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Autor Thema: Ost-in-Edhil  (Gelesen 21789 mal)

Curanthor

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Düstere Verhandlung I
« Antwort #60 am: 3. Nov 2024, 23:36 »
Oronêl, Helluin, Celebithiel, Glorfindel, Rilmir, Súlien, Gelmir und die Zwerge aus dem nördlichen Eregion...

Faelivrin massierte sich die Schläfen und schaute Mathan kurz an. Er strich sich nachdenklich über das Kinn und erwiderte ihren besorgten Blick. Oronêl und seine Gefährten brachten schlechte Nachrichten, aber auch etwas Gutes. Sein Blick wanderte kurz weiter zu Glorfindel, der etwas Abseits im Thronsaal mit Isanasca sprach. Scheinbar ging es um die Unterstützung aus Imladris und dafür musste er erst mehr über Eregion und den Manarîn erfahren.
Mathan atmete tief durch, nachdem Oronêl mit seinem Bericht endete. Er legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. „Gut, dass du wieder zurück bist. Wir haben… wir erwarten unangenehme Gäste.“
Oronêl nickte ernst und wollte etwas antworten, als die Tore zum Thronsaal aufgestoßen wurden. Der durchdringende Gong der einzigen Glocke in der Stadt durchdrang das Gebäude. Es war ein tiefer, durchdringender Ton, der das Zwerchfell vibrieren ließ. Faelivrin zischte etwas. Ein zweiter Gong folgte. Vor dem offenen Thronsaal standen Rilmir, Súlien und die Zwerge, die erschrocken zusammenzuckten.  Ein Bote keuchte unter dem dritten Gong, kam schlitternd und ungalant zum Stehen. Der junge Elb hatte stark geweitete Augen, sein Atem kaum ein röcheln.
„S-Sie.. sie sind hier! Vor dem Nordtor! In Sichweite“ stammelte der junge Mann, „Es-…Ihr müsst-…“
Der vierte Gong verschlang seine Worte. Daraufhin preschte Isanasca in voller Rüstung wie ein geölter Blitz aus dem Palast. Ihre Hand am Schwert.
Faelivrin atmete einmal scharf ein. „Zur Torburg, rasch!“ Ihre Stimme schnitt durch die dröhnende Stille.
Keine weiteren Worte waren nötig. Mathan folgte seiner Tochter auf dem Fuß. Oronêl schloss sich ihnen an. Sie bellte in der Halle Befehle, und es schien dass der halbe Palast sich leerte. Am Fuße der Treppe wartete die Königliche Leibgarde und nahm sie in die Mitte. Überall standen auf dem großen Platz gerüstete Elben der unterschiedlichen Stämme und manarîschen Einheiten, die ihre Hände an den Griffen ihrer Schwerter gelegt hatten und grimmig nach Norden starrten. Andere umklammerten ihre Speere und Gleven. Valena quetschte sich durch die angespannten Schaulustigen und wurde auf einen Wink Mathans hin durch die laufende Mauer aus Körpern der Leibgarde zu ihm durchgelassen. Sie flüsterte ihm zu, dass sie Adrienne zuvor in die Südstadt schlendern sah. Er brummte nur, dass es besser sei, dass sie nicht dabei war.

Der Weg erschien ihm quälend lang. Jeder Schritt fühlte sich immer schwerer an. Aus einer Seitengasse stießen die Ritter des Königshauses dazu, doch bis auf Nammanor kannte er niemanden. Es waren fünf an der Zahl, bewaffnet bis an die Zähne. Das rhythmische Stampfen der Krieger um ihn herum ließ sein Puls steigen. Faelivrin gab unablässig Befehle an Boten, die immer wieder aus Seitengassen zu ihnen stießen und darin verschwanden. Er drehte den Kopf. Dem Tross hatte sich sogar Luscora angeschlossen. Sämtliche Sprecher und Anführer der Avari waren ebenfalls mit ernsten oder grimmigen Gesichtern dabei.

Das leise Klappern von Stahl und Holz intensivierte sich, als der Tross auf dem Nordplatz eintraf. Mathan erblickte Kerry, flankiert von ihren drei zugeteilten Leibwachen, zwei bereits mit Schilden in den Händen. Tardúr nickte knapp in ihre Richtung – ob er seine Königin oder ihn meinte, konnte Mathan nicht sagen.
Am Eingang zur großen Torburg wartete bereits Amante zusammen mit Ivyn, die gerade in das Gebäude eintrat. Faelivrin nahm einen anderen Eingang in die Torburg, den nur sie und ihren engsten Vertrauten nutzten. Sein Blick wanderte zu den Mauern. Gerüstete Elben reihten sich wie eine Perlenkette auf den Wehrgängen aneinander. Der leichte Schneefall schien niemanden zu stören, einige Trupps befüllten ihre Köcher. Die Spannung war so greifbar, dass Mathan sich beeilte, durch die volle Torburg zu kommen. Valena war direkt hinter ihm, dann Oronêl und überraschenderweise auch Kerry mit ihrer Begleitung. Sie sagte etwas, es klang besorgt und Valena antwortete etwas Beruhigendes. Die enge Treppe nach oben schien nicht zu enden. Mathan fühlte sich beklemmt. Wie immer, kurz vor einem Konflikt. Er biss die Zähne zusammen, seine Hand tastete nach Halarîns Schwert.
Erst jetzt, wo Mathan auf den Wehrgang an die Zinnen trat, wurden ihm die Ausmaße der Torburg bewusst. Über seinen Kopf befand sich eine zweite Ebene, gestützt auf Pfeiler-Rundbogenkonstruktionen. Man musste beide Ebenen bemannen, wenn man die Tore oder das Fallgatter bedienen wollte.  Das Torhaus wurde von zwei wuchtigen Türmen flankiert, zwei kleinere Türme waren noch nicht fertiggestellt. Fußgetrappel von oben und Gesprächsfetzen verrieten ihm, dass auch dort Bogenschützen und Krieger bereit standen.

Er richtete den Blick nach vorn. Um ihn herum versammelten sich einige seiner Familie, Freunde und Gefährten. Faelivrin, umringt von ihren Rittern stand in der Mitte. Ivyn ragte wie eine mächtige Eiche hinter ihr auf, eine Hand auf der Schulter der Königin. Sie strahlte eine Ruhe aus, unter der eine Flamme loderte. Es machte ihn nervös. Er schluckte kurz. Kerry, die kurz mit Valena neben ihn gesprochen hatte, verstummte. Luscora strich Nivim über ihren Rücken, die aufgelöst auf den Wehrgang erschienen war. Er redete unvermindert auf sie ein. Oronêl hatte seine Hand am Gürtel, in der Nähe seine Axt und blickte besorgt auf die Gestalten, die sich dem Torweg näherten. Amante blickte immer wieder zur Tür der Torburg. Als Mathans Blick dem ihren folgte, schwang die Tür auf und Adrienne mit voller Rüstung und dunklen Rändern unter ihrer blutunterlaufenden Augen erschien darin. Sie blickte grimmig und zerknirscht drein und stellte sich wortlos zu Valena und Kerry. Mathan konnte Isanasca nicht sehen, war sich aber sicher, dass sie in der Nähe war.
Getuschel ließ seinen suchenden Blick auf den Torweg fallen. Der Schneefall ließ nicht nach, dunkle Wolken verdeckten die hellen Sonnenstrahlen. Fünf Fremde waren auf fast einhundert Schritt herangekommen. Ein etwas Kleinerer trug ein verschlissenes, weißes Banner und ein schlankerer aber hochgewachsener Fremder einen großen, schmutzigen Sack. Sie alle trugen lange, Kapuzenkutten aus schwarzen, verschlissenen Stoff. Schwarzer Stahl blitzte darunter hervor. Jetzt wusste Mathan, warum das Getuschel aufgekommen war. Der Anführer war ein Berg von einem Krieger. Größer als jeder Elb oder Mensch. Kleiner als ein Bergtroll, aber genauso gefährlich. Ein gewaltiges Schwert war in einem Halter auf seinem Rücken befestigt, das mit vier Gürteln gehalten wurde. Es glich mehr einer schlanken Tür, als eine Waffe. Die schartige Klinge blitzte mit jedem Schritt. Die anderen vier waren nicht weniger schwer bewaffnet. Der Lange mit dem Sack trug ebenfalls eine überdimensionierte Waffe: eine gewaltige, stählerne Streitaxt lässig über die andere Schulter. Der Kopf der Waffe maß mehr als Mathans Unterarm. Jeder andere Krieger würde lächerlich erscheinen, aber nicht diese beiden.

Mathan bemerkte die Unruhe der Umstehenden. Ein Seitenblick verriet ihm die weit aufgerissenen Augen von Valena. Kerry hatte eine Hand vor dem Mund, Tardúr stand dicht hinter ihr, beide Hände schützend auf ihren Schultern. Adriennes Blick loderte vor Hass, ihr Körper jedoch erstarrt. Oronêl war ein Stück von den Zinnen zurückgewichen, seinen Bogen in der Hand. Einige Bogenschützen griffen nach Pfeilen in ihren Köchern. Nammanor zog sein Schwert und knurrte unelbisch.

Die Fremden kamen fünfzig Schritt vor den Mauern zum Stehen. Die schlankere Gestalt trug lässig einen Speer und ein schlankes Schwert steckte in einer schwarzen Schwertscheide am Gürtel. Rote Runen waren in das Leder geprägt. Ihr Körperbau war eher feminin, doch ihre Haltung verhieß tödliche Präzision und Eleganz. Wie eine Katze auf Beutezug. Der vierte Fremde hatte die Kutte eng um seinen Körper geschlungen und trug darüber einen weiten Mantel. Nichts an ihm verriet seine Wahl der Waffe, doch seine Schritte waren bedacht und gleitend.
„Spannt die Bögen“, murmelte Faelvrin kaum hörbar und durchbrach die Spannung. Flüsternd verbreitete sich der Befehl auf der gesamten Mauer.
„Das gefällt mir nicht“, raunte Oronêl zu Mathan, der mit verkrampften Nacken nickte: „Mir auch nicht.“
„Werden sie uns angreifen?“ Valenas zweifelnde Stimme war kaum ein Hauch.
„Sh!“, machte Luscora und nickte nach vorn, „Es beginnt.“
Der Berg von einem Krieger trat vor. Er klappte sein Visier ein Stück auf. Anfangs war dort nur gähnende Leere. Ein paar blutleere, fast schon graue Lippen wurden langsam sichtbar. So, als ob der Schatten sie nur widerwillig dem Sonnenlicht preisgaben.
 
„Númendacil, sechster Träger dieses Titels verlangt die Anführerin dieses Haufens zu sprechen!“ Die Stimme des massigen Mannes rollte wie Donner über die Zinnen.
Mathan registrierte wie Ivyn unmerklich, nur um eine Haaresbreite den Kiefer zusammenpresste. Sie flüsterte etwas in Faelivrins Ohr. Die umstehenden Elben wirkten nervöser als zuvor, die Jüngeren eine Spur blasser.
Seine Tochter trat an die Zinnen, flankiert von ihren Rittern. Isanasca erschien auf dem Wehrgang, vier lange, dicke Seile einigen Soldaten in die Hände drückend, dann stellte sich zu ihrer Mutter. Mathan ging ebenfalls etwas nach vorn, Adrienne kam dicht an seine Seite, Kerry blieb nah bei ihr. Oronêl legte Kerry eine Hand auf die Schulter, da Tardúr seinen Schild bereit machte.
„Was will der Westschlächter soweit fern von seiner Heimat?“, antwortete Ivyn in einem gebieterischen Ton, der so kalt war wie die Verließe von Forna Ascira.
Die perfekten weißen Zähne blitzten hinter den blutleeren Lippen des Schlächters auf. „Cúwen.“ Er hatte seine sonore Stimme nicht erhoben, doch es löste ein unangenehmes Kribbeln aus. Er sprach mit der gleichen Kälte, aber mit einer Gelassenheit, die fast an Gleichgültigkeit grenzte. „Du weißt was ich will.“
Nun antwortete Faelivrin schneidend: „Ihr und Euresgleichen seid in meinem Reich unerwünscht! Eregion ist altehrwürdiges Elbenland, kein Ort für die Schatten und ihren Dienern!“
Númendacil löste gemächlich einen der vier Gürtel seiner Waffe. Ringsherum hörte Mathan wie leise einige Schwerter aus ihren Scheiden glitten. Isanasca hob unmerklich eine Hand. Ein rascher Blick verriet ihm, dass sie selbst ihre linke Hand am Griff eines ihrer beiden Schwerter hatte. Fâncrist als dritte Klinge ruhte in einer Scheide am Gürtel am ihren Rücken. Er erinnerte sich, dass  es nur bei jenen Feinden ziehen würde, bei denen sie sich geschworen hatte sie zu vernichten.
„Der Herr der Erde beansprucht dieses Land. Seine Kriegsbeute!“, donnerte Númendacil unbeeindruckt, nachdem er den schmalen Gürtel endlich gelöst hatte, „Ihr habt diese Ländereien unverzüglich zu räumen.“
Einige Elben raunten empört. Mathan war froh, dass Amarin nicht auf den Mauern war. Sein Vater wäre sicherlich über die Zinnen gesprungen vor Zorn. Er selbst musste sich mit mahlenden Kiefer und einem hasserfüllten Knurren begnügen.
Faelivrin zeigte sich ihrerseits unbeeindruckt: „Weder gibt einen einzelnen Herrn dieser Erde, noch eine Kriegsbeute, die seit tausenden Jahren brach liegt.“
„Wie könnt Ihr es wagen!“ Die hohe, zischende Stimme der Kriegerin mit dem Speer erschallte, die ihre Waffe reckte.
Der Lange mit der Axt drückte mit dem Schaft seiner Waffe ihren gestreckten Arm hinab. Er platzierte den großen Sack auf dem Boden. Mathan runzelte die Stirn. Ein Kribbeln im Magen. Irgendwas übersahen sie. Sein Blick ging in den Augenwinkel zu Ivyn. Sie hatte noch immer den Kiefer zusammengepresst.
Die Fremden tauschten einige Wörter in einer Sprache, die in den Ohren schmerzte. Kerry verzog das Gesicht und fragte was das war. Mathan zuckte unwillkürlich bei jedem Laut, der zu ihnen hochdrang.
„Die Schwarze Sprache“, brachte Oronêl gepresst hervor.

