Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dol Amroth

Der Palast des Fürsten

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Fine:
Imrahil, Elphir, Erchirion, Hilgorn, Lothíriel, Valion, Valirë und Lóminith vom Hafen


"Edrahil hat was getan?" rief Imrahil ungläubig.
"Er hat den Fürsten von Umbar gestürzt," wiederholte Lothíriel mit einem vergnügten Lächeln.
"Nun, für ungefähr eine Woche," warf Valion ein. "Aber er hat es geschafft, das stimmt."
"Unglaublich," murmelte Imrahil. "Ich dachte nicht, dass er so erfolgreich sein würde. Aber warum nur blieb er zurück als ihr abreistet? Ich könnte seinen Rat wirklich gut gebrauchen."
"Er ließ sich nicht überzeugen mitzukommen," erklärte Valion.
"Er sagte, dass seine Arbeit noch nicht getan sei," fügte Lothíriel hinzu.
"Hmm," machte Imrahil nachdenklich. "Also gut, ich vertraue seinem Urteil. Ich bin mir sicher, er wird seine Gründe dafür haben. Bitte, berichtet weiter."

Valion und Lothíriel wechselten sich damit ab, dem Fürsten von ihren Abenteuern zu erzählen. Die meiste Zeit hörte Imrahil schweigend zu und stellte nur selten eine Zwischenfrage. Als sie vom Sturz Hasaels berichtet hatten hatte er sie zum ersten Mal vollständig unterbrochen. Aufmerksam ließ er sich Tol Thelyn beschreiben und nickte zufrieden, als Valion den Bericht damit beendete, wie der günstige Wind sie bis in Sichtweite Dol Amroths getragen hatte.
Als er geendet hatte erhob sich Imrahil und winkte einen Schreiber herbei. "Valion und Valirë vom Ethir, hiermit erkenne ich als Truchsess Gondors und Fürst von Dol Amroth euren Auftrag, meine Tochter Lothíriel aus der Gefangenschaft zu befreien und wohlbehalten nach Hause zu bringen... als erfüllt an. Ihr habt euch mein Vertrauen und meinen Respekt verdient. Und ich muss sagen, dass die Reise euch hat wachsen lassen. Ihr seid nun bereit, euer Erbe anzutreten. Lasst es bekannt werden, dass die Titel, die euch zustehen, nun offiziell verliehen sind. Valion, Amlans Sohn: Erhebe dich als Erbe von Haus Cirgon und als rechtmäßiger Lehensfürst Gondors. Valirë, meine Tochter, erhebe dich als Herrin von Belegarth und Hohe Dame von Dol Amroth, dem Haus, dem du nun angehörst."
Geehrt standen die Zwillinge auf, während der Schreiber Imrahils Worte sorgfältig notierte. "Ich danke Euch, mein Fürst und Lehnsherr," sagte Valion respektvoll.

Kurz darauf standen die Zwillinge mit Lothíriel und Erchirion in einem der Nebenräume des Palastes und blickten durch ein großes Fenster auf die Stadt hinab.
"Es tut gut, endlich zu Hause zu sein," sagte Lothíriel glücklich. Sie hatte das Kleid, das sie seit ihrer Flucht aus Minûlîths Anwesen getragen hatte, gegen ein frisches, hellgrünes Kleid ausgetauscht. Auch Valirë und Valion hatten sich umgezogen. Auf Valions Brust prangte das Siegel vom Ethir und seine Schwerter hingen an dem neuen Gürtel, den er trug. Valirë trug leichte Reitkleidung in verschiedenen Grüntönen und hatte das Haar zu einem breiten Zopf geflochten. Erchirion hielt sie im Arm und sie flüsterte ihm leise Dinge zu, die ihn zum Lachen brachten. Valion grinste zufrieden. Alles war gut.

Imrahil kam herein und trat neben ihn. "Valion," sagte der Fürst mit einem nachdenklichen Unterton in der Stimme. "Du hast in deinem Bericht etwas Wichtiges ausgelassen - oder besser, jemanden." Lóminîth, die ein säuerliches Gesicht machte, kam hinter Imrahil zum Vorschein. "Möchtest du mir deine Verlobte nicht vorstellen?"
"Verzeiht, Fürst," sagte Valion betroffen. Er hatte Lóminîth tatsächlich vergessen. Peinlich berührt blickte er zu Boden eher er den Blick Imrahils suchte.
"Es war Edrahils Idee," begann er. "Ein Bündnis zwischen Umbar und Dol Amroth, gefestigt durch eine Vermählung."
"So wie ich das sehe herrschen in Umbar jetzt wieder unsere Feinde," stellte Imrahil fest.
"Das wussten wir ja zu diesem Zeitpunkt nicht," beteuerte Valion. Ein Seitenblick auf seine Verlobte zeigte ihm, dass ihre Geduld beinahe am Ende war. Also sprach er schnell weiter: "Edrahil überzeugte mich, mich mit einer der mit uns verbündeten Adeligen Umbars zu verloben. Sie ist absolut vertrauenswürdig und außerdem hat sie ihr Zuhause verloren als wir aus Umbar fliehen mussten. Deshalb habe ich sie mitgebracht."
"Nur deshalb?" hakte Lóminîth mit spürbarer Verärgerung nach.
Es war Lothíriel, die Valion rettete. "Ihr streitet doch nicht etwa, an diesem wunderbaren Tag?" mischte sie sich und legte ihrem Vater und Lóminîth jeweils eine Hand auf die Schultern. "Vater, du kannst Lómi vertrauen. Sie hat ein gutes Herz, ebenso wie ihre Schwester. Und du, Lómi, sei nicht zu hart mit Valion. Es ist das erste Mal, dass er wirklich Verantwortung übernehmen muss."
Das entlockte Lóminîth tatsächlich ein Lächeln, und sie umarmte Lothíriel für einen kurzen Moment. "Vermutlich hast du recht."
"Nun, meine Tochter hatte schon immer einen aufgeweckten und scharfen Verstand," gestand Imrahil ein. "Ich werde auf ihr Urteil vertrauen. Willkommen in Dol Amroth, Lóminîth."
"Ich danke Euch, Fürst Imrahil," erwiderte Lóminîth und knickste anmutig.

