Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Der Thron von Mittelerde

Gondor

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Darkayah:
Minas-Tirith, Weiße Festung (Gondor)
Kiana Vaneryen auf dem Vorplatz der weißen Festung…


Kiana musterte die neuen Rekruten ihrer Armee und die siebentausend neuen schwarzen Ostlinge, die mit Schiffen aus Umbar in Minas-Tirith eintrafen. Dabei war es ihr wichtig die ganze Szenerie mit vielen Fahnen, Bannern und Märschen der Soldaten vor den angesehenen Menschen zu zelebrieren.
Über dem Hochgebirge, an welchem die weiße Festung lag, kreiste Ancalagon, der schwarze Drache Kianas, am Himmel. Begleitet wurde jeder Flügelschlag von Lauten, die der Drache von sich gab. Dabei nutzte die Königin natürlich auch die Wirkung des geflügelten Ungeheuers auf die Menschen.
Alle Soldaten trugen schwarze Rüstungen, die auf der Brust den dreiköpfigen Drachen zeigten. An den rechten Armen befanden sich Blutrote Armbinden, während die Kommandanten der neuen Rekruten eine Blutrote Schärpe um hatten.
Stramm und diszipliniert standen alle in Reih und Glied, während Kiana an ihnen vorbei ging. Keiner von ihnen sah ihr direkt in die Augen, noch wagte es einer der Soldaten einen Gesichtsmuskel zu bewegen.
Die neue Armee machte Kiana stolz. Immerhin baute sie selbst ihre Armee auf und  erhielt den größten Andrang an Rekruten wie lange Zeit nicht mehr. Vor allem bestätigte das Kianas Gefühl die richtige Herrscherin gewesen zu sein, da niemand gezwungen war in die Armee einzutreten. Trotzdem kamen viele freiwillig um für ihre neue Königin zu kämpfen.  Besonders aber die neuen Ostlinge, dessen Hauptmann sie freudestrahlend begrüßte, ließen sie sehr souverän wirken. Denn diese Männer aus dem Osten genossen diese die gleiche Ausbildung, wie ihre Vorgänger. Sie waren aber keine Sklaven und wurden nicht beschnitten. Sie wählten das Schicksal selbst und frei. Für die Königin und die Befreiung der Welt vor der Tyrannei zu befreien.
Im selben Moment sprach sie mit den Hauptmännern, die für die Ausbildung der Rekruten zuständig waren, da hörte sie Hufen auf den Pflastersteinen schlagen. Sofort stellten sich ihre Wachen vor die Königin, während sich Kiana selbst schnell umdrehte. Sie erkannte nur einen Reiter auf einem Pferd. Seine Kleidung war schmutzig und er selbst wirkte ungepflegt. Sie beobachtete, wie er von seinem Ross abstieg und auf die junge Frau zu lief. Als der Mann näher kam, erkannte sie allmählich sein Gesicht. Es war Loki, den sie vor einigen Wochen in den Norden geschickt hatte.
Sie war verblüfft, denn sie hatte den Mann noch nie so heruntergekommen gesehen. Er war sonst immer auf sein Aussehen bedacht.
"Du hast lange auf dich warten lassen!", sagte sie relativ kühl und wandte sich dabei von ihm ab, "Wo ist die Armee?".
"I-ich bin im Norden umher geirrt, wäre fast gestorben und du fragst nach dem Verbleib der Armee?", stotterte Loki entsetzt vor sich hin.
"Und warum bist du fast gestorben?", fragte sie fast schon sarkastisch, "Wolltest du ein Held in der kurzen Schlacht sein?".
"Ein Held?", rief er lachend. "Es war ein Gemetzel! Hätte ich gewusst, dass die Rebellen zusammen arbeiten, hätte ich die Männer niemals an der Straße geführt!". 
"Also stimmt es und du hast dich von einer Gruppe Wilder besiegen lassen?", schnaubte die Königin abwertend. Dann machte sie sich einfach auf dem Weg in den Palast.