„Elbenkönigin“, bellte Númendacil erneut kalt, „Der Dunkle Herrscher würde Euch abziehen lassen!“ Seine Lippen kräuselten sich zu einem grausamen Grinsen. „In einem Stück.“
Ein zweifelhaftes Raunen ging über die Mauern. Einige Elben flüsterten aufgeregt miteinander. Viele waren sich aber sicher, dass dies ein Trick war. Mathan schüttelte unentwegt den Kopf. Sicherlich wären jene Avari mit der größten Furcht am einfachsten zu verlocken mit solchen Versprechen.
Ivyn schnaubte kaum hörbar und erhob zum ersten Mal ihre Stimme: „Und was ist es, was er dafür begehrt? Sagt es uns.“
Die Kriegerin antwortete an Númendacils Stelle bissig: „Alles, was Ihr und Euer…Euresgleichen in den Ruinen gefunden habt. Vor allem Schmuck und…“
„Alcarúsa.“ Númendacil hob eine Hand.
Die Kriegerin reckte ihren Speer zur Mauer. „Wir fordern Euch zum Zweikampf!“
Mathan hörte dutzende Elben empört rufen, dass das unakzeptabel war. Die, die sich nicht äußerten machten grimmige Gesichter. Faelivrins Miene verzog sich kein Stück. Isasnascas Hand an ihrem Schwertgriff zuckte. Adrienne erwachte aus ihrer hasserfüllten Starre.
„Lass‘ sie mich zerfetzen“, knurrte sie, ihre Augen nur schmale Striche. 
„Nein!“, Kerrys Stimme war schrill. Valena drückte mit Gewalt Adriennes Arm und Hand wieder hinab, die ihr Schwert bereits zur Hälfte gezogen hatte.
Faelivrins Stimme durchschnitt den Tumult: „Wir verhandeln nicht mit Euresgleichen! Nicht zu diesen Bedingungen!“
Númendacil Lippen kräuselten sich noch mehr. „Oh, das werdet ihr.“ Ein kaltes, reibendes Lachen entrang sich seiner Kehle.
Der Lange mit der Axt trat gegen den Sack. Er bewegte sich. Valena fluchte. Mathan schluckte besorgt. Alle um ihn herum zuckten, bewegten sich unruhig oder hielten die Luft an. Súlien schob sich in Mathans Blickfeld. Der Sack öffnete sich. Die Waldläuferin erstarrte. „Sch-…“
„Nein!“ Adriennes Stimme peitschte gellend in Mathans Ohr. Dutzendfach wurde scharf die Luft eingesogen. Ihr Bruder rollte sich gekrümmt in den Schnee. Acharnors Gesicht war blutig geschlagen, aber er war scheinbar noch in einem Stück.

Tardúr und Oronêl packten Adrienne geistesgegenwärtig bevor sie den Rand der Zinnen erreichte. Valena schlang ihre Arme von hinten um die junge Frau und zog sie mit aller Kraft zurück. Sie schrie und schlug um sich. Mathan atmete angestrengt ein und aus, um seine eigene Wut zu kontrollieren. Faelevrins Augen blitzten. Auf eine Geste hin, wurden hunderte Pfeile auf Sehnen gelegt. Er fragte sich, wo sie den Jungen hätten fangen können.

Der riesige Krieger schien gänzlich unbeeindruckt, sein Grinsen nur minimal geringer als zuvor. „Ich dachte mir schon, dass das nicht reichen wird.“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. Neben ihm wuchs ein Schatten aus seinem Mantel – ein unsteter Schemen. Zumindest sah es so aus, als ein fünfter Fremder hinter dem Krieger hervorkam.
Entsetzte Rufe wurden laut, doch Nivims herzzerreißender Schrei fuhr bis ins Mark, übertönte jede Stimme und schmerzte in den Ohren. Faelivrins Augen explodierten vor silbernen Zorn, doch sie rührte sich nicht während Ivyns Hand sich in ihre Schulter krallte. Mathan schnürte es die Kehle zu, während der Fünfte ein spitzzulaufendes Messer an Elestoras Halsschlagader hielt. Das Elbenmädchen war blass wie der fallende Schnee, die Augen vor Furcht weit. Sie zitterte am ganzen Leib.
„Gebt sie frei!“, befahl Faelivrin mit kontrolliertem Zorn in der Stimme, „Sofort!“
Der Lange zog Acharnor auf die Beine und schubste ihn neben das Mädchen. Der Jüngling legte ihr tröstlich eine Hand auf die Schulter. Alcarúsa trat ihm daraufhin zur Strafe in die Kniekehlen. Er sackte neben Elestora auf Augenhöhe und schien etwas zu der Kleinen zu sagen. Sie blinzelte nur heftig mit Tränen in den Augen.
Adrienne kämpfte wieder vermehrt gegen den stahlharten Griff die beiden Elben an. „Ich werde dich umbringen!“ brüllte sie die Mauern hinab, „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“
Númendacil schlug die gepanzerten Fäuste zusammen. „Das trifft sich gut! Zweikampf akzeptiert… würde ich ja jetzt sagen…“
Faelivrin holte Luft, doch Ivyn hielt sie zurück. Mathan presste die Zähne schmerzhaft zusammen. Sie hatten kaum eine Wahl, wenn sie Elestora und Acharnor irgendwie aus deren Fängen befreien wollten. Jeder wusste das und jeder hasste es. Die Sauronisten würden nicht zögern einen von beiden sofort zu töten.
Der Lange mit der Axt trat vor. Er verneigte sich mit einer spöttischen Handbewegung. „Lormornion. Ich werde die Regeln verkünden. Offensichtlich liegt euch an dem Mädchen mehr als an dem Bengel… Nun, es ist einfach. Jede Seite wählt jeweils zwei Krieger. Erster Kampf bis zum ersten Blut. Zweiter Kampf bis zum Tod. Gewinner erhält das Land, die Artefakte und einen gewählten Preis. Stimmt Ihr zu, lassen wir Euch obendrein in einem Stück abziehen.“

Niemand antwortete. Faelivrins Berater redeten auf sie ein. Nivim, zusammengebrochen in Luscoras Armen, bettelte darum, dass jemand ihre Kleine befreien würde. Adrienne zappelte unruhig in Oronêl und Tardúrs Griffen. Valena war wie angewurzelt, noch immer die Schülerin umklammernd. Kerry starrte entsetzt hinab, eine Hand vor dem Mund geschlagen. Súlien murmelte ununterbrochen zu sich selbst, konnte aber nicht den Blick abwenden. Die Minuten krochen so dahin. Mathan musterte die Fremden mit unterdrückter Wut. Er hatte Zweifel, ob er den Schlächter bezwingen konnte. Sie alle strahlten Gefahr aus und seine Instinkte hatten ihn noch nie im Stich gelassen. Sauron hatte seine gefährlichsten Diener neben den Nazgûhl entsandt. Vor allem Númendacil. Der Kerl war ein Monster. Wenn er selbst zum Kampf antreten würde, gab es nur sehr wenige die sich gegen ihn behaupten könnten.

Mathan umklammerte den Griff von Halarîns Schwert. Elestora war sein Fleisch und Blut - etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt.
„Den Morquendi ist nicht zu trauen“, erklang Amantes Stimme leise aber hörbar voller Abscheu, „Die More Ohtar - Schwarze Champions, wie sie sich gerne nennen. Jeder, der sich ihnen stellt ist ein Narr.“
„Und dennoch sehe ich keinen anderen Weg meine Enkelin aus ihren Klauen zu befreien“, schnauzte Faelivrin ungehalten.
„Majestät.“ Nammarno deutete nach vorn, das Geplänkel unterbrechend. Das Gemurmel und der Aufruhr erstarben und wichen allgemein unterdrückte Wut und Anspannung.
Der riesenhafte Krieger schüttelte den Kopf. „Ich bin ein geduldiger Mann.“ Seine Stimme donnerte wieder über die Mauern. „Vielleicht sollte ich der Sache mehr Nachdruck verleihen…“
Sofort wurde es totenstill. Mathan hörte Handschuhe und Zähne knirschen. Ihm stockte der Atem. Kerry neben ihm keuchte auf und schlug beide Hände vor dem Mund. Acharnor blinzelte verständnislos. Eine blutige Speerspitze ragte aus seinem Bauch hervor. Alcarúsa hatte ihn von hinten durchbohrt. Die Sekunden flossen zäh dahin. Mathan sah aus dem Augenwinkel, wie Adriennes erstarrten Züge sich stetig zu blanker Wut verwandelten. Ein dumpfes Pochen drang an sein Ohr. Als ob jemand laut schluckte. Oder ein Herzschlag. Er blinzelte. Sicher eine Einbildung.
„Bogenschützen!“ Faelivrins Befehl schnitt durch die Stille wie ein Fallbeil.
Pfeile klapperten und gespannte Sehnen knirschten im Chor.
„Langsam“ Alcarúsa zog achtlos ihren Speer aus der Wunde und richtete die blutige Klinge auf Elestoras unteren Rücken, „Oder mir rutscht noch einmal die Hand aus.“
« Letzte Änderung: 4. Nov 2024, 00:26 von Curanthor »

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Düstere Verhandlung II
« Antwort #61 am: 4. Nov 2024, 06:21 »
Das frisch vergossene Blut färbte die zarte weiße Schneedecke in ein tiefes Rot. Eine unheimliche Stille war auf den Mauern eingetreten und Acharnor lag gekrümmt am Boden. Mathan kniff die Augen zusammen, das Herz schlug ihm bis in den Hals, bis er endlich erkannte, was er erhoffte. 
„Er lebt!“, stieß er gepresst hervor, bevor Adrienne in Raserei verfallen konnte, „Schwach, aber seine Brust hebt und senkt sich.“
„Es sieht jedoch nicht gut aus“, sagte Oronêl düster und wandte sich an Faelivrin, „Majestät, wir benötigen dringend einen Plan, um beide zu retten, bevor er verblutet.“
Die Bogenschützen entspannten ihre Bögen auf eine Geste der Prinzessin hin, die Pfeile jedoch noch immer an den Sehnen.
 Mathan sah sich hastig um, Faelivrin starrte finster hinab, die Kiefermuskulatur angespannt. Ivyn, Amante und Isanasca standen eng zusammen und flüsterten eindringlich miteinander. Hinter ihm wimmerte Nivim und wurde von ihrem Mann fortgebracht. Mathans Hände schwitzten. Besorgt schaute er wieder hinab zu Númendacil. Der Krieger grinste selbstsicher. Mathan schluckte schwer und runzelte die Stirn, während er fieberhaft nachdachte. Irgendetwas stimmte nicht, aber er kam einfach nicht darauf, was es war.
Um ihn herum erhoben sich die Stimmen der anderen vermehrt und begannen zu diskutieren, bis Faelivrin sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete.
„Gewährt uns zehn Minuten!“, rief sie ruhig, fast schon kühl, „Und wir können verhandeln.“
Nur wenige protestierten und als seine Tochter sich umdrehte war er froh, dass er nie ihren Zorn geweckt hatte.
„Ihr habt zwei!“, donnerte der Anführer More Ohtar indessen.
„Wie konnte das geschehen?!“ Faelivrin starrte alle Kommandanten, ihre Ritter und vor allem den Anführer der Leibgarde an, ihre Augen funkelten silbern vor schwelenden Zorn. Niemand wagte es, auch nur einen Ton von sich zu geben. Sie wandte sich an den Kommandanten der Königleichen Leibgarde: „Teilt jeder Führungsperson und meiner Familie ab sofort Leibwächter zu, rund um die Uhr.“ Der Elb mit rotem Rosshaarbusch nickte, aber bevor er sich entfernen konnte, griff sie nach seiner Schulter: „Jeden einzelnen. Zu jeder Zeit. Ohne Ausnahme.“
„Zu Befehl, Euer Gnaden!“, stieß der Mann hervor und beeilte sich den Auftrag auszuführen.
Mathan warf ihm einen fast schon mitleidigen Blick zu. Niemand hatte damit gerechnet. Irgendwie wurde ihre Verteidigung durchbrochen, bevor es überhaupt zum Kampf gekommen war. Er biss sich besorgt auf die Unterlippe, vielleicht hatten seine Schwestern mehr herausgefunden.
„Was sollen wir tun?“,  flüsterte Súlien kaum hörbar, „Der Junge wird nicht lange durchhalten.“
Zu Mathans Erleichterung trat Ivyn vor und ihre Ausstrahlung nahm mehr Raum auf dem Wehrgang ein. „Verhandeln. Die Schwarzen Streiter sind gnadenlose Bestien, geschaffen durch dunkle, abscheuliche Zauber. Aber sie folgen nicht blind. Ihr Verstand ist genauso scharf wie tödlich. Es sind keine tumben Kreaturen die man übertölpeln kann.“
Amante hielt dagegen:“ Cúwen! Du weißt, was damals geschehen ist. Es sind Monster! Du hast es selbst gesagt.“
„Und gesehen!“ Die Erste hatte mit Eiseskälte in der Stimme gesprochen, sodass einige Elben zuckten, oder verwundert zu ihr blickten, „Ich habe erlebt, was sie anrichten können. Sie sind keine Generäle, keine Heerführer, keine Kommandanten, Taktiker oder Strategen…“
„… es sind Schlächter.“ Adriennes heisere, raue Stimme ließ alle Köpfe zu ihr fahren.
Mathan starrte sie zusammen mit den anderen an. Wusste sie etwas? Oronêl löste vorsichtig seinen Griff von ihrer Schulter nach einem kurzen Blickkontakt mit ihm. Sie war blass, ihre Körper bebte vor Zorn, doch sie hatte sich wieder im Griff.
„Eine Minute!“, donnerte Númendacil und Mathan vergaß die Frage, die auf seiner Zunge lag.
„Wir haben keine Wahl, wenn wir Elestora befreien, und Acharnor retten wollen“ Faelivrins Stimme war gefasst, doch den langen Blick, den sie Mathan zuwarf, den würde er nie vergessen. Wut, Angst, Trauer, Sorge. Alles in einem wilden, abwechselnden Crescendo in einem silbernen Strudel. „Ivyn, du kennst sie. Ich überlasse dir die Verhandlung.“
Mathan war sich sicher, dass die beiden sich schon mental ausgetauscht hatten. Er sah, wie Amante ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste und schwieg. Er nickte Valena zu, die ihre Umklammerung um Adrienne löste und ihr unbeholfen eine tröstende Hand auf den Rücken legte.
Einer der Feinde rief mit krächzender Stimme: „Eine halbe Minute!“
„Kannst du ihm helfen, wenn wir gewinnen?“, fragte Kerry rasch an die Erste gewandt, auf Acharnor deutend.
Oronêl berührte sie sacht am Arm bedeutete ihr zu warten, in seiner Hand noch immer den gespannten Bogen. Ein Elbenkrieger reichte ihm einen gefüllten Köcher.
Mathan neigte sich zu seiner Adoptivtochter: „ Wenn Halarîn große Verletzungen heilen kann“, raunte er und schaute zu Adrienne, „Dann kann ihre Lehrmeisterin beinahe Wunder vollbringen.“
‚Und dennoch niemanden von den Toten zurückholen‘, dachte er bei sich.

