden die Bogenschützen die feindlichen Schiffe in Brand setzen. Auch der feindliche Trupp, der vom Land angreifen sollte, würde nichtsahnend in eine Falle gehen...
Imrahil, Fürst von Dol Amroth und Tolfalas an Edrahil, seinen getreuen Ratgeber.
Wir haben die Nachhut Mordors, die wir verfolgten, überrascht und vernichtet. Euer Bote erreichte und einen Tag nach der Schlacht und brachte erneut schlechte Nachrichten, doch mit sogar mehr als einem Funken Hoffnung. Ich werde euren Rat befolgen und mich mit meinen Reitern zum von euch genannten Zeitpunkt östlich der Stadt im Wald verbergen. Sobald das von euch genannte Signal kommt, werden wir reiten, und alle an Land befindlichen Feinde zurück ins Meer treiben.
Edrahil, ihr habt der Stadt Dol Amroth und dem Königreich Gondor erneut einen großen Dienst erwiesen, und ich danke euch dafür. Lasst uns hoffen, dass der Feind sich in seiner eigenen Falle fängt.
Nun, da er wusste, dass die Feinde mit großer Wahrscheinlichkeit auch vom Land angreifen würden, erwies es sich als geradezu prophetisch, dass er Imrahil geraten hatte, sich mit seinen Reitern in Reserve zu halten. Wenn alles so lief, wie Edrahil es sich vorstellte, würden auch diese Feinde, wie ihre Flotte, zwischen den Mauern und Verteidigern der Stadt und einer angreifenden Streitmacht in ihrem Rücken gefangen und vernichtet werden.
Eine letzte Nachricht war noch übrig...
G. von A. an E.
Ich stimme euch zu, dass der Fürst eine bessere Wahl zum Truchsess wäre, als der Herr Faramir. Dieser befindet sich fern von seinem Reich und der Feind ist hier. Wenn der Angriff der Haradrim also abgeschlagen werden kann, werden ich und E. von PG euch in dieser Sache unterstützen.
Eandril:
Hilgorns Start:
Am Morgen vor dem Angriff fiel ein leichter warmer Regen auf die Schwanenstadt. Edrahil saß bereits bei an seinem Schreibtisch, als sich die Sonne im Osten über den Horizont schob und die Wolken allmählich aufrissen, doch er weder las er irgendwelche Berichte noch erteilte er Befehle oder stellte letzte Pläne auf. Die Karten waren ausgespielt, und nun blieb nur noch das Warten auf die Schlacht. Er bettete den Kopf auf seine Arme und schloss die Augen, sich seiner über eine nahezu schlaflose Nacht angestauten Müdigkeit hingebend, als es an der Tür klopfte.
"Edrahil?", hörte er die Stimme Hauptmann Hilgorns fragen, "seid ihr wach? Öffnet bitte, ich habe hier etwas, das ihr sehen solltet."
Edrahil erhob sich mühsam, und hinkte zur Tür, sein Bein schmerzte wie so häufig, wenn er erschöpft war. Er öffnete die Tür, und Hilgorn trat mit zwei Soldaten ein, zwischen sich eine merkwürdige Gestalt. Es war eine Frau, nach der Art Gondors gekleidet, und doch vom Aussehen her eindeutig südländischer Art. Dabei machte sie keineswegs den Eindruck einer verzweifelten Gefangenen, sondern eher einer Königin, die von Hilgorn und seinen Mäner eskortiert und nicht bewacht wurde.
Kurz huschte ein Ausdruck des Hasses über Edrahils Gesicht, doch er hatte sich trotz seiner Müdigkeit sofort wieder unter Kontrolle und sah sie ausdruckslos mit verschränkten Armen an. "Nun, Hilgorn, was gibt es?", fragte er.
Hilgorn sah unbehaglich aus, als er antwortete: "Nun... sie kam heute morgen einfach zum Palast und verlangte euch zu sprechen. Sie sagte..." Weiter kam er nicht, denn die Frau schnitt ihm das Wort ab. "Ich kann durchaus für mich selber sprechen, Hauptmann." Sie sprach verächtlich, doch war ihr Westron makellos und nahezu akzentfrei. Hilgorn wollte wütend aufbegehren, doch Edrahil sah ihn an und schüttelte leicht den Kopf.
