Minen der Ered-Luin
Sernereth Part I: Der dunkle Weg zur Sernereth
Die ersten Wochen in der Mine waren vergangen. Es stellte sich tatsächlich als anstrengender heraus, als Octavia es sich vorstellen konnte. Die Lage war angespannt und immer wieder kam es zu Streitereien der Rebellen-Clans untereinander. Dazu kam noch, dass nach wenigen Tagen das Haupttor eingestürzt war und es scheinbar keinen Weg nach draußen gab. Zumindest kannte niemand einen Weg. Auch die Nahrungsmittel waren knapp kalkuliert für zweitausend Menschen und mehrere Jahre, die sie vielleicht in den Minen bleiben mussten.
Octavia kämpfte gerade gegen Tardon. Sie verbrachte viele Tage damit zu trainieren. Nicht nur um stärker und besser zu werden. Sie wollte selbst auch einen kleinen Zeitvertreib haben.
Tardon wusste natürlich inzwischen, dass das was Octavia damals zu ihm sagte nicht stimmte. Dass Octavia und die Rebellen sehr wohl im Krieg gegen Kiana Vaneryen waren. Er akzeptierte diese Notlüge aber. Immerhin verlor er seine Eltern, als Kiana Minas-Tirith zerstörte. Er diente nur der Armee weil sein Vater vor ihm Soldat war und ihm keine andere Möglichkeit übrig blieb einen vernünftigen Sold zu erhalten. So wurden Octavia und Tardon gute Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander.
Octavia schaffte es den jungen Mann zu entwaffnet und auf den Boden zu drängen, da tauchte Indro auf.
"Es ist Zeit Octavia…", sagte er bestimmend und hielt wieder das Diadem, ein Tuch mit einer Kette und einen Umhang in den Händen. "...Die Delegierten sind versammelt!".
Er hielt ihr alles entgegen. Octavia ließ von Tardon ab und beäugte erst die Gegenstände misstrauisch dann Indro, der sie erwartungsvoll ansah.
"Mich zu verkleiden wird nichts bringen… Mein Blut ist schwarz...Verdorben… Und das wird es immer sein!", verteidigte sie ihre Meinung. Mit dem schwarzen Blut spielte sie auf das Blut der Maiar in ihren Adern an und damit die Verbundenheit zu Kiana und Thruion.
"In diesen Zeiten ist es wichtig die Symbole zu tragen! Dadurch wird es leichter für dich sie anzuführen!", erklärte er nur überzeugt.
Seufzend nahm sie schließlich beides entgegen. Die junge Frau zog sich das Tuch widerwillig über ihre schwarze Kleidung. Es war Dunkelblau mit silbernen Verzierungen. In der Mitte befand sich ein Stern. Dann hing sie den blauen Mantel um und setzte sich die Krone auf ihr Haupt. Dabei sah sie mit einem fragenden Blick zu Indro, anstatt ihn direkt zu fragen, ob er nun zufrieden war. Sie fühlte sich mehr als dämlich sich wie eine Anführerin aufzuspielen.
Auf dem Weg zum Versammlungsraum der Sprecher der Gruppierungen traf sie auf allerlei Menschen. Viele schoben Gegenstände in Karren herum oder werkelten an Möbelstücken.
Als Octavia Davos sah, war sie überrascht. Ihn hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, seitdem sie in die Mine gezogen waren.
"Die Herrscherin von Gonodwaith!", sagte er mit einer Verbeugung.
Octavia verdrehte nur die Augen und machte ihn an."Hör auf damit!".
Davos machte daraufhin nur eine abwehrende Haltung mit seinen Händen und lächelte dabei.
"Ich habe etwas gefunden…", sagte er, während er in seiner Schubkarre kramte. "Kael hatte mir im Eregion-Wald erzählt, dass er dir immer Geschichten von Mittelerde vorgelesen hat… Ich bin nicht der beste Leser, deshalb sollst du es haben!".
Er überreichte ihr ein Buch mit einem Roten Band. Octavia sah es aufgeregt an und wendete es in alle Richtungen. Dann machte sie es auf, blätterte einige Seiten durch und fuhr mit ihrem Finger die Buchstaben der Stadt nach, als konnte sie die Schrift fühlen.
"Ich weiß du wirst nicht überzeugt sein, dass es von deinem Vater Thurion stammt. Er hatte wohl verschiedene Dinge aufgeschrieben.".
