Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rhun
Anwesen des Fürsten von Gorak
Fine:
Ryltha, Salia und Cyneric aus der Stadt
Es dauerte eine Weile, bis es Ryltha und Cyneric gelungen war, Salia aufzuspüren. Die dunkelhaarige Schattenläuferin hatte ihren Beobachtungsposten auf dem Dach eines der Häuser in der Nähe des Fürstensitzes längst aufgegeben. Ryltha umrundete die Rückseite der Mauer, die Radomirs Wohnsitz umgab und blickte sich suchend um, bis sie mit einem zufriedenen Nicken geradeaus deutete. Cyneric folgte ihrem Blick und entdeckte eine Menschenmenge, die sich vor dem Haupttor des Anwesens zu versammeln begann. Sie setzte sich größtenteils aus Menschen in ärmlicher Kleidung zusammen. Viele trugen improvisierte Waffen mit sich.
“Sehr gut,” meinte Ryltha. “Sie hat bereits damit begonnen, die Bevölkerung gegen Radomir aufzubringen.”
Als er genauer hinsah, entdeckte Cyneric Salias dunklen Schopf inmitten der Menge. Er war erstaunt, wie jung sie nun wirkte, denn sie hatte ihre dunkle Kleidung gegen Lumpen aus hellerem Stoff getauscht und ihre Haare flatterten frei im Wind.
Die Menge war laut, doch Cyneric konnte die aufgebrachten Worte nicht verstehen, denn offenbar verwendeten die Menschen in ihrem Protest einen gorakischen Dialekt der Ostlingssprache. Ryltha übersetzte: “Sie sagen, dass eine der Wachen sich an dem Mädchen mit den dunklen Haaren vergangen hat, obwohl sie keine Sklavin ist und obwohl das Betteln auf dem Platz vor dem Anwesen ausdrücklich erlaubt ist.”
Sie hielten etwas Abstand von der Menge und beobachteten, wie sich die Situation entwickelte. Vor dem Tor des Anwesens standen vier bewaffnete Wachen, die ihre Speere in Richtung der Menschenmenge gerichtet hatten. Doch Cyneric konnte an ihrer Körperhaltung erkennen, dass nicht alle von ihnen sonderlich davon überzeugt waren, mit Gewalt gegen die Aufständischen vorzugehen. Als die Menge wenig später noch größer geworden war, zogen sich die Wachen schließlich durch das Tor ins Innere des Anwesens zurück.
Das schien den Zorn der Menschen noch mehr anzufachen. Sie schlugen mit Fäusten und Keulen gegen das Tor und schließlich wurden Fackeln in Brand gesetzt, die noch mehr Schaden an denen Holzkonstruktion des Torhauses anrichteten. Schon bald stand das gesamte Tor in Flammen.
Eine Alarmglocke ertönte vom obersten Stockwerk des Anwesens, und die halb zerstörten Torflügel schwangen auf. Mehr als ein Dutzend Wachen strömten heraus und es gelang ihnen zunächst, die Menge ein gutes Stück zurückzudrängen.
Salia tauchte inmitten des sich ausbreitenden Chaos neben Cyneric und Ryltha auf. Rasch band sie ihre Haare zusammen, damit sie bei den Kämpfen nicht im Weg waren, während Ryltha ihren Bogen vom Rücken nahm.
“Zeit, dass sich die Sklaven an der Sache beteiligen,” meinte sie seelenruhig, während sie sich von Salia einen schweren Brandpfeil reichen ließ. Mit einem gut gezielten Schuss über die Überreste des Tores hinweg ließ sie den Pfeil durch eines der oberen Fenster des Anwesens fliegen.
Es dauerte nicht lange, bis die Kämpfe am Tor und das Feuer im Inneren bemerkt wurden. Das Fenster neben dem, durch das Ryltha ihren Pfeil geschossen hatte, zerbarst in einem Regen aus Scherben, als der Körper eines Gardisten mit Wucht hindurchgeworfen wurde. Gleichzeitig gerieten die Wächter am Haupttor in Unordnung, als sie von hinten von aufständischen Sklaven angegriffen wurden. Einige von ihnen ergriffen die Flucht während der Rest weiter verbissen versuchte, Radomirs Anwesen zu verteidigen.
Ryltha zog eine lange, gebogene Klinge hervor. “Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob der gute Fürst Radomir Zeit für uns hat. Bei unserem letzten Treffen wurden wir ja leider unterbrochen.” Ein böses Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Dann marschierte sie los, in Richtung des Tores.
Jemand schob sich zwischen Cyneric und Salia, als sie gerade Ryltha folgen wollten. Der starke Alkoholgeruch ließ Cyneric husten. Er blinzelte, und dann erkannte er Alvar, den Gardisten mit dem er in einer der Tavernen gesprochen hatte.
“Ihr geht den Fürsten töten?” fragte Alvar undeutlich.
Ehe Cyneric eine Antwort darauf geben konnte, zog ihn Salia mit sich. Alvar folgte ihnen und hatte diese Reaktion offenbar als Bestätigung aufgefasst.
“Dann komm’ ich mit euch. Habe sowieso nichts mehr zu verlieren.” Er zog sein Schwert und begann, sich seinen Weg zum Tor zu bahnen.
Rasch schlossen sie zu Ryltha auf, die gerade einen der loyalen Gardisten Radomirs erstochen hatte. Die blonde Schattenläuferin warf einen kritischen Blick auf Alvar, nickte dann jedoch als dieser ihr erklärte, dass er helfen wollte.
“Also gut. Bleibt zusammen. Je eher wir Radomir finden - und töten - desto eher können wir aus diesem Chaos verschwinden.”
Sie kamen in die Eingangshalle des Anwesens, in der Sklaven und Wachen sich gegenseitig bekämpften, während sich das Feuer langsam ausbreitete.
“Er wird wohl in seinem Arbeitszimmer sein,” nuschelte Alvar und deutete auf eine der Treppen, die nach oben führten. Glücklicherweise brannte dort noch kein Feuer.
Ryltha eilte voraus, die Treppe hinauf und in einen langen Gang, an den viele Türen angrenzten. Viele standen offen und die dahinter liegenden Räume waren teilweise geplündert worden. Der Großteil der Kämpfe schien in den unteren Stockwerken stattzufinden, doch als die Gruppe um eine scharfe Ecke bog, sahen sie sich drei schwer gerüsteten Wächtern gegenüber, zu deren Füßen mehrere tote Sklaven in einer Blutlache lagen.
Cyneric trat vor, Schwert und Schild kampfbereit erhoben. Salia, die keine Rüstung trug, wich zurück und hielt sich im Hintergrund. Ryltha hingegen schien keinerlei Bedenken zu haben, obwohl sie noch immer das Kleid einer Adeligen trug. Alvar packte sein Schwert mit beiden Händen, und ging zum Angriff über. Er schlug einen Speer beiseite und riss den Mann, der sich ihm in den Weg gestellt hatte, zu Boden. Um sich schlagend kämpften beide im Liegen weiter. Cyneric blockte derweil einen Speerstich mit seinem Schild, doch die Spitze des Speeres verfing sich im Holz und als der Wächter Radomirs seine Waffe brutal zurückriss, verlor Cyneric den Schild. Nur mit Mühe gelang es ihm, zwei weitere Speerstiche zu parieren. Ohne den Schild zu kämpfen war ungewohnt, und er geriet rasch in Bedrängnis. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Ryltha ebenfalls in Schwierigkeiten geraten war. Ihr Schwert hatte die schwere Rüstung ihres Kontrahenten nicht durchdringen können, und dank der größeren Reichweite des Speeres musste sie sich darauf beschränken, den Angriffen des Gardisten auszuweichen. Doch in dem Gang, in dem sie kämpften, war nicht genug Platz dafür.