Die Gefangene fuhr fort. "Edrahil, Herr der Spione von Dol Amroth, mein Name ist Chatara, und ich bringe euch Nachricht von meiner Herrin. Wir haben bemerkt, dass unser Kontaktmann keinen Bericht erstattet hat, daher nehmen wir an, dass ihr ihn getötet habt. Wie ich an den Vorbereitungen, die ihr trefft, sehen konnte, habt ihr erfahren, dass ein Angriff bevorsteht, und werdet ihn abwehren können und eure Feinde vernichten."
Verflucht, dachte Edrahil, Wie ist es ihr nur gelungen, uns völlig unbemerkt auszukundschaften? Doch er ließ sich nichts anmerken, und Chatara sprach weiter.
"Da nun schon der zweite Angriff auf Dol Amroth scheitern wird, was Suladan, den Herrn Harads noch weiter schwächen wird, hat meine Herrin beschlossen, mit euch zu kooperieren, sofern ihr erfolgreich seit. Daher unser Angebot: Ich werde hierbleiben, bis die Schlacht geschlagen ist, und dann, im Falle eures Sieges, mit einem vertrauenswürdigen Boten nach Harad zurückkehren, wo dieser mit meiner Herrin sprechen wird." "Nun sagt mir," erwiderte Edrahil, "was werdet ihr tun, wenn wir unterliegen?" Chatara lächelte böse und meinte: "In dem Fall werde ich mich unter das siegreiche Heer mischen, und meine Herrin wird niemals in ihrer Treue zu Suladan gewankt sein."
Edrahil ging zum Fenster und sah hinaus, dann fragte er, ohne sich zu Chatara umzudrehen: "Und wieso sollte ich euch glauben? Aus welchem Grund sollte ich einer Südländerin vertrauen?" "Ich werde euch Einzelheiten über den bevorstehenden Angriff geben. Ich weiß nicht, was ihr unserem Kontakmann entlocken konntet, doch ich werde die Wahrheit sagen. Der Angriff wird heute Abend bei Sonnenuntergang erfolgen. Die Flotte wird aus fünfundzwanzig Kriegsschiffen und sieben Transportschiffen, besetzt mit Soldaten bestehen. Insgesamt werden sich etwa viertausend Soldaten auf den Schiffen befinden. Kurz darauf werden etwa tausend Mann, davon fünfhundert beritten, von Osten angreifen, denen Verräter in euren Reihen die Tore öffnen sollen."
Das deckt sich mit dem, was der andere Spion verraten hat...
Edrahil wandte sich um und sagte: "Nun gut. Da ich diese Angaben noch nicht überprüfen kann, sind sie auch noch kein Grund, euch zu vertrauen. Bis die Schlacht geschlagen ist, werdet ihr eingesperrt, und je nach Wahrheitsgehalt eurer Aussagen entweder als Spionin hingerichtet, oder ich werde mich entschließen, zum erstem Mal in meinem Leben jemandem aus dem Süden zu glauben."
Chatara neigte leicht den Kopf und erwiderte: "Ich hatte nichts anderes erwartet. So soll es sein.", und Edrahil stellte leicht angewidert von sich selbst fest, dass sie begann ihn zu beeindrucken.
"Schafft sie fort. Hauptmann Hilgorn, auf ein Wort." Als die Soldaten und Chatara den Raum verlassen hatten, sagte er, obwohl es ihm widerstrebte: "Hauptmann, stellt euch darauf ein, diese Truppentransporter mit Feuerpfeilen zu vernichten. Das könnte euch die Arbeit am Hafen etwas erleichtern, doch verlasst euch nicht völlig auf die Worte dieser Südländer-Schlampe. Das wäre alles." Hilgorn nickte knapp und eilte seinen Männern hinterher. Edrahil setzte sich wieder, um sein Bein zu entlasten, und schloss kurz vor Schmerzen die Augen.
Eine interessante Entwicklung... wenn sie denn die Wahrheit sagt.
Eandril:
Der Abend war gekommen, und Edrahil stand auf dem Dach des Palastes neben dem frisch aufgerichteten Leuchtfeuer. Von dort konnte er die ganze Stadt überblicken, doch im Moment richtete er seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf den Hafen, dem sich die feindliche Flotte näherte. Die Sonne schien den westlichen Horizont zu berühren und die Masten der feindlichen Schiffe warfen lange Schatten auf die wenigen im Hafen liegenden Schiffe der Verteidiger, als die ersten Pfeilsalven von den Angreifern abgeschossen wurden. Edrahil zählte die Schiffe.