Die junge Frau verzog ihr Gesicht. Natürlich war sie darüber nicht begeistert, doch sie liebte Bücher und… Irgendwie begeisterte sie die Schrift und die Worte die es enthielt. Gleichzeitig wurde sie etwas demütig etwas von ihrem Vater in den Händen zu halten. Natürlich hatte sie sein Schwert. Seine Gedanken in den Händen zu halten war aber noch etwas ganz anderes.
...Das Gefühl, dass nun die Dunkelheit durch meinen Körper wanderte gab mir die Macht viele anzuführen. Dagegen war das Licht der Valar gar nichts, dass die Völker von Mittelerde sich selbst überließ…, las Octavia eine Zeile in ihrem Kopf. Schnell riss sie sich aus ihren Gedanken.
"Sehen wir uns beim Rat?", wollte sie wissen und spielte ihre Gefühle damit weg.
"Äh...Nein… Ich bin inzwischen zu alt für diese Dinge… Ich überlasse den Jungen die Entscheidungsgewalt über ihre eigene Zukunft!", sagte er nur lachend. "Ah, Indro!".
Octavia wandte sich um und sah Indro hinter sich stehen. Sie wusste genau, dass er wollte, dass sie auf jeden Fall zu der Ratssitzung ging. Wieder seufzte sie nur und lief den Gang entlang, bis sie den Sitzungssaal erreichte.
Kurz vorher trafen sie auf eine Frau. Octavia kannte sie. Diese Frau hieß Gwendolyn und war eine strikte Verfechterin der alten Ordnung. Was auch daran lag, dass ihr verstorbener Mann einer der Fürsten von Arnor war. Abgesehen davon war sie der Meinung, dass jemand mit dem Blute der Maiar niemals vernünftige Entscheidung treffen konnte. Kiana war das lebendige Beispiel dafür.
"Auch das noch…", sagte Octavia leise und genervt. Sie drückte Indro das Buch, welches sie von Davos erhalten hatte, in die Hand.
Bevor Gwendolyn etwas sagen konnte, erhob Indro seine Stimme: "Die Zeiten sind schlimm genug… Du solltest Octavia lieber unterstützen!".
"Sie ist vom Blute keine Frau des Fürstengeschlechts und auch sonst ist ihr Blut
Schwarz! Das macht es unmöglich, dass sie unsere Anführerin sein kann!", sagte sie nur. "Dann hätten wir das Knie gleich vor Kiana beugen können!".
Octavia wollte eigentlich gar nicht mehr zu hören und einfach gehen.
"Denk dran was deine wahren Könige und Fürsten gemacht hätten! Sie hätten die einfach sterben lassen um selbst zu entkommen!", fauchte Indro und lief daraufhin in die Richtung des Raumes, indem die Ratssitzung stattfand. Er legte seinen Arm um Octavias Hüfte und zog sie so mit sich. Die junge Frau wollte etwas sagen, schwieg aber lieber, als Indro sie mit sich schob.
Eine Delegierte Frau eines Clans von Pascima beschwerte sich darüber, dass Menschen aus einer anderen Gruppierung diese beklaut hatten. Die Delegierte forderte harte Bestrafungen für die Diebe. Die anderen stritten die Taten überhaupt ab.
"Wenn es nach dem Gesetz von Pascima geht, müssen sie hingerichtet werden und das fordere ich auch ein!", sagte die Delegierte. Octavia verdrehte daraufhin die Augen.
"Es gibt die einzelnen Clans nicht mehr… Wir sind jetzt Gonodwaith!", machte sie nur deutlich.
"Octavia hat recht!", unterstützte Indro die junge Frau. "Wir müssen jetzt nach unserem Recht handeln!".
"Ich kann das nur unterstützen! Ein passendes Gesetz kann unser Zusammenleben vereinfache !", warf Phelan dazwischen.
"Und wie soll dieses… Gesetz... sein?", fragte die Delegierte des beraubten Pascima Clans .
"Sie haben… Decken gestohlen...Dann geben sie die gestohlenen Decken eben einfach wieder zurück…", sagte die junge Maia nur locker kopfschüttelnd. Die Delegierten des Beschuldigten Clans wirkten zufrieden. Die Gegenseite sah nur ungläubig drein. "Gibt es sonst noch was ?".