Alvar rappelte sich auf. Sein Gegner hingegen rührte sich nicht mehr. Irgendwie musste er es trotz seines alkoholisierten Zustandes geschafft haben, den Gardisten zu töten. Alvar rülpste lautstark und stürzte sich auf den nächsten Feind, der gerade Ryltha gegen die Wand gedrängt hatte. Diese Ablenkung genügte der Schattenläuferin, um ihre Klinge zielsicher durch den schmalen Schlitz des Gardistenhelmes ihres Gegners zu stoßen. Gurgelnd brach der Mann zusammen.
Cyneric hatte derweil einen langen Schnitt an der Schulter hinnehmen müssen. Er presste die linke Hand auf die Wunde, doch das Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Einen weiteren Speerstich konnte er mit seinem Schwert gerade genügend ablenken, sodass die Spitze ihn verfehlte. Dann schien der Wächter zu erkennen, dass er sich in der Unterzahl befand. Er ließ von Cyneric ab und stürmte durch eine der offen stehenden Türen davon.
“Das hätten wir,” keuchte Ryltha, während Salia den unteren Rand ihres Gewandes abriss und daraus einen notdürftigen Verband für Cynerics Wunde anfertigte. Sie legten eine kurze Verschnaufpause ein, bis die Wunde aufgehört hatte, zu bluten.
“Da vorne ist es,” murmelte Alvar, der schwer außer Atem zu sein schien. Er deutete auf eine schwere Tür am hinteren Ende des Ganges, in dem sie standen. “Da drin muss er sein, der Bastard.”
“Dann bringen wir es zu Ende,” entschied Ryltha. “Kommt.”
Sie legten das letzte Stück Weg zurück und Ryltha versuchte, die Tür zu öffnen. “Versperrt,” stellte sie frustriert fest. “Also gut. Cyneric, Alvar - aufbrechen!”
Rohirrim:
Zarifa aus den umliegenden Bergen von Gorak
Das Ziel lag klar und deutlich vor ihren Augen. Ein riesiges Anwesen. Ein hell erleuchteter Raum. Nur durch eine Fensterscheibe von der Außenwelt geschützt. Zarifa blickte auf ihre rechte Hand. Dort befand sich ein silbern schimmernder Dolch. Sie hatte ihn auf dem Weg hierher mit von einem ahnungslosen Händler gestohlen und geflohen, bevor dieser auch nur etwas bemerkt hatte. Das erinnerte die junge Frau an ihre Zeit in Umbar. Wie sie mit Leichtigkeit Kaufmänner, Händler und Adelige bestohlen hatte, um selber über die Runden zu kommen. Es war ein beruhigender Gedanke, dass sie trotz allem, was ihr widerfahren war, ihre Fähigkeiten nicht verlernt hatte. Sie war immer noch der gleiche Mensch, wie damals. Oftmals hatte sie das Gefühl, ihr früheres Leben sei nichts weiter als ein schöner Traum, an den man sich zwar gerne zurückerinnert, der jedoch mit der Zeit immer weiter verblasst und schließlich komplett in Vergessenheit gerät. Und doch war dieses Leben ein Teil von ihr. Ihre Fähigkeiten waren noch da. Ihre Überzeugungen waren noch da. Ihr Humor war noch da. Ich bin noch da!
Erneut blickte Zarifa auf den schimmernden Dolch in ihrer Hand. Ein Dolch war es gewesen, der Ziads Leben beendet hatte. Sie konnte seine Leiche klar und deutlich vor ihrem inneren Auge sehen. Der Mann, der dafür verantwortlich war, war bereits tot. Sie selbst hatte Kazimirs Leben beendet. Und jetzt war Radomir an der Reihe. Zarifa konnte ihr Leben nicht weiterführen, solange Radomir lebte. Und sie konnte nicht sterben, ohne zumindest zu versuchen, Radomir mit in den Tod zu reißen. Was auch immer heute geschehen würde: Am Ende des Tages würde entweder Sie oder Radomir tot sein. Oder beide. Vielleicht würde sie im Tod wieder mit Tekin vereint sein? Vielleicht könnte sie ihm erneut in seine wunderschönen braunen Augen sehen?
Der Dolch in ihrer Hand war sehr leicht und einfach verarbeitet. Keine Verzierungen, kein extravaganter Griff, keine außergewöhnliche Form. Einfach nur eine scharfe Klinge an einem normalen Griff. Zarifa mochte diese Eigenschaften, auch wenn sie nicht genau sagen konnte warum. Irgendetwas verband sie mit diesem Dolch.
Zarifa blickte nun herauf zu dem Fenster. Würde es wirklich so einfach werden? Sie befand sich an der Rückseite des Anwesens und eines der Fenster führte direkt zu Radomirs Büro. Dort hinauf zu klettern würde eine ihrer leichteren Übungen werden. Der schwierige Teil begann in dem Anwesen. Würde sich Radomir überhaupt in seinem Büro befinden? Falls ja, würde er alleine sein? Und wie schnell würde er seine Wachen herbeirufen können, wenn er seinen unerwarteten Besuch bemerkt hatte?
Zarifa blickte sich um. Ihr fiel auf, dass sie bisher noch keine einzige Wache gesehen hatte. Das war seltsam. Hatte Radomir etwa auch den Großteil seiner Wachen ausgesandt, um nach Zarifa zu suchen, so wie Kazimir es damals getan hatte? Das war schwer vorstellbar. Radomir schien wesentlich intelligenter und vorausschauender zu sein als sein oberster Vertreter. Aber wo waren die Wachen dann?
Erst jetzt bemerkte die junge Frau die ungewöhnlich hohe Lautstärke, die von der Vorderseite des Anwesens zu kommen schien. Was ging da vor? Sollte sie vielleicht doch lieber umkehren und einen besseren Plan ausarbeiten?
Nein! Ich habe genug vom Pläne schmieden! Ich werde es jetzt versuchen. Und wenn ich selber dabei draufgehe. Wen interessiert schon die Gefahr? Hier geht es um das, was richtig ist. Wenn ich sterbe, dann ist es eben so. Oder will ich es vielleicht sogar?
Zarifa zwang sich, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Sie musste jetzt konzentriert bleiben. Vorsichtig kletterte sie über den Zaun, der das Grundstück umgab. Noch immer waren keine Wachen zu sehen. Zügig und entschlossen ging die junge Frau auf das Haus zu. Niemand hielt sie auf. Ging das nicht alles viel zu leicht? Keine Wachen und ein leicht erreichbares Fenster im ersten Stock? Irgendetwas ging hier vor.
