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[Si]Carracáin, erster Charakter von CrystalPhoenix

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The Chaosnight:
In den nächsten 200 Jahren passiert nichts Aufregendes mehr

Mit der Zeit hatte Carracáin das Schmieden natürlich fast schon perfektioniert! Seine Kunstfertigkeit suchte ihresgleichen, denn auch auf dem Blatt Papier war Carracáin zu einem wahren Meister geworden. Schatten, Dynamik, Perspektive, all das verinnerlichte er, in seinem unersättlichen Bestreben, die Schönheit seiner Welt auf Papier zu bannen. 
Die Papierherstellung an sich hatte Carracáin natürlich auch verfeinert, so war das Papier nun wesentlich dünner und weicher geworden.
Und all das, was er an Schönheit zeichnete, nahm er auf, und band es in seinen Schmiedeprozess ein. Wenn er ein Schwert schmiedete, war es dann fertig, wenn das Feuer aus war, nicht früher und nicht später. Noch in der glühenden Hitze formte er wunderschöne Gebilde aus Metall, so anmutig, dass man denken konnte, sie würden immer noch weich von der Hitze sein. Das waren sie aber nicht, denn Carracáin verstand es, das Metall so dicht und eng zu falten und zu schneiden, dass es sogar  Luft zerschnitt, wenn es geschwungen wurde.

Ebenfalls verstand er sich darauf, Facetten und Nuancen von Farben zu fertigen. Einmal verirrte sich ein Schmetterling in seine Höhle, kam nicht mehr heraus, und flog in das tosende Feuer eines Schmelzofens. Tränen rannen Carracáin über die Wange, als er das wunderschöne Geschöpf sterben sah, und schon am nächsten Tag hatte er eine 50 Zentimeter große Schmetterlingsstatue geschmiedet, in deren Flügel er so geschickt Kristalle eingelassen hatte, dass sie immer neue Farben warfen, wenn man sich bewegte.

Ja, Carracáin hatte alles erreicht. Er hatte das gemeistert, was er meistern hatte wollen. Nebenbei hatte er aus dieser Grotte einen anderen Ort gemacht.Wasser lief durch die Furchen am Boden, und hielt die Temperatur genau auf dem Grad auf das es erhitzt wurde (im Winter sehr praktisch). Überall waren kleine Brücken (über die nunmehr vielen Bäche) und Treppen eingelassen, verziert mit Geländern aus Silber und Stahl. An einer Wand erstreckte sich ein kleiner, aus Gold geschmiedeter Wald, und  die Hochöfen waren mit aus Silber geschmiedeten Blattwerk bedeckt.
Der Boden der Höhle war nicht mehr eben. Es ging hoch und runter, tief nach unten in die „Katakomben“ seiner ausgebauten Werkstatt, und in einer Wendeltreppe nach oben, wo er mitten in der Höhle eine fast frei schwebende Plattform errichtet hatte. Dort schlief er, und dort hatte er Regale voll mit Papier. Direkt unter dieser Plattform hatte er sich ein rundes Podest erbaut, die Hälfte des Randes war ein Tisch, und um das ganze Podest herum zogen sich Halterungen mit Fläschchen aus Bergkristall, voll mit den wunderschönsten Farben.

Dort saß er gerade.


Er hatte sich vorgenommen, sein bisher schönstes und bestes Schwert zu schmieden. Seit einem Monat arbeitet er nun daran, er hatte schon den Griff gefertigt, und die Klinge lag unten im Feuer. Das Feuer war über den ganzen Monat nicht aus gewesen, denn er löschte es erst, wenn er fertig geschmiedet hatte.

Gerade war er dabei, die Klingenfarbe zu ermischen. Das machte er immer am liebsten, denn damit legte er den Charakter der Waffe fest. Er entschied sich für etwas, dass er bisher noch nicht gewagt hatte. Vor einigen Jahren hatte er eine kleine unscheinbare Phiole mit roter Farbe ganz hinten in sein Regal gestellt, und jetzt erinnerte er sich warum. Damals hatte er nach Kräutern gegen seine Blutungen gesucht. Dabei war er auf eine Tinktur gestoßen, die dem Blut all seine Gerinnungsstoffe nahm. Natürlich war das nicht das Richtige gegen sein Gebrechen, aber er wollte einfach mal schauen, wie lange derart behandeltes Blut hält, und hatte es über seinen Werken vergessen. Langsam nahm er die Flasche aus dem Regal. Darinnen schwappte die Farbe hin und her.
Es war also noch flüssig.

Er hatte sich entschieden. Dieses Schwert sollte mit seinem eigenen Blut gefärbt worden sein.

Er goss die nach Eisen und Honig riechende Flüssigkeit in eine Steinschale. Zitternd streute er Rubinpulver hinein, und nach kurzem Überlegen auch ein wenig Farbstoff der Rabenfedern. Was jetzt kam, war der Alchemistische Teil der Fertigung. Konzentrierte Hitze, die sich drei Meter unter ihm verdichtet hatte, schoss aus einem Steinrohr, und tauchte das ganze Podest in einen feurigen Schein. Unter dieser Hitze gab Carracáin ein paar Bindemittel in die Schale, dabei ließ er das ganze in eine kristallene Apparatur laufen. Zäh sickerte die absolute Definition von „Blutrot“ durch die durchsichtigen Rohre, und begann allmählich unter der extremen Hitze zu leuchten. Weitere, Tropfen von blubbernden, farblosen Flüssigkeiten liefen nach dem Öffnen mehrerer Ventile in das Gemisch.
Plötzlich leuchtete die Farbe hell auf, schien mehr geschmolzenes Gold zu sein, als bloße Farbe, und changierte lebhaft zwischen Indigoblau und Scharlachrot! Die ganze Höhle war erfüllt von den Lichtwellen, die das Gemisch aussandte, und schien zu rasen im höllischen Farbenspiel!