Keiner sagte was, also erhob Octavia sich und sah in die Runde. "Gut, wir haben genug zu tun!". Dann machte sie sich auf dem Weg in ihr Zimmer. Sie war genervt davon, ich wie eine Mutter zu fühlen, die die Streitereien ihrer Kinder unterbinden wollte. Es waren alles eigenständige Menschen, die fähig dazu sein sollten ihren Verstand benutzen zu können.
Als sie dort das Zimmer erreichte, entdeckte sie zwei Personen. Vor der Tür warteten schon einer der Baumeister und einer der Gärtner, die von den Daskina waren. Octavia ahnte schon Böses und ließ nach Indro, Galador und Phelan rufen.
Die drei Männer kamen zügig dazu. In ihrem Zimmer setzte sie sich auf einen Stuhl an einem Tisch der sich relativ mittig im Raum befand. Phelan, Galador und Indro stellten sich hinter ihr.
"Wie ihr wisst ist das Eingangstor der Mine zusammengestürzt… Wir wissen nicht genau warum, aber wir haben auch keinen alternativen Ausgang gefunden…", sagte der Baumeister. Octavia fasste sich an die Stirn und rieb sie sich. Die junge Frau hatte das Gefühl dass ihr Kopf schmerzte und von all den auftretenden Problemen überfüllt war.
"Also sind wir eingesperrt und selbst wenn Kiana besiegt wäre?", hakte sie nach.
"Zumindest nicht in nächster Zeit…".
Octavia seufzte laut und verzog unzufrieden ihr Gesicht. Es waren sehr schlechte Nachrichten. Es könnte bedeuten, dass sie länger als Gedacht in der Mine bleiben mussten.
"Das sollte nicht die erste Priorität sein… Wir haben die nächsten Monate dafür Zeit!", beruhigte Indro alle. Zumindest versuchte er es. Octavia halt es aber nicht wirklich. Etwas anmerken lassen wollte sie auch nicht.
"Was gibt es noch?", wandte sie sich genervt an den Gärtner.
"Nun ja… Die Pflanzen in den unterirdischen Gärten wachsen nicht so wie sie erwartet…", fing der Gärtner an. "...Das Problem ist, dass zweitausend Menschen dafür zu viel sind… Und da du dich ja dazu entschieden hast unser Volk auszusortieren…".
Schäumend vor Wut sprang sie auf und war schon halb auf dem Tisch.
"Schick ihn raus los!", befahl Indro den Wachen, bevor noch etwas passierte und wollte die Situatuon damit entschärfen. So konnte Octavia nicht ernsthaft etwas tun oder sagen.
Nachdem der Gartenmeister nach draußen gebracht worden war, schüttelte die junge Frau aufgebracht den Kopf. Sie konnte diesen Hass auf ihre Entscheidung nicht verstehen.
Hätte ich alle sterben lassen sollen?, fragte sie sich selbst. Eins stand für sie fest: Egal wie sie sich enschieden hätte, alles wäre in gewisser Hinsicht falsch gewesen.
"Was ist falsch mit ihm?", regte sie sich lautstark auf.
"Seine Frau wurde nicht auserwählt mit hier in die Mine zu kommen…", sagte Phelan.
"Aber was meint er mit dem Essen? Wird es Probleme machen?", fragte Octavia weiter.
"Wir sollten uns auf Unruhen einstellen… Also sollte jeder Clan getrennte Essplätze bekommen und die Wachen vor den Schlafplätzen sollte verdoppelt werden…", schlug Galador vorsichtshalber vor.
"Aber nur Wachen des jeweiligen Clans!", warf Indro dazwischen.
Octavia stimmte schließlich zu.
"Wir sollten aber nochmal über das Nahrungsproblem sprechen…", wollte Galador gerade sagen.
"Nein, genug davon…", entgegnete Octavia nur weiterhin genervt. Sie konnte es nicht mehr hören.
"Aber Galador hat recht wir sind viel zu viele Leute in der Mine! So ungern ich das auch sage... ", unterstützte Phelan den Dol-Amrother.
"Er hat aber nicht das Sagen… Genauso wenig wie du, oder die Delegierte… Ich habe es! Ich habe nicht alle gerettet damit sie sich jetzt gegenseitig umbringen!", machte Octavia nochmal klar.
"Octavia hat sich entschieden!", wurde sie von Indro unterstützt
"Das ist schön und gut… Aber sie war nicht ganz wild darauf uns anzuführen…", sagte Phelan.
"Jetzt ist sie es!", erwiderte Indro sofort. "Was ist, wenn wir die Rationen halbieren? Würde das mehr Zeit bedeuten".
