Helluin, Narissa, Aerien, Aragorn, Gandalf, Gimli, Amrothos und Irwyne aus der OstfoldNachts hatte Aerien erneut schlecht geschlafen, konnte sich glücklicherweise jedoch nicht an die Träume erinnern. Am Vormittag des folgenden Tages hatte die Reisegruppe die Stadt Edoras erreicht. Irwyne, die aus dieser Gegend zu stammen schien, erzählte Aerien und Narissa, dass Edoras einst die Hauptstadt des Königreiches Rohan und der Sitz dessen Königs gewesen war, bis ein großes Feuer vor zwei Jahren aus den hölzernen Bauten eine rauchende Ruine gemacht hatte. Inzwischen jedoch ragten wieder starke Mauern und eine Vielzahl von Gebäuden auf dem Hügel empor, auf dem die Stadt stand. Ganz oben befand sich eine große, eindrucksvolle Halle.
"Man glaubt es kaum, aber diese Stadt wurde mit Hilfe der Dunländer wieder aufgebaut," plauderte Irwyne, während sie nebeneinander entlang der Hauptstraße durch Edoras hinauf ritten. Weshalb Aragorn und Gandalf den Umweg nach Edoras hinein vorgaben, wusste Aerien allerdings nicht. Der Dúnadan und der Zauberer waren während der bisherigen Reise von Aldburg nach Gondor meistens unter sich geblieben.
"Dunländer?" hakte Narissa neugierig nach. "Was sind das für Leute?"
"Viele Jahre waren sie Feinde Rohans," antwortete Irwyne. "Doch jetzt haben sie einen neuen Anführer, der ein Bündnis mit der Weißen Dame, mit Königin Éowyn geschlossen hat. Als Zeichen des Friedens hat der Wolfskönig seine Arbeiter geschickt, um Edoras wieder aufzubauen."
Helluin räusperte sich. "Ich frage mich, ob Kerry dahinter steckt," murmelte er. Aerien wandte dem jungen Waldläufer den Blick zu, und Helluin verstummte.
Irwyne hingegen lachte. "Du sprichst schon wieder von ihr, als wäre sie eine Art Zauberin," sagte sie. "Ich kenne sie ein bisschen besser." Stolz reckte sie sich im Sattel auf. "Kerry hat diese besondere Eigenart, in alle möglichen Dinge hineinzugeraten, ohne dass sie es jemals vorgehabt hätte. Natürlich sind es wunderbare Neuigkeiten, dass Dunländer und Eorlingas nach all den Jahrhunderten nun Frieden haben werden, aber ich bin mir sicher, dass Kerry dazu nicht viel beigebracht hat, zumindest nicht absichtlich."
"Muss ja ein wirklich besonderes Mädel sein, wenn sogar Gandalf sie kennt," meinte Narissa mehr oder weniger spöttisch.
Helluin wirkte etwas betreten. "Ich werde sie suchen. Um mich bei ihr zu bedanken." Nachdenklich wandte er sich ab und folgte Aragorn und Gandalf hinauf entlang des Weges zu der großen Halle auf der Spitze des Hügels.
Irwyne kicherte und warf Aerien und Narissa einen vielsagenden Blick zu. Selbst Aerien brachte ein Lächeln zustande, als ihr klar wurde, was Irwyne ihnen damit sagen wollte...
Die Straßen von Edoras waren größtenteils verlassen, nur hier und da sah man einige Menschen Rohans, die ihren Tagesgeschäften nachgingen. Die meisten von ihnen blieben stehen und verbeugten sich, als sie Gandalf erblickten. Wie Irwyne ihnen nebenher erzählte, hatte der Weiße Zauberer einen großen Anteil an der Befreiung Rohans von den Besatzern Mordors gehabt - ohne ihn wäre ein Sieg wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen.
Während sie in der Stadt weiter hinauf ritten, beobachtete Aerien Narissa, die munter mit Irwyne und Amrothos plauderte. Seit ihrer Flucht aus Mordor hatte Aerien hin und wieder das unvorhersehbare Gefühl, dass es irgend etwas gab, das sich zwischen ihnen verändert hatte. Etwas, das noch nicht ausgesprochen worden war. Doch Aerien hatte keinerlei Idee, worum es sich dabei handeln könnte. Sie schob es auf ihren noch immer nicht vollständig erholten Gesundheitszustand und auf den schlechten Schlaf, der sie nun schon seit Tagen plagte.
Auf dem Vorhof der Halle - die Irwyne ihnen als "Meduseld, die Goldene Halle" vorstellte, wurden sie von schwer bewaffneten Soldaten in langen, grünen Umhängen empfangen. Aragorn und Gandalf gingen sogleich mit Helluin hinein und baten den Rest der Gruppe, draußen auf sie zu warten.
Gimli verschränkte die breiten Arme vor der Brust und trat an den Rand des aus großen Steinblöcken errichteten Platzes. Die Aussicht über die weiten, braungrünen Ebenen Rohans war atemberaubend. Doch der Zwerg brummte: "Wieder einmal behalten sie ihre Geheimnisse für sich. Daran hat sich noch immer nichts geändert. Die Meinung eines Zwerges scheint in ihren endlosen Debatten nicht geschätzt zu werden."
Aerien näherte sich und legte Gimli vorsichtig eine Hand auf die Schulter. "Wie würde dein Rat lauten, Gimli? Mich würde es interessieren."