Dann öffnete Carracáin ein Scharnier und nahm die Flasche mit der Farbe (mittlerweile war sie rabenschwarz geworden)aus der Apparatur. Er eilte damit die Treppe zu seiner Werkstatt hinunter, und hastete dort zu seinem riesigen Ofen. Die Glasphiole hängte er in eine Halterung am Feuer.
Dann atmete er auf. Die ganze Zeit hatte er die Luft angehalten. Teils aus Spannung, teils aber auch, weil bei solchen Vorgängen oft giftig Dämpfe aufstiegen.
Aber er konnte sich nicht ausruhen! Flink holte er sein bisheriges Schwert aus dem Feuer, und bettete es auf einen glühenden Gitterrost. Dort klappte er die glühende Klinge mit Zangen auseinander (er hatte sie noch nicht verschweißt) und goss die dampfende Farbe in das Innere des Schwertes. Schnell klappte er die Klinge wieder zu, und trug sie mit großen Zangen zum „Schicksalsberg“.

[Hier besteht Erklärungsbedarf: Der „Schicksalsberg“ Ist eine Halterung aus Stein in einer Nische, in die Carracáin Schwerter gehangen hat. Um die Halterung herum, in den Nischenwänden, befinden sich viele kleine Löcher. Eigentlich ist die gesamte Wand dahinter ausgehöhlt. In diesem Hohlraum brennt nun ein Feuer (keine Glut, es brennt richtig ein Feuer, mit Flammen und allem). Dann zieht Carracáin eine Abdeckung vor den Löchern in der Wand weg, und aus der Wand kommen Flammen geschossen, die das Schwert einhüllen. Anscheinend ist es für die Farbe gut, wenn das Schwert ungleichmäßig erhitzt wird, außerdem wird dadurch eine Schmelze etwaiger Ornamente verhindert.]

Unter den tosenden Flammen veränderte die Klinge langsam ihre Farbe. Von innen fing es an zu leuchten, und dunkelrote Flecken breiteten sich auf der gesamten Schwertschneide aus. Wie Blutflecken auf einem weißen Hemd. Dann war die gesamte Klinge überzogen mit dem tiefen Burgunderrot, das manchmal in ein dunkles Violett hineinschillerte. Nur die silbernen Ornamente und Verzierungen auf der Klinge blieben silbern, und sie hoben sich auf dem nun dunklen Metall ab, wie Sterne vor einem roten Nachthimmel.
Zufrieden schob Carracáin wieder die Abdeckung über den „Schicksalsberg“, und nahm das rasch erkaltete Schwert aus der Halterung.

Es war ein Elbenschwert. Keines von solchen Schlachtwerkzeugen , wie Carracáin sie oft gemacht hatte, sondern eine elegante, leichte und ebenso tödliche Klinge.
Carracáin erinnerte sie ein wenig an die Feder, durch die er sein Auge verlor. Er war auch sehr von dem Vogelgedanken beeinflusst worden:
Der Griff bestand aus einem Stück Ebenholz, das mit Rotgold durchwirkt war. An der Spitze des Holzgriffs wand sich ein Adlerkopf aus schimmerndem Stahl, und aus dessen zum Schrei geöffnetem Schnabel zog sich die geschwungene, blutrot schillernde Klinge. Vor dem Griff verschränkten sich zwei ebenfalls aus Stahl gefertigte Flügel , um die Hand des Kämpfers zu schützen. Und Als Augen des Adlers setzte Carracáin zwei funkelnde Rubine ein.

Das war sein Schwert.

Er wollte es eigentlich gar nicht benutzen, aber es erfüllte ihn mit überschwänglicher Euphorie, endlich sein Meisterwerk geschaffen zu haben!
Es war etwas, worauf er 200 Jahre lang hin gearbeitet hatte. Doch- nein, etwas hatte er noch vergessen! Er trat noch einmal an das Kunstwerk aus Stahl heran, und zog seinen Metallschneider.

Mit zittriger Hand zog er langsam einen Strich durch das linke Auge des Adlerkopfes.

Nachdem er zweihundert Jahre kein Wort gesagt hatte, stammelte er nun:

„So. Fertig.“

Das legendäre Schwert Crólair ward geboren.

The Chaosnight:
Nach der Fertigung der Waffe sackte Carracáin erschöpft vor dem Schwert zusammen. Er hatte genau gespürt, dass diese Waffe die Summe aller seiner Fähigkeiten darstellte, dass er auf diese Waffe über 2 Jahrhunderte hingearbeitet hatte. Etwas besseres würde er nicht schmieden können. Vielleicht mit Mithril, aber dieses edle Metall gab es in der Grotte nicht, zu oft und zu lange hatte er danach gesucht. Ihm gefiel es sogar, dass sein Schwert nur aus Stahl war. Ich habe diesen Stahl zu dem härtesten und schönsten Mittelerdes gemacht, Und es war nur ein einfacher Streifen Stahl...
Er erkannte sich selbst in diesem Schwert, als ein durchaus hartes Material, das aber erst durch den Hammer des Schicksals zu etwas legendärem geworden war.

