Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Arnor

Die Große Oststraße

(1/3) > >>

Logrim:
Drellirs Start:

Es war in einer kalten Nacht am Rande der Oststraße, der Himmel war sternenklar und somit verflog die Wärme des Tages gänzlich. Man hörte nur die Eulen in den Wäldern, die Grillen und das leise rauschen des Windes in den Blättern der Bäume. Drellir wandelte in Gedanken versunken im Wald, unweit von der eigentlichen Straße, die er dennoch im Sichtfeld hatte. Wo genau er sich befand, wusste er nicht, zu sehr war er abgelenkt und hatte das Zeitgefühl verloren. Die Unentschlossenheit ob er für sich selbst die richtige Entscheidung getroffen hatte, plagte ihn schon seit Tagen. Es begann schon vor Monaten als die schwarzen Angreifer damals in Bree eindrangen, seitdem hat sich seine Lage maßgeblich verändert. Man merkte die andauernden Kämpfe in Mittelerde, die Handelswege nach Bree wurden kaum noch genutzt. Die wenigen die noch kamen, waren meist nur die Versorgung, welche gut bewacht waren, denn das Auftreten von Orks aus dem Nebelgebirge in den Wäldern nahe den Handelswegen, erhöhte sich zunehmend. Nachdem der dunkle Lord zurück gekehrt war und Gondor und Rohan fiel, wurde Bree beinahe zur Totenstadt. Die meisten Leute flohen weiter in Richtung Norden, aus Angst oder entschieden sich, sich dem Widerstand anzuschließen. Drellir hätte ebenfalls weiter Richtung Norden gehen müssen um dort wie gehabt zu leben. Doch Mittelerde steht kurz vor dem Fall, es würde nicht lange Dauern bis der dunkle Herrscher auch den Norden erreicht, er würde vielleicht ein Platz zum Überleben finden oder einen Weg finden der Slaverei zu entgehen.
Als andere Option stand nur sich dem Widerstand anschließen. Doch mit den "Guten" und "Gerechten" auf einer Seite zu stehen, das störte ihn ziemlich. Er hegt keine Sympathie für Elben, Zwerge oder die meisten Menschen, dennoch mehr als für Orks und das andere Getier. Dazu kam noch, dass er gesucht war, würde jemand ihn erkennen, hätten sie ihn sicher auch zu Zeiten des Krieges für seine Morde hingerichtet. Er sah seine Chance nur bei den Elben, denn sie kannten ihn nicht und wussten auch nichts von seinen Taten, er wüsste auch nicht wie sie dies in Erfahrung bringen sollten. Doch all dies frustrierte ihn seit so langer Zeit und er holte aus und schlug mit seiner Faust gegen den Baum neben ihm. Die Rinde war rau und hart, doch der Schmerz war ihm gleich. Mit aller Kraft schrie er sich seine Wut aus dem Leib und sank auf die Knie, sein Kopf fiel langsam in Richtung Brust. Mit seinen Fingern griff er durch das nasse Gras und fühlte den kalten Erdboden auf dem er kniete. Minutenlang weilte er dort und allmählich verstummten die Eulen, der Wind wurde stärker und pfeifte zwischen den Bäumen, er wehte aus Richtung Osten. Drellir erhob sein rechtes Bein und bewegte unauffällig seine linke Hand zum Griff seines Anderthalbhänders auf seinem Rücken.
Dieser Geruch kann nur von einer Kreatur stammen...
Er zog blitzschnell sein Schwert, richtete sich mit einer Drehung auf und schnitt dabei quer über die schwarze Gestalt hinter sich. Nur ein unregelmäßiges Röcheln war zu hören bis der leblose Körper in das Gras fiel.
Orks! Wie lange warst du schon unachtsam?
Drellier hockte sich hin und steckte sein Schwert zurück in die Scheide und ergriff sein Kampfmesser an seinem Gürtel. Von Baum zu Baum schlich er sich leise voran und sah dann auf der vom Mond erleuchteten Straße eine Gruppe Orks.
Ich Tor habe sie vermutlich mit meinem Geschei auf mich aufmerksam gemacht, verflucht nochmal, so etwas hat mir gerade noch gefehlt.
Nach wenigen Minuten fanden sie die Leiche ihres Spähers, "Findet diese elende Made und bringt mir seinen Kopf!", sprach der Anführer zu den anderen. Kaum hatten sich seine Orks von ihm entfernt, packte ihn eine Hand im Gesicht und zog ihn nach hinten. Bevor er ein Laut abgeben konnte, schnitt ihm ein Messer seine Schlagadern und seine Stimmbänder durch, vor Schmerzen lies der Ork seine Waffe aus den Händen gleiten. Nicht mehr in der Lage sich zu wehren, brach er zusammen und konnte nicht einmal mehr im Todeskampf ein Ton von sich geben. Drellir blickte verachtend zu ihm herab, als dieser sich am Boden windete und allmählich verblutete. Zwei Orks hielten Wache auf der Straße, ständig in den Wald schauend, doch die Kronen waren so dicht, dass kaum ein Mondstrahl durchdringen konnte und somit kaum etwas erkennen war. An einem Baumstumpf kauernd, saß Drellir und wartete auf seine Chance zwischen ihnen hindurch zu schlüpfen, was ihm dann nach einiger Zeit des Versteckens auch endlich gelang.
Er bewegte sich nun im Laufschritt Richtung Bruchtal, doch auf dem Weg dorthin beschloss er, dass dies nicht sein Ziel werden sollte. Das Reich der Elbenhexe, dies klang für ihn noch angenehmer und er sah dort seine Chance unter den Flüchtlingen abzutauchen einfach größer, bis dahin hatte er aber noch einige Tagesmärsche vor sich.
Der schwierigste Teil stellte der Hohe Pass dar, es wimmelt dort nur so vor Orks aber allein war die war die Chance entdeckt zu werden weit aus geringer und das Glück war ihm auch hold. Ohne weiter Zwischenfälle passierte er das Nebelgebirge und wanderte weiter gen Süden, zum goldenen Wald.