Zarifa richtete ihre Gedanken wieder auf ihre Aufgabe. Sie steckte den Dolch in ihren Mund und begann, die Hauswand hinaufzuklettern. Es war nicht leicht, doch Zarifa hatte bereits häufig trainiert, wie man sie nur mithilfe von Fensterrahmen und unregelmäßigen Steinen eine Wand hochklettern konnte. Nach wenigen Sekunden hatte sie ihr Ziel erreicht. Sie blickte durch das Fenster in den Raum, in dem sie einst Kazimir getötet hatte. Anschließend war sie durch eben dieses Fenster geflohen, durch das sie nun blickte. Zarifa untersuchte das Glas. Es war sehr dünn. Genau wie sie gehofft hatte. Es würde ein leichtes sein, diese Scheibe kaputt zu bekommen. Zarifa warf einen erneuten Blick durch das Fenster und erblickte nun Fürst Radomir, der sich gerade an der Tür zu schaffen machte. Er schien die Tür verstärken zu wollen. Ahnte er nicht, dass die Gefahr eigentlich am Fenster lauerte?
Zarifa atmete tief durch. Sie war so kurz davor, den Mann zu töten, der ihr so viel Leid zugefügt hatte. Den Mann, der Tekin hatte töten lassen. Den Mann, der seine Sklaven als bloße Objekte missbrauchte. Niemand sonst befand sich in dem Raum. Es würde kein Entkommen für ihn geben. Zarifa war bereit. Sie packte den Dolch vorsichtig am oberen Ende des Griffes und schlug mit dem Griff auf die Scheibe ein. Es klirrte laut und das Fenster war stark beschädigt. Erschrocken drehte Radomir sich um. Er erblickte Zarifa. Er fing an zu grinsen. Hass schwoll in Zarifa heran. Wie konnte er es wagen, jetzt zu grinsen? Nach allem was passiert war? Wusste er nicht, warum sie hier war?
Erneut schlug Zarifa mit dem Dolchgriff gegen das Fenster. Und diesmal zerbarst die Scheibe, sodass sich eine Einstiegsmöglichkeit bot. Hastig betrat die junge Frau das Zimmer. Dabei ging sie so unvorsichtig vor, dass sie sich mit dem Ellenbogen an einer Glasscherbe schnitt. Der Schmerz, auch wenn es nur ein sehr leichter Schmerz war, durchfuhr Zarifa wie ein Schlag. Es war, als würde sie aus einer Art Traum erwachen. Sie war tatsächlich hier. In Radomirs Büro. Auge in Auge mit dem Feind. Der Schnitt an ihrem Ellenbogen schien irgendwas in Zarifas innerem wieder aufgedreht zu haben. Auf einmal prasselten all die Erinnerungen wieder auf sie ein. Erinnerungen an körperliche Schmerzen. Erinnerungen an seelisches Leid. Erinnerungen an die Verluste von geliebten Menschen.
Ein silberner Dolch. Blutspritzer auf ihrer Kleidung. Ziads Leiche. Der Geschmack von Blut in ihrem Mund. Finger, die sie berührten, obwohl sie es nicht wollte. Hilfeschreie, die von niemandem gehört wurden. Ein gieriger Blick. Ein ekelerregendes Geräusch auf dem Höhlenboden. Tekins abgetrennter Kopf in ihrem Gesicht. Der Hieb einer Peitsche. Eine Hand, die langsam ihr Kleid hochzog. Ein zahnloses Grinsen. Verrat, Missbrauch und Tod. All das Leid, das sie erfahren hatte, glitt innerhalb von wenigen Sekunden an ihrem geistigen Auge vorbei. All das Leid, für das Fürst Radomir letztlich verantwortlich war. Radomir, der sie als Sklavin gekauft und sie damit jeglicher Freiheit beraubt hatte. Radomir, der seinen Vertreter frei gewähren ließ, wenn es um die Bestrafung von Sklaven ging. Radomir, der ihre große Liebe ermorden ließ. Radomir, der jetzt hier vor ihr stand und grinste. All der Hass, der sich in den letzten Wochen in Zarifa angestaut hatte, schwoll nun wieder an, während Radomir das Wort ergriff:
„Ah, Zarifa! Ich hatte mich schon gefragt, wann du wieder auftauchst. Ich wusste, früher oder später würdest du mich aufsuchen. Dass es ausgerechnet jetzt der Fall ist, muss Schicksal sein.“
Zarifa bebte innerlich. Sie wollte laut losschreien, doch irgendetwas hielt sie zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, wie laut es in dem Anwesen war. Sie konnte nicht bestimmen, was genau hier vor sich ging, doch irgendetwas war ganz gewiss nicht normal. Hatte es einen Grund, wieso niemand die Rückseite des Anwesens bewacht hatte?
„Ich bin mir sicher, dass du zornig bist. Ich sehe es dir an. Du bist hier, um mich zu töten. Allerdings solltest du dir das noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Was bringt es dir denn im Endeffekt? Was geschehen ist, ist geschehen. Mein Tod wird daran nichts ändern“, erklärte Radomir mit einer schleimigen Stimme.
„Es geht hier nicht darum, die Vergangenheit zu ändern. Es geht hier um Gerechtigkeit.“ Zarifa sprach ganz leise, doch ihre Stimme zitterte. Sie konnte nur mit aller Kraft einen Wutausbruch verhindern. Trotz der allgemeinen Lautstärke in dem Anwesen, wollte Zarifa nicht riskieren, dass sie jemand hörte.
„Gerechtigkeit? Das ist ein starkes Wort, doch seine Definition ist sehr undeutlich. Was ist denn Gerechtigkeit? War es nicht gerecht, dass Tekin für seinen Vertrauensbruch bestraft wurde? War es nicht gerecht, dass Yasin für seine Dienste belohnt wurde? War es nicht gerecht, dass Ziad für seinen Ungehorsam seinem rechtmäßigen Meister gegenüber bestraft wurde?“
Das war zu viel für Zarifa. Die Art und Weise, wie Radomir den Begriff der Gerechtigkeit missbrauchte, um unmenschliches Verhalten zu legitimieren, brachte das mit Hass gefüllte Fass in Zarifas Innerem zu überlaufen. Sie sprang wild und mit dem Dolch fuchtelnd auf Radomir zu. Dabei schrie sie ihre Gedanken frei heraus, um ihren Gefühlen in irgendeiner Form Luft machen zu können: „GERECHTIGKEIT IST, WENN ALLE MENSCHEN GLEICHBEHANDELT WERDEN!“ Sie versuchte Radomir mit dem Dolch zu verletzen, doch der verteidigte sich, sodass Zarifa nur leicht seine Arme traf. Sie war keine Kämpferin. Und obwohl Radomir unbewaffnet war, fiel es ihr schwer, einen tödlichen Schlag zu landen. „GERECHTIGKEIT IST, WENN NIEMAND SICH ÜBER SEINE MITMENSCHEN STELLT!“
Radomir packte nun Zarifas rechten Arm und verhinderte damit, dass die junge Frau weiterhin mit dem Dolch zuschlagen konnte. Er war wesentlich stärker als sie und dennoch versuchte Zarifa weiterzukämpfen. Mit der linken Hand und mit ihren Beinen versuchte sie dem Fürsten irgendwie Schmerzen zuzufügen. „GERECHTIGKEIT IST, WENN MENSCHEN FÜR IHRE TATEN ZUR RECHENSCHAFT GEZOGEN WERDEN!“, schrie sie, doch nun hatte Radomir auch ihren zweiten Arm gepackt. Zarifa versuchte sich zu befreien, doch Radomir war viel größer und stärker als sie.