„Morquendi!“ Ivyns Stimme hallte laut über die Mauern und den Torweg, „Wir stellen vier Bedingungen, bevor wir dem Kampf zustimmen.“
Mathan reckte den Hals während sie sprach und sah, wie Númendacil die Lippen höhnisch verzog, aber nur sichtbar nickte. Er machte gar nicht die Mühe ihr zu antworten.
Die Erste ließ sich nicht davon beirren: „Erstens, die Teilnehmer im zweiten Duell kämpfen nicht bis zum Tod.“

„Abgelehnt.“

Faelivrin warf Mathan einen Seitenblick zu. Er erwiderte ihn und erkannte in ihren ruhigen Augen, dass das erwartet war.
„Zweitens“, Er blickte mit pochendem Herzen wieder rasch nach vorn, als Ivyn weitersprach, „Wir schlagen vor, dass der erste Kampf ein Zwei-gegen-Zwei-Kampf wird.“
Númendacil schnalzte verächtlich mit der Zunge und winkte ab. "Glaubt ihr wirklich, dass wir das nötig haben?“ Der Kerl, der Elestora am Kragen hielt und den Dolch am Hals sagte etwas, doch der riesige Krieger antwortete in einem offensichtlich drohenden Tonfall. Er schnauzte die Speerträgerin an, die daraufhin ihre Klinge senkte, dann rief er: „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass wir uns von zwei Elben besiegen lassen würden?“ Der Krieger bleckte die Zähne. „Einer von uns reicht für Euresgleichen.“
Ivyn schien kurz durchzuatmen, offenbar zufrieden. „Dann bitten wir darum, dass jeder Teilnehmer die Waffe seiner Wahl führen kann.“
Mathan hörte, dass einige sich erlaubten erleichtert auszuatmen, als die Kriegerin ihren Speer senkte und Elestora nicht mehr direkt bedrohte. Er schüttelte unmerklich den Kopf. Nichts war ‚nicht mehr bedrohlich‘, solange die Kleine von fünf dieser „Bestien“ flankiert wurde. Er schauderte darüber, dass eine Erste sie so beschrieb. Sein Instinkt hatte ihn nicht betrogen, dennoch gab er sich größte Mühe seinen nervösen Atem zu beruhigen. Gerade deswegen gab es keinen andere Alternative.
Númendacil grinste wieder höhnisch. „Eine Bitte, keine Bedingung. Oh, wie das schmerzen muss diesen elbischen Stolz zu überwinden.“ Er machte einen Würgelaut, wechselte einige Wörter mit seinen Kumpanen, bis er einen Daumen hob. „Eurer Bitte wurde stattgegeben.“
„Der vergreift sich im Ton, „knurrte Nammanor und erhielt zustimmendes Nicken und Raunen.
„Dann die dritte Bedingung“, Ivyn deutete nach unten, „ und zwar die sofortige Freilassung der Geiseln.“
Kurz herrschte angespannte Stille. Mathan spürte, wie Kerrys Hand sich krampfhaft um seine schloss.
Númendacil stieß ein kurzes, kaltes Lachen aus, dass einem den Rücken herunterfuhr. Er breitete die Arme aus. „Und dann von euren Pfeilen gespickt zu werden? Eure Tore vor der Nase verschlossen zu haben und ohne Druckmittel dazustehen? Hältst du mich für so dumm, Cúwen?“
„Was garantiert uns, dass du sie nicht einfach tötest, wenn der Kampf unvorteilhaft für euch verläuft, Naicohtar?“ Zischte die Erste gefährlich leise. Ihre Augen glommen silbern auf, bereit zu einer zornigen Flamme zu werden. 
Obwohl sie so gedämpft gesprochen hatte, war ihre Stimme gut zu hören, direkt in seinem Kopf. Mathan bemerkte, dass einige etwas unbehaglich dreinblickten. Es war immer etwas seltsam eine andere Stimme im Gedanken zu haben. Bisher dachte er, dass eine mentale Unterhaltung nur begrenzt war. Dass Ivyn es auf eine so breite Masse anwandte, verdeutlichte ihre Macht, was Mathan erschaudern ließ. Einige umstehende Elben blickten sie mit neuem Respekt oder auch Ehrfurcht an. Er hingegen verfolgte das stumme Blickduell dieser beiden mächtigen Echos einer altvorderen Zeit.
Die Zeit verging zäh wie Honig, bis Númendacil als Erster eine Hand hob. „Muinaicu, zeige ihnen, dass wir keine wilden und unzivilisierten Barbaren sind, wie gewisse… Andere.“ Der kauernde Schemen, der ungefähr wie eine männliche Gestalt aussah, ließ den Dolch an Elestoras Hals langsam sinken.

Mathan erlaubte sich ein minimales ausatmen und lockerte seine verkrampfte Hand um seinen Schwertgriff. Aus dem Augenwinkel sah er einen feuchten Schimmer in Kerrys Augen und Valena, die stumm ihre Hand ergriff. Seine Augen fixierten sich wieder auf dem Torweg, wo er eine neue Bewegung wahrnahm. Der eigentliche Entführer bewegte sich von dem Elbenkind weg. Er hatte Mühe diesen Muinaicu folgen, als dieser mit dem langen Schatten des Axtträgers beinahe verschmolz.

„Cúwen, oh Cúwen!“, hallte indessen die Stimme Númendacils über die Mauern, „Du machst es mir nicht leicht.“ Die blutleeren Lippen zuckten kurz, dann wedelte er spöttisch mit der Hand, „Wie war doch mal dein Spruch? Das Wohl der Vielen überwiegt das des Einzelnen.“
Die Erste blieb stählern und ging nicht darauf ein. Mathan konnte sehen, dass Amante beinahe der Kragen platzte. Im Verlauf des Gesprächs war sie immer näher an die Zinnen getreten und er meinte auch in ihre Augen ab und an etwas Helles schimmern zu sehen. Eine weitere angespannte Stille folgte und seine Finger wurden taub, da Kerry Mathans Hand unentwegt fest im Griff hatte.
„Wie ich sehe, hast du dich tatsächlich geändert“, stellte der massige Krieger gelangweilt fest, als einige quälende Augenblicke verstrichen, „Wir kommen euch entgegen. Ihr könnt den Menschenbengel auf dem Felsen dort verpflegen.“ Er nickte zu einem flachen Stein, der groß genug war, wenn Arme und Beine herunterbaumelten. „Das kleine Spitzohr bleibt hier, aber niemand von uns wird sich ihm nicht mehr als zwanzig Schritt nähern – keiner von uns und euch.“ Sein Mundwinkel zuckte angewidert. „Mehr ist nicht möglich. Ihr habt eine kurze Bedenkzeit.“

Ivyn antwortete: "Die brauchen wir nicht." Mathan hob eine Braue und bemerkte den kurzen Blickwechsel zwischen der Ersten und Prinzessin Isansca.
„Schön, schön“, Númendacil wippte mit dem Kopf auf und ab, einer seiner Kämpfer klatschte lässig Beifall, „Dann haben die More Ohtar und die…“ Er verharrte und schnippte mit seinen Finger so gut es sein Panzerhandschuh erlaubte, „Die Eregrim unter Königin Faelivrin eine Abmachung. Korrekt?“
Faelivrin wandte den Kopf halb zu Mathan. Er kannte diesen Blick, also er nickte so knapp, dass es fast nicht sichtbar war. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, dann schaute sie wieder nach vorn und er seufzte leise.

„So sei es, doch seit gewarnt: Solltet ihr einen der beiden auch nur ein weiteres Haar krümmen, „Ihre Augen blitzten silbern auf, „Werde ich jeden Pfeil, jeden Stein und jeden Speer auf euch loslassen, den mein Königreich aufbieten kann, ist das klar?“
 
Númendacil winkte abfällig mit seiner gepanzerten Hand. "Ich habe keine Furcht vor deinen Drohungen, Elbenweib. Ich vertraue auf meine eigene Stärke und die meiner Streiter.“ Er schnaubte nur und drehte sich weg. „Jetzt kümmert euch um den Menschenbengel, bevor er meine Stiefel vollblutet.“


Verzeihung für die Formatierung - und danke fürs lesen

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Befürchtungen und Entschlossenheit
« Antwort #62 am: 7. Nov 2024, 12:31 »
Kerry hatte den Austausch mit den Fremden vor den Toren Ost-in-Edhils anfangs mit großem Schock verfolgt, vor allem als Adriennes Bruder und die kleine Elestora gezeigt worden waren, und dann erneut als Acharnor verletzt worden war. Die beruhigende Präsenz Tárdurs und den vielen Mitgliedern ihrer adoptiven Familie hatte ihr nach und nach geholfen, die Furcht in eine Art grimmige Ruhe zu verwandeln. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, dann entspannten sie sich wieder. Sie hielt den Blick starr auf die kleine Gruppe ihrer Feinde gehalten, die vor dem Stadttor standen und solch dreiste Forderungen stellten. Ein Teil von ihr wünschte sich, Faelivrin würde ihren Bogenschützen den befreienden Befehl geben, und hunderte von scharfäugigen Elben würden die Schwachstellen in den Rüstungen dieser Mistkerle finden, und sie mit einem Pfeilhagel niederstrecken.

Was könnten diese Unholde dagegen tun? fragte Kerry sich. Wenn alle fünf gleichzeitig fallen, kann keiner Acharnor mehr weh tun. Doch natürlich wusste sie, dass es alles nicht so einfach war. Ihre Feinde hatten einen Plan und wären nicht so frech vor das Tor der Stadt gekommen ohne sich ihres Erfolgs sicher zu sein.
Sicherlich wird es jemanden geben, der diese Monster im Zweikampf niederstrecken kann, überlegte sie weiter. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, was Mathan oder Oronêl im Kampf anrichten konnten, und unter den Elben Eregions gab es Krieger, die sogar noch mehr Talent und Training vorweisen konnte.
Kerry blickte zu Tárdur hinauf. Der Leibwächter schien die unausgesprochene Frage in ihrem Blick zu lesen, und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"Gäbe man mir den Befehl, dort unten in den Kampf zu ziehen, würde ich es ohne zu zögern tun," sagte Tárdur leise, die Stimme gedämpft durch das schwarze Tuch das die untere Hälfte seines Gesichts bedeckte. "Doch diese fünf übersteigen meine Fertigkeiten" gab er ohne Stolz zu. "Sicherlich könnte ich einen von ihnen eine Weile beschäftigen und auch einige Schwierigkeiten bereiten," ergänzte er ruhig, "allerdings sind sie alle erprobte Elbenschlächter. Um sie zu bezwingen muss man ... unkonventionell vorgehen. Es bedarf einer Strategie, die unerwartet kommt und sie aus der wohl erprobten Deckung lockt." Dabei warf Tárdur einen Blick zu seiner Seite, der die dort stehende Adrienne streifte.
Kerry folgte seinen Augen und ihr Blick blieb an Adrienne hängen, die mit vor Hass brennenden Augen nach unten starrte. Kerry spürte, dass es keinen Sinn machen würde, jetzt mit ihrer Freundin zu sprechen - dafür blieb auch gar keine Zeit. Alles geschah innerhalb einiger weniger Augenblicke.

Sie waren noch eine ganze Weile gemütlich im Lorbeerblatt bei Morlas geblieben und hatten sich zu viert ausgeruht, so gut das gegangen war. Als die Nachricht eingetroffen war, dass Feinde vor den Toren gesichtet worden waren, hatte Tárdur zunächst darauf bestanden, dass er Kerry zum Königspalast eskortieren würde. Doch sie hatten es kaum dorthin geschafft als auch schon eine große Prozession von dort in aller Eile zu den Toren strömte. Kerry und ihre drei Begleiter waren davon fortgetragen worden, und Kerry hatte sich auch gar nicht erst dagegen gewehrt. An den Mauern hatte es ein kurzes, aber herzliches Wiedersehen mit Súlien, Oronêl, Helluin und Rilmir gegeben, und in einer anderen Situation wäre Kerry sicherlich am liebsten eine Weile an Ort und Stelle geblieben um sich in Ruhe auszutauschen, doch dafür blieb keine Zeit. Während Rilmir rasch davonzog um nach Haleth zu sehen, was Kerry natürlich gut nachvollziehen konnte, waren so gut wie alle anderen gemeinsam auf die Mauern gestiegen, wo sich die tragischen Szenen mit den Feinden vor den Toren abgespielt hatten.

"Sei unbesorgt," sagte Tárdur und holte Kerry in die Gegenwart zurück. Die Stimme des Leibwächters war ruhig und verriet nicht einmal einen Anflug von Sorge oder Aufregung. Es gelang ihm, dabei ernsthaft zu wirken, sodass Kerry nicht das Gefühl bekam, Tárdur würde seine wahren Gedanken unterdrücken. Er hat vollstes Vertrauen in diejenigen, die für die Zweikämpfe ausgewählt werden, wurde es ihr klar und wünschte sich, sie besäße dieselbe Zuversicht.
Sie blickte sich um und ihr Blick kreuzte sich mit dem angespannten Gesicht Oronêls. Kerry kannte ihn nun schon so lange - ihr kam es wie ein ganzes Leben vor - dass sie selbst über die Entfernung erkennen konnte, dass Oronêl erschöpft und besorgt war. Genau wie Kerry kannte er die Feinde dort vor den Toren nicht, und genau wie Kerry fühlte er Wut und Ohnmacht in der Situation, in der sie sich befanden. Doch noch etwas anderes fiel Kerry auf. Da war auch ein Anflug von Zuversicht in Oronêls Augen zu erkennen, ähnlich wie bei Tárdur. Jemand musste sich um diese Monster kümmern, und jemand würde es tun. Sie wussten nicht, wer das sein würde, und wie der Kampf ausgehen würde. Aber Kerry spürte dennoch eine trotzige Entschlossenheit in sich aufsteigen. Elestora und Acharnor würden wieder nach Hause kommen, und die Feinde würden bestraft werden.

Kerry hoffte nur, dass das alles bald vorbei sein würde...
RPG:

Curanthor

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Ein uralter Konflikt
« Antwort #63 am: 8. Nov 2024, 21:24 »
Mathan musterte kurz die grimmigen Gesichter der Umstehenden, die sich erwartungsvoll zu Faelivrin gewandt hatten. Die Aussicht auf einen Zwei gegen Eins Kampf und ein Duell bis in den Tod sorgte für Unwohlsein aber auch eine Spur Zuversicht. Er schloss für einen Moment die Augen und schob alle Gedanken an den bevorstehenden Kampf beiseite. Seine Tochter unterhielt sich kurz mit Isanasca und lauschte einen Bericht eines Boten, dann räusperte sie sich. Er schlug wieder die Augen auf. Auf eine Geste hin, machten die umstehenden Soldaten Platz, sodass alle in einem großen Kreis standen. Ivyn war indessen schon vom Wehrgang verschwunden, wahrscheinlich um Acharnor rasch zu versorgen.

„Ihr habt alles gehört und es bedarf keiner großen Diskussion“, sagte Faelivrin leise und blickte ernst in die Runde, „Es stehen zwei Leben auf dem Spiel, die gesamte Stadt, das Reich und alles was wir uns in den letzten Monaten aufgebaut haben.“
Ihr Blick war gefasst, kein Zorn lag mehr in ihren Augen, nur ein harter Zug im ihren Mund war geblieben. Mathan bewunderte seine Tochter für ihre Beherrschung, die er selbst in dem Moment nicht gehabt hätte.

„Wir müssen davon ausgehen, dass die Morquendi sich nicht an die Abmachung halten“, Amante neigte respektvoll den Kopf vor Faelivrin und sagte: „Bitte vergesst nicht, dass dieser Art Feind schon zur Zeiten der Ersten eine große Bedrohung darstellte und es noch immer ist.“ Sie ließ ihren Blick über die versammelten Krieger schweifen und fügte hinzu: „Meldet euch nicht leichtfertig.“ Ihr Blick verharrte auf Oronêl.

Einer der Cuind rief empört: „Das ist doch Wahnsinn!“
„Nur weil Ihr keinen Mut habt, müsst Ihr nicht die Moral untergraben“, antwortete Calûnor von den Kinn-Lai schnaubend.

„Euer Gnaden.“ Nammanor war vorgetreten, eine Hand am Griff des Schwerts, „Ich bin bereit mein Leben zu geben, um die kleine Prinzessin und den Jungen zu retten, gebt mir den Befehl und ich werde gegen jeden Feind in den Kampf ziehen; für Euch und für das Reich.“

Faelevrin nickte knapp, sagte aber: „Euer Mut in Ehren, Kommandant, aber Ihr müsst die Ritter unseres Hauses in den kommenden Schlachten anführen.“ Ihr Blick wanderte weiter über die anderen Krieger.