Stöhnend richtete er sich auf, sein Auge ziepte schon wieder. Es war auch tiefe Nacht, vielleicht sollte er sich hinlegen.
Und während er einschlief, geisterte in seinem Kopf schon das nächste Ziel herum.

Am nächsten Morgen hatte er einen ganz und gar unlegendenhaften Kater. Gähnend streckte er sich, und schnupperte in die rauchige Luft, die noch vom Vorabend in der Höhle herumzirkulierte. Das war sein Geruch. Er strich sich seine schwarzen Haare aus dem Gesicht, und schaute von seinem Podest auf die Höhle. Sie war so behaglich. Carracáin kribbelte es in seinen Fingern, er liebte Sonnenaufgänge, und er hatte das Gefühl, dieser würde ein ganz besonderer sein. Also zog er an einem Hebel, und an einer Wand öffnete sich eine Tür. Durch diese fiel jeden Morgen die goldene Sonne herein, und brach sich tausendfach in dem goldenen Wald, den er genau dort aufgestellt hatte.
Bedächtig schlurfte Carracáin zu einem Sitz aus Stein, der genau im Sonnenstrahl stand. Zufrieden ließ er sich nieder, spürte das warme Moos in seinem Rücken, die feinen Lichtwellen, die sein Gesicht kitzelten und atmete die frische Luft ein. Er seufzte. Dieses Paradies wollte er eigentlich gar nicht mehr verlassen, aber sein innerer Kompass hatte sich neu ausgerichtet. Es zog ihn fort. Hier hatte er doch schon alles erreicht. Wollte er seinen Lebtag lang hier sitzen, und sich von der Sonne bescheinen lassen? Wollte er?
Vielleicht...

Er musste sich eingestehen, dass er einfach noch nicht  Willens genug war, diesen wunderbaren Ort zu verlassen. Aber er schloss einen Kompromiss mit sich: Er würde packen, und jederzeit abreisebereit sein, damit er dem Wind des Fernwehs folgen konnte.


Er begann also damit, seine Ausrüstung zusammenzustellen. Ja, zusammenstellen ist das richtige Wort, denn wer hat schon eine ganze Waffenkammer zur Auswahl, wenn er sich überlegt, welche Waffen er mitnimmt?
Sofort wanderten Carracáins Finger zu Crólair. Das musste mit! Behutsam legte er es auf seinen Kristalltisch. Dort funkelte es ihm freudig entgegen, und Carracáin wurde warm ums Herz.
Sooo, was für eine Rüstung nehme ich denn mit?
Nach mehrmaligem Auf- und Abschreiten an den Regalen entschied er sich für einen seiner meisterhaftesten Brustpanzer. Eine ganze Rüstung (von denen er natürlich auch mehrere hatte) sagte ihm nicht so zu, und er fand den Brustpanzer auch bequemer. Eine Klinge konnte nur sehr schwer eine Delle dort hinein schlagen, denn er hatte den Panzer so gefertigt, dass Stöße fast immer abrutschen, und nicht abprallten. Dies sah er als eine wichtige Eigenschaft an.
Außerdem gefiel ihm der Panzer von der Ästhetik her einfach. Damals, dachte er wehmütig zurück, damals hatte er ein besonderes Faible für Kristallsplitter gehabt. In Alles was er zu dieser Zeit geschmiedet hatte, waren Splitter aus Smaragden und Saphiren eingestreut, und verliehen dem entsprechenden Gegenstand einen blau-grünlichen Schimmer. Zusammen mit dem matten dunkelgrau sah das einfach perfekt aus. Und mit dem Efeumuster an den Rändern war er ebenfalls sehr zufrieden, dort hatte er natürlich überwiegend dunkelgrüne Kristalle verwendet, die dem Ganzen einen mysteriösen Hauch von Waldmagie anhefteten.
Des weiteren suchte er noch sehr sehr leichte Arm- und Beinschienen aus, die aus der gleichen Fertigungsreihe  wie der Brustpanzer kamen. Das passte ziemlich gut, nur fühlte er sich ein bisschen unbequem mit diesen Armschienen.

Kleidung hatte er nur sehr wenig. Ein paar Leichen in dem Gebirge hatte er Kleider abgenommen, aber besonders schick sah das nicht aus. Kritisch beäugte Carracáin einen alten, zerfledderten Mantel in seiner Hand... Naja, warum nicht? Nach einigem Überlegen, heftete er sich den Mantel mit einer schönen Brosche in Form zweier ineinander verschränkter Flügel auf den Brustpanzer.
Alle seine Kleider färbte er noch rabenschwarz, ihm gefiel die Farbe als Kleidung irgendwie. Hier ein paar Ketten, da eine leichte Schwertscheide, fertig.