„Es ist bedauerlich, dass du nicht erkennst, wieso die Dinge so sind, wie sie sind. Merkst du es vielleicht jetzt? Du bist schwach! Du bist mir unterlegen. Ein kleines bisschen Talent und Glück haben in dir den Gedanken geweckt, du seist etwas wert. Doch das bist du nicht. Das warst du nie. Alle Angebote, die ich dir je gemacht habe, waren aus reiner Herzensgüte. Ich bin dir überlegen. Jede Frau in dieser Stadt und jeder Mann auf der Welt ist dir überlegen. Ich würde mich am liebsten sofort mit dir befassen, doch wie du vielleicht bemerkt hast, habe ich gerade leider keine Zeit. Ich muss mich um wichtigere Dinge kümmern, als um Ungeziefer, das seinen Platz nicht kennt. Du kannst in der Folterkammer warten, während ich mich mit dem anderen Abschaum befasse.“Zarifa spürte, Radomir sie in Richtung der Geheimtür schleifte. Der Dolch war immer noch in ihrer Hand, doch sie konnte ihren Arm nicht bewegen. Radomirs Griff war zu fest. Sie war so nah dran. So nah!
In ihrer Verzweiflung hörte Zarifa wie von ganz weit her ein einzelnes Wort: „Aufbrechen!“ Es schien aus einer anderen Welt zu kommen, doch sie hatte es gehört. Was hatte das zu bedeuten?
Plötzlich ging ein lauter Knall von der Tür aus. Erschrocken wandte Radomir seinen Kopf in Richtung Tür. Ein Moment der Unachtsamkeit. Ein Moment der Ablenkung. Zarifa spürte, wie sein Griff sich lockerte. Die junge Frau nahm all die noch in ihr vorhandene Kraft zusammen und riss ihre Hand, in der sie immer noch den Dolch trug, los. Das hier ist Gerechtigkeit!, dachte sie.
Fine:
Radomir musste die Tür zu seinem Arbeitszimmer verstärkt haben, denn sie leistete erstaunlichen Widerstand gegen die Versuche, sie einzutreten. Cyneric warf sich mehrmals mit seiner unverletzten Schulter dagegen, doch erst als er und Alvar gleichzeitig gegen das Holz krachten, gab die Tür endlich nach. Alvar fiel der Länge nach in den Raum dahinter, während es Cyneric gerade so gelang, auf den Füßen zu bleiben. Er stolperte vorwärts, ins Innere von Radomirs Arbeitszimmer, gefolgt von Ryltha und Salia. Rasch hob er seinen Schild auf und blickte sich kampfbereit um. Seine Verletzung schmerzte, doch er biss die Zähne zusammen. Radomir war zum Greifen nah, und er musste sterben. Dies war wahrscheinlich die einzige Gelegenheit, die sie bekommen würden. Hastig erfasste Cyneric die Lage im Zimmer.
Ein großer hölzerner Tisch dominierte den Raum, auf dem allerlei Bücher und Schriftrollen lagen. Cyneric verzog das Gesicht, als er zwei Daumenschrauben auf dem Tisch entdeckte und er wurde erneut daran erinnert, wie grausam Radomir war. Hinter dem Tisch war ein großes Fenster, das einen guten Blick über das Anwesen bot. Beide Flügel des Fensters standen weit offen und das Glas war zersplittert. Scherben lagen auf dem Boden direkt unterhalb des Fenstersimses. Der Rest des Raumes war luxuriös eingerichtet, mit Regalen aus edlem Holz voller Bücher und einem großen Sessel in einer der Ecken. Es war das Arbeitszimmer eines Tyrannen.
Und dort, zwischen Schreibtisch und Fenster stand er: Radomir, Fürst von Gorak und Herr über unzählige Sklaven. Er hatte den Schattenläufern den Rücken zugewendet, was Cyneric an den Augenblick erinnerte, als er und Salia in Gortharia in Radomirs Gemach eingebrochen waren. Auch damals hatten sie sich im Vorteil gewähnt, doch Radomir hatte sie kommen sehen und hatte sich ihrem Attentatsversuch mit Leichtigkeit entzogen. Auch diesmal zeigte er zunächst keine Regung, während die Eindringlinge vorsichtig im Raum Stellung bezogen.
Eine unheimliche Stille trat ein. Alvar grunzte angestrengt und versuchte, sich aufzurappeln. Cynerics Faust schloss sich noch fester um den Griff seines Schwertes - so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Die Anspannung stieg beinahe bis ins Unerträgliche an. Dann drehte sich Radomir langsam, sehr langsam zu ihnen um.
Sein Blick ging ins Leere, ein Ausdruck der Fassungslosigkeit lag auf dem Gesicht des Fürsten. Die Hände tasteten über seine Brust und berührten den Dolch, der tief in seinem Herzen steckte. Dann stürzte Radomir um, wie ein gefällter Baum. Damit hatte niemand gerechnet.
Hinter ihm kam eine schlanke Gestalt zum Vorschein. Es war ein Mädchen mit braunen Haaren und einem hellen Kleid, das mit großen Blutspuren befleckt war. Cyneric vermutete, dass es sich dabei um Radomirs Blut handelte. Er war sprachlos. Als Radomir sich bewegt hatte, hatte Cyneric erwartet, dass der Fürst sie unaufgeregt begrüßen würde und ihnen sagen würde, dass er sie erwartet hatte. Doch nun war es vollkommen anders gekommen. Um den gefallenen Körper des Fürsten breitete sich eine Blutlache aus, die den reich verzierten Teppich mit einem schmutzigen Rotton verfärbte.
Es war Ryltha, die als Erste reagierte. Sie zog die Augenbrauen hoch und nickte dann. “Nun, da war wohl jemand schneller als wir.” Die Schattenläuferin machte ein amüsiertes Geräusch und schien sich nicht im Geringsten an der blutigen Szene zu stören. “Was soll’s - der Auftrag ist erfüllt. Los, stell’ seinen Tod fest, Téressa.”
Salia ging neben Radomir in die Knie und legte zwei Finger an den Hals des Fürsten. Sie zögerte einen kurzen Augenblick, dann hob sie die Hand. Ihre Fingerspitzen waren rot vom Blut. Das Mädchen, das Radomir getötet hatte, beobachtete sie dabei mit einem Gesichtsausdruck, der zu gleichen Teilen aus Vorsicht und Misstrauen bestand.
“Wir sind hier fertig,” befand Ryltha. Sie drehte sich um und war mit zwei schnellen Schritten bei der Tür.
Alvar kam auf die Beine. Als er das Mädchen sah, das bislang regungslos zugesehen hatte, zogen sich seine Brauen zusammen und er lallte: “Du?” Dabei machte er einen stolpernden Schritt vorwärts.
Jetzt kam Bewegung in das Mädchen. Ein Ausdruck von Abscheu, gemischt mit Furcht zog über ihr Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen wandte sie sich ab und verschwand durch das offene Fenster. Ihr hellbrauner Haarschopf war das Letzte, was man von ihr sah, ehe sie außer Sicht geriet.