Eine halbe Stunde später hatte Imrahil seine engsten Berater in seinem Solar zusammengerufen. Valion stand neben Erchirion und fühlte sich etwas unbehaglich, doch er versuchte, es nicht zu zeigen.
"Der Sturz Hasaels und der aufkommende Krieg in Harad werden uns einiges an Zeit erkaufen," sagte Hilgorn gerade. "Ich schätze, dass wir es für die nächste Zeit hauptsächlich mit den Truppen Mordors zu tun haben werden."
"Umbars Flotte stellt momentan keinerlei Bedrohung dar," berichtete Amros von Edhellond, der Tirn Aear und Oberbefehlshaber der Flotte. "Sie werden alle Mühe haben, ihren Hafen überhaupt verteidigen zu können mit dem, was ihnen verblieben ist."
"Unsere Augen müssen sich nun auf den Ethir richten," sagte Imrahil und warf Valion einen nachdenklichen Blick zu. "Valion hat mit seinem unbedachten Handeln explizit gegen die Bedingungen verstoßen, die Sauron uns nach der Schlacht bei Linhir auferlegt hat."
"Sein geflügelter Bote sagte, dass er darüber hinweg sehen würde," erinnerte sich Valion.
"Das Wort eines Ringgeists ist nichts wert," sagte Amrodin, der Edrahil als Herr der Spione vertrat. Dabei fiel Valion ein, dass er dem Mann noch Edrahils versiegelten Brief übergeben musste. Er nahm sich vor, es direkt im Anschluss an den Kriegsrat zu tun.
"Wir wissen nicht, wie Sauron darauf reagieren wird," fuhr Amrodin fort. "Meine Leute in Linhir berichten, dass an der Front eine trügerische Ruhe herrscht. Für den Augenblick scheint sich die Aufmerksamkeit des Auges auf andere Lande zu richten."
"Gibt es Neuigkeiten von Damrod?" fragte Imrahil, doch Amrodin schüttelte den Kopf. "Nichts neues, mein Fürst. Wenn die Orks das Versteck der Waldläufer gefunden hätten wüssten wir davon. Ich nehme an, sie halten sich weiterhin versteckt und beschränken sich auf kleinere Überfalle. Die Antwort Damrods zu Eurem Befehl, Qúsay betreffend, war deutlich: Wir werden tun, was im Rahmen unsere Möglichkeiten machbar ist."
Elphir nahm das Wort und sagte: "Aus Rohan erreichen uns Nachrichten von einem großen Feldzug der Menschen und Elben gegen Dol Guldur, und von deren Erfolg. Ich denke, wir wissen, was Saurons Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat: der Fall seiner nördlichsten Festung."
"Wir werden sehen, wohin das führt," befand Imrahil. "In naher Zukunft würde ich gerne Valion mit einer kleinen Garnison nach Belegarth entsenden, um den Ethir zu sichern. Wenn wir die Kontrolle über die Anduin-Mündungen zurückerlangen können wir sicher stellen, dass die Haradrim oder sonst jemand den Fluss nicht benutzen kann um Truppen zwischen uns und Damrods Streitmacht hindurchzuschmuggeln."
"Ihr ehrt mich, mein Fürst," sagte Valion, der sich noch daran gewöhnen musste, dass Imrahil ihm mit Vertrauen begegnete.
"Nur nichts überstürzen, mein Junge," fuhr Imrahil fort. "Bis du aufbrichst werden noch einige Wochen vergehen. Wir müssen behutsam agieren und dürfen Mordor nicht sorglos provozieren. Für den Augenblick befehle ich dir, etwas Ruhe zu finden und dich mit deiner Verlobten in Dol Amroth einzuleben."
"Mit seiner Verlobten?" wiederholten einige Stimmen, für die die Tatsache, dass Valion tatsächlich eine solche Bindung eingegangen war, eine Sensation darstellte.
"Mit Verlaub, mein Fürst," sagte Hilgorn. "Ist die Identität dieser Frau überprüft worden? Seid Ihr sicher, dass sie keine Spionin Umbars ist?"
"Edrahil hat das eingefädelt," beschwichtige Imrahil. "Ich vertraue seinem Urteil, und das solltet ihr alle auch. Der Kriegsrat ist hiermit beendet - ihr kennt eure Aufgaben."

Damit waren sie entlassen.

Eandril:
Während der Kriegsrat sich auflöste, nahm Amrodin Hilgorn zur Seite. "Ich habe gesehen, dass die letzte Antwort des Fürsten euch nicht wirklich zufrieden gestellt hat, General."
Hilgorn sah sich rasch um, und erwiderte, als er sicher war, dass niemand lauschte: "Euch ebenso wenig, vermute ich." Edrahils Stellvertreter nickte langsam. "Ebenso wie der Fürst vertraue ich Edrahils Urteil. Doch wer sagt uns, dass Edrahil dieser Frau wirklich vertraut? Vielleicht erwartet er auch von uns, dass wir sie im Auge behalten."
Hilgorn dachte ähnliches. "Was braucht ihr von mir?", fragte er, denn er konnte sich nicht vorstellen, wie er Amrodin dabei behilflich sein konnte.
"Für den Moment nichts", antwortete dieser. "Ich bitte euch nur vorsichtig zu sein - und um eure Kooperation und Rückendeckung, falls es zum schlimmsten kommt."
"Die habt ihr", erwiderte Hilgorn ohne zu Zögern, und eine weitere Stimme mischte sich ein: "Rückendeckung wobei?" Es war Valion, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte, und Hilgorn fragte sich, wie viel der Erbe des Ethirs mitgehört hatte.
"Tut mir Leid", wehrte er ab. "Das kann ich euch im Moment nicht verraten."
"Hm", machte Valion sichtlich unzufrieden. "Ihr wollt wohl Edrahil Konkurrenz machen. Und wo wir gerade von ihm sprechen, ich habe einen Brief von ihm für euch", sagte er an Amrodin gewand, und reichte diesem einen versiegelten Umschlag. Amrodin nahm den Umschlag entgegen, und Hilgorn deutete eine kurze Verbeugung an. "Ich werde mich zurückziehen", sagte er an Valion gewand. "Meine Glückwünsche zu eurer erfüllten Mission - und zu eurer Verlobung."
"Danke", erwiderte Valion ebenso reserviert, während Amrodin Edrahils Brief las und nur abwesend nickte. Während Hilgorn den Palast verließ, fragte er sich ohne es zu wollen, was der Erbe und baldige Herr vom Ethir von ihm hielt - ob er ihn wie einige andere für einen Emporkömmling, den Imrahil über seinen angestammten Status erhoben hatte, hielt, oder ob er über die Standesgrenzen hinausblicken und nur auf seine Taten achten konnte. Valions sichtlicher Respekt vor Edrahil, der aus noch bescheideneren Verhältnissen kam als Hilgorn, deutete auf das zweite hin. Doch Edrahil war bereits seit Jahrzehnten in seiner Position und der allgemeine Respekt vor ihm war beinahe Gewohnheitssache - und aufgrund von Valions Ruf glaubte Hilgorn eher an ersteres.
Mit einem Seufzer schlug er den Weg zu Faniels Haus ein. Nach der Zeit des wachsamen Abwartens würde morgen vermutlich die Zeit des Pläne schmiedens erneut beginnen, und vorher sehnte Hilgorn sich nach ein wenig Ruhe und der Gesellschaft der Menschen, die er liebte.