Auf der höchsten Ebene angekommen, kreiste noch immer Ancalagon über die Berge und die weiße Festung. Selbst an den Gebäuden der obersten Ebene hingen viele Banner und Flaggen des Hauses Vaneryen. Kiana durchschritt mit raschen Schritten die Türen des Palastes, die ihr von den Wachen geöffnet wurden, in den Thronsaal. Loki und ihre Wachen folgten ihr stets. Wobei Loki mehr Mühen damit hatte, ihr Tempo beizubehalten. Plötzlich blieb so stehen, sodass Loki fast in sie hinein lief.
"Ich habe dich losgeschickt, damit du einzelne Aufständische besiegst, stattdessen sagst du mir, dass du fünftausend Männer verloren hast?", fauchte sie ihn an. "Und dann kommst du so spät mit der Nachricht zurück zu mir?". Sie war enttäuscht von ihm. Immerhin gab sie ihm eine leichte Aufgabe und selbst die schaffte er nicht zu erfüllen. Damals in Umbar konnte sie immer auf ihn zählen und nun war er nicht fähig, eine kleine Bedrohung aus der Welt zu schaffen? Wahrscheinlich hätte sie ihm nicht vertrauen sollen. Wie sie auf niemanden vertrauen sollte, außer auf sich selbst. Sie strich sich ihr silbernes Haar aus dem Gesicht.
"Ein kleines Problem?", entgegnete Loki fassungslos. "Hast du mir nicht zugehört? Die Rebellen haben sich vereint und werden sich nicht deinen Willen beugen!".
"Ach und das weißt du woher?", fragte sie mit einem verspotteten Unterton.  Loki verdrehte daraufhin nur die Augen.
"Ich war bei ihnen…", versuchte er verzweifelt zu erklären, "...Ich war bei ihnen damit sie mich nicht töten! Sie haben wahrlich gedacht, dass ich einer von ihnen werden würde... Pah! Dass ich nicht lache!".
Irgendetwas in Kiana ließ sie ihm nicht völlig glauben. Dafür war der Glanz in seinen Augen viel zu stark, als er die Worte aussprach. "Sie haben dich aufgenommen - Verstehe…", sagte sie ungläubig. "Und warum sollten sie das tun, wenn sie doch die meisten abgeschlachtet haben?".
Dabei ging sie zu dem steinernen Thron und goss sich mit einem Krug etwas Wein in einen der Kelche.  Die junge Frau zog ihre Augenbrauen hoch, um ihm anzudeuten, dass sie auf eine Antwort wartete. Ihre Lippen nippten währenddessen an dem Kelch.
"Es gab da ein Mädchen…", fing er gedämpft an, "...Sie hat mich im Kampf besiegt und gefangen genommen… Ich hab ihr eingetrichtert, dass ich ihr und den anderen helfe!".
Als er diese Worte aussprach, musste die junge Königin aufpassen, nicht am Wein zu ersticken, als sie sich verschluckte.
"Ein Mädchen also?", fragte sie hustend und räusperte sich dabei, um den Wein aus ihrer Luftröhre zu bekommen. "Bei meiner Abreise aus Umbar, versichertest du mir, dass nur ich die Frau bin, die du jemals Lieben wirst… Scheinbar hatten Faramir und Galador doch recht und du bist nur ein… primitiver Lüstling…". Sie musterte den Mann fast schon angewidert von oben bis unten. "Gut, du bist ja auch ein Mann…". Dann nahm sie einen großen Schluck aus ihrem Kelch und stellte ihn zurück auf den Tisch.
"Du weißt, dass es noch immer so ist!", entgegnete Loki, "Ich musste ihr glaubhaft machen, dass ich es ernst meine bei den Rebellen zu bleiben! So habe ich wichtige Informationen bekommen!".
Kiana bemerkte, dass der Mann wohl etwas nervös wurde und ging einige Schritte auf ihn zu. Sie strich ihm mit einem Finger durch das Gesicht und lief um ihn herum.
"Und was sind diese Informationen?", sagte sie dabei ruhig.
"Die Rebellen haben sich verbündet und wollen Arnor für sich beanspruchen..", versuchte er zu erklären und blieb ebenfalls dabei ruhig. Kiana dachte sich dabei nichts. Das war ein kleines Problem, welches noch warten konnte. Die Legaten im Norden waren Hauptmänner der schwarzen Ostlinge. Sie würden Arnor bis zur bitteren Vernichtung verteidigen. Sie interessierte sich lieber für andere Informationen. "Wie war denn dieses Mädchen?".
Loki schnaubte lachend aus Verlegenheit. "Was spielt das denn für eine Rolle? Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist...".
"Für mich eine sehr große!", erwiderte Kiana schnell. "Wie sah sie aus, wie ist sie so?".
Sie lief weiter um Loki und beobachtete seine Mimik genau. Vor allem, da er zunächst schwieg.
"Gut, wie du willst... Sie ist vielleicht etwas größer als du…  Hat Braunes Haar, trägt oft einen Zopf... Sie Hat Grüne Augen, wohlgeformt… Vielleicht etwas größer als du…", antwortete er schließlich. "...Und wie soll sie sein? Sie ist aufgeweckt, entschlossen in ihrer Sache und Willensstark… Ich denke, sie weiß was sie will…".
Während er sprach, beobachtete Kiana ihn weiter. Schnell bemerkte sie dabei das funkeln in seinen Augen, wenn er scheinbar an das Rebellen Mädchen dachte. Sie wusste nicht ob sie sich davon verunsichern lassen sollte. Vielleicht war es nur eine Schwärmerei und Loki entdeckte einfach etwas neues. Eine Art Spielzeug für ihn.
"Und weiter?", fragte sie ihn aus.
"Sie wirkt herzlos und doch wunderschön, nervig wie ein kleiner Teufel… Und trotzdem ist sie ehrlich und bleibt wohl immer ein Mysterium…", schwärmte er schon fast.
"Wie heißt sie?", wollte die junge Maia wissen. Mittlerweile fühlte sie sich doch schon gekränkt und blieb vor Loki stehen. Ihr vorher doch recht verspielter und enspannter Blick verwandelte sich in eine ernste Miene. Die Art, wie er von ihr sprach und das leuchten in seinen Augen gefielen ihr ganz und gar nicht. Es war der Gleiche Ausdruck, den er auf seinem Gesicht hatte, als er ihr ihre Liebe in Umbar gestand. Das war zwar schon Jahre her. Allerdings war sie davon noch immer überzeugt, dass er noch so dachte, als er Minas-Tirith erreichte.
"Sie heißt Octavia…", sagte Loki noch. "Octavia…", wiederholte Kiana den Namen leise.
Wahrscheinlich bilde ich mir zu sehr etwas darauf ein!, redete sie sich selbst zu. Wer war dieses Mädchen namens Octavia schon. Sie war weit weg im Norden. Eine Rebellin, die sowieso bald starb. Eine unbedeutende Person. Natürlich wollte sie auch keine Schwäche vor Loki zeigen, denn sie war nicht schwach. Sie war stark und musste es für das Reich sein. Deshalb antwortete sie auch eher offensiv: "Wahrscheinlich löst sie bei primitiven Männern ein gewissen Verlangen aus… Ein Verlangen sie und ihre Wildheit zu bändigen… Ganz und gar zu zähmen!".
Loki antwortete ihr nicht. Die junge Königin deutete das Schweigen dass sie recht hatte, mit dem was sie sagte und sah es als Triumph über ihn an.
"Das darf nicht noch einmal passieren, Loki!", wechselte sie plötzlich das Thema, da sie nicht weiter über seine Liebschaft nachdenken wollte. "Du darfst nicht kopflos in den Norden reisen und Armee verlieren! Vielleicht solltest du selbst einen Späher schicken, der das Gebiet vorher auskundschaftet und das nicht auf mangelnde Informationen schieben!".
Der Mann nickte ihr nur ruhig zu und kniete auf den Boden. "Verzeih mir, meine Königin!".
Kiana ging auf ihn zu und nahm das Gesicht des deutlich größeren Mannes, der vor ihr kniete, in ihre Hände. "Dann sei demnächst vorsichtig… Ich kann dich nicht auch noch verlieren!". Dabei klang sie sehr bestimmend, fast schon verzweifelt und redete auf ihn ein. "Die Friedenshüter werden auch den kleinen Problemen Herr, also schaffst du es auch im Norden! Enttäusche deine Königin nicht! Nicht schon wieder!".
Auch wenn er sein Gesicht verzog, wenn sie wieder von einem kleinen Problem sprach, nickte er ihr nur wieder erneut zu.
"Und jetzt geh dich waschen!", rief sie, während sie ihre Hände von seinem Gesicht löste und ihn angewidert ansah. Noch nie hatte sie ihn so gesehen. Sie kannte ihn sonst nur als recht eitlen Mann, der sehr auf sein Äußeres achtete. "Du stinkst und bist dreckig! Ich kann dich so nicht an meine Seite, während des Turniers lassen.. Wir werden uns später um Arnor kümmern! Na los!".
Sofort sprang Loki auf und machte sich auf dem Weg. Die junge Königin sah ihm noch eine Weile nach. Als er weiter entfernt war, seufzte sie tief, sodass er es nicht bemerkte. Sie hatte nicht wirklich Glück mit den Männern, die sie um sich hatte. Einzig und allein Faramir liebte sie von ganzem Herzen. Aber er war tot. Vielleicht noch die schwarzen Ostlinge, die sie befreite.
Ich muss mich um andere Sachen kümmern…, dachte sie sich und ließ Grauer Staub, den Anführer aller ihrer Armeen zu sich rufen. Er war für die Sicherheit der Königin am Tage des Turniers verantwortlich. Sie musste mit ihm noch einige Sicherheitsvorkehrungen besprechen.

Kiana verbleibt im Palast der weißen Festung…

Saizo:
Dol Amroth, Umland (Gondor)

Sanya Terelos und Mithrendan im Umland von Dol Amroth unterwegs


Am folgenden Morgen ritt die kleine Kompanie durch das große Haupttor der Stadt auf die umliegende Küstenebene hinaus. Hinter ihnen flatterten schwarze Banner von den Mauern herab, und ein Trompetenschall verabschiedete sie, wie es sich gebührte. Mithrendan ritt voraus, sein grauer Mantel bauschte sich hinter ihm auf als eine Meeresbrise durch die Gruppe rauschte.
Sanya rieb sich die Nasenwurzel. Sie hatte schlecht geschlafen; war noch gute zwei Stunden wach gelegen ohne dass sie der Schlaf übermannt hatte. "Verdammter Vollmond," murmelte sie, während sie sich bei der Nachhut einreihte. Sie preschten über die Ebene hinweg, nach Nordwesten in Richtung der kleinen Bergkette, die sich im Zentrum von Belfalas erhob. Dort lag das verlassene Dorf, das Mithrendan auf seinem Spähritt aufgefallen war.