Stolz trat Carracáin vor seinen Spiegelkristall. Hochmütig schaute ihn daraus ein sehniger, grimmiger Elb an. Bedrohlich senkte er den Kopf und zog langsam sein Schwert. Wow! Was war aus ihm geworden? Anscheinend machen Kleider wohl doch Leute, dachte er bei sich. Und wie sie Leute machten! Er hätte ein elbischer Hochfürst sein können, so edel sah ihn sein Spiegelbild an. Und dann dieses zeichnende Gesicht, umrahmt von wallenden, schwarzen Haaren! Aber irgendwas stimmte an seinem Gesicht noch nicht ganz. Mit dieser freien, gemarterten Gesichtshälfte wirkte er so... einsehbar. Also riss er ein Hemd in Fetzen, und machte daraus eine Schwarze Binde. Langsam zog er sie über sein Gesicht. Schräg verdeckte sie nun das meiste von der verdorbenen Haut, während die schwarzen Haare in Strähnen darüber fielen. Ja, das war es! So sah er gleich noch viel geheimnisvoller aus, so wollte er sich haben!

The Chaosnight:
Später verließ er, immer noch beeindruckt von sich selbst, die Höhle durch einen Seitengang. Dieser war zwar ziemlich lang, und beschwerlich, aber dafür musste Carracáin nicht an der frischen Luft herumklettern. Er hatte immer seltener die Höhle verlassen, seit er die Brombeeren auch in der Grotte selbst anpflanzen konnte. Nach einem beträchtlichen Fußmarsch wischte Carracáin die Spinnweben vor dem Ausgang weg, und trat ins Freie.

Er befand sich nun in den Ausläufern des Waldes, der an seinen Berg grenzte. Hier hatte er ein paar mal gesessen (wie überall auf den Boden verstreute Blätter bezeugten) Aber... so richtig gefallen hatte es ihm hier nicht. Das alles erinnerte ihn nur an seine Kindheit im Nebelwald, und außerdem: Was war ein Baum schon gegen einen funkelnden Kristall? Er wusste, viele Elben würden das anders sehen, aber er sah es halt so. Und schließlich störte ihn auch das ganze Gewusel um ihn herum, wenn er in der Natur war. Er war die Stille der Berge gewöhnt, und dieser Wald dröhnte nur so von Leben. Ein paar hundert Meter weiter trat er auf eine Lichtung, die er schon kannte, und auf der er sich (wie überall wo er mehr als zwei mal hin ging) schon ein wenig eingerichtet hatte. Holz hatte die lustige Eigenschaft, sich ja völlig ohne Schmelze formen und bearbeiten zu lassen. Und zack, schon hatte er eine Sitzschale in Form einer Lilie gefertigt. Die weißen Lilien wuchsen aber auch so malerisch auf dieser Lichtung.

Doch diesmal wollte er sich hier nicht hinsetzen, und irgendetwas malen, oder einfach nur nachdenken! Nein, er wollte nochmal fühlen, wie es war, ein Schwert zu führen. In der Kristallhöhle hatte er sich ja strikt verboten, jemals mit einem Schwert oder einer anderen Waffe herumzufuchteln, aber hier waren ja nur Bäume...

Er hob Crólair über den Kopf und ließ es auf einen Baumstumpf niedersausen.

Das Gefühl kam überraschend, und es war auch keine schöne Empfindung. Solcherart Bewegung hatte Carracáin in den letzten 300 Jahren fast nie ausgeführt, seine Muskeln hatten sich ganz auf das Niedergehen eines Hammers eingestellt. Dem war nicht so. Das Schwert trieb sich zwei Handlängen in den Baumstumpf und Carracáin merkte fast keinen Widerstand. Es fühlte sich an, als ob der Hieb ins Leere gegangen wäre! Von der Wucht erfasst, stolperte Carracáin nach vorne, und seine Arme wurden mitgerissen, was ein schmerzhaftes Kribbeln in beiden seinen Armen zur Folge hatte.
Überrascht ließ er das Kriegswerkzeug los, und rieb sich stöhnend seine Arme. Nein, das war nichts für ihn!
Man muss ja auch nicht alles können. Und mit so einem Schwert an der Seite wird man doch eh nicht angegriffen...
Plötzlich schoss Carracáin durch den Kopf, dass ein Menschenschädel wohl auch nicht sonderlich schwieriger zu spalten wäre.. Er sah das blutrünstig schillernde Schwert in dem Stumpf stecken.
Ihm wurde schlecht.

Langsam fasste er sich, und trat an Crólair heran, um es herauszuziehen. Dabei blickte er auf den Griff des Schwertes: Das durchgestrichene Auge schaute ihn böse an. Es kam ihm vor, als würde der Vogel grimmig seine Lippen verziehen.
„Nein Nein, bis an dir Blut herunterläuft, wird eine Menge Zeit vergehen, mein Freund.“ sagte er dem Schwert lächelnd. Als er es umdrehte schaute ihn das heile Auge nachdenklich und melancholisch an.
Ich werd hier noch verrückt!


Plötzlich hörte er etwas, was er schon lange nicht mehr gehört hatte.
Stimmen.




Er erkannte an der Sprache, dass es sich um Ostlinge handeln müsste, aber was war schon an ein paar herum streifenden Ostlingen so schlimm?

In der nächsten Stunde würde Carracáin leider schmerzhaft lernen, dass sich die Welt weiter dreht, auch wenn man selbst in einer Grotte das Schmiedehandwerk vervollkommnt.