"Wir sind schon bei der niedrigsten Ration…", sagte Galador. "Wenn es so weitergeht heißt es, dass wir verhungern und uns wünschen, wir wären diejenigen die tot wären…".
Octavia überlegte nicht lange. Für sie stand die Entscheidung fest. "Gut, halbieren wir die Rationen!", befahl sie. Wenigstens etwas mehr Zeit reicht schon aus. Nur um eine neue Lösung zu finden.
Sie hoffte nur, dass die Situation nicht weiter eskalierte. Sie waren doch ein Volk und konnten es nicht gebrauchen wenn sie sich untereinander zerstritten.
Wenn Octavia nicht mit dem trainieren beschäftigt war, las sie das Buch Thurions. Natürlich immer nur heimlich. Zugeben konnte und wollte sie nicht, dass sie die Worte ihres Vaters förmlich aufsaugte Einige Tage später sollte es so weit sein. Mitglieder von Daskina haben die ganzen Garten-, Vorrats- und Küchenabteile gekapert und verbarrikadiert.
Große Unruhe brach unter den anderen Rebellen Clans aus, sodass sie versuchten die besetzten Hallen der Mine zurückzuerobern.
Octavia marschierte mit Indro, Davos und einigen Wachen durch die Gänge und hielt so viele auf, wie sie konnte.
In einem der Schlafräume traf sie auf eine Gruppe der Pascima Rebellen, die gerade Galador bedrohten. Sie hielt einem der Männer ihr Schwert an den Hals.
"Los, lass die Finger von ihm!", sagte sie nur mit einem scharfen Ton. Ängstlich ließ der Mann von Galador ab.
"Die Gänge sind gesichert und es gab keine weiteren Tode mehr!", hastete Tardon mit einem Trupp in den Raum.
"Sie sagen, sie wollen die besetzten Hallen zurückerobern!", klärte Davos alle auf.
"Ja, die Daskina haben die Tür zur Haupthalle verbarrikadiert!", bestätigte Indro. "Und trotzdem müssen diese hier für ihren Verrat sterben…".
"Nein!", entgegnete Octavia. Sie hatte wenig Verständnis für seine Aussage. Sie konnte die Aufständischen verstehen.
"Aber es ist was anderes als einfache Decken zu stehlen…".
"Sie haben Angst Indro! Sie haben Hunger!", entgegnete Octavia und sah dabei den Mann, dem sie ihr Schwert an die Kehle hielt, in die ängstlichen Augen.
"Ich werde einen Weg finden die Halle zurückzuerobern! Sag es den anderen!", versprach die Junge Frau erst fast und forderte gleichzeitig die Gegenleistung des Herumsprechens. Der Mann sprintete sofort zu seinen Kumpanen los.
"Eine Idee wie wir die Tür aufgekommen sollen?", fragte Tardon fast schon sarkastisch.
"Es gibt vielleicht eine Möglichkeit…", fing Davos an. "Bei meinen täglichen Rundgängen habe ich den Eindruck erhalten, dass ich den Mechanismus erkannt habe… Ja, fragt nicht. Ich hatte wie wir alle sehr viel Zeit!".
Octavia sah zu ihm auf. Das war wenigsten ein Funken Hoffnung. "Wenn du die Tür nicht öffnen kannst, gibt es keine Hoffnung mehr… Für keinen von uns!", sagte Octavia seufzend. Sie wusste, dass Phelan und Galador auf der anderen Seite des Tores waren. Immer wieder hoffte sie nur darauf, dass beide Männer damit nichts zu tun hatten.
"Wir sollten uns beeilen… Die Unruhen breiten sich aus…", mahnte Indro rasch.
Octavia zögerte nicht.
"Lenkt ihr so viele von ihnen ab… Ich bringe Davos so schnell ich kann zum Tor!", befahl sie. Dann zog sie den Umhang und das Tuch mit der Kette rasch aus. Die Krone nahm sie vom Kopf.
"Ich werde diese Symbole nicht mehr tragen… An mir wirken sie nur wie Zielscheiben…", erklärte sie und wich Indros irritiertem Blick aus.
So schnell sie konnte lief sie gefolgt von Indro und den anderen in Richtung Tor.