Drellir nach Lothlórien

Thorondor the Eagle:
Elea und Helluin von der Feste der Dúnedain


Mittlerweile waren sie schon kurz vor der Pforte in das versteckte Tal, doch die Dunkelheit der Nacht hatte mittlerweile überhand genommen und deshalb schlugen die beiden das letzte Nachlager vor ihrer Ankunft auf.

„Gott sei dank ist es hier in Eriador noch friedlich“, sagte Elea zu ihrem Kind.
„Selbst wenn, Mama, sie haben es hier mit zwei echten Dunedain zu tun. Wir schaffen eine ganze Armee“, sagte Helluin mit tapferer Stimme, holte sein Schwert aus den Taschen und wirbelte damit wild durch die Luft.
„Helluin!“, fauchte Elea ihn an „Ich will nicht das du ein Schwert trägst. Woher hast du es überhaupt?“
Der Junge erstarrte und fixierte seinen Blick auf die Waffe: „Es ist Papa's Schwert gewesen... Ich fand es zu Hause.“
Der Frau stockte der Atem als sie das aus dem Mund ihres Sohnes hörte. Eilig stand sie auf, ging zu ihm und riss es ihm förmlich aus der Hand. „Keiner meiner Männer fasst jemals wieder eine Waffe an“, herrschte sie ihn an.

Helluin brach ihn Tränen aus, als er sah wie die Wut seine Mutter übermannte und schon erweichte ihr Herz. „Es tut mir Leid“, sagte sie und strich ihm sanft durch die Haare „Ich habe nur solche Angst. So große Angst noch jemanden zu verlieren.“
„Aber Mama, früher oder später kommen die Orks und dann muss ich auch kämpfen. Ich will meine Heimat verteidigen.“
„Nicht solange es einen Fluchtweg gibt“
„Nie im Leben werde ich vor diesen dreckigen Orks fliehen!“, antwortete er entsetzt.
„Du bist genau wie dein Vater und genauso wirst du enden.“
„Wenigstens laufe ich nicht davon!“, gab er nochmals forsch zurück.
„Nein! Nein!“ schrie Elea außer sich „Ich lasse dich nicht in den Tod gehen, eher sperre ich dich ein, bis du einsichtig wirst. Das hätte ich auch mit deinem Vater tun sollen. Er hat mich einfach alleine gelassen. Ich hasse ihn dafür, ich hasse ihn!“