Der Mittag verging, ehe sie in dem Dorf eintrafen. Sie fanden es so verlassen vor wie der Kundschafter es beschrieben hatte. Sanya stieg von ihrem Pferd und ihre Soldaten taten es ihr gleich.
"Ausschwärmen," befahl sie knapp. "Ich will dass jeder Stein hier umgedreht wird. Irgendwo müssen die Dorfbewohner hin verschwunden sein, wenn sie sich nicht in Luft aufgelöst haben."
Die Männer machten sich ans Werk. Sanya selbst betrat nachdenklich, aber mit aufmerksamem Blick das zentrale Gebäude des Dorfes, eine verlassene Schänke. Die Tür hing schief in den Angeln und auf dem Boden lag eine dicke Schicht staub, die mit jedem Schritt unter Sanyas Stiefeln aufgewirbelt wurde.
"Hier war seit Monaten niemand mehr," kommentierte Mithrendan, der ihr gefolgt war.
"Sieht ganz danach aus," pflichtete sie ihm bei und sah sich weiter um. "Aber warum sollten die Bewohner ihr Dorf verlassen? Wir sind hier keine zwei Meilen von der Straße nach Minas Tirith entfernt... ich bin mir sicher, dies war einst ein belebter Ort an dem Händler auf ihrem Weg eine Pause einlegen konnten."
"Vielleicht waren sie es Leid, ihre Steuern zu entrichten?" mutmaßte Mithrendan.
"Das haben sie auch unter ihrem ehemaligen Herrn tun müssen," hielt Sanya dagegen. "Hier stimmt irgend etwas nicht. Also... was übersehen wir? Hilf mir mal."
"Ich sagte doch, dass ich hier keine Spuren gefunden habe, Sanya."
"Kommandantin," korrigierte sie ihn. "Vor den Männern hast du mich korrekt anzusprechen."
"Die Männer durchkämmen das Dorf und können uns nicht hören," meinte Mithrendan kopfschüttelnd, doch er grinste. "Also gut, Kommandantin. Hier gibt es keine Spuren."
Sanya kletterte hinter den Tresen. "Ist das so? Und was ist dann das her?" Sie riss den schweren Teppich der dort lag weg. Darunter kam eine verborgene Luke zum Vorschein.
Mithrendan beugte sich über die Theke und staunte nicht schlecht. "Na los, sieh nach was dort versteckt ist?"
"Schon dabei," sagte Sanya und öffnete die Luke. Stickige, nach Rauch schmeckende Luft schlug ihr entgegen. Eine senkrechte Leiter führte nach unten in einen gemauerten Kellerraum. Flink kletterte Sanya herunter und sah sich um, während Mithrendan ihr folgte. Der Keller war ebenso leergefegt wie der Rest des Dorfes, doch an der hinteren Wand schimmerte etwas Licht. "Das muss eine Fackel sein, dem Geruch nach zu urteilen," sagte Mithrendan. Sie fanden in der Wand ein mannshohes Loch, das offenbar mit Gewalt in die Mauer geschlagen worden war. Dahinter begann ein dunkler Höhlengang, der nur vom Licht der fernen Fackel ein wenig erhellt wurde.
"Komm schon," sagte Sanya und ging vorsichtig los, die linke Hand immer an der erdigen Höhlenwand haltend. Achtsam setzten die beiden einen Fuß vor den anderen, bis sie die Quelle des Lichts erreicht hatten.
"Diese Fackel kann nicht älter als ein paar Stunden sein," sagte Mithrendan. "Sonst wäre sie längst erloschen."
"Also war jemand hier, heute Vormittag," schloss Sanya. "Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Komm, sehen wir mal, wohin dieser Gang führt."

Sie folgten dem Höhlengang noch eine halbe Meile. Hier und da fanden sie halb abgebrannte Fackeln vor, doch den Großteil des Weges legten sie in Dunkelheit zurück. Dann endlich kamen sie in eine größere Höhle, von deren hinterem Ende Tageslicht schimmerte. Sie staunten nicht schlecht, als sie sich dort umsahen.
"Volltreffer, würde ich sagen," meinte Mithrendan anerkennend und trat mit dem Stiefel gegen ein prall gefülltes Fass voller Waffen. Die ganze Höhle strotzte nur so davon, beinahe bis unter die Decke stapelten sich Truhen und Kisten mit Rüstungen, Waffen und Pfeilen.
"Genau wie in Dol Amroth," meinte Sanya nachdenklich und nahm eine Fackel aus ihrer Halterung an der Wand, um einen besseren Blick auf die gelagerten Waffen werfen zu können. Dabei machte sie einen kleinen Schritt vorwärts - was ihr das Leben rettete. Hinter ihr sauste ein Pfeil haarscharf an Sanyas Rücken vorbei und blieb zitternd in einem der Fässer stecken. Sanya und Mithrendan fuhren herum, doch da stürzten sich bereits zwei Gestalten aus den Schatten heraus auf sie. Es blieb gerade noch genug Zeit, die Schwerter zu ziehen; Sanya verfluchte sich dafür, ihren Schild am Sattel ihres Pferdes hängen gelassen zu haben. Sie ließ die Fackel fallen und parierte mit einer oft geübten Bewegung den Krummsäbel des Angreifers, der auf sie losgegangen war. Es war ein bärtiger Mann mit wildem Ausdruck in den Augen. Der Köcher auf seinem Rücken verriet ihn als den Schützen, der Sanya beinahe auf dem Gewissen gehabt hätte.
Sanya blieb nichts anderes übrig, als ihr Schwert einhändig zu führen, auch wenn es für sie ungewohnt war, ohne Schild zu kämpfen. Glücklicherweise schien ihr Gegner zwar kräftig, aber kein ausgebildeteter Krieger zu sein. Drei Paraden später, als der Mann gerade zum nächsten Schlag ausholte, bohrte sich Sanyas Klinge in seine Schulter. Aufbrüllend ließ er seine Waffen fallen brach wimmernd zusammen.
Sanya warf einen raschen Blick zu ihrem Gefährten, doch sie hätte sich keine Sorgen um Mithrendan machen brauchen. Auch wenn der Kundschafter lieber mit Bogen und Speer kämpfte, war er noch immer ein hartgesottener Veteran. Er enthauptete seinen Gegner, gerade als Sanya zu ihm schaute.
"Verdammt," keuchte sie angestrengt. "Wir hätten ihn lebendig gebraucht."
Mithrendan half dem zweiten Angreifer auf, doch ehe er ihn stützen konnte, war Sanya bei ihm und schlug den Mann mit einem gezielten Schlag ihres Schwertknaufes gegen die Schläfe bewusstlos.
"Was sollte das denn?" fragte der Späher verwundert. "Ich wollte ihn sicher zurück ins Dorf bringen."
"Du bist zu vertrauensselig," sagte Sanya kopfschüttelnd und zog zwei versteckte Dolche hervor, die der Bewusslose bei sich getragen hatte. "Denkst du, er wollte, dass wir ihn gefangen nehmen? Diese beiden wollten entweder uns tot sehen oder bei dem Versuch sterben. Fehlgeleitete Fanatiker..." Sie schüttelte den Kopf. "Na los. Schaffen wir ihn zurück zu den Soldaten."

Im Dorf angekommen verband eine der Friedenswächter die Verletzung des Bewusstlosen, die sich als weniger schlimm herausstellte, als Sanya erwartet hatte. Bis auf etwas Blut fehlte dem Mann nichts.
"Weckt ihn auf," ordnete sie an. Ein Soldat füllte am Dorfbrunnen einen Eimer mit Wasser und leerte ihn über dem Gefangenen aus. Er kam hustend und fluchend zu Bewusstsein und setzte sich halbwegs auf. Als er bemerkte, wo er sich befand, wurde er bleich und biss die Zähne zusammen. Ein Soldat band ihm die Hände auf dem Rücken zusammen.
Sanya ging neben ihm in die Hocke. "Keine besonders freundliche Art, sich vorzustellen," sagte sie und spielte auf den Angriff aus den Schatten heraus an. "Für gewöhnlich nennt man dem Gegenüber seinen Namen, haben dir deine Eltern das nicht beigebracht?"
"Ich weiß wer du bist," knurrte der Mann, doch Sanya konnte die Angst in seinen Augen sehen. "Eine verfluchte Verräterin, die gegen ihr eigenes Volk vorgeht, damit es weiter leidet."
"Mh," machte Sanya. "Noch einer von der verbitterten Sorte. Ehemaliger Landadel, nehme ich an?"
"Ich werde dir gar nichts verraten," erwiderte er.
"Das muss er gar nicht," sagte Rugnor, einer der Unteroffiziere. "Ich erkenne das Gesicht. Er steht auf der Liste der Gesuchten, Kommandantin. Sein Name ist Edrazôr. Ihm unterstanden ein paar Dörfer an der Südküste von Belfalas."
"Sieh mal einer an," sagte Sanya und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. "Lord Edrazôr also?"
Der Gefangene zitterte und sie sah, wie ihn die Entschlossenheit verließ. "Der... silberne Schwan wird sich erheben," murmelte er wenig überzeugend.
"Das werden wir sehen," entgegnete Sanya. "Bindet ihn hier an. Wir folgend den Spuren in der Höhle."
"Aber, ihr... ihr könnt mich doch nicht einfach hierlassen! Das Dorf wurde aufgegeben!" jammerte Edrazôr.
"Oh, wenn es wirklich aufgegeben wurde, dann wird dir nichts zustoßen," erwiderte Sanya. "Wir holen dich auf dem Rückweg hier wieder ab."
"Ihr... ihr versteht nicht..." wimmerte der Gefangene.
Mithrendan blickte etwas unbehaglich drein, doch ehe er etwas sagen konnte, hob Sanya die Hand. "Wir gehen. Alle Mann, abmarsch!"
Auf dem Weg zurück zu dem verborgenen Keller raunte sie Mithrendan zu: "Er hat Angst, weil er weiß, dass seine Leute in der Nähe sind, und weil er weiß, dass es ihm schlecht ergehen wird, wenn sie herausfinden, dass er zugelassen hat, dass die Höhle endeckt wurde."
"Du meinst..."
"Ich benutze ihn als Köder. Komm jetzt... unser Rückzug muss überzeugend aussehen."
Den Großteil der Soldaten schickte Sanya tatsächlich hinab in die Höhle, um die Waffen sicherzustellen und den jenseitigen Ausgang zu bewachen. Sie selbst bezog mit Mithrendan und vier weiteren Soldaten Stellung im Obergeschoss des Gasthauses, von wo sie durch die zerbrochenen Fenster alles beobachten konnten, was unten auf der Straße geschah.
"Und jetzt warten wir."