Als sie durch die Gänge der Mine schlichen, versteckten sie sich immer wieder vor den anderen Rebellen-Gruppen, die in Truppen durch die Mine eilten. Indro und Tardon rannten mit Rufen los und lenkten die Aufmerksamkeit der Aufrührer auf sich. Octavia wartete mit Davos.
Gerade sah sie um die Ecke und wartete bis eine weitere Gruppe weg war, da hielt sie sich an Davos fest um ihn von ihrem nächsten Vorgehen zu berichten und spürte dabei etwas warmes feuchtes. Als sie ihre Hand betrachtete, bemerkte sie das Blut an ihrer Hand. Sie war irritiert.
Woher kommt das?, fragte sie sich selbst
Von ihr selbst konnte es allerdings nicht sein.
Davos!, dachte sich die junge Frau mit. Erschrocken sah sie zu Davos, der verschwitzt und etwas erschöpft wirkte. Octavia tastete den Bauch des älteren Mannes ab und entdeckte eine große Wunde.
"Was hast du da? Warum hast du nichts gesagt?", fragte sie. "Wir sollten dir einen Heiler suchen!".
"Dafür haben wir nicht die Zeit! Wir müssen uns beeilen!", sagte er nur. Ihr war es klar, dass es keine gute Idee war. Sie wollte jeden von ihrem Volk retten und er gehörte dazu. Bevor sie aber etwas sagen konnte, winkte er ab, als sie die Lippen öffnete. Widerwillig nickte sie ihm schließlich zu. Nun fühlte sie sich noch mehr unter Druck.
Sie wollte gerade los, da stoppte Davos sie, indem er sie am Arm griff.
"Ich kann dir gar nicht verübeln, dass du dich zu deinem Volk nicht zugehörig fühlst und dass du deinen Vater nie erleben wolltest…", fing er plötzlich stöhnend an.
"Musst du ausgerechnet jetzt darüber sprechen wollen?", fragte sie mit gebrochener Stimme und lehnte sich an die Wand. Was wollte er damit bezwecken? Und warum ausgerechnet jetzt in so einer Situation?
"Ich weiß dass du viele Menschen hasst, auch die Daskina-Rebellen… Du gibst ihnen Schuld an den Tod von Deloth und deiner Mutter, weil sie auch aus Minas-Tirith geflohen sind… Doch mit deinem Sieg im Kampf hast du auch sie gerettet!", erzählte er weiter.
Octavia wurde nur wütend. "Was willst du jetzt?", fauchte sie ihn an.
"Die anderen Rebellen werden über alle herfallen und alle töten, die sich hinter den Toren befinden, sobald ich diese öffne… Sowohl Schuldigen als auch die unschuldigen… Das kann ich nicht schon wieder zulassen… Nicht wieder… Als ich mit Thirak tatenlos zusah, wie die Truppen unter Kiana alles und jeden in Minas-Tirith abschlachteten, habe ich einen Teil von mir verloren!", dabei klang Davos mehr als erschöpft.
"Dann sterben wir alle!", entgegnete Octavia trotzig. Sie rutschte die Wand herunter und hockte auf dem Boden.
"Bring die Rebellen dazu, nicht anzugreifen und nur die Schuldigen zu bestrafen…".
"Die werden nicht auf mich hören…", sagte die junge Frau schnell und trotzig.
"Bring sie dazu… Du musst keine Königin sein, um sie zu befehligen…".
"Ich bin keine Anführerin… Ich bin eine Kämpferin… Eine Kriegerin!", versuchte sie ihm klar zu machen.
"Und ein Krieger braucht einen Krieg! Einen Feind…".
Octavia hörte ihm nun gespannt zu.
"Unter deinem Vater war der Tod oft der Feind, sodass er alles versuchte, dass sein Volk lebte… Er versuchte stets die zu beschützen, die er liebte! Ich weiß, du gibst ihm im Endeffekt die Schuld am Tod deiner Mutter, weil er sie indirekt zu einem Geheimnis zwang… Doch damit, dass sie es behielt, machte sie sich selbst zum Feind und wählte lieber den Tod, damit du und dein Bruder überleben konnten!", erzählte Davos weiter.
Wütend und betroffen sprang Octavia auf und zog ihr Schwert. Für einen kurzen Moment hielt sie inne. Sie erinnerte sich wieder an die Worte im Buch. Thurion schien tatsächlich versucht zu haben, sein Gefolge zu retten oder nicht zu gefährden. Zumindest auf ein paar der Seiten. Trotzdem wirkte es stets düster.