Leise hörte sie, wie Narissa Irwyne etwas über "zu diplomatisch" zuflüsterte, doch Aerien ignorierte sie. "Am liebsten würde ich wieder zurück an die Front ziehen, an der Spitze einer ganzen Kompanie bis an die Zähne bewaffneter Zwerge," grollte Gimli. "Wir müssen Sauron zeigen, dass wir noch nicht besiegt sind und ihn dort hintreten, wo die Sonne niemals hinscheint."
Amrothos mischte sich ein. "Nun, bis jetzt war die Lage - insbesondere in Gondor - ein wenig kompliziert, Meister Zwerg. Boten aus Mordor machten uns deutlich, dass jegliche offensiven Kriegshandlungen zur Hinrichtung König Elessars führen würden. Als uns nach einem Angriff auf das Schwarzgrundtal jedoch klar wurde, dass sich die Orks selbst nicht an die Abmachung halten würden, begannen wir wieder mit Kriegsvorbereitungen." Gimli schien etwas einwerfen zu wollen, doch der junge Prinz hob einen Finger. "Ihr habt von einer ganzen Kompanie Zwerge gesprochen, Gimli. Wie es der Zufall will, gibt es eine solche Truppe hier in Rohan."
"Wie bitte?" Gimli schienen beinahe die Augen aus dem Kopf zu fallen.
"Nach dem Fall des Einsamen Berges suchten die Zwerge von Durins Volk Zuflucht in den Höhlen bei Aglarond," fuhr Amrothos fort.
"Bei Durins Bart! Der Erebor verloren?" Gimli ballte die Hände zu Fäusten. "Und sie haben sich in die Glitzernden Grotten zurückgezogen? Warum kämpfen sie nicht?"
"Nun, das kann ich Euch nicht beantworten," sagte Amrothos. "Ich weiß nur, dass sich die Zwerge auf Anordnung ihres Königs in den Höhlen eine neue Heimat errichtet haben."
Gimli ging unruhig auf und ab. "Jemand sollte ein ernstes Wörtchen mit Dáins Sohn reden," brummte er.
"Ich denke, dieser Jemand bist du, Gimli," sagte Aerien.
Der Zwerg blieb stehen und warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. "Hmmm," machte er.
"Du hast selbst nach all den Jahren der Gefangenschaft deinen Kampfeswillen nicht verloren," fuhr Aerien fort. "Wenn es jemand schaffen kann, die Zwerge in die Schlacht zu rufen, dann du."
"Ha, bei meinen Ahnen, Kleine, da könntest du Recht haben," brummte Gimli und seine Miene erhellte sich, als er die Fäuste zusammenschlug. "Dann gehe ich nach Helms Klamm und rufe mein Volk zum Kampf auf. Wollen doch mal sehen, was sie inzwischen aus der Festung gemacht haben. Sollen Aragorn und Gandalf weiter ihre Pläne schmieden. Die Zwerge hingegen werden
handeln!"
"Gut gemacht," flüsterte Narissa Aerien zu, während sich die großen Türen der Goldenen Halle hinter ihnen öffneten und der Weiße Zauberer mitsamt den beiden Dúnedain zurückkehrte.
"Wir reiten weiter," sagte Gandalf knapp. "Die Nacht werden wir in Dunharg verbringen."
Gimli wartete bis zu dem Augenblick, als Helluin sein Pferd etwas abseits vom Rest der Gruppe lenkte. Wie alle wussten plante der junge Dúnadan alleine weiter nach Dunland zu reiten, um nach dem Mädchen Kerry zu suchen. "Ich komme mit dir, Junge," sagte Gimli. "Zumindest bis nach Helms Klamm."
Aragorn wirkte erstaunt, jedoch nicht Gandalf. "Ah," machte er zufrieden. "Du hast also vor, bei deinem Volk nach dem Rechten zu sehen."
"So ist es," antwortete Gimli. "Ihr werdet noch froh sein, die Zwerge wieder in euren Reihen zu wissen - mit Kampfeslust in den Augen, und
dreckig." Er lachte schallend. "Wehe ihr fangt mit dem Krieg an, ohne auf uns zu warten."
Aragorn lächelte. "Wir werden sehen, mein Freund. Gute Reise und mögen deine Worte die Herzen der Zwerge erreichen." Er wandte sich Helluin zu. "Und dir, Helluin, wünsche ich ebenfalls eine sichere Reise. Mögest du diejenige finden, die du suchst. Und falls du deiner Mutter begegnest, richte ihr meinen Dank dafür aus, dass sie..." Er warf einen vorsichtigen Blick zu Amrothos hinüber, der sich gerade leise mit Irwyne unterhielt. Aragorn senkte seine Stimme und ergänzte: "Dafür dass sie mir meine Krone gebracht hat."
Helluin nickte. "Mögest du Gondor gegen seine Feinde verteidigen," entgegnete er und verbeugte sich. Dann richtete er sich im Sattel auf und setzte sich in Bewegung, gefolgt von Gimli, der zum Abschied winkte.
"Da geht er hin, dieser wunderliche Zwerg," meinte Narissa. "Ob wir ihn wohl wiedersehen werden?"
"Bestimmt werden wir das," antwortete Aerien, ohne genau zu wissen, weshalb sie das sagte.
Es dauerte nicht lange, da machte sich auch Gandalfs Gruppe auf dem Weg, nun um zwei Mitglieder ärmer. Sie nahmen nicht die Straße nach Westen, der Helluin und Gimli gefolgt waren, sondern schlugen einen fest ausgetretenen Erdpfad nach Süden ins Gebirge ein, das sich nahe Edoras in ein langgezogenes Tal hin öffnete...
Helluin und Gimli in das Umland von Helms KlammNarissa, Aerien, Aragorn, Gandalf, Irwyne und Amrothos nach Dunharg