“W-warte,” brachte Alvar hervor, ehe er wieder hinstürzte. Salia packte ihn am Arm und zog ihn mit sich, in Richtung des Ausgangs.
“Gehen wir. Wir haben unser Ziel erreicht. Komm, Cyneric,” sagte Ryltha.
Doch Cyneric blieb stehen. Irgendetwas war da gerade geschehen, das ihn nachdenklich machte. Wenn mich nicht alles täuscht, kennt dieser Alvar das Mädchen. Und sie ist vor ihm geflohen. Das kann nichts Gutes bedeuten. Irgendetwas ist zwischen ihnen vorgefallen, und ich wenn Alvar der Mistkerl ist, für den ich ihn halte, dann... Ich hab’ ein mieses Gefühl bei der Sache. Ich sollte... ich sollte sicherstellen, dass sie den Palast unbeschadet verlassen kann. Dass sie in Sicherheit ist.
Ryltha rief ihm etwas zu, doch aufgrund einer Explosion von draußen verstand er ihre Worte nicht. Es war ihm egal. Cyneric trat ans Fenster und stellte fest, dass ein Seil daran befestigt worden war, das bis zum Innenhof des Anwesens hinab hing. Sie hat Radomir getötet, dachte er. Doch er spürte, dass das nicht der Grund dafür war, dass etwas in seinem Inneren ihn dazu drängte, dem Mädchen zu folgen. Sondern etwas, das Ryltha ihm in Gortharia vor Augen geführt hatte. Eines Tages wird es dich das Leben kosten, alle Mädchen, die in Not geraten, retten zu wollen. Du alter verdammter Narr, sagte er zu sich selbst, während er sich zum Ryltha umwendete. Doch er hatte seine Entscheidung getroffen und blendete die Warnungen in seinem Kopf aus.
“Ich komme nach,” rief er. Ehe die Schattenläuferin Einwände erheben konnte, war Cyneric bereits aus dem Fenster geklettert und seilte sich vorsichtig ab. Unten im Innenhof angekommen blickte er sich um und sah gerade noch, wie eine Türe in der Nähe zuschlug. Dort hindurch muss sie geflohen sein, dachte er, während er dem geheimnisvollen Mädchen, das Radomir getötet hatte, durch das brennende Anwesen folgte.
Die Flammen breiteten sich langsam, aber stetig aus und Cyneric hustete, als er den Innenhof durch die Türe verließ, durch die er das Mädchen hatte gehen sehen. Er kam in einen Gang, der ihn zu den unteren Ebenen des Palastes führte. Zum seinem Glück gab es hier keinerlei Abzweigungen. Der Weg war abschüssig, und nach nur wenigen Biegungen war Cyneric im Keller angekommen. Hier brannte noch kein Feuer. Durch einen niedrigen Durchgang kam Cyneric in einen großen Raum, der wohl einst eine Sklavenunterkunft gewesen war. Nun war er voller Leichen - die meisten ehemalige Wachen, doch auch viele tote Sklaven waren darunter. Offenbar waren hier die heftigsten Kämpfe entbrannt. Am anderen Ende des Raumes stand ein Mann, der aus vielen Wunden blutete. Die lädierte Rüstung, die er trug, wies ihn als einen der letzten Gardisten Radomirs aus. Und die Spitze seines Schwertes zeigte genau auf das Mädchen, das er in eine der Ecken des Raums gedrängt hatte. Sie war ihm in die Falle gelaufen und saß nun fest.
Cyneric eilte vorwärts. Den Schild hatte er in Radomirs Arbeitszimmer gelassen, weshalb er sich nun auf sein Schwert verlassen musste, das er einhändig führte. Die Wunde an seiner Schulter pochte und hinderte ihn daran, die Klinge beidhändig zu führen. Er war angeschlagen, doch er konnte jetzt nicht aufgeben. Der Andere war ebenfalls verwundet.
“Lass sie in Ruhe und verschwinde,” knurrte Cyneric als er näher kam. “Vielleicht kommst du im Chaos draußen mit deinem Leben davon.”
“Keine Chance,” gab sein Feind zurück. “Ich töte jeden einzelnen Sklaven, den ich in die Finger bekomme. Sie haben meinem Bruder die Kehle durchgeschnitten. Jetzt erwidere ich den Gefallen.” Er führte einen Hieb in Richtung des Mädchens, die sich zu Boden fallen ließ und dem Tod knapp entging. Das verschaffte Cyneric genügend Zeit, heranzukommen. Sein Schwert sprang vorwärts, doch in seiner Eile ging der Schlag fehl. Rasch hob Cyneric die Klinge und parierte einen heftigen Gegenangriff. Es ging ihm nicht darum, den Mann zu töten, sondern er wollte ihn in die Flucht schlagen. Doch ehe er die erneute Gelegenheit zum Angriff bekam, schlug das Mädchen seinen Gegner mit einem schweren Stein nieder, den sie vom Boden aufgehoben hatte.
Cyneric atmete schwer aus und ließ das Schwert sinken. Eine angespannte Stille trat ein, in der ihn das Mädchen misstrauisch beäugte. Den Stein hielt sie noch immer fest umklammert und in ihren Augen blitzten Zorn und Mordlust auf.
“Ich werde dir nicht wehtun,” sagte Cyneric behutsam, und warf sein Schwert beiseite um seine Worte zu unterstreichen. “Lass mich dir helfen, sicher von diesem Ort zu fliehen. Ich kann dich nach draußen bringen.”
Er erhielt keine Antwort. Das Mädchen warf einen kurzen Blick auf Cynerics Schwert, das in der Mitte des Raumes gelandet war. Doch noch immer ließ sie den Stein in ihrer Hand nicht sinken.
“Du brauchst keine Angst zu haben,” versuchte er es erneut. “Ich will dir nichts tun. Wenn du gehen willst, dann geh - ich werde dich nicht aufhalten. Doch gemeinsam haben wir eine bessere Chance, es hier heil raus zu schaffen.”
Er machte eine Pause und suchte ihren Blick. Noch immer sah er die Wut in ihren Augen, doch für einen kurzen Moment glaubte er noch etwas anderes zu erkennen: Hoffnung.
“Ich heiße Cyneric. Komm mit mir, wenn du überleben willst.”
Rohirrim:
Zarifa blickte auf. Vor ihr stand ein kräftig gebauter Mann, mit kurzen dunklen Haaren. Zarifa glaubte, ihn schonmal gesehen zu haben, konnte jedoch zunächst nicht einordnen, wo das gewesen sein sollte. Sie blickte erneut auf den Stein in ihrer Hand, mit dem sie gerade eine Wache Radomirs niedergeschlagen hatte. Und sie war bereit, das gleiche auch mit diesem Mann zu tun, wenn sie die Chance dazu bekäme. Er war zwar bewaffnet, doch offensichtlich auch an der Schulter verletzt. Möglicherweise hatte sie eine Chance. Ihr war heute schon so viel gelungen, was eigentlich unmöglich erschien. Sie wollte nur noch weg hier. Raus aus dem Anwesen. Irgendwohin, wo sie ihre Gedanken ordnen konnte. Und dieser Mann war der einzige, der ihr jetzt noch im Weg stand. Wieso war sie überhaupt nochmal ins Haus gerannt? Wieso hatte sie versucht, noch etwas über die Kämpfe im Anwesen herauszufinden? Radomir war tot. Gefallen durch ihre Hand. Tekins Tod war gerächt. Das war alles, was wichtig war. Nur aufgrund ihrer törichten Neugier und Unvorsichtigkeit war sie jetzt in dieser Situation. Doch jammern half jetzt auch nicht. Sie musste an diesem Mann vorbei.