Und wenn ich die Dunkelheit dafür verwenden muss, um die zu beschützen die mir folgen, so werde ich dies tun, erinnerte sie sich an eine Zeile aus dem Buch ihres Vaters. Die junge Frau seufzte.
"Schön… Ich mach es… Aber versuch nicht vorher zu sterben!", sagte sie und deutete auf seine Wunde.
"Gut, jetzt weißt du was es heißt eine Anführerin zu sein!".
Nach diesen Worten ging Octavia Wortlos zum Tor zur Haupthalle der Mine.
Sie traf davor noch auf Indro, der außer Atem zu ihr sah. Auch Galador und Tardon waren bei ihm. Alle drei blieben noch eine Abbiegung zurück, um nicht von denen gesehen zu werden, die vor dem Tor zur Haupthalle standen.
"Wo ist Davos?", fragte Indro hektisch. "Macht er die Tür auf?".
"Noch nicht… Ich muss erst was erledigen…", antwortete sie beim Vorbeigehen. Er schien von ihrer Aussage irritiert gewesen zu sein. Allerdings störte sie sich nicht daran und ging weiter. Sie hörte nur wie Galador zu Indro sagte, dass er es sie alleine machen sollte. Aber woher wusste er, was sie vor hatte? Ihr blieb sowieso nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Sie musste das Problem beseitigen.
Einige Männer und Frauen standen vor dem Tor und versuchten es verzweifelt mit einem improvisierten Rammbock aufzubrechen. Eine kurze Weile beobachtete die Szenerie und niemand von ihnen schien sie zu bemerken. Plötzlich fühlte sie sich ganz anders. Als hätte jemand die Kontrolle über ihren Körper ergriffen. Sie spürte den Zorn in sich. Den Zorn auf all diejenigen, die sich querstellten und nicht den Frieden von Gonodwaith wahren wollten.
"Hey!", rief sie nur laut. "Ich kann die Tür für euch öffnen!".
Einer von ihnen kam breit grinsend auf Octavia zu. "Dann mach das, Gurth-en-Dúath, damit wir uns dein Volk vom Leib schaffen können!".
Gurth-en-Dúath, wiederholte sie im Kopf. Es erinnerte sie daran, dass sie in gewisser Weise eine gefürchtete Kriegerin war. Nicht umsonst nannten die Menschen sie so.
"Du hast recht… Es ist mein Volk…", sagte sie, "...Aber auch ihr seid mein Volk… Wir sind alle zusammen Gonodwaith! Dazu gehören auch die unschuldigen Menschen jenseits dieser Tore!".
Sie hielt den Griff ihres Schwertes fest. Octavia konnte sich denken wie das Gespräch ausgehen konnte: Entweder der Mann lenkte ein, oder aber es artete in einen Kampf aus. Der Mann antwortete zunächst nicht, sondern wirkte eher wie angewurzelt. Die anderen hinter ihm sagten auch nichts.
Aber als hätte sie es nicht schon vorher geahnt , stürmte er auf sie zu. Schnell schaffte sie es diesen Mann zu töten.
Sie hielt ihr Schwert in die Richtung der anderen und sagte noch in einem normalen Ton: "Ihr seid Gonodwaith, oder ihr seid die Feinde von Gonodwaith! Entscheidet!".
Es dauerte nicht lange und die nächsten zwei Rebellen griffen sie an. Im Gedränge entwaffnet sie den einen, während sie den anderen mit einem Hieb die Kehle aufschnitt. Die entwaffneten Mann stach sie das Schwert in den Bauch. Viel Blut bedeckte inzwischen ihren Körper.
"Ihr seid Gonodwaith, oder ihr seid die Feinde von Gonodwaith! Entscheidet!", sagte Octavia wieder. Diesmal schnell atmend. Es war als verliere sie mehr und mehr die Kontrolle über ihre Verstand, je öfter sie die Worte wiederholte. Als legte sich ein Schatten auf ihr schon ohnehin gebrochenes Herz.
Wieder wollten die Rebellen nicht hören und die nächsten griffen sie an. Mit einer Hand hielt sie zwei von ihnen durch ihre Macht auf Abstand, sodass sie zunächst zwei andere töten konnte. Sie nahm dem nächste den Dolch ab und bekämpfte die beiden Männer damit. Sie kniete sich auf den Boden und schaffte es so beide Männer zu treffen. Beide waren tot.