Viele zögerten und blickten immer wieder abschätzend oder unsicher über die Zinnen. Mathan sah ebenfalls kurz auf den Torweg. Dort unten waren die fünf in schwarz gehüllten Gestalten noch immer sich beratschlagend in einem Kreis stehend und sitzend. Sie strahlten eine befremdliche Zuversicht aus. Er biss sich auf die Lippen.

„Königin Mutter…“, begann Isansaca doch Faelivrin schüttelte sofort den Kopf, „Du musst das Reich fortführen, sollte mir etwas zustoßen. Und ich kann Calanto nicht seiner Mutter berauben, sollte es schlecht ausgehen.“

„Ich werde es tun“, sagte Mathan leise. Alle Blicke richtete sich auf ihn, manche traurig, andere überrascht. Er hatte die Morquendi genauestens beobachtet, dank seiner guten Augen war ihm nichts entgangen. Númendacil war zweifellos der tödlichste Krieger, doch auch Lormornion, der Kerl mit der Axt bewegte sich so natürlich und hatte stets seine Verteidigung aufrecht, wie ein gestandener Veteran aus hunderten Schlachten. Nur wenige hier auf dem Wehrgang könnten sich ihnen widersetzen, dem war er sich fast sicher. „Ich denke, das haben sich schon die meisten gedacht. Ob ich nun im ersten oder zweiten Kampf antrete, überlasse ich der Krone.“

Faelivrin verzog daraufhin nur unmerklich das Gesicht und er lächelte schwach.

Oronêl antwortete als Erster: „Bis du dir sicher?“ Er blickte kurz hinab zu Torweg, „Das wird ein harter Kampf. Und wie Amante sagte, wahrscheinlich ein unfairer noch dazu.“ Ein unausgesprochenes Angebot lag in der Luft.
Mathan atmete kurz ein und aus. „Dem bin ich mir bewusst. Aber ich kann dich dieses Mal nicht an meiner Seite stehen sehen. Du bist ein guter Freund geworden, und ich möchte nicht, dass du diese Gefahr auf dich nimmst.“ Sein Blick ging zu der linken Hand Oronêls, dort wo der kleine und der Ringfinger fehlten. Es lag ihm fern den Krieger zu verschmähen, doch würden ihre Feinde absolute Höchstleistung fordern und Mathan war sich nicht sicher ob sein Freund mit der erst kürzlich erlittenen Einschränkung schon so perfektioniert kämpfen konnte wie er es gewohnt war. Der kleinste Fehler könnte die Waagschale umschlagen lassen. Das Risiko war einfach zu groß.

Scheinbar erriet Oronêl seinen Gedankengang, denn er nickte grimmig aber verstehend. „Gib auf dich Acht, mein Freund.“

„Das werde ich. Wir schwingen unsere Klingen ein anderes Mal gemeinsam, wenn wir unsere Feinde besser kennen“, antwortete Mathan, „Versprochen.“
Oronêl stieß ihn zur Bestätigung mit dem Ellenbogen an den Arm. Mathan nickte dem Sindar zu und fixierte seine erste Schülerin. Sie hatte vorhin schon etwas sagen wollen.

Adrienne schenkte ihm ein seltenes, gequältes Lächeln: „Ich erinnere mich.“ Sie blickte zu Boden, ihre Stimme rau, „Der Kerl mit dem Dolch… er kam hier in mein Zimmer… ich habe ihn aber schon einmal gesehen. In einem Kerker.“ Ihr Körper erschauderte, „Es ist bruchstückhaft.“ Adrienne stockte der Atem. „Er konnte sich im Schatten unsichtbar machen“, flüsterte sie, „zumindest glaube ich das.“ Ihre Hände zitterten leicht, als sie sich an die unheimliche Begegnung erinnerte. „Er hat mir etwas gegeben…“ Ihre Lippen waren dünne Striche. „Wenn ich nur früher gewusst hätte-, wenn ich mich nur eher erinnert hätte, dann…“ Adrienne brach ab und hob hilflos die Schultern, Tränen der Wut glitzerten in ihren Augen.
Valena legte ihr eine Hand auf die Schulter, während Kerry mitleidvoll sagte: „Du kannst nichts dafür, gebe dir nicht die Schuld dafür.“

Mathan drehte sich zu Adrienne und nahm sie zaghaft in den Arm. Sie versteifte sich, ließ es aber dann zu. „Ihr seid beide meine Schüler. Ihr alle drei“, sagte er und strich ihr über den Kopf, „vergiss das nicht.“ Adrienne blieb einfach so stehen, ihr Gesicht an seinem stählernen Brustpanzer vor den anderen verbogen. „Wenn dir mehr einfällt, lasse es mich wissen, aber quäle dich nicht. Niemand macht dir Vorwürfe. In Ordnung?“ Sie nickte knapp.

Faelivrin räusperte sich. „Wen würdest du an deiner Seite wissen wollen?“
Er verstand, dass sie ihn in den ersten Kampf schickte und nickte knapp. „Jemanden mit der größten Kampferfahrung den wir haben, abgesehen von meinem Vater. Jemand, der mir den Rücken decken kann.“
Einige Elben tuschelten leise. Er sah wie Isanasca immer wieder auf Faelivrin einredete, die aber kaum merklich jedes Mal vehement den Kopf schüttelte. Einer der Ritter Faelivrins ließ enttäuscht sein Schwert sinken, da er sich scheinbar gerade melden wollte.
Amantes Augen flackerten silbern mit einem goldenen Schimmer auf als sie vortrat. „Dann wird das Haus Maltahal in den Kampf ziehen.“ Sie richtete sich auf und wirkte fast wie Ivyn, „Sie sollen wissen, dass der Goldene Speer nach Mittelerde zurückgekehrt ist.“
Faelivrin blinzelte erstaunt. Die älteren Elben wirkten erleichtert. Mathan hingegen hob eine Braue. „Hast du dein Versteckspiel aufgegeben?“ Es war ihm vorher schon merkwürdig vorgekommen, dass Amante mit der Gruppe Hwenti vor einiger Zeit in Ost-In-Edhil angekommen war und sie sich genauso bewegte und redete wie die alte Freundin ihrer Familie. Nur sah sie nicht ganz so aus wie sie.
Sie antwortete nicht darauf sondern wandte sich zur Tür. „Ich werde meinen Speer holen.“ Ihr Blick fixierte Adrienne, „Erzähle ihnen von den Schwarzen Streitern, Mädchen.“ Mit den Worten war sie vom Wehrgang verschwunden. Einige blickten ihr verdattert hinterher.

Mathan atmete tief durch. Noch mehr Fragen türmten sich in seinem Kopf. Wer war sie wirklich? Und wo war sein Vater gerade? Mathan blickte sich suchend nach ihm um, doch er konnte ihn nicht auf dem Wehrgang entdecken.

„Ich…“, begann Adrienne matt und löste seinen Kopf von seiner Brust, „Ich erinnere mich an noch mehr. Die anderen. Neben Númendacil der Naicothar heißt und Lorminion gibt es noch ein paar andere.“ Mathan spürte, wie sie in seinen Armen zitterte. Er konnte aber nicht sagen, ob es Zorn oder Furcht war. „Alcarúsa, sie führt Speer und Schwert. Sie ist aufbrausend, aber sehr analytisch im Kampf. Eine kleine Schwachstelle und ihr Speer findet sein Ziel. Was ihr an körperliche Stärke fehlt, so ist sie schnell wie der Wind.“

„Na wunderbar“, brummte Nammanor, „Ich hoffe Dame Amante ist ebenfalls schnell.“ Faelivrin tauschte einen besorgten Blick mit Mathan, den er beruhigend erwiderte.

„Was weißt du noch?“, fragte Kerry neugierig aber auch besorgt, sie streichelte über ihren Arm. „Nur wenn es dir nichts ausmacht.“
Adrienne zuckte kurz bei der Berührung und machte Anstalten Kerry ausweichen, wollte aber nicht aus Mathans Umarmung und ließ es stattdessen über sich ergehen.

„Der Fünfte. Ein Bogenschütze. Sein Bogen hat die Zugkraft einer Armbrust... oder mehr. Linuro heißt er.“ Sie hielt sich die Schläfe, als ob ihr Kopf schmerzte. „Er taucht selten auf, ist der Waffenwart. Dann ist da Muinaicu. Meister der Tarnung.“ Adrienne zischte und schloss die Augen.
„Was ist los?“, fragte Kerry mit wachsender Besorgnis. 
 
Die übrigen Anwesenden lauschten alle gebannt ihrer Erzählung. Mathan war dankbar für jede Information, aber es behagte ihn nicht zu sehen, wie Adrienne sich quälte. „Wenn du aufhören willst…“
„Nein!“, rief sie heiser, „Alles was hilft meinen Bruder zu retten…“, sie hob den Blick mit feurigen Ausdruck darin, „Egal was es ist, ich werde es tun.“
„Wer hat dich von denen so zugerichtet?“, fragte Isanasca leise und schaute zwischen ihr und den Gestalten auf dem Torweg hin und her. Ihre Hand massierte den Griff eines ihrer Schwerter an der Hüfte.
„Der Wanderer. Er ist nicht dabei.“ Adrienne mied den Blick, „Und Alcarúsa mit Naicothar. Es gib noch einige von ihnen, aber sie sind nicht so weit im Westen.“

Amarins Stimme schnitt durch die kurze Pause: „Es sind nur sechs von ihnen im Westen.“ Er trug seine schwere Rüstung und kam scheinbar gelassen und unbewaffnet auf den Wehrgang geschlendert. Mathan sah noch, wie er ein kleines, blaues Schimmern in seiner Gürteltasche verschwinden ließ. Der alte Elb wandte sich an Adrienne: „Quäle dich nicht weiter, du hast genug gelitten, Kleine. Wir übernehmen das hier jetzt.“ Sein Blick ging von Mathan zu Faelivrin, dann zu Oronêl, Kerry und Valena. „Wenn ihr hier bleibt und mit uns kämpft, werdet ihr in einen uralten Konflikt reingezogen. Aber ich vermutete, dass habt ihr euch schon irgendwie gedacht. Nachdem Cúwen mit Naicothar gesprochen hat… nun, es war unvermeidbar.“

„Saurons Kampf gegen die freien Völker Mittelerde ist bereits ein uralter Konflikt“, antwortete Oronêl mit einem ernsten Blick und fuhr mit einem Finger über seine Axt, „Er und sein Meister führten schon immer Krieg gegen uns und unsere Vorfahren.“ Die anderen nickten bekräftigend.

Amarin seufzte nur als Antwort und tätschelte Adrienne großväterlich auf den Kopf. „Auf meine Reise in den fernen Osten mit meiner geliebten Gefährtin traf ich auf Cúwen und…“, Er schaute zur Tür, „Amante folgte mir heimlich. Der Konflikt mit… Morgoth war bereits im vollen Gange. Die Avari bestritten einen verzweifelten Überlebenskampf. Ich schloss mich ihnen an. Cúwen führte eine Gruppe der größten Avari ihrer Zeit, darunter ihr Gefährte Tyelpion.“ Er schloss kurz die Augen, „dann waren da noch Telumenáro, Maicandur, Vercóma und ein paar andere, die mir gerade entfallen sind... ah, Vaicenya und Melvende. Soweit mich meine Erinnerungen nicht trügen.“
„Mächtige Namen“, bemerkte Oronêl bedächtig.
Amarin nickte mit einem Anflug von einem grimmigen Grinsen: „Oh das waren wir. Und zwar so sehr, dass die Herren der schwarzen Brut diese Eliten erschufen, um gegen uns im Feld zu bestehen oder in unerwarteten Momenten zu überraschen. Zumindest glaubten wir es und sie verneinten es nicht. Eine tödliche Rivalität entfachte sich. Sie waren die Schwarzen Schlächter, und wir wurden die Weißen Streiter, bedacht darauf Leben zu retten, egal welches, solange es nicht der Dunkelheit verfallen war.“ Sein grinsen verflüchtigte sich, „Aber genug Geschichte.“ Er wandte sich an Mathan, „Deine Waffe wartet unten im Torhaus. Amante ist bereit, sie wird dir mehr über euren Gegner erzählen, wenn es soweit ist.“

Einige der Elben neigten respektvoll den Kopf vor Amarin. Mathan blickte seinen Vater lange an. Eine Mischung aus Unbehagen mischte sich unter seine Gefühle für ihn. Es gab mittlerweile viel zu viele Geheimnisse über seine Eltern und deren frühere Leben. Das Bild seiner Mutter als Jägerin hatte sich schnell verändert – vor allem nachdem sie verschwunden war. Umso mehr fragte er sich, wer Amante eigentlich war und woher sie kam. Und wie sie zu seinem Vater stand. Warum war sie ihm gefolgt und woher? Er schüttelte den Kopf und beschloss ihn nach dem Kampf zur Rede zu stellen. Vorerst gab es wichtigere Dinge.

Eine Bewegung unten am Torweg erregte Mathans Aufmerksamkeit. Er musste ein scharfes Einatmen unterdrücken, als er sah, dass einer der Schwarzen Streiter sich erhoben hatte. Ringsum wurde besorgtes Gemurmel laut. Súlien stieß einen leisen Fluch aus. Númendacil Naicothar stand breitbeinig auf dem Weg, die gigantische Klinge geschultert und das Helmvisier geschlossen.
Faelivrins harter Zug um den Mund trat noch stärker hervor, „Heermeister?“ Ihr Blick war aber der einer Tochter, die um ihren Vater bangte.
Er hob die Hand, um weitere Ausrufe oder Proteste zu unterbinden. Wortlos drehte der Elb sich um und ging in die Torburg. 
 

Curanthor

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Der Kampf gegen die Morquendi I
« Antwort #64 am: 18. Nov 2024, 23:58 »
Als Mathan die Treppe hinabstieg, überkam ihn ein mulmiges Gefühl. Er erkannte das Ziehen in seinem Magen sofort - die Furcht vor einem harten Kampf. Sein Herz hämmerte in seinem Brustkorb, seine Hände waren feucht vor Schweiß in seinen schweren Panzerhandschuhen. Der Gegner war einer der Elbenschlächter und ein Feind aus der Generation seines Vaters. Die metallische Klicke seiner stählernen Stiefel drang unnatürlich laut in seine Ohren.

Ob Halarîn hiervon erfahren würde? Sicherlich, und sie würde ihm dafür in die Ohren kneifen. Mathan überlegte kurz, wer sonst noch kämpfen könnte, aber ihm fiel niemand ein, bis auf Oronêl, Nammanor oder seine Enkelin. Alle drei waren entweder nicht in der Lage auf so hohem Niveau zu kämpfen, oder duften nicht. Vielleicht hätte er auf seine Tochter einwirken sollen, dass Isanasca mit ihm kämpft, aber er hatte es nicht getan. Mathan war sich sicher, dass die Schwarzen Schlächter irgendeinen miesen Trick in der Hinterhand hatten. Er wollte niemanden an seiner Seite bei so einem gefährlichen Gegner, wo er sich nicht sicher war, dass er oder sie sich selbst beschützen konnte. Und im Moment waren das nur Ivyn, Amarin und Amante.