Elea sank auf die Knie. Die kalte Klinge glitt ihr aus den Händen und ihre Haare bedeckten das Gesicht. Helluin saß gegenüber von ihr. Er fürchtete sich vor seiner Mutter, doch andererseits hatte er tiefes Mitgefühl. Er vermisste seinen Vater ebenfalls.
Es kostete ihn viel Zeit, aber schließlich setzte er sich neben Elea und legte ihr den Arm um die Schultern.

„Soweit ist es gekommen, dass du deine schwache Mutter trösten musst“, stotterte sie und seufzte laut.
„Du bist nicht schwach Mama, du hast nur einen schwachen Moment. Wir haben Papa verloren, da darf man auch einmal die Kontrolle verlieren und schwach sein..“
Sie griff sich auf die Schulter und nahm dabei Helluins Hand. Lange Zeit verharrten sie in dieser Position, bis sie sich endlich schlafen legten.
In jener Nacht träumte sie von Haldar. Der Traum zeigte ihr die erste Begegnung mit ihrem Mann. Damals wusste sie noch nicht, dass sie ihn heiraten würde, denn sie waren noch Kinder. Sie spielten im bunten Herbstlaub, dass Trolle die hilflose Erelieva gefangen genommen hatten und ihre Cousins und Haldar sie befreien mussten. Nach dem gefährlichen Kampf stand er neben Elea und griff nach ihrer Hand. „Jetzt bist du in Sicherheit. Jetzt kann dir nichts mehr passieren“, flüsterte er ihr ins Ohr. Sie fühlte sich geborgen und küsste ihn sanft auf die Wange.

Elea riss es aus ihren Träumen. Keuchend saß sie mit aufrechtem Oberkörper auf der dicken Decke. Die Morgendämmerung war bereits hereingebrochen, denn ein schwaches blau-grau zeichnete den ganzen Himmel. Ihr war kalt in den Händen und in den Füßen, denn der Winter brach schon über das Land herein. Stundenlang saß sie nur da und dachte an ihren Traum, dabei musste sie lächeln und weinen zugleich.
„Helluin“, weckte sie schließlich ihren Sohn „Helluin. Lass uns losreiten.“


Elea und Helluin nach Imladris

Thorondor the Eagle:
Celebithiel, Aphadon, Aratinnuíre und Amrûn von den Straßen von Imladris



Lange begleiteten die Krieger aus Bruchtal Amrûn und seine Gefährten. Der Tag verging und in eiligem Galopp näherten sie sich stündlich den grauen Anfurten. Zu Mittag passierten sie die Wetterspitze, die sich nördlich der Straße hoch auftürmte. Die alten Ruinen waren noch immer unverändert, seit der Elb sie das letzte Mal gesehen hatte. Kurz darauf stärkten sich sowohl Pferde als auch Reiter in einem Gasthaus des Breelandes, doch lange blieben sie nicht, denn die Krieger schienen es eilig zu haben.
Als die Dämmerung herein brach und die satten Herbsttöne der jungen, nördlichen Wälder grau wurden hielten sie vor einer kleinen Einbuchtung neben dem Weg. Die Elben stiegen von ihren Reittieren und sahen sich in der nahen Umgebung um. Einer von ihnen stieß einen lauten vogelähnlichen Pfiff aus, danach war es ganz still. Nicht einmal der Wind regte sich.