Zwei Stunden vergingen, und die Schatten wurden lang, als die Sonne langsam zu sinken begann. Gerade als Sanya zu glauben begonnen hatte, dass ihre Falle fehlgeschlagen wäre, tauchte am hinteren Ende des Dorfes ein Reiter auf, der in einen dunklen Mantel gehüllt war. Sein Gesicht war unter einem Helm verborgen, der mit zwei schwarzen Federn verziert war. Gemächlich ließ der Reiter sein Pferd bis kurz vor dem Zentralplatz trotten, dann blieb er stehen. Edrazôr, der anfangs vor sich hin gewimmert und später einfach nur noch stumm ins Leere gestarrt hatte, blickte auf. Alles Blut wich aus seinem Gesicht.
"N-nein, bitte, bitte nicht, es war nicht meine Schuld!" bettelte er. "Vergebt mir! Ich war machtlos, sie..."
Der Reiter nahm eine große Armbrust hervor, die an seinem Sattel befestigt war. Sanya sprang auf als sie das sah. "Verdammt! Er will-"
Weiter kam sie nicht. Ein breiter Bolzen bohrte sich in Edrazôrs Herz. Tot kippte er nach vorne, als die ersten Soldaten aus der Taverne gestürmt kamen. Der Reiter drehte sich um und preschte davon.
"Zu den Pferden!" rief Sanya und eilte los, die Straße zur anderen Seite des Dorfes entlang. Doch dort fand sie die beiden Wächter erschlagen vor. Die Pferde waren fort. Einer der toten Soldaten hielt ein Stück Pergament in der Hand, das wirkte, als sei es erst nach seinem Tod dort platziert worden. Sanya befreite es aus den kalten Fingern des Toten und überflog die Zeilen hastig.

An die ehrenwerte Lady Sanya Terelos
Du kannst nicht aufhalten, was ich in Gang gesetzt habe. Ich werde dieses Land heilen und sein Volk vom Joch des roten Drachen befreien. Dein Kampf ist zwecklos. Ich habe mehr Anhänger als du gefangennehmen kannst und mehr Waffen als du beschlagnahmen kannst. Es wäre weise, wenn du dich mir anschließt. Ich werde dich erneut kontaktieren.
Der Silberne Schwan
"Verdammt!" Sanya knüllte das Pergament zusammen und ballte die Hände zu Fäusten. Was jetzt?, dachte sie sich.

Darkayah:
Minas-Tirith, Stadt (Gondor)
Octavia in Minas-Tirith…

Octavia ritt noch ein Stück weiter bis sie die mächtige Hauptstadt des Reiches erblickte. Im Schutz der Dämmerung schlief sie noch etwas damit sie vor Erschöpfung nicht umfiel.
Als die Sonne mittig am Himmel stand, brach sie auf, um die Hauptstadt von Mittelerde zu erreichen. Vorher vergrub sie an einem Baum ihre Waffen. Sie wusste, dass sie in der Stadt nicht so viel Glück wie bei den Soldaten im Lager hatte.
Beim passieren der Tore wurde sie von niemanden aufgehalten. Sie hatte gefälschte Identitätspapiere von einem Mitglied der Freien Arnorischen Armee erhalten, falls sie beim beobachten der Positionen der Truppen in Fornost, die Stadt passieren musste. Somit gab es an den Toren keine Probleme.
Schon an den Stadtmauern dachte Octavia, dass sie die Stadt nicht mehr wiedererkannte. Doch auch innerhalb der Mauern sah es nicht besser aus: Viele Häuser befanden sich dort, wirkten viel größer als früher. Die meisten von ihnen sahen gleich aus und waren aus dem gleichen Dunkelgrauen Gestein. Rotbraune Ziegel bedeckten die Dächer. Die Straßen waren breiter gebaut und an vielen Stellen wurden Brunnen und Gärten errichten, an denen sich die Bevölkerung erfreuen konnten.
Auch wenn es sich für Octavia anfühlte, als war sie in einer fremden Stadt, in der sie noch nie in ihrem Leben gewesen war, bekam sie innerlich Beklemmungen. Denn in ihrem Kopf sah sie die Bilder der zerstörten Stadt, die in Flammen stand und all die Menschen die kreischend um ihr Leben rannten.
Reiß dich zusammen, Octavia!, sprach sie sich immer wieder zu, um ihre Ängste zu überwinden.
Auf den Straßen tummelten sich viele Menschen herum. Die meisten von ihnen wirkten glücklich und zufrieden. Kinder spielten miteinander und hatten kleine Fähnchen, die das Wappen des Hauses Vaneryen abbildeten, in den Händen. Scheinbar konnte und wollte sich hier niemand mehr an das Geschehen vor einigen Jahren nicht erinnern. Denn dafür war die Stimmung in der Stadt zu gut und sie war gerade mal durch die Tore der Hauptstadt geschritten. Aber selbst, als sie weiter in die Stadt lief, um den Ort zu finden, an dem das Turnier stattfinden sollte, änderte sich der Gesamteindruck nicht. Eher im Gegenteil. Viele Menschen auf den Straßen strömten in eine Richtung, trugen Schwarz-Rote Banner bei sich, scherzten und lachten auf dem Weg. Es gab Kinder, die sogar an den Straßenrändern die Schlacht um Minas-Tirith nach spielten und die Eroberer als Helden sahen.
Mit einem kurzen Seufzer versuchte sie sich zu beruhigen. Es brachte nichts sich aufzuregen und unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
"Wo soll denn das Turnier stattfinden?", fragte Octavia schließlich eine Frau, die in die Gleiche Richtung ging.
"Im Ost-Viertel in der Arena!", entgegnete sie erfreut, "Folge einfach den Menschen hier!".
Octavia versuchte sich durch die Masse an Menschen zu drängeln, um die Arena noch rechtzeitig zu erreichen. Doch bei der Anzahl an Personen war dies gar nicht einfach. Während sie den anderen weiter folgte, kam sie an weiteren Parkanlagen, künstlich angelegten Bächen und wohlriechenden Speisemanufakturen vorbei. Selbst einige Badehäuser befanden sich auf dem Weg.
Endlich ein richtiges Bad nehmen!, dachte sie sich noch, wenn sie daran dachte, dass sie -seitdem sie im Norden war- nur noch in kalte Seen springen konnte, um sich zu waschen. Erneut drang ein leichter Seufzer aus ihr heraus. Natürlich vermisste sie den Komfort ihres alten Lebens. Zumindest in gewisser Weise. Aber deshalb eine Tyrannin wie Kiana als Königin zu akzeptieren stand für sie außer Frage. Sie fokussierte sich aber wieder auf ihr Vorhaben: Kiana zu töten!
Das war was sie tun wollte... Nur deshalb kam sie nach Minas-Tirith!