Das war jetzt der Moment, in dem Carracáin sich der Außenwelt zeigen würde! Lächelnd trat er den Stimmen entgegen, da brachen auch schon die ersten Ostlinge aus dem Unterholz hervor.
Sie standen sich gegenüber. Die Ostlinge waren zu zehnt, und hinter ihnen tauchten... Orks auf?
Warum waren Orks hier?
Orks waren böse.

Die Kämpfer (und es waren Kämpfer, wie man an den langen Schwertern und den Speeren in ihren Händen deutlich erkennen konnte) verständigten sich untereinander und deuteten dabei wild gestikulierend auf Crólair. Nervös betrachtete der schwarzgewandete Elb das Schwert in seiner Hand... Vielleicht sah das jetzt nicht so friedlich aus, wie seine Absichten waren...

Ein Ostling trat vor. Er hatte Silberintarsien auf seinem Helm, und schien hier das Wort zu haben.
Er sagte etwas in Ostlingsprache. Carracáin war hilflos, er verstand diese Sprache nicht, und er hatte keine Ahnung wie er sich verständigen sollte!
Dann versuchte der Ostling es aber mit brüchigem Elbisch, und das wiederum verstand Carracáin.
„Kannst du das jetzt verstehen, hm?“, raunzte der Krieger
„Ja, ich verstehe dich.“gab Carracáin erleichtert zurück.
„Was tut eine Ostlingpatrouille mit Orks denn hier in den Bergen?“
„Wir.. wir sind keine Patrouille, Elb! Wir sind Krieger!“, und mit diesen Worten schlug der Mann sich auf seinen Brustharnisch.
„Wir sind hier um zu kämpfen!“
„Gegen wen denn? Die Orks da? Ach so, das sind sicher eure Gefangenen, nicht?“, Carracáin fühlte sich jetzt schon wieder etwas sicherer, auch wenn er nicht verstand, wozu man Orks als Gefangene brauchte,
„Nein“
„Wie... Nein?“
„Das sind unsere Verbündete. Und du bist unser Gefangener“ Die Krieger im Hintergrund verzogen ihre Gesichter zu einem bösen Grinsen.
„Häh? Wie... was... warum ich?“ Carracáin kam nicht mehr ganz mit ihm mit.
„Wir haben dem schwarzen Herrscher die Treue geschworen! Er ist die Macht, die Mittelerde beherrschen wird! Und wir sind hier, um ein paar Elbendörfer zu brandschatzen!“ Die Orks bleckten die Zähne. „Und dein Schwert funkelt so nett in der Sonne... Gib es uns, und du kommst davon, hm wie wär das?“
Panik wallte in Carracáin auf! Diese Krieger die ihm da gegenüberstanden waren Feinde! Er wusste nicht wie es dazu gekommen war, aber er musste hier irgendwie weg. Crólair konnte er auf jeden Fall nicht abgeben.
Statt zu antworten, hieb er mit einem Schrei auf den Anführer ein! Das Schwert zerteilte den Helm, und fuhr noch weiter in den Schädel hinein, bis es unter dem linken Ohr (oder wo das Ohr hätte sein müssen, der Mann hatte ja einen Helm auf) wieder austrat. Beide Augen blickten Carracáin verständnislos an, bis die eine Hälfte des Kopfes schräg wegrutschte und dem Kämpfer von der Schulter fiel.
Eine Sekunde noch blieb der fast enthauptete Körper mit offenem Mund stehen, dann knickte das rechte Bein ein, und er sackte zu Boden.
Die Orks und Krieger glotzten Carracáin an. Carracáin glotzte den halben Kopf an.
Dann rannte er weg.

Hechelnd hetzte Carracáin durch den Wald.
Mist, Mist, Mist! Ich hab einen ganzen Zug ausgebildeter Krieger hinter mir und kann nicht kämpfen!
Hinter sich ertönten wütende Rufe, Orkgeheul und Ästeknacken.
Verdammt! Ich muss sie abschütteln! Ich muss in die Höhle!
Atemlos schlug Carracáin Haken und rannte auf den Felsspalt zu, aus dem er ins Freie gekommen war.
Er war seit ein paar hundert Jahren fast nie mehr gerannt, schon jetzt gaben die Beine unter ihm fast nach! Also stemmte er Crólair in eine Ritze in der Decke und warf sich gegen das im Stein hängende Schwert. Es krachte.
Mit einem Hechtsprung schaffte er es noch, dem Steinschlag zu entgehen, und in den Gang zu gelangen.
Die bin ich los! Bis die da durch sind dauert es Stunden!
Er wusste aber auch: Es würde Stunden dauern, durch den Felsgang zu wandern.

Nach diesen besagten Stunden fand er sich keuchend in seiner Höhle ein. Er spürte es: Das war der Zeitpunkt. Das war der Anstoß, der ihm gefehlt hatte, und mit dem er seine Wanderung zum Erebor beginnen würde!