Plötzlich kamen aus den Schatten der Bäume grün-brauen Gestalten. Ihre Gesichter waren von Kapuzen verhüllt und auf ihrem Rücken trugen sie Bögen und Köcher.
„Die Waldläufer“, sagte Amrûn überrascht und versuchte ein paar der Gesichter zu erspähen.
„Guten Abend“, sagte einer unter ihnen.
„Welch eine angenehme Überraschung unsere Freunde aus Bruchtal zu sehen. Was bringt ihr denn für Neuigkeiten von Herrn Elrond?“
„Mit wem spreche ich?“, frage der Elb höflich, da er sein Gegenüber nicht kannte.
„Ich bin Helluin, Haldars Sohn. Meine Mutter Erelieva und ich waren lange Zeit bei euch in Bruchtal, ehe ich hier meinen Platz einnahm. Als Herr des Stammesrat.“
„Verzeiht. Arwen erzählte mir von euch und von ihr bringe ich auch Kunde. Ein Heer brach auf vor wenigen Tagen nach Aldburg um von dort aus euren Verwandten des Südens Unterstützung zu geben. Euch jedoch sollte es noch mehr ein Anliegen sein, dass Gondor und euer König wieder frei ist. Schickt alle die ihr entbehren könnt nach Süden. Eine Schlacht wartet dort.“
„Jene die ich entbehren kann sind mir schon abhanden gekommen. Täglich schickte ich Späher hinaus in die fernen Wälder und täglich kommen weniger zurück. Ich weiß nicht ob sie tot sind oder noch am Leben, aber ich fürchte noch mehr meiner Männer kann ich nicht aus der Heimat wegschicken. Das wäre zu riskant und der Weg ist wahrlich lang und gefährlich.“
„Dann kommt mit nach Dol Amroth“, platzte es aus Celebithiel heraus.
Überrascht schauten sie auf die Elbe: „Ich segle mit den Hütern von Mithlond nach Dol Amroth. Dort heißt es die Stadt unsere Verwandten aus Edhellond zu verteidigen. Es ist die letzte Bastion in Freiheit.“
„Obwohl der Weg ein einfacherer ist, fehlen mir dazu die nötigen Männer. Gerne würde ich unseren Freunde und Verwandten helfen.“
„Nachricht habt ihr erhalten, dies war das vorrangig wichtigste. Schlimme Zeiten und Kämpfe könnten auch Imladris erreichen und wir hoffen dann auf eure Unterstützung, denn derzeit sind unsere Mauern unbewacht, unsere Türme nicht bemannt und unsere Rüstkammern leer“, sagte der Elb.
„Seit jeher sind unsere Völker befreundet und teilen eine gemeinsame Heimat. Hilfe werdet ihr von uns erhalten, solltet ihr sie benötigen.“
„Danke. Machts gut, Helluin.“
Genauso heimlich wie sie gekommen waren verschwanden sie auch wieder.

„Nun unsere Aufgabe ist erfüllt, meine Freunde“, sagte der Elb nun zu ihnen „Wir werden zurück nach Imladris kehren. Aber der Weg der vor euch liegt ist sicher. Gleich hinter der Kuppe liegt die Brandyweinbrücke und nach dem Auenland erreicht ihr die Turmberge und somit die Vorboten von Mithlond. Lebt wohl. Möge euch das Glück hold sein in diesen dunklen Tagen.“
Die vier Gefährten taten wie ihnen gesagt und kurz vor der Morgendämmerung sahen sie am Horizont die drei schneeweißen Türme der Elben.


Celebithiel, Aphadon, Aratinnuíre und Amrûn zu den Grauen Anfurten

Fine:
Kerry, Rilmir, Lónar und Magrochil von der Wetterspitze


Der Morgen kam und mit ihm Sonnenstrahlen, die zum ersten Mal seit mehreren Tagen die Wolkendecke durchstießen. Kerry blinzelte müde und unterdrückte ein Gähnen. So möchte ich jeden Tag geweckt werden, dachte sie. Ein Sonnenstrahl kitzelte ihre Nase und sie stand auf. Die Schrecken der Nacht waren verflogen, dennoch war sie den ganzen Vormittag über sehr einsilbig und stapfte die meiste Zeit über schweigend hinter dem Rest der Reisegruppe her.
Magrochil fiel es beinahe sofort auf, doch obwohl sie mehrfach nachfragte mochte Kerry nicht mit ihrer Freundin darüber reden, was geschehen war. Ich hab' dem Dúnadan und seinen unheimlichen Freunden versprochen, nichts auszuplaudern. Ich muss nicht mit ihr über all das reden.
Und Worte sind ohne Taten sowieso nichts wert, fiel ihr ein altes Sprichwort ein.