Fünfundzwanzig Kriegsschiffe und sieben Transporter. Das Weib hat die Wahrheit gesagt!
Die schnellen, schlanken Kriegsschiffe aus Umbar wurden von Ruderern voran getrieben, denn der Wind kam aus dem Norden, was möglicherweise ein entscheidender Faktor für den Sieg der Verteidiger sein würde. Nun hatten die ersten Korsarenschiffe den Hafen erreicht, und schon wurden die ersten Enterhaken auf die gondorianischen Schiffe geschleudert. Edrahil wandte sich um und gab den Befehl. "Jetzt! Entzündet das Leuchtfeuer!"
Ein Diener hielt eine Fackel an den ölgetränkten Holzstoß und sprang sofort zurück, als das Holz aufflammte und ihnen eine gewaltige Hitze entgegen schlug. Auch Edrahil trat einige Schritte vom Feuer zurück und schloss kurz geblendet die Augen. Dann blickte er nach Norden, zum Hafen von Edhellond, als ob er hoffte, die Verstärkung bereits herannahen zu sehen.
Als das Leuchtfeuer aufflammte, wurden auf den Hafenmauern dutzende Feuerpfeile entzündet und auf die schwerfälligen Truppentransporter der Südländer abgefeuert, wie Edrahil es mit Hilgorn abgesprochen hatte. Es war ein riskantes Manöver, denn das Feuer konnte leicht auf die eigenen Schiffe übergreifen und so auch für diese zum Verhängnis werden. Doch bislang waren nur vier der Transporter im Schutz der Kriegsschiffe im Hafen eingelaufen, und soweit Edrahil es von seiner Position aus erkennen konnte, wurden auf diese keine Brandgeschosse abgefeuert.
Allerdings zeigten die Feuerpfeile bei den anderen drei Transportern nicht die erhoffte Wirkung. Lediglich bei einem der Schiffe war ein Segel in Brand geraten, bei den anderen loderten lediglich kleine Feuer auf Deck auf, die aber schnell gelöscht wurden. Edrahil fluchte leise, denn das erste der Transportschiffe hatte sich in eine Lücke zwischen zwei Schiffen Dol Amroths geschoben und eine sofort mehrere breite Planken über den Spalt zwischen Reling und Kai geschoben, über die sofort Soldaten an Land stürmten.
Auch auf sämtlichen Schiffen der Verteidiger tobten nun Kämpfe zwischen den durch Soldaten der Garnison verstärkten Besatzungen und den Enterern.
Edrahil wusste, dies war ein entscheidender Moment. Wenn die Südländer die Linien der Verteidiger durchbrachen oder im Hafen zu sehr die Oberhand gewannen, würde die Stadt fallen.
Unmittelbar knickte sein linkes Bein unter ihm weg und er schlug schmerzhaft auf dem Steinboden auf, doch bevor einer der Diener ihm aufhelfen konnte, hatte er sich schon unter Schmerzen wieder erhoben. Trotz seines Widerwillens, Schwäche zu zeigen, nahm der den Stock, den einer der Diener ihm reichte, doch er hielt sich nicht damit auf, ihm zu danken. Dafür waren Diener schließlich da. Er richtete seine Augen wieder auf die Schlacht, die am Hafen hin und her wogte.
Aus Hilgorns Sicht:
Die Sonne war inzwischen ganz verschwunden und die ersten blassen Sterne zeigten sich am Himmel. Von Norden zogen neue Regenwolken heran, die die nördlichen Sterne bereits wieder verhüllten, als Hilgorn, Hauptmann von Dol Amroth, die ersten herannahenden Feinde erspähte. Er blickte vom Tor hinunter auf den Platz, auf dem noch vor etwas mehr als einem Monat ein verzweifelter Kampf gegen die Heerscharen Mordors getobt hatte, und in dem der Nazgûl, der Heerführer Mordors, wider alle Hoffnung gefallen war.