Fine:
In der Hoffnung, dass Amrodin ihn am Inhalt von Edrahils Brief teilhaben lassen würde, blieb Valion einen Schritt neben Edrahils Stellvertreter stehen und beobachtete, wie General Hilgorn schnellen Schrittes den Palast verließ. Noch kannte er den Mann nicht lange genug um sich ein Bild von ihm zu machen, doch Valions erster Eindruck war, dass Hilgorn jemand war, der seine Pflichten und Aufgaben sehr ernst nahm - vielleicht sogar eine Spur zu ernst. Wir werden sehen, dachte er. Es hatte ihm nicht gefallen, dass Hilgorn derjenige gewesen war, der Lóminîths Loyailtät Gondor gegenüber in Frage gestellt hatte. Zwar war er sich selbst noch nicht hundertprozentig über die Absichten seiner Verlobten sicher, doch Valion konnte sich dennoch nicht recht vorstellen, dass Minûlîths Schwester ihn oder den Fürsten von Dol Amroth verraten würde, nachdem ihre Heimat von den Dienern Hasaels in Brand gesteckt worden war.
Als er sich gerade abwenden wollte erfüllten sich seine Hoffnungen, denn Amrodin hielt ihn am Arm zurück. "Dies betrifft auch Euch," sagte er und hielt Valion den geöffneten Brief hin, der ihn eilig überflog.

Amrodin,
1. Bitte sende einen der Gelbflaggen-Vögel nach Süden aus, sobald du kannst. Ich habe mit der Erlaubnis des Turmherren eine gelbe Flagge an der Spitze des Turms anbringen lassen - der Vogel wird also seinen Weg zu mir finden. Sicherlich hat Imrahil sogleich einen Kriegsrat einberufen nachdem Lothíriel sicher heimgekehrt ist. Wir müssen unsere Korrespondenz wieder verstärken. Jetzt, da ich mich nicht mehr im Untergrund Umbars verstecken muss, kann ich mich wieder mehr um die Belange in Gondor kümmern und einen regelmäßigeren Kontakt führen. Bitte schreibe mir, was beim Kriegsrat berichtet und entschieden wurde, und ob es der Prinzessin gut geht.
2. Entsende so bald es geht drei fähige Diener nach Linhir. Die Gerüchte aus den besetzten Gebieten, die aus Nah-Harad und Harondor bis an mein Ohr in Umbar gedrungen sind, sind besorgniserregend. Und nun, da sich die Frontlinie aufgrund der Rückeroberung des Ethirs erneut verschoben und verkompliziert hat, ist es umso wichtiger, einige zusätzliche wachsame Augen auf Mordor zu haben. Bitte nimm auch erneuten Kontakt mit den Waldläufern in Ithilien auf, wenn sie noch nicht aufgespürt und vernichtet worden sind. Sie sollen ihre Ressourcen darauf verwenden, herauszufinden, was Saurons Kommandanten planen. Wir müssen wissen, wie sicher die Grenze momentan ist.
3. Falls du einen detaillierten Bericht über meine Aktivitäten in Umbar benötigst, wende dich an Valion. Er hat den Großteil davon miterlebt und besitzt kein allzu schlechtes Gedächtnis. Allerdings hat er einen gewissen Hang zu Übertreibungen, hake also sorgfältig nach, falls dir Unstimmigkeiten auffallen. Trotz meiner anfänglichen Zweifel haben Valion und seine Schwester sich als fähige, zuverlässliche Verbündete erwiesen. Wenn Valion gewillt ist, dir in weiteren Aufgaben behilflich zu sein, nutze seine Fähigkeiten weise. Und bitte händige den Zwillingen den Inhalt von Kästchen V/V E Nr. 22 aus - sie haben es sich verdient.
4. Mit großer Enttäuschung musste ich vernehmen, dass es dir nicht gelungen ist, Lothíriels Entführung zu verhindern. Viel Ärger hätte uns erspart bleiben können wenn du aufmerksamer gewesen wärst. Lass es dir eine wichtige Lektion sein und sei nie mehr so unaufmerksam! Wenn du mehr Leute brauchst um die Überwachung lückenlos zu gewährleisten, sprich mit dem Fürsten, und er wird sie dir gewähren. Da er sicherlich nicht möchte, dass Lothíriel erneut entführt wird, solltst du bei ihm auf offene Ohren stoßen.
5. Rege beim nächsten Kriegsrat an, ein Schiff mit Vorräten nach Tol Thelyn zu schicken. Ich empfehle dafür Veantur, der Kapitän der Súlrohír ist. Er kennt den Weg und sein Schiff ist eines der schnellsten. Die Turmherren sind wichtige Verbündete für mich und bieten uns ungeahnte Möglichkeiten in Harad, denn die Ausbildung, die die Krieger Tol Thelyns erhalten, ist wirklich äußerst beeindruckend. Wir sollten ihnen jede Hilfe zukommen lassen, die uns möglich ist.
6. Finde heraus, ob die Gerüchte über separatistische Bewegungen in Arandol stimmen. Fürst Elatan scheint sich nicht bewusst zu sein, dass es in seiner eigenen Familie Subjekte zu geben scheint, die größere Ambitionen haben, als gut für sie ist. Wir können jetzt wirklich keinen fehlgeleiteten Putschversuch gebrauchen.
7. Wenn es die Lage zulässt, lasse die Verteidigungen in Pelargir ausspähen. Ich glaube, dass sich uns dort eines Tages eine Möglichkeit eröffnen könnte, nun, da wir drei mögliche Angriffspunkte haben: Von Linhir, vom Ethir, und von Ithilien aus. Ich bin mir sicher, dass die Stadt zu retten wäre, wenn Sauron nicht dieses Druckmittel hätte.
Edrahil.
Valion musste schmunzeln. Edrahil hielt sich in dem Brief an seinen Stellvertreter weder mit Gruß noch mit Abschiedsworten auf sondern schickte Amrodin einfach eine Reihe von Anweisungen, als wäre der Mann nichts als Edrahils verlängerter Arm, der von Tol Thelyn bis nach Gondor reichte. Und auf eine Art und Weise stimmte das ja auch.
Amrodin sagte: "Bitte folgt mir, Valion. Es geht um Edrahils Anweisungen, Euch betreffend." Er führte Valion in sein Arbeitszimmer, das wohl ursprünglich von Edrahil verwendet worden war, bevor dieser nach Umbar aufgebrochen war. Amrodin öffnete ein verstecktes Geheimfach in der Wand und zog ein Kästchen hervor, das mit den Namen Valions und seiner Schwester versehen war. Als Valion es öffnete, staunte er nicht schlecht. Darin befanden sich Beweise über nahezu alle Untaten, die er und Valirë im Laufe der Jahre verübt hatten, sowie schrifliche Aussagen von Zeugen und von Frauen, die Valion in seiner wilden Zeit hatte sitzen lassen. Er verstand nicht, warum Edrahil all diese Druckmittel nun einfach so aus der Hand gab.
"Es ist ein großer Vertrauensbeweis," erklärte Amrodin. "Es sieht ganz so aus, als ob es Meister Edrahil nicht länger für notwendig erachtet, Euch oder Eure Schwester zu erpressen."
"Welch große Ehre," kommentierte Valion.