The Chaosnight:
Lächelnd eilte er zu einem Steinpodest, auf dem seine Reiseausrüstung bereit stand. Schnell warf er sich den Mantel über die Schultern und knüpfte ihn mit seiner Brosche an. Dann begann er, seinen Beutel zu füllen. Diesen hatte er fast unbeschädigt einem toten Wanderer abgenommen, und ihn -natürlich- schwarz gefärbt. Der Beutel bot ziemlich viel Platz, und hatte sogar mehrere Fächer! In eines legte Carracáin seine Zeichen- und Schreibutensilien. Das waren eine Metallbox mit Blättern und Feder, ein Metallkasten mit 30 verschiedenen Glasfarbtöpfchen, eine große, mit Stahl verstärkte Quarzflasche schwarzer, leicht Indigo, und im Licht blau reflexierender Tinte und ein Quarzkasten, der in mehrere Fächer unterteilt war, und in dem verschiedenfarbiges Kristallpulver untergebracht war. Die Feder hatte er natürlich von dem Raben, und sie war sehr elegant und weich.
In das zweite Fach, packte er alle möglichen Schmiedewerkzeuge, von denen er dachte, dass man sie nur hier in seiner Höhle finden könne. Ein Metallschneidemesser,  mehrere (zum Glück relativ leichte Zangen), ein paar alchemistische Mittel, die er für die Farbherstellung verwendete, und allerlei Zeugs, das er für das Schmieden sehr wichtig fand. Einen Hammer nahm er natürlich nicht mit, wer schleppt schon einen Hammer mit sich herum.
Das dritte Fach, das Hauptfach wurde schnell mit einigen seiner Meisterwerke der Schmiedekunst gefüllt. Das reichte von Skulpturen bis hin zu einem Helm in der Form eines federbesetzten Schlangenkopfes.
In das letzte Fach stopfte er alles, was er meinte, so zum Überleben zu brauchen. Konservierte Beeren, eine Flasche kristallklares Quellwasser, Medizin und einen Beutel voll von Kristallen, Edelsteinen, Schmuck und Geschmeide. Er wollte kein armer Schmied, sondern ein legendärer, unerreichter Schmied sein. Da musste man schon gleich das nötige Kleingeld für das richtige Material haben.
Natürlich schnürte er auch noch eine Lagerstätte (Sack) an seinen Rucksack um nicht auf dem Boden schlafen zu müssen. Er vertraute aber darauf, in Gasthäusern übernachten zu können.

Zum Schluss legte er noch ein Bild seiner Höhle und einen Spiegel mit ins Gepäck. Dann band er sich Crólair um, legte die schwarze Binde über sein Gesicht, schnürte die Stiefel fest und atmete die Mittagsluft.
 
Es geht los!


Doch kaum trat er auf den Ausgang der Höhle zu, gefror ihm das Blut in seinen Adern.
Er konnte sie hören.
Er hörte Orkgekreisch.

Blitzschnell schaltete er: Der Albtraum war noch nicht vorbei! Sie waren anscheinend durchgebrochen, waren gerannt, und hatten ihn verfolgt! Und er hatte hier herum getrödelt und seelenruhig seine Sachen gepackt! Er musste etwas tun!
Und er wusste, was.

Der Gedanke daran drehte ihm den Magen um. Er würde diese Höhle nie wieder sehen. Er würde nie mehr den Rauch des Vorabends durch seine Nase ziehen. Er würde NIE MEHR in den glühenden Feuern der Schmelzöfen und in dem rasenden Lichterspiel der Kristallformationen, unter der riesigen Kuppeldecke aus Stalagtiten, glühende Stangen Stahl falten.
Nie mehr.

Nie mehr.

Doch er musste es tun. Er konnte diese... Kreaturen nicht in diese Höhle, seine Höhle einfallen lassen!!

Also rannte er die Wendeltreppe zu seinem Schlafpodest hoch. Dort, direkt in seinem Zeichentisch, war eine Eisenkette eingelassen. Er hatte sie durch eine natürliche Höhlung verlegt. Seine Hand umfasste den glattpolierten Griff aus Rubin, der ihm bedrohlich entgegenfunkelte.
Nein!
Zitternd riss er die Hand von dem Griff weg! Sollte er das alles hinter sich lassen?
Doch!
Er konnte doch nicht zulassen, dass diese Horden hier in die Höhle kamen!
Nein!
Aber...!

E trieb sich einen spitzen Kristall durch die Hand! Der Schmerz brachte ihn  wieder zur Besinnung.
Jetzt konnte er wieder rational denken!
Und rational gesehen, war die Sache klar.

Er legte die blutüberströmten Finger seiner Hand um den Griff, und zog.

Die Kette rasselte tief unter ihm, und zog einen Damm des Flusses auf. Wasser floss in einen der Hochöfen, und Dampf füllte die gesamte Grotte. Mit tränennassem Gesicht sah Carracáin, wie der Dampf durch Rohre geleitet wurden, die durch den Kettenzug ebenfalls geöffnet wurden. Langsam begann er, die Wendeltreppe hinunterzustaksen.
Der Dampf fing sich in zwei riesigen Quarzbehältern, beide groß wie Pferde, die in der Wand über den beiden Eingängen- dem Haupteingang und dem Nebengang, aus dem jetzt auch Schwertergeklirr zu hören war- eingelassen waren.
Jetzt hastete Carracáin zum Eingang, er wusste, jede Sekunde die er jetzt verlor könnte tödlich sein! Die letzten zwanzig Meter legte er im gestreckten Galopp zurück, die Behälter zischten und ächzten als sie immer weiter mit dem heißen Dampf vollgepumpt wurden, Carracáin stieß sich mit seinem rechten Fuß ab-

...und wurde von einer gewaltigen Kraft am Rücken erfasst und gegen die Wand des Ganges geschleudert.

Es war vorbei.

Die Minen von Cristálon waren Geschichte.