Sie kamen nach dem Abstieg von den Hängen des Amon Súl nun in flacheres Gebiet. Vor ihnen breiteten sich die Ebenen von Eriador aus, die einst zum alten Reich Cardolan gehört hatten. Das Nördliche Königreich war vor vielen Jahren in drei Teilreiche zerbrochen, welche untereinander Krieg um den Besitz des Wachtturms dessen Ruine Kerry gesehen hatte geführt hatten. Rilmir erzählte ihnen solche und viele andere Geschichten über das alte Königreich des Nordens gerne, wenn sie an Orten wie der Wetterspitze vorbeikamen. Aber auch über scheinbar unwichtige Orte wie einen Kreis verwitterter Steine oder eine alte Statue hatte der Waldläufer einiges zu erzählen, denn er kannte in diesen Gegenden nahezu jeden Felsen und jede Eigenschaft des Landes. Kerry bewunderte das Wissen des Dúnadans über sein Heimatland. Über ihre eigene Heimat wusste sie erschreckend wenig.
Aber das liegt hinter mir.

Am späten Vormittag erreichten sie die Große Oststraße, die sich einem langen Band gleich quer zu ihrer Reiserichtung durch die leeren Lande östlich von Bree zog. Nahe der Straße gab es einen steinernen Unterstand in dessen Rückseite sieben stilisierte Sterne eingraviert worden waren. Hier rasteten sie einige Zeit.
Kerry flocht sich gerade gedankenverloren die Haare zu einem breiten Zopf als mit einem Mal auf der Straße mehrere Stimmen zu hören waren. Ein schneller Blick zeigte ihr dass Rilmir sich nicht mehr bei der Gruppe befand. Sie stand auf und verließ den Unterstand, dicht gefolgt von Magrochil und Lónar.
Der Waldläufer stand in einiger Entfernung mitten auf der Straße, östlich von ihrer Position. Bei ihm war eine Gruppe - Kerry schätze sie auf etwa zwei Dutzend - hochgewachsener Gestalten in grausilbrig schimmernden Umhängen. Außerdem sah sie mehrere Reiter auf weißen oder hellbraunen Pferden, die blitzende Lanzen trugen.

"Das sind Elben!" entfuhr es Lónar neben ihr. Und es stimmte, denn nun kamen die Reisenden heran. Die meisten hatten langes dunkles Haar und trugen Gewänder in unterschiedlichen blassfarbenen Tönen. Die Reiter waren in silbern glänzende Rüstungen gehüllt und ihnen fielen lange tiefrote Umhänge von den Schultern herab. Ihre Pferde waren die anmutigsten Tiere, die Kerry je gesehen hatte. Staunend trat sie einige Schritte näher als die Elben beinahe heran waren und strich einem der Rösser sanft durch die blonde Mähne. Der Reiter ließ es geschehen und lächelte. Er blickte sie an und sagte etwas auf elbisch.
"Aiya, rocconilmë. Mára aurë atanavendë!"
"Selber Finger weg!" gab Kerry zurück, die nichts verstanden hatte. "Ich wollte deine Stute nur kurz streicheln. Kein Grund unhöflich zu werden!"
Der Reiter lachte, und Rilmir stimmte lauthals mit ein, denn er war neben ihn getreten. "Er hat dir einen guten Morgen gewünscht, Kerry, und sich gefreut dass dir sein Ross gefällt," erklärte er.
"Dann soll er mir das so sagen dass ich es verstehe," sagte Kerry missmutig.
"Ich nahm an, du wärest ebenfalls eine der Núnataní wie mein Freund Rilmir hier," entschuldigte sich der Reiter nun in der Gemeinsamen Sprache. "Das Quenya geht uns derzeit leichter über die Lippen, da das Land dieser Tage gefährlich sein kann. Schlimme Nachrichten haben uns erst kürzlich aus dem Osten ereilt, und es mag sein dass weitere folgen werden. Doch davon wollen wir nun nicht sprechen, denn ich sehe, dass dein Gemüt bereits bedrückt ist, Kerevalline."