Das Kästchen unter den Arm geklemmt machte er sich auf die Suche nach Lóminîth. Als er im Palast herumfragte, erfuhr Valion, dass seine Verlobte mit der Prinzessin in ihre Gemächer gegangen war. Dort angekommen klopfte er vorsichtig an, bis Lothíriel den Kopf durch die halb geöffnete Tür streckte.
"Du bist hier gerade nicht erwünscht," sagte sie mit einem ziemlich undamenhaften Grinsen. "Du hast ihre Gefühle verletzt, und ich hoffe, das weißt du."
"Es war nicht meine Absicht," beteuerte Valion. "Ich war einfach abgelenkt und habe nicht mehr daran gedacht, dass Lóminîth uns zum Palast begleitet hatte."
Die Tür wurde weit aufgerissen, und da stand Lóminîth, die Hände wütend in die Hüften gestemmt und ein zorniges Blitzen in den Augen. "So, du dachtest also, ich warte brav auf dem Schiff, bis der feine Herr sich dazu herablässt, mich abzuholen?"
"So war das nicht gemeint..." versuchte Valion die Lage zu entschärfen.
"So ist es aber angekommen," gab Lóminîth wütend zurück. "Du bist sofort zu deinem Fürsten gelaufen um bei ihm mit deinen Taten anzugeben und hast mich einfach stehen lassen! Nicht einmal deine Eltern hast du mir vorgestellt."
"Mein Vater fiel bei Pelargir," erklärte Valion, "und meine Mutter ist bei Faltharan in Anfalas. Ich werde ihr noch heute einen Brief schreiben und sie bitten, zu unserer Hochzeit nach Dol Amroth zu kommen."
Lóminîths Gesichtsausdruck wurde eine Spur sanfter. "Ich wusste nicht, dass dein Vater tot ist," sagte sie. "Aber wenn du dein Verhalten nicht änderst, weiß ich nicht, ob es tatsächlich eine Hochzeit geben wird."
"Nun sei' nicht so dramatisch, Lómi," mischte Lothíriel sich ein. "Er hat sich schon sehr gebessert seitdem er nach Umbar gereist ist. Wir machen folgendes: Du und ich, wir fädeln einfach ein weiteres Abenteuer für die Zwillinge ein, und wenn sie das bestanden haben, sind sie ganz genau so, wie wir sie haben wollen. Was hältst du davon?"
"Damit könnte ich mich anfreunden," antwortete Lóminîth. "Hast du schon eine Idee?"
"Augenblick mal," unterbrach Valion. "Meine Anweisungen kommen von Fürst Imrahil, von deinem Vater, Lothíriel, und..."
"Du wirst schon bald merken, dass hinter allen wichtigen Männern eine Frau steht, die in Wahrheit die Entscheidungen trifft," gab Lothíriel zurück.
"Da bin ich aber mal gespannt, was dieser Qùsay davon hält," mischte sich eine dritte Stimme ein. Es war Valirë, die in Lothíriels Gemach auf dem Balkon gestanden und ihre Klinge geschliffen hatte. Sie trug die Rüstung eines Schwanenritters von Dol Amroth. Valion fragte sich, woher seine Schwester sie wohl hatte, doch dann entschied er, dass er es eigentlich gar nicht so genau wissen wollte. "Was wird er wohl sagen, wenn du anfängst, ihm Vorschläge ins Ohr zu flüstern?"
"Er muss erst einmal seinen Krieg gewinnen," sagte Lothíriel daraufhin. "Jetzt, wo Hasael Umbar wieder kontrolliert, wird die Aufgabe ein ganzes Stück schwerer werden."
Valion wandte sich an Lóminîth. „Kannst du mir verzeihen?" fragte er hoffnungsvoll.
"Wir werden sehen," gab seine Verlobte zurück. "Frag mich das heute Nacht nochmal."