Der Feind dem sie sich heute gegenüber sahen war dagegen weit weniger erschreckend, denn weder wurden die Truppen von einem Ringgeist angeführt noch erreichten sie annähernd die Zahl jener Armee. Außerdem waren rund um den Platz heute Barrikaden aus angespitzen Pfählen errichtet, und der Feind war - - hoffentlich - ahnungslos ob der Falle, die ihn erwartete.
Hilgorn gab den Männern, die an der Torwinde standen ein Zeichen, und das Tor begann langsam aufzuschwingen. Als die ersten Reiter des Feindes die stummen Mauern erreichten, auf denen nur Hilgorn, der scheinbar grüßend die Hand hob, zu sehen war, stand das Tor bereits weit offen. Doch das Zeichen war keineswegs als Gruß gedacht, denn in dem Moment, als die Feinde das Tor passierten, stieg von der Mauer eine Salve von zehn Feuerpfeilen nahezu senkrecht in die Luft.
Gleichzeitig erkannten die Feinde, dass sie keineswegs in eine unvorbereitete Stadt, deren Tore durch Verrat offen standen, einrückten, sondern das der Torplatz befestigt worden war und auf den Mauern plötzlich Bogenschützen standen, die zuvor verdeckt hinter den Zinnen gelegen hatte und nun auf die Angreifer zielten.
Hilgorn zögerte keine Sekunde und gab den Befehl zum Feuern, und die erste Salve schlug in die Truppen des Feindes ein. Männer und Pferde gingen von Pfeilen durchbohrt zu Boden, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollten sich die Angreifer zur Flucht wenden.
Doch da schienen die Verteidiger von den Barrikaden zurückzuweichen, und die Truppen Harad schöpften neuen Mut. Der Angriff begann.
Vom Palastdach sah Edrahil die Salve aus Feuerpfeilen vom Tor aufsteigen, sah in Richtung dieses Kampfes. Zuerst fürchtete er, Hilgorn sei zu stürmisch an die Sache herangegangen würde die Feinde schon zum Rückzug bringen, doch dann griffen die Feinde plötzlich weiter an. Aber schon nahte von Osten eine weiter Reitertruppe, um ihnen in den Rücken zu fallen.
Die Schlacht um den Hafen stand dagegen gar nicht gut. Schon waren zwei Schiffe den Feinden in die Hände gefallen und ein weiterer Transporter hatte angelegt, wodurch sich auch das Kräfteverhältnis an Land immer mehr zu Ungunsten der Soldaten Dol Amroths verschob.
Inzwischen war es immer dunkler geworden, da die von Norden kommenden Wolken den aufgehenden Mond und die Sterne verdeckten und die Sonne vollends verschwunden war und nicht mehr der geringste Schimmer im Westen zu sehen war. Dadurch wurde es für Edrahil immer schwieriger, zu erkennen, wie die Schlacht lief. Er blickte wieder nach Norden, nach Edhellond, spähte ungeduldig in die heraufziehende Dunkelheit, und tatsächlich: Von Norden glitten Schatten über das Wasser, Schatten in Form von Schiffen, die mit dem Wind im Rücken der feindlichen Flotte direkt und zu spät bemerkt in die Flanke fielen. Schon wurde das erste Korsarenschiff seitlich gerammt und bekam Schlagseite, brach zur Seite aus und begann schließlich zu sinken. Zwei große Kriegsschiffe hielten geradewegs auf einen der hinteren Transporter zu und versenkten auch diesen.
In diesem Augenblick begann sich auch die Schlacht im Hafen zu wenden, denn die Nachricht von der Ankunft einer neuen Flotte der Verteidiger, die zweimal so groß wie die bisherige war, schien sich im gesamten Heer der Angreifer zu verbreiten und Panik auszulösen. Schon versuchten die hinteren Korsarenschiffe beizudrehen und nach Süden zu entkommen, doch einige der Schiffe von Dol Amroth waren in leichten Bogen gefahren und näherten sich nun von Nordwesten, um den Fliehenden den Weg abzuschneiden.
Edrahil blickte zum Tor, und auch dort waren die Feinde in die Falle gegangen: Imrahil und seine Reiter waren gekommen und hatten die Feinde nun zwischen sich, der Mauer und den Verteidigern in die Zange genommen.