Kerry riss überrascht die Augen auf. Wer hat ihm das verraten? Wenn ich denjenigen erwische... Doch bevor sie nachfragen oder weiter darüber nachdenken konnte teilte sich die Gruppe der Elben die um sie herum standen und die schönste Frau die Kerry jemals gesehen hatte trat hinzu. Sie trug dunkelblaue Reitkleidung, eine lange Elbenklinge an der Seite und hatte einen ernsten Ausdruck im Gesicht.
Rilmir neigte ehrfürchtig das Haupt, doch die Elbin schien keine Zeit für Ehrerbietungen zu haben. Sie zog den Waldläufer beiseite und sprach leise und eindringlich auf elbisch mit ihm. Dieser zog schließlich einen Gegenstand hervor den Kerry als den Brief erkannte, den sie vor einigen Tagen zufällig bei Rilmirs Gepäck entdeckt hatte. Der Gesichtsausdruck der Elbin hellte sich auf, als sie die Zeilen rasch überflog. Dann gab sie dem Waldläufer das Pergament zurück und trat zu den drei übrigen Reisegefährten.

"Ich bin Arwen von Imladris, und grüße euch, Freunde Rilmirs," sagte sie nicht unfreundlich, aber mit einem gewissen Unterton den Kerry nicht ganz einschätzen konnte. "Meine Gefährten und ich sind auf dem Weg in das Land der Halblinge. Rilmir möchte sich uns anschließen. Ich lasse euch nun die Wahl, ob ihr uns ebenfalls zu begleiten möchtet, denn wir haben erfahren dass sich das Ziel eurer Reise geändert hat."
Meine Güte, die scheint ja über alles und jeden Bescheid zu wissen, dachte Kerry die sich nicht sicher war was sie von der Situation halten sollte. Erst heute morgen hat der Dúnadan die Nachricht erhalten dass das Paket ins Auenland soll und nicht in dieses Dorf nahe Tharbads. Ist mir aber sowieso lieber so.

"Edle Frau Arwen, wir würden euch sehr gerne begleiten," sagte Magrochil, die den Blick von einem der Elben zum anderen wandte und der großes Staunen in den Augen stand.
"Ist mir ebenfalls Recht," ließ sich Lónar vernehmen.
Alle Blicke wandten sich nun Kerry zu.
"Ihr geht ins Auenland? Na dann macht euch auf was gefasst," sagte sie und zog eine Augenbraue hoch. "Das letzte Mal haben wir dort ziemlichen Ärger mit den Spießgesellen von diesem Scharker gehabt. Und die Hobbits sind auch nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen. Anscheinend mache ich ihnen zu viel Wirbel in ihrem verschlafenen Ländchen.
Oder vielleicht sind sie einfach verwirrt von meinem guten Aussehen," fügte sie scherzhaft hinzu.
"Sie übertreibt," sagte Rilmir.

"Der Grund unserer Reise ist kein froher," fuhr Arwen fort; "Ein Halbling aus dem Auenland lebte viele Jahre in Gastfreundschaft in Imladris. Nach seinem Tod vor kurzer Zeit haben wir uns nun entschlossen, ihn zur letzten Ruhe in seine Heimat zurück zu bringen. Dein Ruf dort ist nicht von Belang."
"Wie überaus rücksichtsvoll von euch," sagte Kerry die dafür einen warnenden Blick von Rilmir erntete. "Nun gut, ich will keine Spielverderberin sein. Wir gehen alle mit dir und deinen hinreißenden Begleitern," sagte sie mit einem Seitenblick auf den Elbenreiter.
"Dann lasst uns aufbrechen," antwortete Arwen und gab den Elben ein Zeichen.
Kurz darauf setzte sich die um Kerrys Reisegruppe erweiterte Gemeinschaft in westlicher Richtung auf der Straße in Bewegung.