Misstrauisch musterte sie den Unbekannten. Er hatte sein Schwert sinken lassen. Wieso griff er sie nicht an?
„Ich werde dir nicht wehtun!“, ergriff der Unbekannte nun das Wort und warf sein Schwert weg. „Lass mich dir helfen, sicher von diesem Ort zu fliehen. Ich kann dich nach draußen bringen.”
Wie bitte? Zarifa beobachtete, wie das Schwert durch die Luft flog und auf dem Boden landete. Der Mann hatte freiwillig seine Waffe niedergelegt. Und doch ließ irgendetwas in Zarifas Unterbewusstsein sie zögern. Diese Situation erinnerte sie an etwas, das vor gar nicht so langer Zeit passiert war. Sie hatte einsam und allein in einer Zelle gehockt, als sich plötzlich ein Schlüssel im Schloss gedreht hatte. Alvar war hereingekommen und hatte angekündigt, sie von diesem Ort zu befreien, genau wie dieser Unbekannte es jetzt tat. Doch wie sich dann herausgestellt hatte, war Alvar nicht aus reiner Nächstenliebe in ihre Zelle gekommen. Nein! Ihm war es um das gegangen, um das es Männern anscheinend immer ging. Und als Zarifa nicht mitspielen wollte, hatte er sich gewaltsam das genommen, von dem er dachte, dass es ihm zustand. Und sofort schossen der jungen Frau wieder grausame Bilder durch den Kopf. Bilder von Fingern, die sie berührten, obwohl sie es nicht wollte. Hilfeschreie, die von niemandem gehört wurden. Alvars Hand, die langsam ihr Kleid hochzog.
Beim Gedanken an Alvar stieg erneut ein brennender Hass in ihr auf. Radomir war tot, doch Alvar war noch am Leben. Endete es eigentlich nie? Nur wenige Sekunden nach ihrem großen Triumph über Radomir, war Alvar vor ihren Augen aufgetaucht, um sie grausam daran zu erinnern, wie wenig diese Tat eigentlich bedeutet hatte. Und jetzt fiel es Zarifa wieder ein. Sie wusste, wo sie den unbekannten Mann vor ihr schonmal gesehen hatte. Er war eine der Personen gewesen, die gemeinsam mit Alvar Radomirs Büro betreten hatte. Er hatte direkt hinter ihm gestanden, als Zarifa ihm in die Augen gesehen hatte. Der Unbekannte war also ein Freund von Alvar. Und genau wie sein Freund damals, gab auch der Unbekannte sich jetzt als Zarifas Freund aus. Vermutlich verfolgte er letztlich genau die gleichen Interessen wie Alvar. Folgten nicht letztlich alle Männer diesen Interessen?
Erneut ergriff der Unbekannte das Wort:
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will dir nichts tun. Wenn du gehen willst, dann geh – ich werde dich nicht aufhalten. Doch gemeinsam haben wir eine bessere Chance, es hier heil raus zu schaffen.“
Er wird mich also nicht aufhalten? Warum ist er dann überhaupt hier? Warum ist er mir nachgelaufen? Er ist wohl kaum zufällig in den Raum gestolpert, in dem ich in eine Falle gelaufen bin. Nein, er ist mir gezielt aus Radomirs Arbeitszimmer hierher gefolgt. Er ist genauso ein opportunistischer Bastard wie Alvar. Er interessiert sich nicht für mich. Er will nur seinen Spaß mit mir haben.
Aber Moment mal... Er hat sein Schwert weggeschmissen. Und ich habe immer noch diesen Stein in der Hand. Außerdem ist er offensichtlich verletzt. Wenn ich also gehen wollte, könnte er mich tatsächlich nicht aufhalten, oder? Und außerdem ist er offensichtlich keine Wache Radomirs. Er hat meinen Gegner abgelenkt, sodass ich ihn niederschlagen konnte. Ist er vielleicht tatsächlich auf meiner Seite? Immerhin ist er, wenn auch unwissentlich, mit dafür verantwortlich, dass Radomir jetzt tot war. Andererseits ist Alvar das auch...
Zarifa war unentschlossen. Es hatte in ihrem Leben bisher nur zwei Personen gegeben, denen sie wirklich hatte vertrauen können. Und beide waren jetzt tot, weil die Anzahl der Personen, denen man nicht trauen konnte, wesentlich höher war. Verrat, Missbrauch und Tod. Die Geschichte ihres Lebens. Wie konnte sie da einem Unbekannten trauen, der mit Alvar zusammenarbeite? Andererseits war er unbewaffnet und offensichtlich ein Feind Radomirs. Immerhin hatte eine der Frauen aus der Gruppe nichts weiter getan, als Radomirs Tod festzustellen. In dem Moment hatte Zarifa gar nicht so wirklich darauf geachtet, doch nun wurde ihr langsam klar, was das bedeudete. Die vier Personen, hatten die Tür zu Radomirs Arbeitszimmer aufgebrochen, um ihn zu töten. Dann hatten sie festgestellt, dass ihnen jemand zuvorgekommen war. Die anderen drei waren weggegangen. Nur dieser Unbekannte war ihr gefolgt. Weshalb? Um ihr zu helfen, wie er behauptete? Oder um sie zu missbrauchen, genau wie sein Freund damals? Der Unbekannte ergriff nun abermals das Wort:
„Ich heiße Cyneric. Komm mit mir, wenn du überleben willst.“
Seine Stimme klang freundlich. Doch was bedeutete das schon? Yasin war auch freundlich gewesen, bevor er sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Sie konnte diesem Mann... Cienerik oder wie er sich genannt hatte, nicht einfach so trauen. Zarifa ergriff nun das Wort:
„Warum bist du wirklich hier? Wo ist dein Freund?“
Rohirrim:
Cyneric entspannte sich ein wenig, als das Mädchen ihm antwortete und eine Gegenfrage stellte. Er dachte einen kurzen Augenblick darüber nach, was sie gesagt hatte, doch ein lautes Krachen aus einem der oberen Stockwerke lenkte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. „Freund?“ wiederholte er nachdenklich. Das erklärte natürlich, wieso das Mädchen so misstrauisch war. „Falls du damit Alvar meinst – er ist nicht mein Freund. Ich kenne ihn nicht einmal wirklich. Und ich hoffe, ihn auch nicht mehr allzu oft treffen zu müssen. Weshalb ich hier bin: Um dir hier raus zu helfen. Wir sind keine Feinde. Du hast Radomir getötet, was uns zu Verbündeten macht. Auch ich war hinter ihm her.“ Er machte eine kurze Pause und sah der jungen Frau direkt ins Auge. „Hör zu, wir sollten wirklich von hier verschwinden, ehe sich das Feuer ausbreitet“, stellte er beunruhigt fest.