Der Sieg war greifbar nah und Edrahil hätte jubeln mögen, doch in diesem Augenblick des Triumphes knickte sein Bein trotz des Stocks erneut ein, und diesmal schlug er mit dem Kopf auf der steinernen Brüstung auf und verlor das Bewusstsein.
Eandril:
Nach dem Sieg über die angreifenden Haradrim und Corsaren hatte Edrahil zwei Tage im Lazarett verbracht, weil sein Bein noch immer zu zittern begann, wenn er es belastete.
Nachdem die Verstärkungen Dol Amroths den Feinden in den Rücken gefallen waren, waren diese in Panik geraten, und ihre Reihen begannen sich aufzulösen. Drei der Transporter waren gesunken und drei weitere waren den Soldaten der Stadt in die Hände gefallen, und nur einem von sieben war die Flucht gelungen. Von den fünfundzwanzig angreifenden Kriegsschiffen waren acht gesunken und ein weiteres irreparabel beschädigt, doch sieben waren von den Verteidigern aufgebracht worden. Lediglich acht Kriegschiffe hatten entkommen können, allerdings beschädigt und mit großen Verlusten unter den Mannschaften.
Die von Land angreifende Truppe hatte es sogar noch schlimmer getroffen. Höchstens hundert Mann hatten fliehen können und wurden nun von Reitertrupps gejagt, sodass sie höchstwahrscheinlich nicht endgültig entkommen würden. Der Rest war entweder tot oder gefangen genommen worden.
Nun, drei Tage nach der Schlacht, saß Edrahil auf einem Stuhl an Imrahils linker Seite, auf einer Empore am Westende des großen Saales. Zu Imrahils Rechter saß Prinz Elphir, und hinter ihnen standen die anderen Kinder Imrahils, Prinz Erchirion, sein mittlerer Sohn, und Prinzessin Lóthiriel, sowie Hilgorn, der Hauptmann der Garnison von Dol Amroth.
Erchirion war aus Ethring im Ringló-Tal, wo er als Gast im Haus von Fürst Dervon vom Ringlótal gewesen war, zu seinem Vater gestoßen und hatte mit diesem den Angriff in den Rücken des Feindes angeführt.
Der Saal füllte sich mit Adligen, Hauptleuten und anderen einflussreichen Männern, die gekommen waren, um den jüngsten Sieg über die Streitkräfte Suladans zu feiern. Edrahil ließ den Blick über die Menge schweifen, und erblickte mehrere andere Fürsten der südlichen Lehen: Imrahils Gefolgsleute Amros von Edhellond, der persönlich die Flotte in der Schlacht befehligt hatte, und Ardamir von Belfalas waren ebenso gekommen wie die Golasgil, der Herr von Anfalas, dessen Land bisher von Angriffen größtenteils verschont geblieben war, Elatan, der Herr der Pinnath Gelin, Fürst Angbor von Lamedon, Duilin von Morthond, dem man die Trauer über den Verlust seiner Söhne in der Schlacht auf dem Pelennor noch ansah, sowie Dervon, der Herr über das Ringlótal, der mit seinem Sohn Dervorin gekommen war.
Als der Saal sich gefüllt hatte, erhob sich Imrahil.
"Wir sind heute hier zusammengekommen, um erneut einen Sieg über die Streitkräfte des Bösen zu feiern. Erneut versuchten die Diener Mordors, die Haradrim und die Corsaren aus Umbar, unsere Stadt einzunehmen und unsere Frauen und Kinder zu erschlagen oder als Sklaven wegzuführen."
Bei diesen Worten zuckte Edrahil leicht zusammen, denn sie erinnerten ihn an die, die er vor langer Zeit an ebenjene Feinde verloren hatte. Imrahil fuhr fort: "Doch wider allen Hoffens ist es uns nun erneut gelungen, unsere Feinde zu vertreiben, und ihnen sogar eine empfindliche Niederlage zu bereiten. Dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Tapferkeit und Besonnenheit jener, die die Verteidigung führten und die Falle, die unsere Feinde uns gestellt hatte, gegen sie zu richten wussten. Hilgorn, Hauptmann der Garnison von Dol Amroth!", rief er aus.