Grübelnd stieß Mathan die Tür zu dem kleinen Nebenraum in der Torburg auf, der zum Seiteneingang im Torbogen führte. Dort wartete Amante in schwerer Rüstung, das Gesicht hinter einem altertümlichen Helm verborgen. Ihr schneeweißer Wappenrock war ohne Embleme oder Schmuck und überdeckte ihren fein gearbeiteten Plattenpanzer. Mathan fragte erst gar nicht, wo sie ihre Ausrüstung her hatte. Mehr und mehr nahm er in ihren Augen einen goldenen Schimmer wahr.

„Unser Gegner ist Naicohtar“, eröffnete sie das Gespräch mit vollkommender Ruhe in der Stimme, „Der Westschlächter, stellvertretender Anführer der Morquendi. Er kämpft brutal und effizient. Seine Waffe hast du bereits gesehen, aber hüte dich vor seinen Fäusten.“ Durch das Helmvisier sah er ihr Gesicht verfinstern, „Vergiss jegliche Regeln des Duells. Vor dir wird ein hochintelligenter Troll stehen. Ein Berg aus Muskeln, gehärtet durch dunkle Zauber und gehüllt in den stärksten Stahl den unser Feind herstellen kann.“
Mathan atmete tief ein und aus, dann nickte er knapp. Sein Schwert glitt lautlos aus der Scheide. „Wird das genügen?“ Die Klinge aus Gondolin - Halarîns Schwert schimmerte kaum merklich blau.
Amante nahm die Klinge entgegen, prüfte den Stahl, die Schneide und Parierstange. „Gleichwertig“, befand sie nach einen Moment, „Hier.“ Sie reichte ihm einen schwarzen Dolch, der von feinen, silbrig-blauen Adern durchzogen war. „Du kämpfst beidhändig und die Morquendi hassen Sternenstahl.“
Mathan nahm den Dolch respektvoll entgegen. Er war ideal ausbalanciert und die Schneide lief spitz zusammen, sodass man auch gut zustoßen konnte. Die Arbeit war zweifellos die seines Vaters. Der aufkommende Stolz wurde von Amantes Hand auf seiner Schulter vertrieben. Sie reichte ihm einen Helm, den er sich wortlos aufsetzte.

Die Tür zur Treppe flog auf und Isasnasca betrat den Raum. „Mathan“, sagte sie besorgt, „Großmutter würde uns allen nie verzeihen, wenn wir dich dort alleine hinausgehen lassen.“ Sie machte eine entschuldigende Geste zu Amante, „Wir möchten gerne mitkommen, um dir beizustehen, wenn es genehm ist?“ Adrienne, Nammanor und ein Ritter erschienen in der Tür. Die beiden hatten bereits ihre Schwerter gezogen und wichen nicht von ihrer Seite. Er musterte seine Schülerin einen langen Moment. Ihre dunklen Ränder unter den Augen täuschten nicht über das Feuer in ihrem Blick hinweg. Mathan nickte schließlich knapp nach einem Blickaustausch mit Amante. „Versprich mir, dass du bei Kommandant Nammanor bleibst.“

„General“, verbesserte dieser mit einem verschmitzten Grinsen und klappte sein Visier herunter, „Alle Ritter des Hauses sind ab sofort auch Generäle des Reiches.“ Er legte beschützend eine schwere Hand auf die Schulter Adriennes. „Und wir haben bereits darüber gesprochen.“
Amante nickte zur Mauer – dort wo sich bald das Schicksal der Geiseln und der Stadt entscheiden würde. „Cúwen muss den Jungen ins Haus der Ruhe bringen. Wir sollten keine Zeit verlieren.“


Kleine Steinchen knirschten unter seinen Stiefelsohlen, als er den Torweg entlangschritt. Amante ging etwas versetzt hinter ihm. Ihr langer Speerschaft war aus einem leicht golden Stahl gefertigt, die schlanke Klinge funkelte jedoch scharf mit einem bläulich-silbernen Schimmer. Sein Blick ging wieder nach vorn. Der riesenhafte Krieger wartete noch immer dort, die gigantische Waffe geschultert. Je näher Mathan kam, umso größer erschien ihm sein Feind.

„Vertraue auf deinen Instinkten, nicht deinen Sinnen“, mahnte Amante leise, „Sie können dich Dinge sehen lassen, die nicht da sind. Je mehr von ihnen auf einem Fleck sind, umso stärker sind diese… Irritierungen. Manche sagen, es ist Ardas Schutzreflex diese Art von Wesen als Feind zu markieren. Ich halte davon jedoch nichts.“ Sie verstummte und schien kurz etwas zu murmeln, dann setzte sie eindringlich nach: „Und blicke nicht in ihre Augen.“

Mathan nickte ernst und wandte kurz den Kopf. Adrienne, Isansca und Nammanor mit dem Ritter waren stehen geblieben. Ivyn versorgte Acharnor auf dem Stein, mit blutigen Tüchern hantierend und ernstem Gesicht. Zwanzig Schritt weiter weg, ganz alleine und zitternd wie Espenlaub stand Elestora, die Hände vor der Brust fest zusammengeklammert und an den Körper gezogen. Tränen liefen ihr unablässig über das Gesicht und ihr Kinn bebte, doch sie starrte tapfer hinauf zum Wehrgang der Mauer.

Es wurde eine Spur kühler und Mathan wandte den Blick wieder nach vorn. Vor ihm ragte die massive Gestalt Númendacils auf und übertraf ihn mindestens um Haupteslänge. Zehn Schritte trennten sie voneinander. Links von ihm saßen oder kauerten die übrigen der Schwarzen Schlächter in großen Abstand. Sie hatten provokativ ihre Waffen abgelegt oder an das Bein gelehnt, den Bogenschützen konnte er aber nicht ausmachen.

„Naicohtar“, sagte Amante kühl nach einer eisigen Stille und wirbelte ihren Speer herum, „Erfreut mich zu sehen?“
Der riesige Krieger erwachte aus seiner Starre und rammte das gewaltige Schwert in den Boden, „Calauriel“, grunzte er verächtlich, „Ich dachte, deine Sorte Spitzohren mischt sich nicht mehr in die Belange Mittelerdes ein. Hast du deine Strafe abgesessen?
Amante zuckte kurz bei der Nennung ihres alten Namens, wie Mathan aus dem Augenwinkel feststellte. Er musterte ausführlich die schwere Rüstung unter der weiten Kutte des Kriegers auf Schwachstellen, während seine Kampfgefährtin ruhig entgegnete: „Das wirst du schon noch sehen.“
Naicohtar rupfte sein Schwert aus dem Boden, „Ich freue mich auf die neuerliche Chance deinen Schädel zu spalten, ohne das Helcanárë diesmal den Schlag abfangen kann.“ Er wandte den Kopf umher, „Wo ist sie eigentlich?“
Mathan packte seine Waffen fester während Amante nur mit den Schultern zuckte. „Diesmal wirst du mich nicht aus dem Hinterhalt erwischen können.“
Ihr Gegner gab nur ein verächtliches Schnauben von sich und zog sich lässig die Kutte vom Körper. Die schwarze Stahlrüstung besaß keine einzige Lücke. Ein schwarzer Mantel wallte über die schwer gepanzerten Schultern hinab und war um die Halsberge gewickelt. Einzig die Armbeuge war von einem dicken Wams geschützt, doch Mathan war sich sicher, dass sich darunter ein dichtes Kettenhemd befand. So ähnlich war nämlich auch er gerüstet, auch wenn seine persönliche Rüstung, mehr Schutz bot. Er bereute es, sie noch immer unfertig in seinem und Halarîns Gemach zu lagern.

Lorminion trat unbewaffnet vor und hob die Arme: „Dann sind alle in Position. Es folgt eine kleine Erweiterung der Regeln.“ Er nickte zu den vier Unterstützern Mathans, die mit hinausgekommen waren, „Immerhin war das nicht abgesprochen.“ Amante zischte leise, als er ungerührt weitersprach: „Die Teilnehmer des erstes Kampfes können einmal einen Kämpfer austauschen.“

Vom Wehrgängen her ertönten unzufriedene Laute und Empörung. Faelivrin ließ sich nicht auf eine Erwiderung herab und verbat offenbar eine Antwort. Mathan sah wie Amante ihren Speer fester packte und äußert widerwillig knapp nickte. Dass der Bogenschütze nirgends zu sehen war, bereitete ihm aber im Moment noch mehr Sorgen. Wenn er die Zugkraft einer Armbrust besaß und die Geschwindigkeit eines Veteranen, konnte er massivem Schaden anrichten. Mathan kaute auf der Unterlippe und raunte Amante schließlich seine Sorge zu. Naicohtar packte sein massives Großschwert mit einer seiner gewaltigen Pranken und hob es an. Sofort ging Mathan leicht in die Hocke, bereit zum Angriff. „Das ist deine Chance“, murmelte er zu sich selbst, „nutze sie.“
Amante hob ihren Speer zum Stich. „Konzentriere dich auf den Kampf“, sagte sie mit fester Stimme, „schärfe deine Sinne und höre auf dein Herz.“ Sie sah Mathan von der Seite an und ihre Augen funkelten golden. „Keine Sorge“, sagte sie, „kein Pfeil wird dich treffen. Nicht solange ich hier bin.“

Es zischte und Metall schrammte über Stahl. Naicohtars gewaltige Klinge rauschte so knapp an seinem Kopf vorbei, dass sie den Rand seines Helms streifte. Amantes Speer hatte die Klinge im letzten Moment abgefangen. Mathan schlug mit dem Schwert nach der ungedeckten Seite. Der Krieger parierte lässig mit gepanzerter Faust. Amante stieß Mathan sofort in die Seite als das Großschwert nach unten sackte und um ein Haar seinen Schulterpanzer zermalmte. Er rollte sich flink ab. Über sich hörte er wieder Stahl aufeinander schlagen. Ein gepanzerter Fuß ruckte in sein Blickfeld. Mathan warf sich zur Seite. Der Geruch von Staub und etwas Fauliger, Modriges drang ihm in die Nase.
Er biss die Zähne zusammen und sprang auf die Füße. Ein Rückhandhieb ließ ihn nach hinten tänzeln. Amante parierte einen Überkopfschlag und konterte mit einer Finte auf die rechte Schulter. Mathan stach mit dem Dolch auf den linken Arm, der das Schwert hielt, doch Naicohtar reagierte blitzschnell. Seine Klinge sauste hinab wie ein Schild und fing den Dolch ab. Der freie Arm ruckte vor und fing den den Elbenspeer unter der Achsel. Mathan keuchte vor Anstrengung, packte das Großschwert als Hebel und trat gegen den Speerschaft. Amante nutzte den zusätzlichen Ruck und kam frei. Naicohtar senkte den Oberkörper und verpasste Mathan eine Körperramme. Es war, als ob ein wilder Stier ihn im vollen Lauf erwischt hatte. Er wurde mehrere Fuß weit nach hinten geschleudert und landete auf dem Rücken. Etwas Rotes blitzte in dem pechschwarzen Visier auf. Der Krieger holte rasch zu einem wuchtigen Schlag aus. Amantes Speer zuckte viermal wie eine Schlange vor, doch Naicohtar parierte immer wieder mit den gepanzerten Handrücken. Mathan rollte sich zur Seite und die Klinge prallte dorthin, wo eben noch sein Brustkorb gewesen war. Kleine Steinchen prasselten gegen seine Rüstung. Amante gab ihm Deckung, als er wieder auf die Beine kam. In langsamen Schritten umkreisen sie einander, Naicohtar führte seine Waffe noch immer einhändig, als ob er sie verspottete.

Mathans Atem ging schwer, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Das Tempo, das die anderen beiden vorlegten war weit über dem, was er gewohnt war. Ihm wurde wieder bewusst, dass hier zwei Kämpfer der Altvorderen Tage standen. Sein Blick ging rasch zu Amante. Auch sie führte ihren Speer einhändig, ließ ihn Kreisen und gab Mathan mit einem Handzeichen zu verstehen, kurz zurückzutreten. Er vernahm ihre ruhige Stimme in seinem Kopf: „Studiere seinen Kampfstil und achte auf meine Bewegungen, lasse deine Augen an die Geschwindigkeit gewöhnen.“

Sie tauschten die Position und er deckte ihre unbewaffnete Seite. Amantes Speer zuckte sogleich vor. Naicohtar wollte mit der freien Hand parieren, doch sie hatte damit gerechnet. Das Speerblatt zischte knapp an dem Handschuh vorbei – schlängelte sich um die Hand und zielte auf die Unterseite des Helms. Mit einem lauten Knall ruckte das große Schwert hoch. Der Speer wurde nach oben abgedrängt. Amante nutzte den Schwung und schwang die Waffe herum. Das stumpfe Ende des Speers wirbelte nach vorn und landete dumpf aber laut hörbar im ungedeckten Torso. Naicohtar machte das erste Mal einen halben Schritt zurück. Mathan sah wie die übrigen Morquendi sich aufsetzten. Anfeuernde Rufe ertönten vom Wehrgang. Der ganze Schlagabtausch war innerhalb einer Handvoll Herzschläge geschehen. Die äußeren Bewegungen der beiden waren immer etwas verschwommen, aber er hatte folgen können. Seine Augen brannten vor Konzentration.

Der große Krieger stieß ein kaltes, bellendes Lachen aus. „Ich sehe, du hast nichts verlernt, Calauriel“, rief er, doch seine Stimme triefte vor Hass als er den eingedellten Stahl unterhalb des Brustkorbs befühlte, „doch auch ich bin nicht untätig gewesen.“

Mathan presste angespannt die Kiefer aufeinander. Naicohtar zog ein Kurzschwert und nickte ihnen zu. Er starrte kurz auf den massigen Kerl. Noch nie hatte er gegen einen Gegner bekämpft, der Großschwert und Schwert führte. Ihm kam wieder das Bild des intelligenten Trolls in den Kopf – es wandelte sich immer mehr zu einem Olog-Hai in vage menschlicher Form. Amantes Stimme in seinem Kopf ermahnte ihn zur Wachsamkeit, da Naicohtar nun sich der Sache ernsthaft widmen würde.
Und sie würde Recht behalten. Der bullige Krieger senkte den Kopf und schwang das Großschwert mit der Rückhand nach Mathan. Seine andere Hand wehrte Amantes Speer ab und konterte, während das Großschwert mit einer kurzen Bewegung Mathans Dolch pariert. Ein Fußtritt hinderte Mathan mit dem Schwert nachzusetzen. Der Krieger bewegte seine Arme unabhängig voneinander und sorgte mit gut gezielten Tritten dafür, dass er auch weiterhin nicht nachsetzen konnte. Es sah merkwürdig aus, aber effizient.

Mathans Atem ging keuchend, die schweren aber schnelle Angriffe abzuwehren verlangte ihm alles ab. Neben ihm konnte Amante dafür immer wieder die Deckung des Kriegers aber durchbrechen. Ihr Speer schrammte öfters wirkungslos am schwarzen Stahl entlang oder glitt von dem Brustpanzer. Mathan wurde mehr und mehr in die Defensive gebracht, als Amante ihren Stil wechselte und ihren Speer beidhändig schwang. Jetzt krachte ihre Waffe mit jedem Schlag hörbar gegen das Großschwert und Naicohtar wechselte die Klingen. Das Kurzschwert des Kriegers schlängelte sich förmlich durch Mathans Deckung, während der Krieger nun schwere und mächtige Hiebe mit Amante austauschte.
Tira!!“, Amantes Stimme hallte in seinem Kopf.
Die Warnung kam keine Sekunde zu spät. Die gewaltige Klinge schrammte von unten über seinen gesamten Brustharnisch und landete in den kleinen Spalt zum linken Schulterpanzer. Mathan spürte wie er von den Füßen gehoben wurde. Er sah noch, wie sich ihr Speer gerade in die Achsel des Kriegers bohrte, bevor er den mit schwarzen Wolken verhangenen Himmel erblickte.