"Ihr seid Gonodwaith, oder ihr seid die Feinde von Gonodwaith!", sagte sie diesmal lauter und abgewandtvon den anderen. "Entscheidet!".
Als sie das letzte Wort rief, drehte sie sich schnell um und hielt ihre Klinge wieder in die Richtung der Aufrührerischen.
An Aufgaben dachten sie wohl nicht und wieder bekämpfte Octavia einige, schaffte es aber wieder die Angreifer zu töten. Wieder wiederholte sie die worte: "Ihr seid Gonodwaith, oder ihr seid die Feinde von Gonodwaith! Entscheidet!".
Dabei hielt sie ihr Schwert hoch und sah sich hektisch um, um mögliche Angriffe abzuwehren.
Aber noch immer gaben sie nicht auf und versuchten die junge Frau zu besiegen. Es gelang ihnen aber nicht und Octavia tötete die nächsten drei. Den vierten drückte sie mit ihren Kräften gegen die Wand und erstach ihn letztendlich.
"Ihr seid Gonodwaith, oder ihr seid die Feinde von Gonodwaith! Entscheidet euch!", verlangte sie diesmal leise, aber bestimmend und außer Atem.
Das Schwert Octavias leuchtete Violett, schon eher Rot... Dazu konnte sie schwören dass es pulsierte... Als hätte es ein Herz.
Eine dunkle Stimme dröhnte in ihrem Kopf. Worte die sie nicht verstehen konnte. Sie versuchte nur diese Stimme zu ignorieren.
Die ängstlich übriggebliebenen Rebellen wussten zunächst nicht wie sie reagieren sollten. Schließlich lagen sie ihre Waffen nieder und knieten sich auf den Boden.
Octavia atmete schnell und ihr ganzer Körper Blutüberströmt. Auch die Wände und der Boden des Ganges vor dem Tor waren voller Blutspritzer.
Endlich hatte sie es geschafft. Endlich beugten sich die Rebellen ihren Willen und gaben auf.
Indro hatte in der Zeit Davos geholt, der den Mechanismus der Tür aktivierte, sodass sie sich doch noch öffneten.
Zusammen mit den anderen Rebellen stürmte Octavia die Haupthalle und befahl dabei nur die Schuldigen zu fangen. Große Erleichterung machte sich in ihr breit, weil Phelan und Galador damit nichts zu tun hatten, sondern selbst Geiseln der rebellierenden Daskina waren.
Nachdem alle gefangen worden waren, lief die junge Frau zu Davos, der zusammengesackt am Boden saß. Galador, Indro und Tardon hockten bei ihm.
"Octavia…", stöhnte der alte Mann. "...Versprich mir, dass du auf alle aufpassen wirst... Vor allem auf Aurelius... Die Eltern des Jungen durften nicht in die Minen...und nicht den Werdegang von Kiana einschlagen wirst! Mein Kampf ist vorüber… Ich werde endlich zu meinem König zurückkehren…".
Er hustete noch ein paar mal und starb. Octavia war traurig. Auch wenn sie ihn oft als nervig empfand und ihm anfangs den Tod wünschte, da er an der Schlacht auf Minas-Tirith beteiligt war, mochte sie ihn am Ende. Und nun war er tot. Einer von denen, die immer an sie glaubten, egal wer oder was sie war.
Sie wollte Ruhe haben und entschied sich in ihr Zimmer zu gehen.
Zitternd setzte sie sich hin und legte den Kopf auf das Buch, welches ihr Davos gegeben hatte und legte ihren Kopf darauf. Sie fühlte sich leer. Fühlte sich der ganzen Sache nicht gewachsen. Sie fühlte sich alleine. Sie war erschöpft.
Auch wenn es einfach wirkte, wie sie die Aufständischen tötete, fiel ihr es alles andere als leicht auch nur irgendjemanden der Rebellen zu töten. Sie wusste aber auch, dass es sein musste. Sie war diejenige, die alle zusammenhalten musste. Octavia wollte sich nur einen Moment sammeln, damit sie alles verarbeiten konnte und die Stimme in ihrem Kopf unterdrücken konnte. Seitdem sie sich ihrer Macht und dem Zorn hingab, hörte diese Stimme.
Reiß dich zusammen Octavia!, sprach sie sich selbst zu.
Du darfst jetzt nicht verrückt werden! Nicht jetzt! Die junge Anführerin von Gonodwaith schob es einfach auf ihre innere Erschöpfung. Sie musste einfach ruhen.