Es entstand eine längere Pause, in der Cyneric das Mädchen erneut musterte. Sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie ihm wirklich trauen konnte. Doch immerhin stellte Cyneric beruhigt fest, dass sie den Stein in ihrer Hand etwas sinken ließ. Mit der anderen Hand fuhr sie sich nun durch die Haare. Dabei fiel Cyneric eine Narbe ins Auge, die sich über den halben Unterarm des Mädchens erstreckte. Trotz ihres jugendlichen Alters, hatte sie offensichtlich schon einiges durchgemacht. Gespannt wartete Cyneric ab, was als nächstes geschehen würde. Er konnte förmlich hören, wie die junge Frau mit sich haderte. Dann, ganz allmählich, begann sich ihre Körperhaltung zu entspannen. Sie ließ ihre beiden Arme sinken, hielt den Stein jedoch weiterhin in ihrer Hand.
„Also schön, ähm... Cienerik?“, ergriff die junge Frau nun das Wort. „Cyneric!“, erwiderte der Gardist, belustigt über die seltsame Aussprache seines Namens, doch gleichzeitig auch ungeduldig. Das Feuer breitete sich immer weiter aus und allmählich wurde die Luft unangenehm.
„Äh ja, genau. Also schön, ich werde mit dir kommen. Wir sollten tatsächlich schleunigst hier weg. Und immerhin hast du mich gerade vor diesem Kerl hier gerettet.“ Sie deutete auf die am Boden liegende Wache, die eine große Platzwunde am Kopf hatte.
Cyneric nickte. „Hier entlang“, sagte er und deutete auf den Ausgang des großen Raumes, in dem sie sich befanden. Er hob sein Schwert im Gehen auf und hielt es vor sich, dann eilte er durch den Durchgang, gefolgt von der jungen Frau. Dabei fiel ihm auf, dass er noch nicht einmal ihren Namen kannte.
„Wie heißt du eigentlich, Kleine?“, rief er ihr zu. Sie hatte zu ihm aufgeschlossen und eilte mit schnellen Schritten neben ihm her.
Verärgerung blitzte in ihren dunklen Augen auf, doch dann sagte sie: „Zarifa.“
Ehe Cyneric antworten konnte, brach über ihnen die hölzerne Decke des Ganges ein, in dem sie sich befanden, und brennende Holzbalken stürzten überall um sie herum zu Boden. Zarifa rollte sich geschickt ab, während Cyneric über einen brennenden Holzscheit stolperte und beinahe stürzte. Doch glücklicherweise bekam er einen Fackelhalter zu fassen, der an der Wand des Ganges angebracht war. Rasch zog er sich hoch und rief Zarifa hustend zu: „Weiter! Wir haben es gleich geschafft!“
Am Ende des Ganges lag die Eingangshalle zu Radomirs Anwesen, die voller Rauchwolken war. Cyneric zog sich den Saum seines Umhangs vors Gesicht und packte Zarifa an den Schultern. Er war überrascht, wie leicht das Mädchen war. Rasch stieß er sie in Richtung des Ausgangs, wo sich der Rauch nach draußen verzog. Seine Augen brannten von den dichten Rauschwaden und er stolperte mühsam vorwärts, als ihn eine Hand an der Schulter packte und nach draußen zerrte. Als er wieder klar sehen konnte, stellte er fest, dass es Zarifa gewesen war, die nun mit schwerem Atem neben ihm auf dem Hof außerhalb von Radomirs Anwesen lag. Cyneric hustete und kämpfte sich auf die Beine, dann blickte er sich vorsichtig um. Das Tor in der Mauer, die das Anwesen umgab, war eingestürzt. Noch immer drängte sich eine wütende Menschenmenge darum. Er warf einen Blick auf Zarifa, die sitzen geblieben war und auf das brennende Anwesen starrte, als könnte sie noch immer nicht ganz begreifen, was dort drinnen eigentlich geschehen war.
Zarifa hustete. Erst jetzt bemerkte sie so richtig, wie unangenehm heiß und stickig es in dem Anwesen gewesen war. Sie atmete tief ein. Die frische Luft und die angenehme Kälte halfen ihr dabei, wieder klar zu denken. Sie blickte auf. Radomirs Anwesen stand in Flammen und Radomir selbst war tot. Dieses Symbol der Ungerechtigkeit und des Leides brach vor Zarifas Augen auseinander. Sie hatte es geschafft. Nachdem sie Radomir getötet hatte, hatte sie gar keine richtige Zeit gehabt, ihren Erfolg zu begreifen, bevor Alvar aufgetaucht war. Alles war so schnell gegangen. Es war unbegreiflich, wie ein Ziel, auf das man wochenlang hinarbeitet und dessen Erfüllung so gut wie unmöglich erscheint, innerhalb eines einzigen Augenblicks erfüllt werden konnte. Radomir hatte sie überwältigt. Es hatte so ausgesehen, als würde Zarifa ihr Ziel nicht erreichen. Und dann war es nur ein kurzer Moment der Ablenkung, in dem Zarifa sich befreien und ihren Dolch mitten in Radomirs Herz rammen konnte. Ein Wimpernschlag und man hätte diese Wendung verpasst. Ein Wimpernschlag und alles war anders. Ein Wimpernschlag und Radomir war tot.
Zarifa warf einen Seitenblick auf den Mann namens Cyneric, der sich gerade den Schweiß von der Stirn wischte. Sein silbernes Schwert fiel Zarifa ins Auge und sie wurde unruhig. Es behagte ihr nicht, dass er eine echte Waffe besaß, während sie nur einen Stein in der hielt. Was, wenn sie erneut in eine Falle tappte? Was wenn sie erneut das Opfer von Verrat werden würde? Sie war es inzwischen schon so gewohnt, dass der Gedanke sie nicht einmal mehr wirklich schockte. Das für sich war schon eine traurige Feststellung. Zarifa dachte noch einmal ausführlich über alles nach, was sie über diesen Mann wusste.
Er war es gewesen, der gemeinsam mit zwei Frauen und Alvar in das Arbeitszimmer gekommen war und damit für die entscheidende Ablenkung gesorgt hatte. Und anschließend war er ihr als einziger aus der Gruppe nachgelaufen. Angeblich, um sie zu retten. Er behauptete, Alvar kaum zu kennen und ein Feind Radomirs zu sein. War es wirklich so, wie es den Anschein hatte? Waren Cyneric und seine Verbündeten für all das Chaos hier verantwortlich und hatten damit Zarifa letztlich den Weg bereitet? Oder war Cyneric auch nur ein opportunistischer Halunke, genau wie Alvar?
Immerhin hat er mir gerade geholfen, aus dem Haus zu entkommen, dachte Zarifa, doch im gleichen Atemzug fiel ihr ein, dass Alvar vor gerade mal zwei Tagen genau das gleiche getan hatte. Doch irgendetwas an Cyneric war anders. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, doch er hatte etwas an sich, dass in Zarifa Vertrauen erweckte.
Sie wischte sich den Schweiß und die Tränen aus dem Gesicht. Cyneric drehte sich jetzt zu ihr um und blickte ihr direkt in die Augen. Da war es. Zarifa wusste, was es war. Dieser leicht grimmige Gesichtsausdruck durchzogen von Mitgefühl und Freundlichkeit. Es gab nur eine Person, bei der sie diesen Gesichtsausdruck schon einmal gesehen hatte. Ziad, dachte sie, während stumme Tränen ihr in die Augen schossen.