Eandril:
Als Hilgorn zwei Tage nach Lóthiriels Rückkehr den fürstlichen Solar betrat, waren bereits vier weitere Personen anwesend: Imrahil selbst, Elphir, der alte Kapitän Veantur, und Mithrellas, die elbische Urahnin des Fürsten. Der Elbe begegnete jeder Mensch in der Stadt mit nahezu ehrfürchtigem Respekt, selbst der Fürst und seine Familie.
"Ist die Súlrohír einsatzbereit?", fragte Imrahil gerade und winkte Hilgorn, der unsicher an der Tür stehen geblieben war, heran.
"Ja, Herr", entgegnete Veantur. "Nach zwei Tagen an Land kommt eine weitere Seereise gerade recht. Wo soll es denn hingehen?"
"Nach Lindon", antwortete Mithrellas an Imrahils Stelle, und schenkte Hilgorn, der sich inzwischen neben Veantur gestellt hatte, ein begrüßendes Lächeln, das ihm beinahe den Atem stocken ließ. Für ihn würde es immer nur Faniel geben, doch die Schönheit der Elben war nicht zu leugnen und... etwas anderes. "Ich möchte herausfinden, ob inzwischen bereits mehr Angehörige meines Volkes bereit sind, den Kampf gegen Mordor wieder aufzunehmen. Der Waffenstillstand mit Sauron wird nicht ewig halten, und dann brauchen wir jeden verfügbaren Bogen und jede verfügbare Klinge."
"Seht ihr das ebenfalls so, General?", fragte Imrahil, und Hilgorn zögerte einen Augenblick und überlegte. Er beschloss, den Vorschlag nicht als Kritik an seinem Vorgehen als General zu werten, und sagte stattdessen: "Meine Männer sind selbstverständlich bereit für alle kommenden Kämpfe, aber... ihr habt Recht. Gegen die Macht von Mordor brauchen wir alle Hilfe, die wir bekommen können."
"Zumal die übrigen Erben Lenwes im Augenblick über Gondor verstreut sind", fuhr Mithrellas fort. "Selbst Ladion scheint noch immer mit der Suche nach eurem Bruder beschäftigt zu sein."
Hilgorn verlagerte unbehaglich seinen Schwerpunkt. "Ich wäre selbst gegangen, aber er überzeugte mich davon, dass er Imradon verfolgen würde."
"Es war kein Vorwurf", erwiderte Mithrellas schlicht und mit einem leichten Lächeln. "Es war seine eigene Entscheidung, und ein Mann in eurer Position kann sich nicht einfach auf ein Abenteuer aufmachen." Sie wandte sich wieder Imrahil zu. "Die Elben Lóriens werden auch im besten Fall keine große Streitmacht aufstellen können, doch eine schlagkräftige. Nachdem unsere Heimat an Saruman gefallen ist, werden wir nun eure verteidigen." Mithrellas wirkte gleichzeitig traurig und entschlossen, und Hilgorn fragte sie wie es sein musste, die eigene Heimat brennen und fallen zu sehen. Für ihn war es einmal beinahe so weit gewesen, und er hoffte, es nie erleben zu müssen.
"Wir schulden euch und eurem Volk auf ewig Dank, Herrin", sagte Imrahil mit einer leichten Verbeugung, die seinen immensen Respekt vor seiner Ahnherrin zeigte. Der Fürst von Dol Amroth verbeugte sich vor sonst niemandem. "Und wenn ihr im Norden seid, werdet ihr nach Gerüchten über meinen Sohn Ausschau halten?"
Hilgorn wusste, von welchem Sohn die Rede war: Amrothos, dem jüngsten der Prinzen, der seit dem Fall von Lórien verschollen war. Bereits die Nachricht von seinem Verschwinden hatte den Fürsten schwer getroffen, sodass Lothíriels Entführung ihn beinahe gebrochen hätte. Doch die Prinzessin war nachhause zurückgekehrt und diese Krise überwunden, und der Fürst wirkte so stark und standhaft wie zuvor.
Mithrellas lächelte beruhigend. "Ich werde alles über Amrothos in Erfahrung bringen, was ich kann - wenn mein Vater ihn nicht bereits gefunden hat."
"Gut", meinte Imrahil mit fester Stimme. "Es wird Zeit, dass er in seine Heimat zurückkehrt."