Hilgorn trat vor Imrahil hin und sank auf ein Knie nieder. "Ihr habt die Truppen am Tor geführt, und nur Dank eurer klugen Führung gelang es uns, unsere Feinde in die Falle zu locken. Hierfür danke ich euch im Namen der ganzen Stadt und erhebe euch in den Rang eines Herren. Ihr werdet von mir ein Stück Land an der westlichen Küste von Belfalas zum Lehen erhalten, und, sofern ihr das Kommando annehmt, den Oberbefehl über sämtliche Landstreitkräfte westlich der Berge von Dor-en-Ernil. Nehmt ihr diese Ehre an?"
Hilgorn erhob sich und erwiderte: "Mein Herr erweist mir mehr Ehre, als ich verdiene, doch ich werde sie annehmen. Ich danke euch, mein Herr."
"Nun möge der vortreten, der die Stadt in meiner Abwesenheit geführt hat, und die Verteidigung des Hafens befehligte. Elphir, mein Sohn und Erbe!" Elphir trat vor, und auch er sank vor seinem Vater auf die Knie. "Ohne deine Taten am Hafen und deine umsichtige Herrschaft über die Stadt wäre dieser Sieg unmöglich geworden. Hierfür danke ich dir, als Vater wie als Fürst, und erhebe dich zu einem Oberbefehlshaber der Truppen von Dol Amroth und zum Truchsessen der Stadt!" Elphir erhob sich und blickte seinem Vater ins Gesicht: "Ich danke euch, Vater, und nehme diese Ehren mit Freuden an.", und setzte sich wieder auf seinen Platz an der rechten Seite des Fürsten.
"Dank gebührt auch meinem Lehnsmann Amros von Edhellond, der unsere Flotte mit seinen eigenen Schiffen verstärkte und selbst das Kommando führte, und Fürst Dervon aus dem Ringlótal, der meine Truppe mit seinen Reitern verstärkte. Doch nun zu jenem Mann, der uns vor dem Angriff warnte, und die genauen Umstände aufdeckte: Edrahil von Belfalas!"
Edrahil erhob sich mühsam, trat vor Imrahil und ließ sich auf sein linkes Knie nieder.
"Ohne euch hätten wir nie von der Falle erfahren, die uns gestellt wurde, und wären blindlings hineingelaufen. Dol Amroth wäre gefallen, und alle Hoffnung für seine Bewohner wäre dahin gewesen. Doch ihr warntet uns, und ihr wart es auch, der den Plan entwarf, die Falle gegen unsere Feinde zu richten. Ihr habt mit eurem Verstand unseren Feinden eine schwere Niederlage zugefügt, und dafür erhebe ich euch zum Herrn über alle Länder zwischen Dol Amroth, Edhellond und den Bergen von Dor-en-Ernil, und erneuere euren Sitz im Rat des Fürsten!"
Edrahil verharrte noch eine Augenblick, dann kam er mühsam auf die Füße und blickte Imrahil fest in die Augen, als er sagte: "Vergebt mit mein Fürst, aber ich muss diese Ehre ablehnen." Verblüffung zeigte sich im Gesicht des Fürsten, und auch in allen anderen Gesichtern, doch Edrahil fuhr fort.
"Ich bedaure, auf einem Fest eine solche Ankündigung zu machen, doch es muss sein: Weder Harad noch Umbar noch Mordor sind in der Nacht vor drei Tagen besiegt worden, und es wird nicht lange dauern, bis wir erneut Krieg führen müssen. Doch unsere Feinde im Süden sind durch ihre Niederlagen geschwächt, und, wie ich erfahren habe, uneins. Wir haben nun möglicherweise die Gelegenheit, unsere Feinde im Süden zu spalten und vielleicht so den Krieg in ihre eigenen Lande verlagern. Dies kann jedoch nicht durch Heere und Feldzüge geschehen, sondern durch Diplomatie und Intrigen. Daher bitte ich euch, mein Fürst, um die Erlaubnis, nach Harad gehen zu dürfen. Ich fürchte, diese Angelegenheit ist so wichtig, dass ich in eurem Rat weniger von Nutzen wäre als im Süden. Habe ich eure Erlaubnis?"
Imrahil seufzte, und mit gelindem Erstaunen stellte Edrahil fest, dass es totenstill im Saal geworden war. Dann sagte der Fürst leise: "Ich hätte euch gerne hier an meiner Seite gehabt, mein Freund. Doch wenn es euer Wunsch ist, so lasse ich euch in meinem Auftrag nach Süden ziehen." Edrahil verneigte sich und erwiderte: "Ich danke euch, mein Fürst. Ich werde mein bestes geben, um dem Haus Dol Amroth zu dienen." Er hob die Stimme und wandte sich der Menge zu.