Der Aufschlag war hart und presste Mathan kurz die Luft aus den Lungen. Seine Schulter pochte vor Schmerz, als er sich rasch darüber abrollte. Die Muskeln in seinem Körper zitterten vor Anstrengung. Naicohtar hatte den Schwung seiner Waffe genutzt und die Tatsache, dass Mathan und Amante nahe beieinander standen. Den von ihm ausgeführte Rückhandhieb hatte der riesige Krieger meisterhaft geradewegs zu einem nach oben geführten Stich gewandelt. Mathan hatte zuvor das Kurzschwert pariert und mit dem Dolch gekontert. Genau dann hatte Naicohtar den Speer von Amante in Kauf genommen und Mathans Konter durchbrochen.

Ihr Gegner war ein Stück zur Seite getreten und untersuchte den Treffer von Amante, die ihrerseits sich zu Mathan geneigt hatte. Ihre Augen glommen leicht golden, als sie ihn am anderen Arm berührte. „Alles noch dran?“
Mathan rollte die Schulter und zischte leise durch den Schmerz, aber zumindest spürte er nichts Feuchtes. „Mein Gambeson, Kettenhemd und Untergewand haben das Schlimmste abgefangen.“ Er nahm kurz den Dolch an der Klinge zwischen die Finger, den Blick wachsam auf Naicohtar während er nachtastete, „Kein Blut.“ Befand er nach einem Moment und zeigte die trockenen Finger.
Ihr Gegner hatte inzwischen sein Kurzschwert wieder am Gürtel gegürtet und zeigte die freie Hand. „Ebenfalls kein Blut.“ Sein Blick ging zu Ivyn, die den ganzen Kampf von Acharnos Seite aus beobachtet hatte, „Oder, Cúwen?“

Ivyns Mundwinkel zuckte kurz, dann nickte sie knapp, während Lorminion ebenfalls auf beiden Seiten kein Blut verkündete und dann kurz applaudierte: „Kurzer, meisterhafter Schlagabtausch. Nun denn, uns steht ein Wechsel der Kämpfer bevor.“
Mathan richtete einen düsteren Blick auf die schwarze Gestalt, die sich sogleich unter den Schwarzen Schlächtern erhob, zusammen mit dem wütenden Knurren Adriennes in seinem Rücken.

Curanthor

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Der Kampf gegen die Morquendi II
« Antwort #65 am: Gestern um 16:29 »
Mathan wechselte einen Blick mit Amante. Das leicht goldene Schimmern in ihren Augen war verschwunden. Er hörte ihren Atem nun deutlich lauter. Es schien, als ob der Kampf ihr alles abverlangt hatte. Seine Muskeln in den Armen zwickten von der Anstrengung, doch noch hatte er genug Kraft. Ihm kam der Verdacht, dass sie die volle Kraft Naicohtars bei jedem Schlag abbekommen hatte, was eigentlich nicht ihrem gewohnten Kampfstil entsprach.

Sein Blick wanderte zu der schlanken Gestalt der Schwarzen Schlächter, die zu ihnen herüberschlenderte. Es war die, die Adrienne zuvor als Alcarúsa beschrieben hatte. Schlank, mit katzenhafter Anmut sich bewegend und einen Speer in der Hand. Rotes Blut haftete noch immer an der Klinge. Ein unscheinbares Schwert hing in einer schwarzen Scheide am ihren Gürtel. Gerade zog sie lässig ihre Kutte aus und ließ sie in den zarten Schnee fallen. Ihr Körper war in eine eng anliegende Rüstung gehüllt. Stählerne Schuppen und fein gearbeitete schwarzer Stahlplatten wurden verwendet. Sie war das Gegenteil von dem massigen Plattenpanzer den Naicohtar trug – eng anliegend und dem Körper nachgeformt, abgerundete Ecken und Kanten, um einen geschmeidigen Kampfstil zu ermöglichen.

Adriennes heisere Stimme, die mit Nammanor stritt riss ihn von dem Anblick los. Er wandte halb den Kopf, während die beiden Schwarzen Schlächter einige Wörter wechseln. Seine Schülerin drängte dazu in den Kampf zu ziehen, doch der General und sein Ritter hielten sie zurück. Isansaca prüfte ihren Schulterpanzer und kam langsam auf sie zu. Ihr roter Mantel strich dabei sanft über den Boden. Sie hatte die Lippen aufeinander gepresst und sah Mathan genau in die Augen. Er bemerkte, wie sie hin und wieder zu Amante blinzelte. Mathan seufzte schwer. Seine Tochter war sicherlich gerade mit den Zähnen am Knirschen.

Amante zog ihn schließlich an der Hand etwas auf Distanz zu den beiden feindlichen Kämpfern zu seiner Enkelin. Nach einem kurzen Blickwechsel mit Isanasca fixierten ihre rehbraunen Augen fixierten ihn. „Wie du dir denken kannst, habe ich meine ganze Kraft aufgeboten um Naicohtar in Schach zu halten“, eröffnete sie das Gespräch bedächtig, „Leider ist hat er dadurch, dass der Eine wieder mit seinem Meister vereint ist eine noch größere Macht erhalten.“ Amante biss kurz die Zähne zusammen und mied seinen Blick. „Alleine kann ihn nicht bezwingen, nur mit einem anderen Weißen Streiter kann ich ihn bekämpfen und selbst dann weiß ich nicht, ob das reichen wird.“

Nun kannte er endlich die Gruppe, unter den seine Eltern und Gefährten damals alle gekämpft hatten. Mathan nickte knapp, spürte dabei ein leichtes Ziehen in seiner getroffenen Schulter. „Und ich vermute, dass Ivyn nicht in den Kampf ziehen wird.“

Amante warf einen kurzen Seitenblick zu der Ersten, die sich zwar neben Acharnor kniete, aber immer wieder den Kopf zu Elestora wandte. „Nein…“ sagte sie schließlich leise, „Wenn Cúwen in den Kampf zieht…“ Ihr Gesicht verfinsterte sich, „Dann steht es wirklich schlecht um uns.“ Sie bemerkte wie er sich unwillkürlich schüttelte und legte ihm eine Hand auf die Schulter, „Aber sorge dich nicht.“ Amantes blick ging zu Isanasca, „Unsere Nachfolger sind gut ausgebildet.“ Sie nahm ihre Hand fort.

Mathan seufzte besorgt und schüttelte Kopf. „Ich bezweifle nicht ihren Mut-…“

„Der stand auch gar nicht in Frage“, unterbrach ihn seine Enkelin mit einem schmallippigen Lächeln, „Ich möchte das tun. Irgendwann müssen die Kinder aus dem Schatten ihrer Eltern hervortreten.“

Amante klopfte ihnen beiden auf den Schultern und machte einen Schritt zurück. „Anarálîn und du, ihr seid stark genug, um diesen Kampf zu gewinnen. Ich habe Vertrauen in euch beide.“ Sie nickte zu Alcarúsa und Naicohtar, „Ich spüre von ihr nicht so eine überwältigende Kraft wie von ihm, aber sie ist dennoch sehr gefährlich.“

Mathan presste die Lippen aufeinander. Er verstand, dass Amante an ihre Grenzen gelangen würde, sollte sie weiterkämpfen und das könnten ihre Feinde bei einem Überraschungsangriff ausnutzen. Es bereitete ihm dennoch Bauchschmerzen seine Enkelin in den Kampf ziehen zusehen. Zumal er den leisen Verdacht hatte, dass sie Rache für Sanas Verwundung nehmen wollte. Auch wenn ihr Blick aus stahlgrauen Augen ruhig und kontrolliert war. Er massierte sich die Augen soweit es sein Helm erlaubte und atmete tief aus. Natürlich war er selbst nur mühsam beherrscht. Beide seiner Schüler waren verwundet, fast getötet und gefoltert, seine Urenkelin entführt und traumatisiert worden. Es verlangte ihm alles ab einen klaren Kopf zu bewahren. Die Anwesenheit Anarálîn… Isanascas hatte etwas Beruhigendes. Sie kam noch mehr nach ihrer Mutter. Seine Enkelin strahlte die Ruhe eines Felsens in einer Brandung aus. Wahrlich eine sonnengekrönte Löwin. Erhaben und Stolz, um ihrer Stärke wissend, dennoch ohne überheblich zu sein.

„Also gut“, gab er nach und ließ seine Hand von seinen Augen sinken, „Anarálîn.“ Er bemerkte wie seine Enkelin das Kinn reckte, ein Mundwinkel zuckte nach oben, „Bringen wir das hinter uns.“

Sie nickte und legte die rechte Hand auf ihren linken Schwertknauf. Fâncrist ließ sie noch immer in der Scheide auf ihrem Rücken. Er hob eine Braue und wirbelte Halarîns Schwert umher. Isanasca zwinkerte ihm schmunzelnd zu und machte einen Schritt vor.
„Schlächter!“, rief sie Alcarúsa zu und machte eine herausfordernde Geste. Mathan stockte fast der Atem, „Ich fordere dich zu einem Schlagabtausch auf.“

Die Kriegerin legte den Kopf in den Nacken und lachte kurz bellend. „Wie du willst, unverfrorene Närrin!“, zischte sie und ihr glattes Visier funkelte in der Sonne, als sie den Kopf wieder senkte, „Nur wenn Cúwen sich zum Tor zurückzieht... oder zumindest weg von dem Jungen.“

 Unbeeindruckt rollte Isanasca beide Schultern durch und machte ging einige Schritt vor. Mathan sah, wie sie ihr linkes Schwert prüfend in der Scheide bewegte. Ihm kam in den Sinn wie schnell sie die Klinge ziehen konnte. Beruhigt schluckte er seine Sorge herunter.
Ivyn wird Elestora beschützen“, stellte sie inzwischen klar und vom Tonfall her war es keine Bitte, „Komm, Schlächter.“
Seine Enkelin ging leicht in die Knie, setzte ein Bein vor und zog es in einem Halbkreis zurück. Der Schnee und die kleinen Steinchen knirschten unter ihren Stiefeln. Ihre Haltung war perfekt, der eine Fuß leicht versetzt nach hinten, sodass sie jeden Schlag mit den Beinen abfedern konnte. Sie packte die linke Schwertscheide mit der linken und umfasste den Schwertgriff mit der rechten Hand. Mathan erkannte die Haltung aus dem Osten, während seine Schulter weiterhin pochte. Neugierig und gespannt trat er etwas zur Seite, damit er den Zusammenprall besser beobachten und schnellstmöglich eingreifen konnte.

Alcarúsa war inzwischen ebenfalls in Waffenreichweite gegangen und hatte ihren Speer in den Boden gerammt. Sie nahm eine ähnliche Haltung an, das Schwert aber schon gezogen. Scheinbar spöttisch legte sie den Kopf schief. „Glaubst du wirklich, dass du schneller bist als ich, Närrin?“

Isanasca schüttelte ihren dunkelblonden Haare aus dem Gesicht und senkte den Kopf, ihr Blick war bohrend – tödlich. Ihre Augen glitzerten leicht in der Sonne. Sie ließ sich nicht darauf hinab zu antworten.

Die Kriegerin antwortete nicht darauf sondern schien ihren Körper zu spannen. Mathan atmete tief ein und aus. Seine Hände umklammerten Halarîns Schwert und den Dolch aus Sternenstahl. Die Augenblicke verstrichen zäh wie Honig. Nirgendwo wurde ein Wort gesprochen. Selbst das durchgehende Gemurmel und Getuschel ihrer Feinde war verstummt, ebenso die Rufe der Elben von den Mauern. Alle harrten gebannt darauf, dass es weiterging. Und wer von den beiden Frauen siegreich sein würde. Mathans Herz schlug ihm bis in die Ohren. Alles war unnatürlich laut, seine Sinne geschärft. Er wusste genau, dass nach dem abgemachten Schlagabtabtausch der Kampf direkt weitergehen würde.

Alcarúsa wechselte ihre gedeckte Seite immer wieder von links nach rechts. Das schartige Schwert stets zum Schlag angewinkelt. Ihre Haltung wurde elastischer, federnder, als sie ebenfalls leicht in die Knie ging.
Seine Enkelin stand still, ihr Gesichtsdruck hochkonzentriert. Kurz schloss sie die Augen, atmete durch, dann packte sie das Schwert fester.

Ein Kribbeln nistete sich in seinem Nacken ein. Stahl klirrte auf Stahl. Isanascas Schwert war nur eine flirrender Schemen – zu schnell für seine Augen. Alcarúsa hatte zuerst zugeschlagen, doch seine Enkelin hatte ihre Klinge so schnell gezogen, dass ihre Gegnerin nicht reagieren konnte. Die feindliche Waffe flog im hohen Bogen davon. Isanascas Klinge schrammte geräuschvoll über den Brustpanzer. Alcarúsa drehte sich im letzten Moment weg, bevor die Klinge die Halsberge erreichte. Die Kriegerin griff dabei nach ihrem Speer. Mathan sprang vor. Halarîns Schwert beschrieb einen zischenden Bogen und fing die zurasende Speerspitze ab. Sein Dolch stieß ins Leere als Alcarúsa ihre Hüfte aus dem Weg dehnte.

Vom Wehrgang ertönten lauter Jubel und das Trommeln auf Schilden. Isanascas Mundwinkel zuckten kurz und sie trat zurück. Mathan hob eine Braue als Alcarúsa ebenfalls zurücktrat, ihren Speer gen Boden gerichtet.

„Ihr seid tatsächlich schnell“, stellte die kalte Stimme der Schlächterin fest, „Und ich habe Euch nicht ernst genommen.“ Mathan meinte sogar eine Spur Respekt aus der verächtlichen Tonlage herauszuhören, als sie die Delle in ihrem Brustpanzer befühlte, „Ein Fehler, der mir nicht noch einmal unterlaufen wird.“ Einer ihrer Mitstreiter warf ihr ihre Waffe zu und sie machte eine spöttische Verneigung zu ihnen. „Kronprinzessin, Heermeister.“

Mathan tauschte einen raschen Blick mit Isanasca. Sie hatten sich nicht vorgestellt. Seine Berufung zum Heermeister war nach Adriennes unglückseligen Zusammentreffen mit ihnen geschehen. Er sah in den grauen Augen, dass sie genau dasselbe dachte. Doch ihnen blieb keine Zeit für Überlegungen. Der Speer ihrer Gegnerin ruckte vor. Isanasca parierte und sparte sich den Konter, da Alcarúsa zur Seite sprang und sie erneut beharkte. Mathan setzte ihr nach und ließ einen Hagel aus Schlägen auf sie nieder. Er zielte auf Rücken, Bauch und Kopf, doch seine Gegnerin nutzte ihr Schwert rein defensiv und lenkte die Schläge stets ins Leere.