Endlich war die Arena in Sicht. Die junge Frau musste nur endlich dorthin gelangen. Sie drängelte sich weiter durch die Menschen, bis sie die Tore des imposanten Gebäudes erreichte. Wieder zurück in ihrer alten Heimat zu sein, löste in ihr eine große Anspannung aus. Wenn jemand sie auch nur aus Versehen berührte, zuckte sie zusammen. Octavia wollte endlich die Straßen hinter sich lassen. Immer wieder riefen ihr einige zu, sie sollte sich gefälligst hinten anstellen, während sie sich panisch an ihnen vorbei schob. Doch was sollte es sie kümmern.
Nun war die Frage, an wen sie sich wenden musste, um teilnehmen zu können. Sie sah eine Wache und lief auf diese zu.
"Ich möchte am Turnier teilnehmen!", sagte sie entschlossen.
"Tja… Das ist schön für dich, Mädchen…", erwiderte er, "...Du musst dich an Gerlong dort drüben wenden!". Dabei zeigte er mit seinem Finger auf einen etwas dickeren Mann, der mit Soldaten Kianas sprach, die Rüstungen trugen, die sie in Arnor noch nie gesehen hatte.
"Ich möchte am Turnier teilnehmen!", sagte sie wieder, als sie zu ihm ging.
Daraufhin musterte der Mann sie von oben bis unten und schmunzelte leicht. "Du bist ein wenig spät! Das Turnier beginnt gleich und die Teilnehmer stehen schon fest!".
"Bitte, es ist wichtig für mich!", flehte sie schon fast und faltete dabei ihre Hände. Der Mann seufzte leicht genervt. Er schüttelte seinen Kopf und blieb zunächst bei seiner Meinung.
"Bitte!", bettelte Octavia weiter und sah ihn treuherzig an.
"Was willst du denn da? Die Teilnehmer sind gute und erfahrene Kämpfer… Willst du dir das wirklich antun und… All die Schmerzen einstecken müssen?", dabei klang der Mann plötzlich äußerst besorgt, sogar schon väterlich.
"Ich bin eine gute Kämpferin!", entgegnete die junge Rebellin selbstsicher und stellte sich stramm vor Gerlong. "Ihr wollt ein großes Schauspiel für das Volk und für die Königin? Ich liefere es euch!".
Der dicke Mann lächelte sie daraufhin an. "Gut. Du scheinst überzeugt und nicht mehr umzustimmen zu sein. Wahrscheinlich kommt es der Königin gelegen, wenn auch eine Frau an dem Turnier teilnimmt!".
Octavia war erleichtert die Worte des ;annes zu hören. Die ganzen Mühen hatten sich gelohnt, um nach Minas-Tirith zu gelangen. Sie war ihrem Schritt näher und musste nur noch das Turnier gewinnen.
"Los, bringt sie zu den anderen!", befahl der Mann den Soldaten um sich herum. Einer der Soldaten sagte ihr, mit seiner gebrochenen Sprache, dass sie mit ihnen gehen sollte, was sie auch sofort tat. Allerdings wunderte sich die junge Frau etwas über den Akzent des Soldaten. Er schien nicht aus Mittelerde zu kommen, aber sie konnte auch nicht ausmachen, woher er sonst stammte. Der Soldat führte sie etwas hinter die Arena durch eine Hintertür. Von dort aus ging es über eine Treppe tiefer hinunter, bis sie an einem Verlies-Ähnlichen Ort waren. In gewisser Weise war ihr schon mulmig dabei, da sie nicht wusste was genau passierte oder wo der Soldat sie hinführte.

Schließlich erreichten sie eine großen Raum. Dort standen bereits fünfzehn andere Männer, die sich mit diversen Geräten für den Kampf einstimmten. Der Geruch von frischem Schweiß und muffigen feuchten Gemäuer drang in ihre Nase, weshalb sie diese erst einmal rümpfte. Vorsichtig beobachtete Octavia die Männer. Es waren überwiegend muskulöse große Männer, die kampferprobt wirkten. Zumindest entnahm sie das den vielen Narben und von der Art wie sie mit ihren Waffen übten.
"Na, wen haben wir denn da!", rief ein Mann mit Glatze, der mit ausgestreckten Armen auf sie zu kam. "Du denkst du kannst es mit einem von uns aufnehmen, Mädchen? Ha! Ich lache mich gleich schlapp!".
Octavia wollte erst gar nicht auf den Mann eingehen und verdrehte nur ihre Augen. Sie lief an eine Bank, zog ihre Jacke und ihren Umhang aus. Beide Kleidungsstücke legte sie auf diese Bank. Aus ihrer Tasche holte sie etwas Farbe hervor, die sie für ihre Kriegsbemalung im Gesicht verwendete. Die junge Rebellin griff sich dann eines der Schwerter und nutzte die Spiegelung der Klinge, um ihr Gesicht zu bemalen. Um ihre Augen malte sie jeweils die Umrisse eines Flügel eines Balrogs, ein Dämon aus der Unterwelt. Von der Nase ausgehend, bis hin zu ihrer Stirn, den umriss zweier Äxte. Das war das Symbol, welches Deloth auf der Brust eingebrannt bekommen hatte und immer als Zeichen seiner Freiheit ansah. Er erzählte ihr stets, dass er niemals den Süd-Rebellen hätte helfen können, wenn er nicht ein ausgebildeter Krieger war. Auch wenn dies bedeutete dass er früher ein Sklave war. Inzwischen wusste sie von seiner wahren Herkunft -er erzählte es ihr vor seiner Hinrichtung- und konnte das Symbol besser deuten. Es war eines der vielen Sklavenhalter aus dem Osten. Jene, die gegen Kiana kämpften. Jene, die Ostlinge wie Deloth zu furchterregenden Kriegern ausbildeten. Sie wählte bewusst diese Zeichen, denn sie wollte die Todbringerin der Königin sein!
"Denkst du etwa, das macht mir Angst?", rief der aggressive Mann plötzlich. Sie ignorierte ihn allerdings weiter, stellte ihr Bein auf die Bank aus Holz und zog ihre Stiefel fester. Der Mann stieß ihr Bein von dem Möbelstück aus Holz. "Hey! Ich rede mit dir!", schrie er sie dann an.
"Hast du nichts besseres zu tun?", fragte sie ihn noch ruhig und eindeutig entnervt.
"Oh… Die feine Dame möchte nicht belästigt werden!". Daraufhin lachten die anderen Männer im Raum.
Schwachköpfe!, dachte sie nur. Bevor sie auch den anderen Stiefel fester ziehen konnte, stand der Mann dicht an der jungen Frau. Sein widerwärtiger Geruch und sein warmer Atem ließ sie schon fast erschaudern, während er mit einer Hand an der Wand hinter ihren Kopf lehnte.
"Dich nehme ich mir als letzte vor! Dann habe ich noch meinen Spaß, bevor ich das Turnier gewinne!", sagte er ihr leise.
"Hört auf Lofar! Spart euch eure Kräfte für den Kampf!", unterbrach Gerlong den Glatzkopf. Brummend entfernte er sich endlich von ihr, sodass sie erst einmal durchatmen konnte. Gerlong erklärte die Regeln des Turniers und alle hörten aufmerksam zu.
"Keine Toten! Das war eine klare Anweisung der Königin! Blut ist erwünscht… Wer bewusstlos wird ist somit raus!".
Eine gewisse Enttäuschung war bei den Kämpfern bemerkbar. Zumindest konnte man das aus dem stöhnen entnehmen. Auch Octavia hätte die Männer lieber getötet. Besonders den glatzköpfigen. Auch war das viel einfacher, ihnen eine Klinge durch das Herz zu stoßen, als sie bewusstlos zu schlagen.
"Beeindruckt die Königin und enttäuscht sie nicht!", sagte Gerlong. Er wies die Teilnehmer an, ihm zu folgen, was auch sofort alle taten. Er führte sie durch einen Gang, der direkt zu einem verschlossenen Tor führte. Dort hinter hörte man schon die tausenden Menschen, die auf ein solches Spektakel warteten und jubelten.
Octavias Herz raste und sie versuchte irgendwie ihre Atmung ruhig zu bekommen. Dann öffnete sich endlich das große Tor und das Tageslicht blendete ihre Augen, sodass sie sich den Arm abschirmend vor das Gesicht hielt….