Sie lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung. Sie wollte wissen, ob ihre Theorie stimmte.
„Also, bist du für das hier verantwortlich?“, fragte Zarifa und deutete auf das in Flammen stehende Anwesen.
Cyneric schien einen Augenblick über ihre Frage nachzudenken. Er steckte sein Schwert weg und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Dann sagte er bedächtig: „Nun, auf eine gewisse Art und Weise bin ich das wohl, Zarifa. Ich meine, ich habe das Feuer nicht gelegt – das war... jemand Anderes. Aber ich habe gegen Radomirs Wachen gekämpft und dabei geholfen, den Weg zu seinem Arbeitszimmer freizuräumen, damit er getötet werden kann. Und jetzt ist es tatsächlich geschehen. Durch deine Hand.“ Er machte eine Pause und deutete auf Zarifas Hand. Der Stein fühlte sich mit einem Mal seltsam darin an. „Weißt du, das war nicht das erste Mal, dass ich dabei war, als ein Attentat auf Radomir verübt wurde. Der letzte Versuch fand in Gortharia statt, vor nicht einmal zwei Wochen. Damals ist Radomir gerade noch entkommen. Doch jetzt... jetzt verbrennt sein Leichnam gemeinsam mit seinem gesamten Anwesen. Ich bin froh, dass er fort ist.“
Er schien es tatsächlich so zu meinen, denn Cyneric ließ die Schultern sinken und entspannte sich. Offenbar glaubte er nicht, dass von Zarifa im Augenblick eine Gefahr für ihn ausging, obwohl sie noch immer den Stein hielt. Sie könnte ihn ganz leicht niederschlagen und sich davonmachen. Gerade jetzt sah er nicht hin: er war auf die Menschenmenge am Tor konzentriert, die noch immer Lärm machte. Als würde er jemanden suchen. Doch wohin sollte Zarifa gehen, wenn sie Cyneric losgeworden war? Sie hatte in Gorak niemanden mehr, bis auf Alvar. Und von Alvar hatte sie bis an ihr Lebensende genug gesehen.
Der Augenblick verstrich und Cyneric sah sie an. Er holte tief Luft, als wollte er etwas Wichtiges sagen, doch dann ließ er die Luft wieder unausgesprochen entweichen. Zarifa wunderte sich über sein Verhalten. Sie wurde einfach nicht ganz schlau daraus. Es verwirrte sie, immer wieder das Gesicht von Ziad vor ihrem inneren Auge zu sehen.
„Schätze, wir sollten hier verschwinden", sagte Cyneric schließlich. „Auch wenn die Gefahr im Moment gebannt zu sein scheint... ich für meinen Teil habe für heute genug Feuer und Tod gesehen. Ich werde mich mit einer Freundin treffen, hier ganz in der Nähe. Sie kann nicht weit sein. Wenn ich sie gefunden habe, werden wir uns in einer der Gasthäuser ein Zimmer nehmen und etwas Erholung nach diesem erfolgreichen Tag gönnen. Kommst du mit?“
„Ja, gerne!“ Die Worte verließen Zarifas Mund, noch bevor sie richtig darüber nachgedacht hatte. Wenn sie es getan hätte, wäre ihre Antwort vermutlich anders ausgefallen. Immerhin ging es darum, einem fremden Mann nur auf der Basis seiner Worte zu vertrauen. Doch irgendetwas an seinem Blick und seiner Haltung hatte Zarifa zu dieser spontanen Reaktion geführt. Und außerdem sah sie im Moment nicht wirklich eine Alternative. Doch was, wenn es doch ein Fehler war?
„Wunderbar“, entgegnete Cyneric erleichtert. „Also dann, suchen wir meine Freundin.“
Cyneric drehte sich um und ging auf Zehenspitzen los, um seine Freundin in der Menge erblicken zu können. Zarifa folgte ihm etwas zögerlich. Ganz sicher war sie sich ihrer Sache immer noch nicht. Immer wieder schossen unangenehme Bilder durch ihren Kopf. Bilder, in denen sich Cynerics freundliches Lächeln in das gierige Lächeln Alvars verwandelte. Bilder, in denen Cynerics helfend ausgestreckte Hand plötzlich anfing, sie gegen ihren Willen zu berühren. Obwohl sein Verhalten bisher in keiner Weise darauf schließen ließ, wurde Zarifa den Gedanken einfach nicht los, dass sie in eine Falle lief, genauso wie sie schon bei Yasin und Alvar in eine Falle gelaufen war. Sie spürte den Schweiß auf ihrer Haut, der nichts mit der Hitze des Feuers zu tun hatte. Sie hatte Angst. Und sie fühlte sich hier mitten in der Menschenmenge unwohl. Sie spürte den Stein in ihrer Hand. Sie würde ihn behalten. Nur für den Fall.
„Ah, da vorne ist sie!“ Sie hatten gerade das Tor zum Anwesen passiert und Cyneric deutete auf eines der gegenüberliegenden Gebäude. Zarifa blickte auf. Sie sah eine junge Frau. Eventuell sogar genauso jung wie sie selbst? Sie hatte mittellange, dunkle Haare, die offen im Wind flatterten und trug ein helles Kleid. Abgesehen von der hellen Haut und den fehlenden Narben, sah sie Zarifa sehr ähnlich. Cyneric lief nun schnellen Schrittes auf sie zu. Zarifa folgte ihm. „Ah, da bist du ja endlich“, begrüßte die unbekannte Frau Cyneric. „Ryltha hatte keine Lust mehr zu warten. Sie ist sofort aufgebrochen, um in Gortharia Bericht zu erstatten. Und wen hast du da mitgebracht?“, fragte sie, als sie Zarifa erblickte. Ihr Ton war ein wenig ungeduldig, aber nicht unfreundlich. „Das hier ist Zarifa. Sie ist diejenige, die Radomir umgebracht hat“, entgegnete Cyneric. „Ah, ich erinnere mich. Deswegen hast du also so lange getrödelt?“ Zarifa gefiel es überhaupt nicht, dass hier so über sie gesprochen wurde, als sei sie nicht da. Doch sie wagte es auch nicht, etwas zu sagen. Sie konnte die unbekannte Frau bisher überhaupt nicht einschätzen.
„Wir haben ihr Radomirs Tod zu verdanken. Und außerdem brauchte sie offensichtlich Hilfe. Und wie könnte ich einer jungen Frau nicht helfen, wenn sie ihr Herz offensichtlich am rechten Fleck hat?“ Cyneric sagte diese Worte in einem sehr seltsamen Tonfall. Zarifa konnte das im Augenblick überhaupt nicht einordnen. Die unbekannte Frau blickte Cyneric nun tief in die Augen. Irgendetwas schien zwischen den beiden gerade zu passieren und Zarifa gefiel es gar nicht, dass sie nichts davon verstand. Worum ging es hier?
„Du kannst es einfach nicht lassen, oder? Also schön, mein Name ist Salia. Freut mich dich kennenzulernen“, sagte die Frau nun zu Zarifa gewandt und streckte ihre Hand aus. Vollkommen verwirrt erwiderte Zarifa den Händedruck.
Cyneric, Salia und Zarifa in die Stadt
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