Sie umkreisten einander nach dem Schlagabtausch. Alcarúsas Speer war stets auf Isanasca gerichtet. Mathan bemerkte stolz, dass seine Enkelin scheinbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Das Gefühl verschwand rasch und Unruhe überkam ihm. Der Schmerz in seiner Schulter zog sich nun von seiner Schulter bis in seinen Hals. Das Schlucken fiel ihm schwerer. Mathan ließ sich nichts anmerken sondern atmete zweimal tief ein und aus. Isanasca warf ihm einen Seitenblick zu. Schon sauste Alcarúsas Speer heran. Mathan parierte mit dem Dolch und lehnte sich zurück, als die Spitze hoch zu seinem Kopf zuckte. Die Prinzessin schlug wie der Blitz zu und die Schlächterin konnte nur ihr eigenes Schwert zur Abwehr hochreißen. Ihr entging Isanasca freie linke Hand, die nun ebenfalls blitzschnell das zweite Schwert zog. Mathan band den Speer mit beiden Waffen, als Schwert und Dolch hinter das Stichblatt verhakte. Die zweite Klinge seiner Enkelin traf. Alcarúsa taumelte zur Seite. Ihr Harnisch hatte eine weitere, tiefere Beule. Ihr Speer schrammte an seinem Helm vorbei, als sie ihn mit aller Gewalt befreite. Mathans Kopf wurde zur Seite gerissen. Er sah noch, wie die Schlächterin sich mit einem Tritt Platz verschaffte. Wie ein in die Enge getriebenes Tier sprang sie zurück und hob ihre Waffen. Alcarúsa knurrte, dass ihr das alles zu mühselig sei.

Der Schmerz in seiner Schulter war nicht mehr zu ignorieren. Sterne tanzten ihn vor den Augen. Isanasca berührte ihn an der Hand. „Mathan“, flüsterte sie, „Irgendwas stimmt nicht. Den Treffer hätte sie ausweichen können.“
„Du hast recht“, knurrte er und machte einen Schritt zurück, „Ich vermute, den Kampf haben wir bereits verloren. Und sie weiß es.“
Jetzt wandte sie ihm überrascht den Kopf zu, die Augen alarmiert geweitet. „Was sagst du da?“
„Ich kann Gift erkennen, indem ich einen metallischen und säuerlichen Geschmack auf meiner Zunge wahrnehme.“
„Du musst sofort zu Ivyn“, zischte seine Enkelin und starrte ihn aus dem Augenwinkel an.
„Dann würde sie nicht mehr hier am Tor sein“, entgegnete er gedämpft und biss kurz die Zähne zusammen, „Und ich bin mir sicher, dass sie das einzige ist, das die Schlächter davon abhält ihren eigentlichen Plan zu verfolgen...“ Er stockte. „Hörst du das?“

Alcarúsa hatte inzwischen ihre Waffen etwas gesenkt und belauernd sie umkreist. Sie schien etwas zu murmeln. Ein Geflüster. Seine Ohren weigerten sich aber, es verstehen zu wollen. Zu fremd und widernatürlich klang es. „Also?“, fragte die Kriegerin schließlich kühl, aber da war etwas anderes in ihrer Stimme. Triumpf. „Wollen wir weitermachen…oder…?“

„Fragt nicht so heuchlerisch“, entgegnete Isanasca harsch, ihre Klingen bedrohlich im Anschlag, „Was habt Ihr getan?“
Mathan stellte fest, dass der Schmerz nicht schlimmer wurde. Es war das Einzige, das ihn davon abhielt in Rage zu verfallen. Und seine Enkelin, die näher an ihn herangerückt war.

Alcarúsa schnaubte und stieß ihr Schwert in die Scheide. „Ich habe gar nichts getan.“ Sie nickte zu Naicohtar. „Er schon.“ Ein heiseres Lachen ertönte, „Und es hat auch diesmal Erfolg gehabt.“

„Giftmischer.“ Mathan spuckte das Wort aus mit dem Geschmack von Blut im Mund. Er legte Isanasca eine Hand auf die Schulter und sagte ihr, dass sie tapfer gekämpfte hatte. „Ich kenne meine Grenzen. Mehr würde uns nur schwach erscheinen lassen.“
Sie nickte knapp ließ eines ihrer Schwerter in die passende Scheide zurückgleiten. Ihr Blick sprühte vor Kampfeswut. „Ich hätte nicht übel Lust, alles zu geben.“

Mathan atmete erleichtert ein, den pochenden Schmerz ignorierend. „Das wirst du, doch noch nicht hier und jetzt.“ Er sammelte das Blut in seinem Mund und ließ es zu Boden tropfen. „Hauptsache ist, dass Acharnor versorgt und Ivyn bei Elestora ist.“ Sein Blick fixierte die Erste, die unablässig auf das Elbenmädchen einredete. „Das ist das wichtigste.“ Ivyn wandte ihm ganz kurz den Kopf und nickte unmerklich. „Niemand hat geglaubt, dass dieser Kampf fair sein würde.“

Auf dem Wehrgang war es still geworden. Hinter ihm hörte er Adrienne leise fluchend auf Nammanor einreden. Doch der Ritterkommandant blieb hart und behielt sie an seiner Seite. Das Geflüster der Schwarzen Schlächter war nicht ein einziges Mal verstummt. Mathan bewegte sich zusammen mit seiner Enkelin langsam rückwärts, bis sie nebeneinander standen. Inzwischen war auch Lorminion wieder vorgetreten und hatte Alcarúsa mit einer Geste zu dem Rest ihrer Gruppe geschickt.
„Nun“, begann der Krieger feixend, „bedanken wir uns für dieses grandiose Schauspiel.“ Er applaudierte gespielt und straffte sich. „Da wir den ersten Kampf für uns entschieden haben… wählen wir unseren Gegner.“ Während er sprach, richtete sich einer seiner Kumpane auf. Mathans Schwertarm zuckte. Es war der Bogenschütze. „Königin der Manarîn. Artanis thû Merenwen. Faelivrin die Erste, wir fordern euch heraus!“, rief er und amüsierte sich scheinbar köstlich über die wütenden und empörten Rufe, die über die Mauer brandeten. Dann hob er eine Hand. „Nein, wir verlangen, dass Ihr Euch unserem Streiter stellt.“ Seine behandschuhte Hand senkte sich. Der ausgetreckte Finger deutete auf ihn und seine Mitstreiter, wanderte an den Elben vorbei und fand  sein Ziel. „Sie.“
Mathans Herz machte einen kurzen Aussetzer. Der Ritter neben ihm zuckte, bereit loszustürmen, doch Nammanor hielt den Elbenkrieger grob zurück. Das Getuschel der Schlächter schwoll zu einem hörbaren Raunen an. Es waren durchgehende, monotone Phrasen.
„Niemals!“ Adriennes Stimme war heißer und schrill zugleich.
„Ash goth rûkhatulûk“, knurrte Lorminion und breitete die Arme aus, „Füge dich. Oder wir löschen deinen letzten Funken Hoffnung.“ Während er sprach, spannte der andere Kerl seinen Bogen. „Ash goth ghâshatulûk! Gehorche!“
Bewegung kam in die Feindgruppe. Nammanor zog sein Schwert. Adrienne keuchte und packte sich taumelnd an die Stirn, hielt sich dann die Ohren zu. Der Bogenschütze legte einen langen, schwarzen Pfeil auf die Sehne. Mathan meinte das Knirschen der Elbenbögen auf dem Wehrgang zu hören.
„Ash-…“
„Schweigt!“ Ivyns Stimme schnitt wie ein Fallbeil durch das Wort Lorminions.
Der schwarze Pfeil war so schnell von der Sehne gelassen, dass Mathan einen Moment brauchte zu realisieren was geschah. Ivyns Augen leuchteten silbern auf. Ihre Hand griff nach vorn. Das Geschoss durchschlug sie. Elestora kreischte. Ivyn riss sie herum und schirmte sie mit ihrem Körper ab. Mathan und Isansca wollten lospreschen, doch Amante hielt sie eisern an den Schultern. Ein Pfeil bohrte sich so knapp vor ihren Stiefeln in den Boden, dass sie zum Stillstand kamen.

„Ihr habt noch immer nicht begriffen“, begann Lorminion mit leiser Stimme bedrohlich, „Dass wir alle Zügel in der Hand halten.“ Er verneigte sich mit sichtbarem Spot in der Körperhaltung. „Nicht wahr, Euer Majestät.“
Mathan wirbelte herum.
« Letzte Änderung: Gestern um 16:35 von Curanthor »

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Krone gegen Einsamkeit I
« Antwort #66 am: Gestern um 21:49 »
Faelivrin war umringt von Leibwachen, hinter ihr konnte Mathan den roten Haarschopf von Valena ausmachen. Keine Pfeile flogen von den Mauern, um den Angriff auf Ivyn zu erwidern. Die Erste hatte gebieterisch die unverletzte Hand gehoben. Er wusste auch warum. Es war unklar, was ihre Feinde tun würden, wenn es jetzt zum offenen Kampf käme. Rasch blickte er wieder zu seiner Tochter, die entschlossen auf sie zuschritt. Ihre Leibwachen trugen Schilde, doch er bezweifelte, ob sie gegen Pfeile schützten, die selbst Ivyn nicht abwehren konnte.

Als die beiden Gruppen zusammenkamen musste er an sich halten, Faelivrin nicht an den Schultern zu packen. Er spuckte etwas Blut aus. „Bist du verrückt geworden?“, fuhr er seine Tochter an und sein Blick huschte zu Adrienne, „Was denkst du…“ Er verstummte, als Amante ihm eine Hand auf die Schulter legte und leise sagte, dass er sich anhören sollte, was sie entschieden hatte.

Faelivrin blickte kurz nachdenklich zur Mauer. „Ich weiß was du denkst, aber wenn ich mich dem hier verweigere…“ Sie wandte ihren Kopf besorgt zu Elestora „Bin ich mir sicher, werden sie ihr noch mehr wehtun.“ Seine Tochter blickte ihm wieder ernst in die Augen, „Und ich würde Schwäche zeigen. Eine Schwäche, die ich mir nicht leisten kann. Die Stämme haben gerade erst angefangen zueinander zu finden. Ich kann und will das nicht zunichtemachen indem sie das Vertrauen in mich verlieren. Meine Führung anzweifeln. Mich selbst anzweifeln. Denn dann werden wir uns nie zusammenschließen können.“ 

Mathan knirschte mit den Zähnen. Er wusste genau was sie meinte. Sein Blick ging zu Ivyn, die den schwarzen Pfeil gerade aus Elestoras Schulter zog. Das Mädchen weinte unablässig, ihre Schultern blieben aber still. Dann zog die Erste das Geschoss aus ihrer Hand, die zuvor festgenagelt war.

„Gut“, erklang die Stimme Lormornions und alle wandten sich ihm zu, „Die ehrenwerte Herrscherin hat zugestimmt.“
Mathans Hand umklammerte sein Schwert und alles in ihm brannte darauf dem Kerl den Kopf abzutrennen. Doch der gespannte Bogen des Schlächters weiter hinten hielt ihn davon ab.
„Langsam verlieren wir unsere Geduld…“, warnte der Axtträger und der Schlächter wippte auf den Zehen hin und her, „Wir haben unseren Streiter ausgewählt. Es scheint, wir waren noch nicht… überzeugend genug.“ Er wandte nur kurz den Kopf zur Seite. „Linuro.“
Dutzende Stimmen riefen durcheinander, doch der Pfeil sirrt los. Hoch in die Luft stieg er. Ivyn schirmte die verwundete Elestora erneut mit ihrem Körper. Faelivrins Leibwache hob die Schilde über ihren Köpfen. Nammanor stolperte nach vorn als Adrienne sich endlich von ihm losriss. Valena sprang vor und umklammerte die junge Frau. „Adrienne!“ rief sie, „bleib hier.“ Ihre Stimme zitterte. „Ich erinnere mich. Du bist von Gondor. Aus dem Kerker. Ich-…“ Ihre Stimme erstarb.

Plötzlich wurde es still. Mathan musste nicht hinsehen, wollte es nicht erblicken. Der Pfeil hatte sein Ziel gefunden. Adrienne erstarrte mitten in der Bewegung. Er sah ihre weit aufgerissenen Augen. Ihr Mund bewegte sich, doch bis auf ein leises Wimmern kam kein Ton hervor. Valena erschrak sichtlich, ihre Hände erschlafften.

„Der nächste Pfeil trifft sein Herz“, verkündete die kühle Stimme Lormornions bedrohlich, „Ash goth shulûkatulûk, agh krithatulûk. Erhebe dich.“

Mathan schmerzten die Worte in den Ohren. Die umstehenden Elben verzogen alle die Gesichter. Durch die zusammengekniffenen Augen sah er Adrienne erneut wanken. Ihre Hand wanderte zitternd zu ihrem Schwert. Neben ihm wandte sich Isanasca ganz langsam zu seiner Schülerin und zog ihre Klinge zur Hälfte aus der Scheide. „Wenn du das tust“, wisperte sie dabei tonlos, „Wirst mich zum Feind haben, so wahr ich hier stehe.“

Mathan tanzten erneut Sternen vor den Augen und er knurrte leise vor Schmerzen. „Isa“, murmelte er nur mahnend.

Adrienne packte den Griff und zog langsam blank. „Nicht... ich“, hauchte sie, „Ich kann… nicht anders.“ Mit gezogenem Schwert wandte sie sich um. Die dunklen Rändern unter den Augen nass vor Tränen. Ihr Gesicht eine Grimasse zwischen Schmerz, Wut und Trauer. Dann wandte sie sich ab. Steif wie eine Marionette stak sie zu dem Platz hinüber, wo er und Isansca erst vor kurzem gegen Alcarúsa gekämpft haben. 

Nammanor trat vor und Faelivrin in den Weg. „Herrin, ich muss Euch dringendst davon abraten. Das Mädchen ist mehr als sie zu sein scheint. Das spüre ich ganz deutlich.“

„Das bewirken ihre Worte“. Ivyns Stimme ließ sie überrascht aufblicken. Sie war mit Elestora zu ihnen getreten. Das Elbenmädchen trug einen seidigen Verband, den Arm in einer Schlinge und suchte fluchtartig Schutz zwischen den Gardisten. „Ich warnte Amarin davor, doch…“ Sie verstummte und schüttelte den Kopf, „Der Pfad ist betreten. Nun müssen wir damit leben.“

Faelivrin ließ sich ihren Pfeil und Bogen geben. Sie trug ihre Rüstung aus schwarzem Leder und Metallverstärkung. Einer ihrer Gardisten reichte ihr einen Speer. Es war Halarîns alte Waffe. „Meine Herrschaft soll nicht mit dem Blut von Unschuldigen befleckt sein. Genauso wenig werde ich Adriennes Entschlossenheit mit Füßen treten oder noch jemanden in Gefahr bringen. Ich bin es ihr schuldig und…“ Sie wechselte einen langen, bedeutungsschwangeren Blick mit Isanasca, „Vielleicht gibt es noch einen Funken Hoffnung in der Sache, mit dem niemand rechnet. Zur richtigen Zeit.“

Die Kronprinzessin zögerte kurz, dann rammte sie ihr Schwert wieder zurück in die Scheide und wandte sich abrupt ab. Mathan mied den Blick zu Acharnor als er ihrem wehenden Umhang nachblickte. Valena zupfte ihm am Arm und er neigte sich zur ihr. Leise flüsterte sie ihm zu, dass sie Adrienne schon einmal getroffen hatte. Es war in Gondor, in der Hauptstadt zur Zeit der ersten Besetzung.