Octavia in der Arena von Minas-Tirith

Saizo:
Dol Amroth (Gondor)
Sanya und Mithrendan in Dol Amroth


"Komm schon, Sanya, Kopf hoch," versuchte Mithrendan sie aufzuheitern. "Es war doch kein vollständiger Fehlschlag. Wir haben ein weiteres großes Waffenlager ausgeräumt und wir wissen jetzt, dass die Gerüchte um die Aufständischen in Westgondor einen wahren Kern haben. Und wir wissen sogar, dass es einen einflussreichen Anführer gibt, der im Verborgenen seine Pläne schmiedet."
"Denkst du, die Königin wird das gerne hören?" hielt Sanya dagegen. "Du weißt doch, dass sie keine Geduld für Versagen aufbringt... wir werden einen Namen brauchen, bevor wir sie informieren."
"Und wer könnte sich hinter dem Titel des Silbernen Schwanes verbergen?"
"Wenn ich das wüsste, dann säßen wir jetzt nicht in dieser Zwickmühle und müssten nicht ohne Spuren im Nebel stochern," sagte Sanya seufzend.

Sie waren nach Dol Amroth zurückgekehrt, einige Stunden nach Sonnenuntergang. Während die Soldaten der Friedenshüter in ihre Unterkünfte geschickt wurden, standen Sanya und Mithrendan noch eine Weile etwas unschlüssig am Stadttor herum. Obwohl sie furchtbar müde von den Strapazen des Tages war, konnte Sanya einfach nicht aufhören, über das Geschehene nachzugrübeln. Ob dieser Rückschlag sie wohl ihr hart erkämpftes Amt kosten würde?
"Ich denke, du solltest mit dem Legaten darüber sprechen," sagte Mithrendan sachte.
Sanya starrte ihn an. "Ist das dein Ernst? Ich soll ihm bei meiner ersten Begegnung mit ihm also gleich erzählen, dass ich versagt habe?"
"Sanya, worüber bist du so besorgt? Er wird dich schon nicht des Amtes entheben, du leistest gute Arbeit - und in der Lage, in die wir heute geraten sind, hätte niemand etwas dagegen tun können, dass der geheimnisvolle Reiter uns entwischt. Dieser Legat ist von der Königin selbst auf seinen Posten berufen worden und er ist unser Verbündeter. Also sollten wir uns auch von ihm helfen lassen, meinst du nicht?"
Sanya schnaubte unwillig. "Aber mein Ostron ist furchtbar," brummte sie verdrossen, ein schwacher letzter Widerstand gegen die Überzeugung ihres besten Freundes.
"Du schaffst das schon," sagte er und klopfte ihr aufmunternd auf den Rücken. "Also, ab mit dir, ehe es Mitternacht geworden ist."

Missmutig stapfte Sanya die steilen Treppenstufen zum ehemaligen Palast der Fürsten von Dol Amroth hinauf, der sich auf dem höchsten Punkt der Stadt befand. Hier hatte die Militärverwaltung unter der Leitung des vanerischen Legaten ihren Sitz genommen. Obwohl es bereits spät war, standen noch immer eine ganze Menge Soldaten in voller Rüstung Wache. Sanya musste ihr Siegel präsentieren, um hinein gelassen zu werden. Eines Tages wird man mir mit dem Respekt begegnen, der mir gebührt, schwor sie sich, als sie sich auf den Weg zum Solar des Legaten machte.
"Kommandantin," begrüßte der Legat sie, als sie den Raum betrat zu dem eine der Wachen sie geführt hatte. Er blickte von seinem Schreibtisch auf, der voller Pergamente, Landkarten und Stapeln von Münzen war. Die Miene des Ostlings zeigte kaum Regungen oder Emotionen.
Sanya räusperte sich und sagte etwas unbeholfen: "Guten Abend, Legat. Ich bringe den Bericht über die aktuellen Nachforschungen der Friedenshüter."
"Sehr gut," erwiderte der Legat, nickte, und blickte Sanya erwartungsvoll an. "Und?"
"Wir haben drei verborgene Lager voller Waffen und Vorräte gefunden, zwei hier in der Stadt und eines in einem der Dörfer im Umland," begann Sanya. Sie stolperte zwar hier und da über ein Wort, doch alles in allem schien ihr Ostron ganz passabel zu sein. "Fünf ehemalige Adelige konnten wir direkt damit in Verbindung bringen und einsperren. Sie alle scheinen einen gemeinsamen Anführer zu haben, der sich der Silberne Schwan nennt."
Der Legat nickte erneut und sah Sanya auffordernd an. "Und weiter, Kommandantin?"
"Wir hatten einen weiteren Gefangenen, und ich denke, dass er uns eine Menge hätte verraten können, aber... durch einen Fehler meinerseits gelang es dem Feind, den Gefangenen zu töten und zu entkommen," gestand sie.
"Enttäuschend," sagte der Legat ruhig. "Aber Ihr habt Anhaltspunkte, das ist mehr als ich in all der Zeit die ich nun hier bin herausgefunden habe. Findet diesen Silbernen Schwan, Kommandantin. Die Königin verlangt es."
"Ich habe verstanden, Legat," bestätigte sie und wollte schon gehen, doch da erhob sich der Ostling und drückte ihr einen Brief in die Hand.
"Hier. Ein Bericht aus dem Gebiet namens Lossarnach, östlich von hier. Dort sind ähnliche Gerüchte aufgetaucht, erst vor Kurzem. Vielleicht findet Ihr dort neue Spuren, Kommandantin."
Sanya überflog die Zeilen rasch. Auch in Lossarnach waren versteckte Waffenlager gefunden worden, sowie Banner auf denen ein silberner Schwan zu sehen war. Sie dachte angestrengt nach. In der Nachricht, die ihr Feind an sie verfasst hatte, stand, dass er sie kontaktieren würde...
"Ich werde vor Sonnenaufgang nach Osten aufbrechen, wenn Ihr gestattet." Sanya salutierte.
"Findet diesen Rädelsführer, Kommandantin. Der Frieden in Gondor hängt davon ab."

Am folgenden Morgen übergab Sanya das Kommando über den Großteil der Friedenshüter an Rugnor, ihren Stellvertreter, und schärfte ihm ein, weiter in der Stadt und den umliegenden Dörfer nach Waffenlagern zu suchen. Sie selbst nahm zehn ihrer besten Männer mit und schiffte sich gemeinsam mit Mithrendan nach Pelargir ein, denn der Seeweg war trotz des Umwegs um das Kap von Belfalas schneller als ein Eilritt auf der Straße Richtung Minas Tirith.
"Solltet ihr auch nur die kleinsten Spur des Silbernen Schwans finden, benachrichtigt ihr mich persönlich," verlangte Sanya von ihren Unteroffizieren.
"Verstanden, Kommandantin," antwortete Rugnor.
"Es geht dabei auch um unseren Ruf als Friedenshüter," fuhr sie fort, kurz bevor sie an Bord des schnellen Kriegsschiffes ging, das sie nach Pelargir bringen sollte. "Wenn wir versagen, wird man die Truppe nur belächeln. Sobald ich weiß, was in Lossarnach vor sich geht, kehre ich wieder zu euch zurück. Dieser Silberne Schwan wird sich noch wünschen, er hätte sich nicht mit uns angelegt."
"Vergiss nicht, was er in seiner Nachricht geschrieben hat," sagte Mithrendan, nachdem sie an Bord gegangen waren.
"Oh, ich zähle darauf, dass er mich erneut kontaktieren wird. Diesmal werde ich vorbereitet sein. Je näher wir an Minas Tirith herankommen, desto mehr Soldaten stehen uns zur Verfügung. Und so wird das Netz immer enger, durch das dieser Mistskerl schlüpfen muss, um zu mir zu gelangen. Irgendwann wird er sich darin verfangen... und dann haben wir ihn."
"Gewieft," sagte Mithrendan lobend. "Das muss ich dir lassen."
Sanya gestattete sich ein kleines Lächeln. "Viel bleibt mir ja nicht übrig als meinen Auftrag so gut ich kann zu erledigen."
Mithrendan nickte. In diesem Augenblick legte das Schiff vom Hafen ab und schlug einen südöstlichen Kurs ein. "Aber... was kommt danach?"
"Danach?" fragte sie und der Seewind verwirbelte Sanyas sandblondes Haar, denn sie hatte ihren Pferdeschwanz ausnahmsweise gelöst. "Der nächste Auftrag, schätze ich."
"So meinte ich das nicht. Denkst du nicht, es wird eines Tages eine Zeit geben, wo unsere Arbeit unnötig sein wird?"
"Ich verstehe nicht ganz, was du mir sagen willst," wunderte sich Sanya.
"Sieh dich doch um," sagte Mithrendan. "Es sind die Soldaten der Königin, die die Ordnung bewahren. Gegen Aufständische vorgehen und dafür sorgen, dass die königlichen Gesetze eingehalten werden. Aber was wäre, wenn das alles eines Tages nicht mehr notwendig wäre? Es schmerzt mich zu sehen, wie die Menschen dafür unterdrückt werden, dass sie nicht von einer ihnen fremden Herrscherin aus der Ferne regiert werden wollen."
"Still!" zischte Sanya. "Wenn jemand hört, dass du so sprichst..."
"Du weißt, dass ich immer auf deiner Seite stehen werden, Sanya..."
Sie atmete tief durch und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling. "Du hattest ja noch nie ein Problem damit, das zu sagen was du gerade denkst... egal wie gefährlich das auch sein mag."
"Ich bin eben ehrlich," sagte der Kundschafter grinsend.
"Ehrlich... und ein Idiot," gab Sanya zurück, dann umarmte sie ihn.