Nur wenig später hatten Mithrellas und Veantur den Solar verlassen, und Hilgorn und Elphir mit dem Fürsten alleine zurückgelassen.
"Es gibt etwas, das ihr für mich erledigen müsst", begann Imrahil, und wirkte besorgt. "Im höchsten Turmzimmer bewahre ich etwas von höchster Wichtigkeit auf." Er tauschte einen raschen Blick mit seinem Erben aus, der Hilgorn zu dem Schluss kommen ließ, dass Elphir wusste, wovon die Rede war.
"Und nun, da Lothíriel wieder hier ist... werdet ihr es von dort entfernen, und irgendwo im tiefsten Kerker einschließen. Wo nicht einmal ich es finden werde."
Imrahil wirkte angestrengt, als hätte er eine schwere Entscheidung treffen müssen, und Elphir betrachtete seinen Vater besorgt.
Also fragte Hilgorn langsam: "Herr... was ist es, das ihr dort oben im Turm aufbewahrt?"
Imrahil warf Elphir einen scharfen Blick zu, und nickte knapp und anerkennend. "Der Palantír von Osgiliath", sagte er schließlich, und Hilgorn musste sich beherrschen, nicht überrascht nach Luft zu schnappen. Dennoch musste man ihm seine Überraschung deutlich angesehen haben, denn Imrahil lächelte schwach, und erklärte: "Euer Bekannter Merian hat ihn auf Tolfalas gefunden und hergebracht. Nach Lothíriels Entführung wollte ich ihn oft verwenden um zu sehen wo sie ist, und ob es ihr gut geht. Doch... ich habe es nicht gewagt."
"Verzeiht, Herr... aber wieso nicht?", fragte Hilgorn. Eine solche Möglichkeit könnte ihnen entscheidende Vorteile im Kampf gegen Mordor helfen. "Ihr habt einen starken Willen, ich bin mir sicher, ihr hätte den Stein benutzen können."
Imrahil schüttelte den Kopf, während Elphir aufmerksam lauschte. Offenbar hatte Hilgorn die Fragen ausgesprochen, die er sich auch selbst gestellt hatte.
"Es hatte zwei Gründe. Zum einen ist dies der Palantír des Königs, und ihm alleine steht es zu, ihn zu benutzen."
"Aber Herr, er könnte...", wagte Hilgorn zu widersprechen, von seiner eigenen Kühnheit überrascht, doch Imrahil gebot ihm mit erhobener Hand Schweigen. "Und ich habe in Minas Tirith gehört, was mit Denethor geschehen ist", fuhr der Fürst fort, und für einen Augenblick sah Hilgorn die Zerrissenheit in seinen meergrauen Augen aufflackern. "Durch den Palantír von Minas Tirith ließ Sauron ihn verzweifeln und schließlich seine Niederlage bereits im Voraus einsehen. Das war, bevor Sauron seinen Ring zurückerlangt hat, und Denethor war ein stärkerer Mann als die meisten anderen. Ich wagte nicht... Dies ist eine Kraftprobe, die ich nicht einzugehen wagte."
Hilgorn nickte langsam. Er verstand die Zwickmühle in der der Fürst steckte, und er verstand die Entscheidung, die er getroffen hatte.
"Ich werde tun, was ihr verlangt", sagte er, und verneigte sich, obwohl sich ein Teil in ihm dagegen sträubte, eine solche Gelegenheit im tiefsten Kerker zu verschließen.

Nachdem sie die endlosen Stufen bis in den höchsten Turm hinaufgestiegen waren, schloss Elphir die Tür zum Turmgemach auf und Hilgorn trat nach ihm ein. Der Raum war beinahe vollständig leer, bis auf ein steinernes Podest in der Mitte, auf dem ein durch ein Tuch abgedeckter runder Gegenstand lag. Langsam trat Elphir an das Podest heran, legte eine Hand auf das Tuch, und drehte sich zu Hilgorn um.
"Ich bin neugierig", gab der Prinz zu, und zog leicht an dem Tuch. "Du nicht auch?"
Hilgorn schwieg. Er ermunterte Elphir nicht, hielt ihn aber auch nicht zurück, was seine Pflicht gewesen wäre, und so zog der Prinz das Tuch weg. Darunter kam ein nachtschwarzer, glänzender runder Stein zum Vorschein, der Hilgorns Blick magisch anzuziehen schien. Kleine, weit entfernte Lichter blinkten in dem Stein auf, und plötzlich kamen Hilgorn Gedanken, was er damit tun könnte. Er könnte herausfinden, wo Imradon sich aufhielt... einen Beweis für seinen Verrat finden... und er und Faniel könnten heiraten. Er spürte sich selbst einen Schritt auf den Stein zu machen, doch dann warf Elphir das Tuch wieder über den Palantír, und das Gefühl ging vorüber.
"Ziemlich interessant, die Artefakte des alten Númenor", meinte der Prinz unbekümmert. "Zu schade, dass er so gefährlich ist. Komm, ich trage ihn, du gehst voraus", sagte er zu Hilgorn, doch dieser schüttelte mit trockenem Mund den Kopf.
"Nein... ich glaube, es ist besser wenn ich nicht weiß, wo er ist. Hast du nicht... wolltest du nicht hineinsehen?"
Elphir schüttelte verwundert den Kopf. "Nein. Du hast meinen Vater doch gehört, es ist zu gefährlich. Es wäre nicht sonderlich gut, wenn einer von uns der Verzweiflung verfallen würde - oder sogar Saurons Willen, wer weiß, was geschehen kann."
"Als ich ihn gesehen habe... hatte ich all das vergessen", sagte Hilgorn langsam, unsicher. "Ich wollte hineinsehen, Imradon finden, und dafür sorgen, dass er bestraft wird."
Elphir zog besorgt die Augenbrauen zusammen, erwiderte aber beruhigend: "Ladion wird ihn finden. Und du und Faniel werdet heiraten, dafür werde ich persönlich sorgen." Er seufzte, und nahm den Palantír auf, der schwerer zu sein schien als er aussah. "Aber wenn es dir lieber ist, werde ich ihn alleine in Sicherheit bringen. Sorg nur dafür, dass der Weg bis zu den Kerkern frei ist - wir wollen schließlich nicht, dass irgendjemand anders mich hiermit durch den Palast laufen sieht."
Hilgorn erwiderte das Lächeln schwach, mit seinen Gedanken an anderen Orten. Er hätte nicht erwartet, so schwach und leicht zu verführen zu sein, und mit einem Schaudern stellte er sich vor, wie Sauron seinen Willen Stück für Stück brach und sich unterwarf. Mit diesen Gedanken beschäftigt machte er sich daran, Elphirs Bitte auszuführen.

Fine:
Die Woche seit seiner Rückkehr nach Dol Amroth verstrich relativ ereignislos. Botschaften zwischen Tol Thelyn und der Schwanenstadt wurden über Edrahils besondere Vögel ausgetauscht und Valion erfuhr, dass der Wiederaufbau gut voranschritt. An der Grenze zu den von Mordor besetzten Gebieten blieb es ruhig.
Lóminîth lebte sich gut in der Stadt ein und hatte schon bald enge Freundschaft mit der Prinzessin geschlossen, bei der sie meist übernachtete. Valion bekam seine Verlobte nur selten zu sehen, und meistens wurde bei diesen Anlässen nicht viel gesprochen. Und auch Valirë blieb den Großteil der Zeit verschwunden und ließ sich nur hin und wieder an der Seite Erchirions blicken. Es war für Valion eine seltsam ruhige Zeit des Abwartens, die erst endete, als Imrahil eine Woche nach der letzten Ratssitzung erneut den Kriegsrat einberief.