Er wusste zwar, im Innern waren sie noch intakt, aber sich durch eine meterdicke Fels und Geröllschicht zu graben... Das würden nur die wenigsten. Außerdem war er der Einzige, der wusste wo sie lagen, wo sie gelegen hatten, und jeder andere würde nur einen eingestürzten Gang sehen.

Ein letztes Mal noch blickte Carracáin von seinem Brombeeren-Plateau auf den Düsterwald hinunter. Am anderen Ende konnte er Dol Guldur erspähen. Darüber brauten sich schwarze Wolken zusammen, und ihm lief es eiskalt den Rücken herunter. Die Welt hatte sich verändert.
Doch er auch.

Und so begann der letzte Schmied von Cristálon seine Reise, die ihn zu den Zwergen führen sollte.

The Chaosnight:
Carracáin starrte in die rußende Flamme.  Die Talgkerze vor ihm stand neben einem Teller Suppe, den er beiseite geschoben hatte. Der Tisch, auf dem sowie Suppe, als auch Kerze platziert waren, befand sich in einem verrauchten und matt von Kerzenlicht beleuchtetem Raum, eigentlich in der Ecke des Raumes, dort, wo es am dunkelsten war. Carracáin hatte sich von der lärmenden Menge am Bartresen weggesetzt, ihm war nicht wohl dabei, zwischen Menschen zu sitzen.

Er saß im „Durstigen Eber“, einer Taverne, wie es sie oft auf der Strecke zwischen dem Düsterwald und dem Erebor gab. Morgen würde er ankommen. Morgen würde er in der Hauptstadt der Schmiede  Zuflucht finden, der einzigen Stadt, wo man seinem Können Respekt zollen würde!
Dieses Schankhaus hier war eines der dreckigsten, von denen, in denen er auf seiner Reise übernachtet hatte. Zwei Wochen war er gewandert, doch bald war er am Ziel.
Carracáin lehnte sich zurück, seine schwarzen Haare fielen ihm aus der Stirn.
Zwei Wochen...
In diesen zwei Wochen hatte er mehr erlebt, als in den letzten 300 Jahren. Er hatte Zwerge kennengelernt, Freunde sterben gesehen, und an seinem Körper selbst hatte sich auch etwas verändert.

„So, du kleines Luder, komm her zu einem alten Kämpen, er braucht etwas Zärtlichkeit!“ Dreckiges Gelächter folgten auf diesen Ausruf eines Menschen, der wirklich hässlich aussah, fand Carracáin. Er fühlte sich gestört, vor allem von der darauf folgenden Hetzjagd auf eine Frau, die anscheinend zu einigen Flüchtlingen gehörte.
Warum tun Menschen so etwas? Warum... singt er ihr nicht ein Minnelied oder schenkt ihr etwas?
Carracáin schüttelte den Kopf. Menschen waren so unzivilisiert.
Mittlerweile hatte die Söldnertruppe, zu der der „alte Kämpe“ gehörte bekommen was sie wollte. Der Mann hielt die Frau in seinen schmierigen Händen, und sie schrie aus Leibeskräften.
Carracáins Stirn legte sich in Falten. Das ging so langsam zu weit.
Die schmutzigen Hände grabschten an das Kleid der Dame. Sie war nicht älter als 19...

Nein, das geht mich nichts an. Menschen gehen mich nichts an. Ich will nicht Aufsehen erregen. Sollen sie sich doch vergnügen

Das Mädchen schrie um Hilfe.

Ächzend erhob sich Carracáin vom Stuhl. Diese Leute störten einfach, und sollten ruhig sein.
Der Söldner sah sich nach ihm um.
„Was willst du, Hänfling?“, blaffte er den Elb an.
Carracáin schwieg.
„Heh, antworte mir, du halbe Portion! Keinen Mund oder was?“ Gelächter stärkte dem Trunkenbold den Rücken. Inzwischen war es still geworden, jeder schielte zu Carracáin. Die Leute in der Schenke hatten alle Angst, sich zwischen den dreckigen Kerl und seine Beute zu stellen, aber sie würden Carracáin helfen, sollte er versuchen das Mädchen zu retten. Auch dieses schaute jetzt hoffnungsvoll zu ihm auf.

Nein, es hat doch keinen Zweck.

Stumm nahm Carracáin wieder Platz. Aber der Söldner hatte ihn jetzt im Visier. Drohend ging er auf ihn zu:
„Keine Eier oder was? Was denkst du? Dass sich der alte Manfred vor einem wie dir fürchtet? Du hast doch noch nichtmal `n Bart. Bist bestimmt so ein Muttersöhnchen, das zum ersten Mal in einer Kneipe sitzt.“ Aber keiner lachte.
Der schwarzgewandete Elb hatte sich inzwischen wieder von seinem Stuhl erhoben, und seinen Mantel beiseite geschlagen. Drohend blitzte Manfred das blutrote Schwert entgegen, und im Kerzenschein sah es aus, als würde Feuer an ihm herunterfließen.
Carracáin machte einen Schritt auf ihn zu.
Komm schon, fürchte dich! Ich hab keine Lust, weiter aufzufallen!
Nur Carracáin wusste, dass er die Waffe nicht ziehen, geschweige denn, damit kämpfen würde. Er konnte doch noch nicht einmal kämpfen!