Der Wind war ihnen gewogen und das Schiff machte gute Fahrt. Der Himmel war verhangen und grau, und so verbrachten sie den Tag an Bord des Kriegsschiffes unter Deck, bis es am folgenden Abend den Hafen von Pelargir errreichte. Von hier aus würden Sanya und ihre Leute nach Norden reiten, in das angrenzende Lossarnach.

Sanya und Mithrendan reiten nordwärts von Pelargir aus

Darkayah:
Arena in der Stadt von Minas-Tiritt (Gondor)
Octavia in der Arena von Minas-Tirith…

Der Anblick der sich der jungen Frau bot war atemberaubend. Tausende von Menschen jubelten den Kämpfern zu. Gesänge und Rufe wurden von den Rängen angestimmt. Auch überall in der Arena hingen und wehten Schwarz-Rote Banner.
Obwohl Octavia aufgeregt war und ihr Herz bis zur ihrem Hals pochte, breitete sich in ihr eine gewisse Faszination aus. Noch nie zuvor hatte sie so etwas gesehen und erlebt. So viele Menschen die sich am Schauspiel erfreuten. Unter den vielen Schaulustigen versuchte sie die Königin zu erblicken, doch der Platz an dem sie sitzen sollte war noch leer. Ein kurzer Trompenschall ertönte und die ganze Arena war daraufhin unheimlich still. Lediglich das ein oder andere Husten und Räuspern hallte durch das Runde Gebäude.
Dann sah Octavia auch schon wie die Wachen der Königin an den vorgesehenen Platz traten. Hinter ihnen erblickte sie die Frau, die sie von ganzem Herzen zu töten verlangte. Ihr langes silbernes Haar, welches sie offen trug, leuchtete und wehte im leichten Wind. Auf ihrem Kopf erkannte sie eine schwarze Krone, doch für Einzelheiten war die Königin zu weit von ihr weg.
Zu ihrer Linken befand sich ein Mann in schwarzer, aber leichter Rüstung. Er hatte einen rasierten Kopf und wie Octavia erkennen konnte, war er aus dem Osten wie Deloth. Zumindest machte sie das an seiner dunkleren Haut aus. An der rechten Seite sah sie einen Mann mit schwarzem, halblangem Haar, welches er sich zurückgekämmt hatte. Octavia kannte sein Gesicht. Es war Loki, der nun wieder an der Seite der Königin stand.
Also doch!, dachte sie sich enttäuscht. Du hast mich von Anfang an belogen!.
Sie wartete nur auf den Augenblick, dass die Wachen Eingriffen und die junge Rebellin verhafteten, doch dem war nicht so. Vielleicht verriet Loki wenigstens nicht wer sie war

Schließlich trat Gerlong an die Tribüne der Königin und erhob seine Stimme. Er begrüßte sie und das ganze Volk. Er sprach immer wieder von großartigen Taten der Königin und schleimte was das zeug hielt. Er betitelte sie als Befreierin der Menschheit und Schrecken der Tyrannen.
Die einzige Tyrannin ist sie selbst!, dachte sie. Octavia musste sich zurückhalten nicht die Worte auszusprechen, die ihr im Kopf hervor schwebten. Das Volk in Minas-Tirith schien ja das gleiche wie Gerlong von der Königin zu halten, denn nicht ein Ton kam von den Tribünen. Wahrscheinlich hatten sie aber auch Angst etwas gegen sie zu sagen oder wollten das ganze Geschehen vergessen.
Schnell wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als Gerlong das Wort an die Teilnehmer des Turniers gab. Jeder von ihnen stellte sich vor. Sie behaupteten für die Ehre und die Königin zu kämpfen. Wie sie es den Sprüchen entnehmen konnte, handelte es sich wohl bei den meisten Teilnehmer um Soldaten und Hauptmänner der Armee. Octavia musste sich etwas einfallen lassen. Zum Glück war sie die letzte in der Reihe. Nichts sagen wäre vielleicht zu auffällig und die Königin vor allen Zuschauern zu beleidigen wäre wohl auch keine gute Idee gewesen.
Als sie dran war schwieg sie erst. Sie hatte das Gefühl, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Ihre Kehle fühlte sich plötzlich staubtrocken an und sie brachte kein Wort hervor. Sie senkte nur den Kopf und sah auf den sandigen Boden.
"Ich kämpfe für die Freiheit und Gerechtigkeit!", presste sie schließlich auf Ostron hervor und blickte dabei zu der Königin. Sie wusste nicht einmal selbst, ob das bewusst oder unbewusst war, die Sprache des Ostens zu verwenden. Vor allem  wurde sie durch die anhaltende Stille verunsichert. Hatte sie sich damit verraten?
Die junge Frau sah zu Kiana, die ihre Hände hob und in diese einmal klatschte. Durch das Klatschen halten sich die Rufe der Schaulustigen wieder durch die ganze Arena.
"Los, kämpft!", rief Gerlong, der Arenameister daraufhin und trat an den Rand des Sandplatzes.

Octavia entfernte sich erst einmal von der Mitte des Platzes. Sie wusste genau, dass sie von der Kraft her nicht mit den Männern mithalten konnte. Vor allem konnte sie nicht gegen alle gleichzeitig kämpfen. Sie versuchte den Überblick über die Situation zu behalten, so wie es Indro ihr immer beibrachte. Doch lange nachdenken konnte sie nicht, denn einer kam sofort schreiend auf die Rebellin zugestürmt. Sie wich jedem seiner Versuche aus, sie mit der Lanze zu treffen, die er in den Händen hielt. Sie selbst hatte nur ein stumpfes Schwert in der Hand, mit dem sie ihn nicht erreichen konnte.
Sie nutzte die Gelegenheit nach seinem nächsten Schlag weiter zu rennen. Dabei erkannte sie, dass schon unter lautem Raunen und Jubel die ersten fünf Teilnehmer am Boden lagen und aus der Arena geschliffen wurden. Den Mann, der hinter ihr her war, konnte sie allerdings nicht abschütteln. Sie Griff sich eine Lanze der schon bereits ausgeschiedenen Teilnehmer und hielt ihren Verfolger so auf Abstand. Immer wieder setzte sie zum Schlag an. Jeder von ihnen traf das Ziel tatsächlich auch. Sie wusste nicht ob der Mann einfach zu dumm zum ausweichen und parieren war, oder ob er sich so über die junge Frau lustig machte. Er lachte noch laut auf, verstummte aber, als Octavia ihn einen kräftigen Schlag auf die Schläfe gab. Der Mann taumelte noch einige Schritte rückwärts und die Rebellin schubste ihn mit dem stumpfen Ende der Lanze zu Boden, wo er dann auch bewusstlos liegen blieb.