Mathan gab ihr ein Zeichen zu warten und zog Faelivrin noch einmal an der Schulter und in eine kurze, aber enge Umarmung. „Du weißt, was du da tust?“, fragte er so leise in ihr Ohr, dass nur sie ihn verstehen konnte.
„Finuor wartet auf mich, wenn der Plan nicht aufgeht“, wisperte sie zurück.
Also hatte sie einen Ausweg gefunden. Mathan atmete angestrengt aus, dann lösten sie sich voneinander. „Tötet euch nicht gegenseitig“, murmelte er, „Sie hat sehr viel gelernt. Und du… bist, naja.“
„Verbesserungswürdig im Nahkampf, ich weiß“, grinste Faelivrin flüchtig und schüttelte sacht den Kopf, „Galgenhumor steht mir nicht.“ Sie räusperte sich, „Istime hat einen Brief, wenn…“
„Ich verstehe.“ Er zwang sich zu einem gequälten Lächeln, „Gib auf dich acht.“ Dann gab er äußerst widerwillig den Weg frei.



Valena kaute auf ihrer Lippe. Stand es ihr zu sich einzumischen? Sie hatte erst gar nicht darüber nachdenken wollen, die Zeit im Kerker war zu schwierig. Zu schmerzhaft. Die beiden Geschwister, die sie dort kennengelernt hatte… es war erst ein paar Jahre her. Sie hatte sie anfangs nicht erkannt… aber jetzt? Den Gesichtsausdruck hatte sie schon einmal gesehen. Immer dann, als die Schergen in Schwarz Adrienne geholt haben – bevor sie so genannt wurde. Jetzt wusste sie auch wer diese Leute waren. Zumindest erklärte das die Vorliebe für… wie nannten sie es immer? Experimente für den Dunklen Herrn. Sie selbst wurde damals von ihnen meist ignoriert. Valena hatte sich immer schäbig gefühlt, Erleichterung zu verspüren, wenn jemand anderes als sie ausgewählt worden wurden. Und Adrienne wurde oft geholt. Immer wenn sie wiederkam, erkannte sie niemanden, bis auf ihren Bruder. Ihr Blick ging zu dem Jungen auf dem Stein. Der Bruder, dem gerade ein Pfeil in der Brust steckte.

Sie biss die Zähne zusammen. Die Elbenkönigin schritt würdevoll zu dem Kampfplatz, einen gespannten Bogen in der Hand. Valena schielte zu ihrem Schwertmeister. Mathan hatte die Lippen zu dünnen Strichen zusammengepresst. In seinen grasgrünen Augen lag eine Mischung aus kaum beherrschtem Zorn und Sorge. Sie beschloss niemals seine Missgunst zu erregen.

Er bemerkte ihren Blick und sagte, dass sie nachher sprechen könnten. Seine Stimme war ungewöhnlich erstickt, angespannt. Sie konnte ihn verstehen, wünschte sich aber mehr tun zu können. Valena nickte knapp und blickte über die Schulter. Die Stille machte ihr zu schaffen. Es waren so viele Leute anwesend, doch niemand sprach ein Wort. Die gesamten Verteidigungsanlagen waren besetzt mit hunderten von Elben. Auf der Torburg tummelte sich das Königshaus, Verbündete und Freunde ihres Schwertmeisters, doch bis auf das gelegentliche Knirschen von Steinchen unter ihren Stiefeln war es still. Kurz meinte sie in der Ferne ein merkwürdiges Geräusch gehört zu haben. So, als ob ein großer Elch röhrt, nur deutlich tiefer, bedrohlicher. Valena schüttelte den Kopf und fixierte sich wieder auf das was vor ihr lag.

Der Sprecher der Schwarzen Schufte musste nichts großartig ankündigen. Valena spürte, dass hier sich Bekannte, vielleicht sogar Freunde im Kampf mit blanken Waffen gegenüberstanden. Die Elbenkönigin trug eine starre Maske der Gleichmut. Adrienne hingegen war offen wie ein Buch. Ihr Gesicht war verzerrt vor Widerwillen und erzwungener Entschlossenheit. Sie klammerte sich an jeden kleinen Strohhalm ihren Bruder zu retten. Ihr einzig lebender Verwandter, wie Valena mittlerweile herausbekommen hatte. Sie fühlte sich Adrienne auf eine traurige Art verbunden. Ihr war auch niemand mehr geblieben. Sie biss die Zähne zusammen und fühlte, wie ihre Augen feucht wurden. Ein Knoten bildete sich in ihrem Hals.



Mathan massierte den Griff des Schwerts und schob es widerwillig in die Scheide. Die Hand krampfhaft um den kühlen Stahl umklammert. Er hasste den Anblick, der sich ihm bot. Seine Tochter spannte ihren Bogen und lockerte die Pfeile in ihren Köchern. Seine Schülerin wirbelte ihr Schwert prüfend umher und kontrollierte ein letztes Mal die Riemen ihrer Rüstung. Adrienne hatte den Mund verkniffen und ging in Angriffshaltung. Seine Tochter legte einen Pfeil an die Sehne.

Lormornion holte scheinbar Luft und trat vor, doch Faelivrins Geschoss eröffnete den Kampf. Adrienne hatte kurz die Augen geschlossen. Sie flogen offen und ihre Klinge beschrieb einen silbrigen Halbkreis. Seine Schülerin zuckte einmal kurz den Kopf zur Seite, als ob eine Fliege oder ein Insekt sie am Ohr belästige würde.
Faelivrin hatte bereits den nächsten Pfeil auf der Sehne. Ihre Form war perfekt. Mathan meinte in ihren Augen eine Spur Mitleid schimmern zu sehen. Der Ausdruck wich höchster Konzentration, dann legte sie einen zweiten Pfeil dazu.

Adrienne trug keinen Helm, ihre halb geflochtenen Haare hingen ihr teilweise wirr im Gesicht. Die frische Wunde in ihrem Gesicht ergab ein eigenwilliges Muster, immer wenn sie die den Mund verzog, wie sie es so oft tat. Ihr Schwert  und Füße waren in der defensiven Drei-Viertel Haltung, die er ihr gelehrt hatte. Perfekt um den Pfeiltanz zu tanzen. Eine Technik gegen mehrere Schützen. Man erfasste jede mögliche Flugbahn und tanzte um diese herum, das Schwert schlug dabei einen schützenden Schild an den Stellen, die man nicht ausweichen konnte. Halarîn hatte stets mehr als fünf Pfeile aus Adriennes gepolsterter Gambeson ziehen müssen – zumindest am Anfang.

Dann begann es. Faelivrin eröffnete mit zwei Pfeilen auf einmal. Brust und Bauch. Seine Schülerin wich zur Seite aus und schlug den dritten Pfeil aus der Flugbahn. Ihre Füße glitten beinahe über den Boden. Der Vierte streifte ihre Wange und hinterließ eine feine, rote Furche. Adrienne druckte sich unter Doppelfeil fünf und sechs. Ihr Schwert pariert den siebten auf ihrem Bein zuzufliegend.

„Der Kampf sieht recht ausgeglichen aus“, murmelte Nammanor angespannt neben ihm.
„Beide halten sich zurück“, raunte er mit flacher Stimme zurück und spuckte wieder etwas Blut aus, „Faelivrin ist eigentlich noch schneller. Und Adrienne hat bisher noch nicht die Distanz überwunden.“
Der Ritterkommandant fluchte leise, „Das ist doch alles…“

Er verstummte als Adrienne sich aus einem kleinen Hagel aus Pfeilen gegenübersah. Faelivrin hatte zu dem Köcher an der Hüfte gewechselt und schoss nun Pfeil um Pfeil in einer einzigen, fließenden Bewegung. Mathan stellte fest, dass seine Tochter noch besser geworden war. Doch auch Adrienne drehte und tanzte erstaunlich anmutig auf dem Kampfplatz, ihr Schwert sang mit jedem Pfeil, den sie parierte. Doch hin und wieder wurde es extrem knapp oder ein Pfeil schrammte über die stählerne Rüstung. Seine Schülerin arbeitete sich Schritt für Schritt vor, machte aber dann wieder einen Satz zurück. Er wusste, dass Faelivrin auf sie wartete. Es war ihre Art Respekt entgegenzubringen. Und Adrienne legte eine ungewohnte Beherrschung an den Tag. Früher hätte sie so schnell es geht den Abstand verringert, doch scheinbar erinnerte sie sich an seine Warnung, dass Bogenschützen auch auf kurzer Distanz gefährlich sein konnten – besonders die agil gebauten. Und er wusste, dass seine Tochter sehr agil war, selbst für Elben. Adrienne hatte trotz ihrer schlechten geistigen Verfassung große Fortschritte gemacht. Kurz runzelte er die Stirn. War da ein Knurren in der Ferne gewesen?

Mathan verfolgte angespannt und voller Sorge drei weiterer solcher Abläufe, bis Adrienne erneut mit dem Kopf zur Seite ruckte, als ob etwas an ihrem Ohr sie irritierte. Plötzlich brach sie aus ihrem Muster aus. Sie rollte sich nach vorn, genau als Faelivrin nach ihrem Köcher griff. Den nächsten Pfeil parierte sie sogar mit der Parierstange – etwas, dass selbst er nicht versuchen würde. Dann standen die beiden Frauen sich das erste Mal gegenüber. Adrienne hob ihr Schwert. Faelivrin hatte kaum noch Pfeile in ihrem Köcher, doch lenkte sie den Schlag mit der metallenen Seite ihres Kurzbogens ab und machte einen großen Satz nach hinten. Dabei schoss sie einen weiteren Pfeil ab. Seine Schülerin setzte mit gesenktem Kopf nach. Das Geschoss löste den hinteren Teil ihres Zopfs, doch sie wurde nicht langsamer. Faelivrin ergriff den Speer. Adrienne drehte ihren Körper leicht ein und die spitze Klinge sauste haarscharf an ihrem Brustharnisch vorbei. Ihr Schwert beschrieb einen silbernen Bogen und seine Tochter wirbelte den Speer herum und blockte mit der stumpfen Seite. Mit einer fließenden Bewegung sauste die Spitze wieder hinab, diesmal auf die ungedeckte Schulter. Den Konter sah Adrienne bereits kommen und machte einen halben Schritt zurück. Ihr Blick wurde düsterer. Ein brutaler Hagel auf Schlagen prasselte auf Faelivrin nieder. Mathan merkte, dass ihre Angriffe immer stärker wurden. Seine Tochter geriet in die Defensive. Er presste die Kiefer zusammen.

„Wundervoll“, rief Lormornion und applaudierte über die angespannte Stille, „Dûmp-shakhbûrz bûrz-goth, rûkh-ghâsh krimpatul. Dein Schlaf ist vorüber, Rúntulëa“

Mathan bemerkte sofort, wie Adrienne aus dem Rhythmus geriet. Ihr nächster Schlag ging fehl. Faelivrins Konter hingegen traf. Ihr Speer bohrte sich in das Kettenhemd knapp neben der Achsel, zwischen Brustharnisch und Schulterpanzer. Er konnte noch sehen, wie seine Tochter versuchte den Schwung aus den Stich zu nehmen, doch war es zu spät. Valena neben ihm sog scharf die Luft ein. Auch er selbst musste sich zwingen zuzusehen. Adrienne wurde herumgerissen und ging zu Boden.
„Bogenschützen!“, Ivyns erzürnte Stimme hallte laut wieder, „Bringt ihn zu schweigen, wenn er noch einmal diese widerwärtige Sprache ausspricht.“ 
„Ich glaube-…“

Ein urzeitliches Brüllen, dass bis in Mark und Bein ging durchfuhr sie alle. Die Schwarzen Schlächter blickten scheinbar verwirrt auf und sprangen auf die Füße. Überall wurden Waffen gezogen. Valena fluchte und griff nach ihrem Speer.
Adrienne rappelte sich auf und schien nichts bemerkt zu haben. Sie setzte zu einem Stich an. Faelivrin hatte gerade den Kopf gewendet und sah die Gefahr aus dem Augenwinkel kommen. Ihr Speer zuckte hoch. Dann durchfuhr sie ein kleines Zucken. Ein winziger Augenblick herrschte Stille. Adriennes Schwert trat blutverschmiert aus Faelivrins Rücken aus. Die beiden Frauen blickten sich perplex an. Mathan sah den Pfeil aus dem Bein seiner Tochter ragen und etwas in seinem Kopf platzte. Bevor er losbrüllen oder sprinten konnte, trampelte ein gewaltiger Löwe durch sein Blickfeld. Das Tier verfehlte ihn nur knapp. Isansca auf dem Rücken, wutentbrannt eine Lanze schleudernd auf die flüchtenden Schwarzen Schlächter. Sein eigener Schrei ging in dem gewaltigen Brüllen des Löwen unter, der die Feinde vor sich hertrieb, zusammen mit vier nicht minder großen Artgenossen.

Zusammen mit Ivyn und Amante stürzte Mathan an Faelivrins Seite, die auf die Knie gesunken war. Adrienne fiel klirrend das blutverschmierte Schwert aus den zitternden Händen. Ihr Blick war leer. Tränen liefen ihr unablässig über das Gesicht. Mathan hatte aber nur Augen für seine Tochter. Ein dünner Faden Blut lief ihr aus dem Mundwinkel. Sie schaute zu ihnen, dann lächelte sie.
„Sieht… gar nicht so schlimm aus“, keuchte sie, als sie in Ivyns Arme sank, „Es war… der Pfeil. Nicht … die Kleine. Sagt Isa…“ Ihre Augenlieder flatterten, „Sagt Isa das… sagt…“
Die Erste kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, „Genug jetzt. Spare deine Kräfte.“ Sie wandte sich an Nammanor, „Bringt mir eine Trage, rasch.“ Dann nickte sie zu ihm, „Halarîn darf hiervon nichts erfahren, hörst du? Kein Wort“ Sie richtete sich auf und winkte sie die Elben heran, die gerade aus dem Tor strömten, darunter die erwartete Trage, die Nammanor bereits in Empfang nahm. Eilig begann sie die Blutung zu stoppen und die schwer verletzte Königin auf die Trage zu hieven.

Etwas knurrte in großer Entfernung und Mathan blickte auf. Ein kleinere Löwe war auf dem Weg nach Norden erschienen setzte sich, als ob er Wache hielt. Jemand packte ihn an der Schulter. Er blickte in das blasse Gesicht von Aéd, der ihn mit Sorge und Mitleid musterte.
„Ich habe eine Ahnung wie Ihr Euch fühlt“, begann er etwas unbeholfen, „Und auch ich verspürte diesen Zorn als mein Vater fiel.“ Er nickte in sein Gesicht, „Und sie ist eine starke Frau – das hat sie von Euch. Und ihr habt gute Heiler.“ Er starrte ihn einen langen Moment an, „Ihr solltet ebenfalls zu einem Heiler."
Mathan atmete gepresst aus. „Mir geht es gut. Später…“ Er stockte als ihm wieder der blutüberströmten Anblick seiner Tochter, in den Sinn kam, „Ich kann nicht dabei sein, wenn sie sie behandeln. Und es gibt jetzt wichtigeres als mich.“
Sein Blick fiel auf Adrienne. Sie kauerte auf den Knien neben dem Stein und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Ein zweiter Pfeil steckte in den leblosen Körper vor ihr. Sein Hals schnürte sich noch weiter zu. 
Aéd atmete tief aus. „Verflucht.“,
Valena ließ ihren Speer fallen und rannte zu Adrienne, „Ariennor!“
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