"Fürsten der südlichen Lehen, Volk Dol Amroths. Seit langer Zeit sind wir von Minas Tirith abgeschnitten, und haben so niemanden, der uns führt und das Königreich Gondor zusammenhält. Der letzte aus dem Haus der Truchsessen ist in Rohan, und somit weit entfernt von den Nöten und Sorgen seines Volkes. Wer soll uns also führen?
Ich schlage vor, das wir hier und jetzt, wo die Fürsten der Lehen versammelt sind, einen anderen Truchsess wählen, einen aus ihren Reihen, der uns im Kampf gegen das Böse anführen kann. Wen schlagt ihr vor?"
Für einen Moment herrschte Schweigen im Saal. Imrahil war auf seinen Sitz zurückgesunken, und Lóthiriel starrte Edrahil mit weit aufgerissenen Augen an. Dann erhob sich Golasgil von Anfals und sagte: "Ich stimme euch zu, Edrahil. Faramir ist weit entfernt und kann uns nicht als Truchsess anführen. Doch wir haben jemanden, der ein erfahrener Fürst und Soldat ist, den Herrn über die größte Stadt und die meisten Menschen des Südens, Imrahil, Fürst von Dol Amroth, und ich schlage ihn als neuen Truchsess von Gondor, den Truchsess des Südens, vor." Er setze sich wieder, und die Stille schien noch drückender zu werden.
Dann stand Elatan, der Herr der Pinnath Gelin, der mit Golasgil verwandt und mit Imrahil befreundet war, auf und meinte: "Golasgil hat Recht. Imrahil wäre ein besserer Truchsess als dieser grüne Junge Faramir, der keine Ahnung vom Regieren hat und überdies sein Volk im Stich gelassen hat. Ich stimme für Imrahil, Fürst von Dol Amroth als Truchsess von Gondor!"
Da stand Angbor von Lamedon auf und erwiderte: "Fürst Faramir ist inzwischen kein grüner Junge mehr, sondern ein erfahrener Heerführer. Er hat uns nicht im Stich gelassen, sondern wird zurückkehren, daran glaube ich. Außerdem ist er der letzte aus dem Haus der Truchsessen und hat somit den besten Anspruch auf dieses Amt. Ich werde nicht dabei mithelfen, ihn seines Erbes zu berauben, doch wenn Fürst Imrahil eure Wahl ist, werde ich ihm ebenso treu folgen wie ich Faramir folgen würde, denn wenn wir darüber entzweien, wir Sauron lachen und uns zerquetschen, während wir uns gegenseitig bekriegen oder tatenlos zusehen, wie andere kämpfen."
Auch Dervon von Ringló sprach gegen Imrahil, doch ähnlich abwägend wie Angbor, und Amros von Edhellond und Ardamir von Belfalas sprachen sich ebenso für Imrahil aus wie dessen Sohn Elphir. Schließlich wandte sich Edrahil an Imrahil und sagte: "Wie es scheint, haben die Fürsten Gondors sich entschieden. Nehmt ihr, Imrahil, Fürst von Dol Amroth, ihre Wahl und das Amt des Truchsess von Gondor an?"
Imrahil erhob sich erneut und ließ seinen Blick einen Moment lang schweifen. Dann sprach er: "Ich danke euch für euer Vertrauen in mich. Dies ist eine der schwersten Entscheidungen die ich je treffen musste, doch wenn ihr mich als Truchsess von Gondor sehen wollt, so werde ich eure Wahl annehmen. Doch lasst mich noch dies sagen: Wenn Fürst Faramir zurückkehrt, werde ich nicht zögern, ihm sein Amt erneut zu überlassen. Ich danke euch."
Edrahil setzte sich wieder, als Imrahil mit den Siegesfeierlichkeiten fortfuhr. Dieser Teil seiner Pläne war einfacher aufgegangen, als er erwartet hatte...
Edrahil, Imrahil, Hilgorn, Elphir, Lóthiriel und Chatara zum Hafen...