Erneut waren die wichtigsten militärischen und sonstigen Berater des Fürsten anwesend, sowie die Herren der beiden an Dol Amroth angrenzenden Lehen Belfalas und Edhellond. Imrahil hatte eine große Karte Gondors auf dem Tisch ausgebreitet, um den sie herum standen. Garnisonen und Truppenbewegungen wurden mit kleinen hölzernen Figuren in der Form von Reitern oder Soldaten darauf dargestellt. Gerade nahm der Fürst einen der Reiter, der bei Dol Amroth gestanden hatte, und verschob ihn nach Linhir, an die Front.
"Ich will, dass eine Kompanie der besten berittenen Späher nach Linhir verlegt und unter das Kommando des jungen Túrin gestellt wird," sagte Imrahil. "Sie sollen ein aufmerksames Auge auf das gegenüberliegende Ufer des Gilrain haben, der momentan unsere Ostgrenze darstellt. Späher auf Pferden können die gesamte Strecke des Flussufers besser und schneller überwachen. Uns darf nichts entgehen. Ich bin wegen der langen Stille beunruhigt und fest entschlossen, unsere Wachsamkeit nicht schwinden zu lassen. Diesen Fehler hat man in Gondor einmal zu oft gemacht."
"Es wird geschehen wie Ihr befehlt, mein Fürst," bestätigte Hilgorn, der die entsprechenden Befehle bereits in schriftlicher Form niederschrieb.
"Was gibt es Neues von der Flotte?" fragte Imrahil in Richtung des obersten Kommandanten, Tirn Aear Amros von Edhellond.
"Die Gewässer sind ruhig und es gibt keine Anzeichen auf Korsarenaktivitäten nördlich des Kaps von Umbar," berichtete dieser. "Ehe aerhír Veantur mit der Súlrohír nach Mithlond aufbrach hat er uns mit von ihm selbst angefertigten Seekarten versorgt und ich habe, wie von Meister Edrahil angeraten, ein mit Vorräten und Waffen beladenes Schiff zur Weißen Insel geschickt. Aufgrund der von uns kontrollierten Lage in der Bucht von Belfalas war es mir sogar möglich, dem Transport zwei kleinere Kriegsschiffe als Geleitschutz mitzugeben. Unsere neuen Verbündeten auf Tol Thelyn werden ihren Wiederaufbau dank unserer Hilfe viel schneller vorantreiben können." Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: "Unsere Flotte ist auf fünf Häfen verteilt: Dol Amroth und Edhellond sind dabei am stärksten bemannt, doch auch in Revaillond in Anfalas und in den Häfen von Tolfalas und Linhir liegen einige unserer Schiffe. Außerdem befinden sich momentan drei neue Kriegsschiffe in Edhellond im Bau."
"Gut," befand Imrahil. "Stadtkommandant Beretar, wie ist die Lage in der Stadt? Ich gehe davon aus, dass die Mauern und Tore gut bewacht sind?"
"Keine besonderen Vorfälle zu melden, mein Herr," sagte Beretar, ein junger Mann mit kurzen, braunen Haaren, der die blausilberne Rüstung der Stadtwache trug. "Die Unterstützung der Elben aus dem Goldenen Wald ist von unschätzbarem Wert. Wenn Herrin Mithrellas wirklich dafür sorgen kann, dass sich uns noch mehr von ihrem Volk anschließen, wird bald nichts und niemand mehr unsere Stadt bedrohen können. Schon jetzt ist es Feinden schier unmöglich, sich ungesehen in Sichtweite der Mauern zu schleichen. Diese Elben haben sehr scharfe Augen und Ohren, und ihnen scheint nichts zu entgehen."
Erneut nickte Imrahil zufrieden. "Das sind ebenfalls gute Nachrichten. Und wie steht es mit der Versorgung unserer Krieger und Bürger aus, Quartiermeister Naerdur?"
Naerdur, ein ergrauter Mann in den feinen Gewändern eines Adeligen, verbeugte sich. "Die Ernte steht in wenigen Wochen bevor, mein Fürst. Glücklicherweise sind die Felder von Anfalas und die Herden in den Pinnath Gelin bisher vom Krieg verschont geblieben, und auch in Belfalas haben unsere Feinde weniger Verwüstung unter den Bauernhöfen angerichtet, als erwartet. Die Obstbäume von Lamedon tragen bereits reichlich Frucht und die Weinberge von Edhellond und Morthond sind gefüllt von weißen und roten Trauben. Wir haben mehr als genug, mein Fürst, selbst nach der großen Schiffsladung, die nach Süden auf die Insel entsandt wurde. Sogar auf Tolfalas werden schon die ersten Beeren geerntet."
Imrahil strich sich anerkennend übers Kinn. "Also gut. Dann wissen wir grunsätzlich, wo wir stehen. Abgesehen von einem Thema. Arachír ó Dagarim, wie ist die Lage beim Heer?"
Damit war Hilgorn gemeint, der nun seinen Bericht vorbrachte, während einer der Fürsten passend dazu die Figuren auf der Karte verschob. "Viel hat sich nicht geändert, aber der Vollständigkeit halber werde ich noch einmal auf die wichtigsten Posten unserer Streitkräfte eingehen," begann der General. "Hier, in Dol Amroth, halten sich die Hälfte unserer sofort einsatzbereiten Soldaten sowie der Großteil der Schwanenritter auf. Dazu kommen die Elben der Erben Lenwes, die hír Beretar bereits angesprochen hat. Wir sind zuversichtlich, die Stadt gegen jeden Angriff halten zu können." Sein Finger fuhr von Dol Amroth nach Norden, wo sich der Hafen von Edhellond befand. "In Edhellond ist der Großteil der reniadrim stationiert, und weitere Seesoldaten werden ausgebildet. Fürst Angbor, der inzwischen nach Calembel zurückgekehrt ist, hält seine Burg mit einigen wenigen Männern besetzt, doch der Großteil der Krieger von Lamedon ist nach Linhir beordert worden, ebenso wie die Männer von Morthond. In Linhir und an der Gilrain-Grenze lagert die Hälfte jener Soldaten, die sich nicht in Dol Amroth befinden. Der Rest - also ein Viertel unserer Gesamtstreitmacht - ist auf kleinere Festungen und Städte im Land verteilt: Maerost in Anfalas, Arandol in den Pinnath Gelin an der Nordwestgrenze, Barad Forn am Oberlauf des Gilrain, die Befestigungsanlagen des fürstlichen Sommersitzes auf Tolfalas, die Leuchtturmstadt von Lontirost am Kap Belfalas, und zu guter Letzt die Festung Belegarth im Ethir."
"Sind all unsere Festungen und Stützpunkte gut bemannt?" hakte Imrahil nach.
"Ja, Herr," bestätigte Hilgorn, und Elphir ergriff das Wort: "Durch die Flüchtlinge aus den besetzten Gebieten haben wir viele neue Rekruten hinzugewonnen, und da die Schmieden Dol Amroths gute Arbeit leisten, haben wir auch genug Waffen für die neuen Soldaten. Es war wichtig, dass die Minen von Dor-en-Ernil und die im Weißen Gebirge weiterhin in unserer Hand geblieben sind."
"Und was hat der Herr der Spione zu berichten?" wandte sich der Fürst von Dol Amroth an Edrahils Stellvertreter. "Ich habe Edrahils Anweisungen gelesen und für gut befunden. Wie sieht es mit der Durchführung aus, hîr Amrodin?"
"Gut, mein Fürst," antwortete Amrodin. "Wie angeordnet habe ich meine besten Leute nach Linhir und Arandol geschickt, um den Gerüchten nachzugehen, von denen Herr Edrahil gehört hat. Außerdem ist es mir erneut gelungen, Kontakt zu hír Damrod und seinen radandrim aufzunehmen. In Bâr Húrin sind Nachrichten über eine bevorstehende Schlacht in der Nähe der Südgrenze Harondors eingetroffen. Wir alle sollten hoffen, dass arachír Qúsay siegreich daraus hervorgehen wird."
"Das ist ihm durchaus zuzutrauen," befand Imrahil und bedeutete Amrodin, mit dem Bericht fortzufahren.
"Die Waldläufer in Ithilien führen ihre Angriffe und Störaktionen weiterhin fort," berichtete dieser. "Meines Erachtens nach sind sie der Grund dafür, weshalb sich die Truppen Mordors noch nicht zu einem Angriff auf unsere Verteidigungslinie bei Linhir oder auf Belegarth entschlossen haben. Der dunkle Herrscher hat sein Blatt überreizt."
"Wir sollten dennoch vorsichtig bleiben," wandte Ardamir, der Herr von Belfalas ein. "Den Schatten im Osten zu unterschätzen könnte unserer letzter Fehler sein."
"Unsere Wachsamkeit darf nicht nachlassen," bekräftigte Imrahil und dachte einen Augenblick nach. Dann wandte er sich an Valion. "Ich denke, es wäre gut, eine permanente Verbindung zu Damrods Leuten herzustellen. Valion, du wirst dich mit Hilgorn beraten und er wird dir eine angemesse Zahl an Soldaten anvertrauen, mit denen du das Gebiet im Ethir und an beiden Ufern des Großen Stromes wieder besetzen kannst. Damit stünde uns der Weg nach Ithilien jederzeit offen. Richte es so ein, dass du spätestens in zwei Wochen aufbrechen kannst. Schiffe wird dir der Tirn Aear zur Verfügung stellen... und diesmal sogar ohne die Überredungskünste deiner Schwester."
Valion grinste, während Amros etwas betreten drein blickte. "Wie ihr Befehlt, Fürst Imrahil," bestätigte Valion. Endlich würde er wieder mehr zu tun haben und durfte in seine Heimat zurückkehren. Exzellent.