Gerade atmete sie durch, da spürte sie nur einen Schmerz am Kopf, weil jemand kräftig an ihrem Zopf zog. Sie versuchte sich vergeblich von dem Griff zu lösen, was aber nicht einfach war. Sie wurde von hinten auf die Knie gedrückt und der Kämpfer der hinter ihr stand, schlug ihr zwei mal mit der Faust in ihr Gesicht. Dann wurde die junge Frau von dem deutlich größeren Mann gepackt und geworfen. Sie landete auf ihren Bauch und stöhnte vor Schmerz. Sie richtete sich langsam wieder auf und verspottete den Angreifer nur: "Was ist? Mehr hast du nicht drauf?".
Daraufhin stürmte er wie ein wildgewordenes Wildschwein auf sie zu. Irgendwie gelang es ihr seine Beine weg zu schlagen und er fiel zu Boden. Eine große Staubwolke flog über den Platz. Octavia lief schnell auf ihn zu bevor er aufstehen konnte, doch er rührte sich nicht mehr. Scheinbar war der Mann schon so schnell besiegt.
Als sie sich umsah, sah sie nur den glatzköpfigen Mann Namens Lofar, der sie im Verlies belästigte, gegen einen anderen kämpfen. Alle anderen waren besiegt. Mit lauten Geschrei und unter Zurufen der Zuschauer erschlug er seinen Gegner und ließ sich seinen Sieg von der Menge zelebrieren.
Dann wandte er sich Octavia zu und lief mit langsamen Schritten in ihre Richtung.
"Nur noch du und ich... Was habe ich dir gesagt… ", rief er, "...Dich nehme ich mir als letzte vor und werde meinen Spaß mit dir haben!".
Die junge Frau ging erst gar nicht auf seine Provokation ein und machte sich für den Kampf bereit.

Mit seiner Keule versuchte der große Glatzkopf immer wieder sie zu treffen. Zunächst gelang es ihr jedem seiner Hiebe auszuweichen. Parieren brachte dabei eher weniger etwas. Er würde ihr nur ihr Schwert aus der Hand schlagen und das durfte nicht passieren. Von der Kraft war er ihr maßlos überlegen, weshalb sie nur versuchen konnte ihn Müde zu machen. Anfangs ging ihr Plan auch auf und Lofar schien außer Atem. Laute Buhrufe ertönten von den Tribünen.
"Hörst du, sie sind unzufrieden weil du nur am Weglaufen bist, wie eine kleine Maus!", schnaubte Lofar erschöpft. Octavia war es egal was die Zuschauer dachten. Sie wollte ihnen gar kein Schauspiel liefern. Sie wollte nur heil das Turnier gewinnen. 
Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit reichte aus, sodass der glatzköpfige Mann sie mit seiner Keule streifte und sie zu Boden stolperte.
Sie versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch Lofar trat immer wieder in ihre Bauchhöhle. Octavia krümmte sich vor Schmerz und wälzte sich auf dem sandigen Boden. Sie konnte nur sehen, wie der Mann seine Waffe weg warf, seine Arme ausbreitete und sich bejubeln ließ. Sie versuchte irgendwie auf die Beine zu kommen. Doch immer wenn sie es versuchte, setzte Lofar zu einem neuen Tritt oder Schlag an. Verzweiflung machte sich in ihr breit, als sie feststellen musste, dass sie machtlos war. Ihr Gesicht war mittlerweile von Blut, Schweiß und Staub bedeckt. Langsam und zitternd kroch sie von der Stelle, in der Hoffnung etwas weiter Weg zu kommen. Der Mann ließ das aber nicht zu und drückte ihren Kopf mit seinem Fuß in den Sandplatz. Sie musste sich etwas einfallen lassen, wenn sie den Kampf nicht verlieren wollte oder gar von ihm umgebracht werden wollte.
Sie machte sich lang und griff nach ihrem Schwert. Mit aller Kraft drehte sie sich um und Schlug mit der Waffe in seine Richtung. Lofar schrie auf und trat einige Schritte zurück. Warmes Blut tropfte auf ihr herunter, was bedeuten musste, dass sie ihn getroffen haben musste. Ein lautes Raunen hallte durch die Arena und stoppte das Jubeln. Unter Schmerzen stand sie auf ihre Knie, während sie sich auf dem Schwert stützte. Endlich konnte sie durchatmen. Sich etwas erholen. Sie spuckte das Blut aus und wischte sich den Mund mit ihrem Arm ab. Dabei beobachtete sie den Glatzkopf, der sich sein linkes Ohr hielt. Scheinbar musste sie ihn dort getroffen haben. Ein Blick neben ihr zeigte, dass sie es sogar abgeschnitten hatte. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren mit Sand und Staub bedeckten Lippen. Sie erhob sich ganz und lief humpelnd auf den Mann zu.
"Na, wer ist jetzt die kleine Maus?!", rief sie spöttisch zu ihm. "Fängst wohl bei einem kleinen Kratzer an zu weinen!".
"Du Verrückte!", schrie er, "Du hast mir mein Ohr abgeschnitten! Willst du mich umbringen?".
"Der Arenaleiter hat gesagt… Blut ist erwünscht!", sagte sie schnaufend. Es war ihre Möglichkeit einen Vorteil zu erhaschen. Der Mann war zu diesem Zeitpunkt unbewaffnet und sie hielt ihr Schwert in der Hand. Bevor sie aber einen Angriff ausführen konnte, stürmte der Mann voller Wut auf sie zu. Sie wurde von ihm gepackt und er schlug seinen Kopf mit voller Kraft auf ihren. Mit der Faust, die ebenfalls ihr Gesicht traf, ging sie dann erneut zu Boden. Sie lag rücklings auf dem Boden und hatte alle Gliedmaßen von sich gestreckt. Wieder erhob sie sich mühsam. Langsam verspürte sie ihre schwindenden Kräfte. Lange würde sie nicht mehr durchhalten.
Erneut spuckte sie das Blut aus ihrem Mund. "Komm schon, war das alles?!".
Lofar rannte schreiend auf sie zu und diesmal gelang es ihr, zur Seite zu Springen und mit der Klinge ihres Schwertes seine Kniekehle zu schneiden. Kreischend rutschte der kräftige Mann auf seine Knie den Platz entlang. Mit raschen Schritten lief sie zu ihm und trat gegen seinen Oberkörper. Ohne dass sie es wollte, spürte sie nur die Wut die in ihr aufstieg. Eine Wut auf die Königin, auf Barnolf im Norden, auf Loki und auf die ganzen Schmerzen die sie verspürte. Immer wieder setzte sie, wenn auch etwas unbeholfen, zum nächsten Schlag und Tritt an.
Außer Atem ließ sie von ihm ab und hielt ihr Schwert an seiner Kehle. Wie gerne hätte sie ihm einfach getötet. Just in diesem Moment waren die Zuschauer mucksmäuschenstill. Jedes Auge in der Arena war auf das Geschehen gerichtet und jeder wartete vermutlich auf die Reaktion der jungen Rebellin. Sie biss sich auf ihre Unterlippe. Irgendwie musste sie ihre Rachegelüste aufhalten. Der Mann der zu ihr hoch sah, war blutverschmiert und noch immer bei  Bewusstsein. Sie entfernte sich einige Schritte von ihm, setzte dann zum Sprung an und schlug ihm den Knauf ihres Schwertes an den Kopf. Gefolgt wurde der Sprung von lauten Rufen aus der Tribüne. Dann endlich ging er zu Boden. Es war still. Nur die Banner, die im Wind flatterten, waren zu hören. Sie vernahm ein klatschen. Es kam tatsächlich von der Königin. Die anderen Zuschauer taten es ihrer Herrin gleich und applaudierten ebenfalls, gefolgt von jubeln.

Erschöpft fiel Octavia auf die Knie und ließ das Schwert fallen. Schnell halfen ihr einige Arenahelfer auf und brachten sie vor die Tribüne, auf der Kiana Vaneryen saß. Sie hatte es geschafft. Sie hatte das Turnier irgendwie überlebt und gewonnen. Über den Sieg freuen konnte sich Octavia nicht. Ihr war eher schlecht und hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. Mit viel Mühe schluckte sie den Klumpen in ihrer Kehle wieder herunter.
"Wir haben eine Siegerin!", rief Gerlong, der zu ihr gelaufen kam und hielt ihren Arm in die Luft. "Du siehst übel aus, Mädchen! Nutze die Audienz bei der Königin sinnvoll, damit es das Wert war!".
Trotz der Schmerzen konnte sich die junge Frau das Lächeln nicht verkneifen. Sie hatte nämlich sehr wohl vor die Audienz sinnvoll zu nutzen. Sie musste nur noch dorthin gelangen…
Octavia wird in den Palast der der Weißen Festung gebracht…

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