Dummerweise hatte der Säufer keine Angst.
Mit einem Grunzen sprang er auf Carracáin zu und packte ihn am Hals. Das Mädchen schrie laut auf! „Helft ihm doch! Bitte! Helft ihm!“
Keiner half. Alle standen schweigend im Kreis um die beiden Männer und warteten darauf, dass einer den anderen bezwang.
Das Problem hierbei war: Carracáin konnte seinen Gegner nicht bezwingen, der andere war aber ganz nah dran, Ihn zu erledigen.
Doch der Elb wusste, dass er in so welchen Situationen noch ein Ass im Ärmel hatte.
Er wusste, was er sagen mussten.
Er wusste, was er tun musste.

Langsam bleckte er die Zähne, und strich sich die schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Dann legte er seine linke Hand an die Binde über seinem Gesicht, und riss sie weg.
Manfred blieb die Luft weg.

Hasserfüllt und mörderisch blinkte ihm ein Saphirauge entgegen, von schwarzen, dicken Adern umrahmt, und in Blut, das von dem Gesichtsschorf herunterlief, getränkt. 
„Manfred... sehe ich aus... wie ein...  `Muttersöhnchen´?“


Kreischend stieß Manfred das Ungeheuer, das nur ein halbes Gesicht hatte, von sich!
Er begann zu weinen, warf sich vor dem Elb auf den Boden, winselte um Gnade.

Das war leicht. Carracáin schmunzelte in sich hinein. Bei dem letzten Mann, der ihm aufdringlich wurde, musste er sich noch übers Gesicht kratzen, und die blutbeschmierte Hand auf dessen Arm legen. Wenn er aber jetzt aufhörte, wäre der Zauber wieder vorbei. Also zog er ganz langsam das Schwert aus seinem Gürtel, und fuhr mit der Zunge an der Schneide entlang, bevor er den Söldner wieder fixierte.

„Lauf!“

Und Manfred lief.

Innerlich ziemlich erleichtert, wandte sich Carracáin nun wieder zu seinem Tisch um, verband sich sein Gesicht, und schulterte seinen Rucksack. Dann drehte er sich zu der Frau, die zitternd am Boden lag. Er kniete sich zu ihr hin, legte die Hand unter ihr Kinn, und hob deren Kopf ein wenig an, sodass sie ihm in sein Gesicht sehen konnte. „Wie heißt du, Kind?“
„Yolanda.“, antwortete das verstörte Mädchen.
„Warum bist... du hier?“ 
„Ich und meine Eltern wohnten in einem Dorf, das von den Horden der Dunkelheit überfallen wurde“, stieß das Mädchen schüchtern hervor, „Wir waren die einzigen Überlebenden, und nun suchen wir Hilfe bei den Zwergen. Wir haben nichts, Herr, außer uns.“
Carracáin wusste nicht so recht was er sagen sollte. Dieses Mädchen hatte eine Ahnung davon, wie es war, etwas zu verlieren. „
Nun, Yolanda...“, er stockte, „ich wünsche dir Hoffnung... und Mut. Gib das deinen Eltern, es sollte ihnen helfen.“
Er drückte ihr ein paar Goldmünzen in die Hand. Pures Gold. Yolanda machte große Augen. Carracáin wollte sich schon umdrehen, da ertönte ihre zarte Stimme noch einmal:
„Herr!“
Ja?“
„Herr, was... was seid ihr? Warum habt ein Auge aus blauem Stein?“
Carracáins Gesichtszüge verhärteten sich. Sie wollte natürlich auch wissen, was mit seinem Gesicht los war, aber dieser Stein in seinem Auge war wohl noch etwas anderes. „Das ist... Das ist eine lange Geschichte, voll... von Verlust. Aber ich bin... ein Wesen mit... Gefühlen“, die Sprache der Menschen bereitete ihm Schwierigkeiten, und er wusste nicht ganz genau, wie er sich ausdrücken sollte,
„Und das... soll dich daran erinnern... dass meine Gedanken nicht taub, und... mein Herz nicht... verdreht ist.“
Mit diesen Worten schaute er ihr tief in ihre blauen Augen, und holte eine silberne, fein gefertigte Rose mit einer Blüte aus echtem Rubin aus seinem Umhang. Still legte er sie ihr in ihre bleichen Finger, und schloss diese um das Kunstwerk. „Auch wenn... ich.... nicht so aussehe.“

Es war andächtig still um sie geworden, und obwohl Carracáin nur geflüstert hatte, waren seine Worte zu den Ohren Aller gedrungen, und vielleicht sogar bis zu deren Herzen. Eine Frau in der hinteren Reihe kämpfte mit den Tränen, ein Mann legte dabei seinen Arm um ihre Schulter und barg ihr Gesicht in seinem Wams.

Langsam erhob sich Carracáin, strich Yolanda mit dem Handrücken seines schwarzen Handschuhs noch einmal über ihr weißes Gesicht, und wandte sich dann zur Tür. Als er begann, auf sie zuzugehen, traten die Menschen beiseite, und er schritt mit gesenktem Kopf durch eine Gasse von Leibern, der offenen Tür entgegen. Stumm ging er hindurch, sah sich nicht noch einmal um, trat hinaus in die Nacht und begann seine Wanderung unter einem klaren Sternenhimmel. Diese Nacht hatte ihn aufgewühlt, und Schlaf, würde er sicherlich keinen finden.

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