Doch sie konnte nicht an Ruhe denken, denn Indro kam mit Galador in ihr Zimmer.
"Dein Volk erwartet Gerechtigkeit!", forderte Indro bestimmend.
Octavia hob ihren Kopf und wischte sich die Tränen weg, die ihr über die Wangen rollten.
"Komm wir sollten dich waschen…", sagte er noch und deutete dabei auf das ganze Blut auf ihren Körper.
"Nein!", warf Galador dazwischen. "Sie ist die Retterin der Menschen von Arnor, sie hat uns alle vor dem Feuer des Drachen gerettet… Heute hast DU uns alle vor dem Hungertod gerettet… Ich denke ich bin nicht alleine, wenn ich sage, dass du die sein wirst, die uns zurück an das Tageslicht bringen wird!".
Octavia sah fragend zu ihm hoch. Für sie sprach er in rätseln. Die junge Frau war einfach müde und traurig, fühlte sich von ihrer inneren Macht ausgelaugt. Indro schien ihre Verwunderung zu bemerken.
"Wir waschen dich jetzt erstmal…", wollte er gerade sagen, um ihr Luft zu verschaffen. Doch Galador grätschte dazwischen: "Nein, die Menschenmüssen sie so sehen! Du sagtest selbst, dass Symbole wichtig seien…".
Er streckte seine Hand in richtung Octavia aus. Zunächst zögerte sie, nahm schließlich aber seine Hand. Die junge Frau erhob sich und folgte ihm zu einem Spiegel.
Sie sah ihr eigenes Abbild: Blutverschmiert. Fast schon furchteinflößend, obwohl sie so gebrochen wirkte.
"Das Blut unserer Feind, ist ihre Rüstung!".
Erst war sie skeptisch. Dann machte es alles plötzlich Sinn in ihren Gedanken. Alles was er sagte. Er hatte recht. Es schreckte die ab, die sich ihr widersetzen wollten. Es erinnerte alle daran, was mit denen passiert, die sich nicht an ihre Regeln hielten und sich Gonodwaith widersetzten.
Sie entschied sich schließlich so hinaus vor ihrem Volk zu treten. Octavia musste stark für ihr Volk, ihre Verantwortung, sein! Sie wusste, dass sie besonders von Phelan beäugt werden würde. Doch es war ihr egal. Octavia sah die Gefangenen in der Mitte der Haupthalle auf dem Boden kniend. Sie waren sowohl von Daskina, als auch von den anderen Rebellen Gruppen.
"Es sind zu viele Menschen in dieser Miene!", sagte sie klar und deutlich. "Und wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird niemand von uns den Himmel, die Sonne oder die Erde wiedersehen… Und das werde ich nicht zulassen!".
Dabei lief sie eine Anhöhe in dieser Halle hoch, auf die der Thron der Ered-Luin stand.
"Jeder von euch hat Verbrechen gegen Gonodwaith begannen… Und die Strafe dafür ist … Der Tod!", sagte sie weiter.
"Das ist doch Unsinn! Der Deckendieb der Forlindon-Pascima hat da unten nichts verloren… Daskina hat Essen gestohlen!", rief ein Mann aus der versammelten Menge.
"Es gibt hier kein Daskina, Pascima oder Uatarra… Es gibt nur Gonodwaith oder die Feinde von Gonodwaith! Möchtest du ihnen Gesellschaft leisten?", rief sie zurück. Der Mann schüttelte daraufhin nur eingeschüchtert den Kopf.
"Wir sind hier in keinem Königreich oder Fürstentum von Mittelerde… Es gibt kein Blut verlangt nach Blut…", machte sie deutlich. Sie erinnerte sich wieder an das Buch von Davos. Sie las dort etwas über Arenakämpfe im Osten, als Thurion als Gefangener im Osten war.
"...Im alten Rhûn hatten die Kämpfer die Möglichkeit, um ihre Freiheit zu kämpfen! So wie ihr jetzt!", dabei zog sie ihr Schwert und warf es zu den Gefangenen auf den Boden.
"Die gleichen Regeln wie beim Kampf um die Minen: Kämpft und rettet damit euer Leben!", sagte sie fanatisch überzeugt.
Dann ging es los und die Gefangenen Stürzten sich auf das Schwert, das Octavia hinunter zu ihnen warf. Die Gefangenen kämpften um ihr Leben, während alle Anderen dabei zu sahen...