"Kommt heute Nachmittag zu mir, und wir besprechen die Befehle des Fürsten," sagte Hilgorn, nachdem der Kriegsrat beendet worden war. An seiner Stimme und Haltung glaubte Valion zu erkennen, dass der General nicht sonderlich daüber erfreut war, doch er konnte sich täuschen. Nachdem er Hilgorn stehen gelassen hatte machte er sich auf die Suche nach seiner Schwester, die er jedoch im Palast nicht fand. Ehe er das große Gebäude verlassen konnte, kamen ihm jedoch seine Verlobte und Lothíriel entgegen, die beide die blausilbernen Farben der Schwanenstadt trugen und leise miteinander tuschelten.
"Da bist du ja, Valion," rief Lóminîth und kam herbei. "Als ich heute morgen aufgewacht bin, warst du schon weg."
"Der Fürst hat mich zum Kriegsrat gerufen," erklärte er.
"Wenn ich dich rufe, kommst du nie," erwiderte sie anklagend. "Außer wenn es um nächtliche Aktivitäten geht."
Lothíriel, die bei diesen Worten leicht errötete, kicherte. "Das ist wirklich nicht sehr nett," kommentierte sie.
"Es tut mir Leid," gab Valion zurück. "In den letzten Tagen hatte ich viel zu tun."
"Da hat mir deine Schwester aber eine andere Geschichte erzählt," stellte Lóminîth klar. "Sie sagt, du langweilst dich hier."
"Valirë mag es, mich in Schwierigkeiten zu bringen," erklärte Valion. "Etwas Ruhe und Frieden zu haben könnte mich niemals langweilen, schon gar nicht, seitdem ich diese wunderschöne und interessante Verlobte bekommen habe."
"Hmmm," machte Lóminîth unschlüssig, doch für den Augenblick schien sie etwas beschwichtigt zu sein. Schnell berichtete Valion von den Plänen, die beim Kriegsrat gemacht worden waren, um die beiden Frauen auf andere Gedanken zu bringen.
"Du kehrst also bald zum Ethir zurück?" fragte Lothíriel. "Ist es dort denn schon wieder sicher?"
"Dafür werden wir sorgen," stellte Valion klar. "Ihr werdet es schon sehen."

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