Eandril:
Imrahil, Elphir und Hilgorn vom Hafen
Gerade eine Woche war seit Edrahils Abreise vergangen, als Hilgorn, der eigentlich in Begriff war, zu den Truppen außerhalb der Stadt, die nun unter seinem Befehl standen, zum Fürsten von Dol Amroth gerufen wurde.
Nachdenklich schritt er die flachen Stufen zum Eingang des Palastes hinauf, in Gedanken noch mit seinen Plänen beschäftigt, die er für sein neues Amt gemacht hatte. Er erreichte das Tor und betrat den Palast, in der aufgehenden Sonne, die durch die hohen Fenster schien, beleuchtet wurde. Zielstrebig schug er den Weg zum Beratungszimmer des Fürsten ein, und tatsächlich hatten sich dort bereits mehrere andere Hauptleute und Imrahil selbst, sowie sein Sohn Elphir, versammelt.
Als Hilgorn eingetreten war, sagte Imrahil: "Bitte schließt die Tür, und setzt euch. Wir haben einiges zu besprechen, was die Zukunft dieser Stadt beeinflussen wird, und ich möchte verhindern, dass jemand Falsches davon erfährt."
Hilgorn schloss die Tür und setzte sich auf den einzigen freien Stuhl, direkt neben Elphir und Imrahil nahezu gegenüber.
Was mag das bedeuten?
Der Fürst begann. "Wie ihr alle wisst, haben wir unseren Feinden in letzter Zeit mehrere schwere Schläge versetzt: Das Ende der Belagerung und des Nazgûl, die Vernichtung jener, die sich daraufhin nach Osten zurückziehen konnten, die Vernichtung der Flotte von Umbar die gegen uns ausgesandt wurde, und die Enttarnung und der Tod des Verräters Mithéldir.
Doch ich frage euch, was ist das alles wert? Wir verteidigen nur das, was uns geblieben ist, und arbeiten nicht daran, das zurückzuholen, was wir verloren haben."
Er stand auf, und Hilgorn sah erstaunt, was für eine Veränderung mit dem Fürsten vorgegangen war. Er war wieder jene entschlossene Mann, der er vor den vielen Niederlagen im Ringkrieg, vor seiner Rückkehr vom Schwarzen Tor, gewesen war. Selbst nach dem Sieg über die Belagerer hatte Imrahil eher erschöpft gewirkt, als die erste Siegesfreude verflogen war.
Imrahil fuhr fort: "Dies soll sich nun ändern. Wir werden nicht nur ängstlich in Erwartung des nächsten Schlages dasitzen und versuchen ihn abzuwehren, jetzt, wo unsere Feinde geschwächt sind. Nein, wir werden zum ersten Mal seit langem in diesem Krieg wieder vorrücken, und gleichzeitig unsere Verteidigung stärken.
Ich muss euch nun bitten, den Raum zu verlassen, denn ich werde jedem von euch seinen Auftrag allein erteilen. Es geht nicht darum, dass ich euch nicht vertraue, sondern dass unsere Feinde nicht all unsere Pläne aufdecken können, wenn nur einer von euch in Gefangenschaft gerät."
Alle erhoben sich, auch Hilgorn, doch Imrahil sagte: "Nein, ihr noch nicht, Hilgorn, und auch du nicht, mein Sohn. Ihr werdet eure Befehle als erste erhalten."
Hilgorn sank wieder in seinen Stuhl zurück, und blickte in gespannter Erwartung auf Imrahil, der wartete, bis der letzte der Hauptleute den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
"Ihr werdet, egal welche anderen Pläne ihr mit euren Truppen gehegt habt, diese sammeln, und südlich um die Berge von Dor-en-Ernil herummarschieren, und dabei das ganze Land von Saurons Dienern befreien, bis ihr nach Linhir kommt. Ihr werdet den Hafen von Land belagern, bis weitere Truppen zu euch stoßen, bis ihr genug seid, um den Hafen einzunehmen. Elphir wird euch mit einer Gruppe der Schwanengarde begleiten. Habt ihr verstanden?"
"Jawohl, mein Fürst", antwortete Hilgorn. "Ich werde eure Befehle ausführen, so gut ich kann, egal was es mich kostet." Und das würde er tun, denn sein Fürst baute auf ihn.
Imrahil nickte zufrieden, und entließ die beiden mit einem Wink.
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