Fine:
Am Abend des selbem Tages rastete die Reisegemeinschaft ein kleines Stück südlich der Straße an einem windgeschützten Platz. Ein ausgetrockneter Bach verlief in der Nähe, dennoch wurde die Umgebung langsam grüner und bewachsener.
Eine willkomene Abwechslung zur felsigen Einöde der Wetterberge, dachte Kerry, die am Ufer des Baches stand und abwesend in die Ferne blickte. Schon begann es zu dämmern und die ersten Sterne wurden sichtbar.

Es ist nicht mehr weit bis Bree. Sie freute sich darauf, denn sie besuchte die Stadt gerne und hatte dort einige Bekanntschaften. Als sie erfahren hatte, dass man die Gasthäuser im Allgemeinen und das Tänzelnde Pony im Besonderen geschlossen hatte war sie sehr aufgebracht gewesen, denn sie war dort immer gerne zu Besuch gewesen seitdem sie nach Norden gekommen war. Schon immer hatte sie sich am liebsten mit fröhlichen Leuten umgeben und Gesang und Heiterkeit genossen. Ihre frühsten Kindheitserinnerungen beinhalteten den Klang einer Laute und von zwei Stimmen, eine tief und fröhlich, die andere hoch und samten.
Ohne dass sie es verhindern konnte war sie unvermittelt wieder an jenem Ort:
Eine Festung, hoch oben in den Wolken. Die siegreiche Rückkehr der Helden. Die hoffnungsvolle Stimmung am Tag, an dem die Soldaten gegen den Feind ausgerückt waren. Und dann das böse Erwachen in den Wochen darauf. Ich bin gerannt und gerannt, und habe nie zurückgeblickt. Denn dort gibt es nichts mehr für mich. Alles was ich habe - alles was ich brauche - ist hier. In Arnor.

Als sie an das Land dachte, fiel ihr ein altes Gedicht ein, das sie vor einigen Jahren über dessen Bewohner gehört hatte:

Hohe Schiffe, hohe Herrscher,
Drei mal drei,
Was brachten sie aus versunkenem Land
Über das flutende Meer?
Sieben Sterne und sieben Steine
Und einen weißen Baum.
Eine Berührung an der Schulter riss sie aus ihren Gedanken, und sie stieß einen erschrockenen Schrei aus.
"Maggie! Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt!"
"Tut mir Leid!", kam die Antwort. "Ich wusste nicht, dass du mit offenen Augen schläfst, Kerra."
"Ich habe nicht... ich habe die Sterne beobachtet!"
"Sicher hast du das," tat ihre Freundin die Bemerkung ab. "Sieh mal, wer hier ist!"
Erst jetzt sah Kerry den Elb der mit Magrochil gekommen war.
"Ach, du wieder," sagte sie, denn es war der Reiter mit dem sie am Vormittag gesprochen hatte. "Der Pferdefreund."
"Eigentlich ist mein Name Lindir," gab der Elb zurück und schmunzelte. "Allerdings habe ich schon gehört, dass ein jeder es erwarten kann, von dir einen besonderen Spitznamen zu erhalten, Kerevalline."
Sie blickte ihn wütend an. "Ich frage mich, woher du all dieses Wissen über mich hast," sagte sie misstrauisch.
"Man hört so einiges unter den Wanderern in der Wildnis, zu denen unter anderem mein guter Freund Rilmir von den Dúnedain gehört. Mehr als deinen Namen und eine grobe Beschreibung weiß ich aber nicht. Rilmir hat mir nur erzählt, mit wem er gerne durch die Lande reist."
"Er hat gesagt er reist gerne mit mir?" fragte sie eilig nach.
"Nun... mit dir, dem guten Lónar und mit Magrochil," sagte Lindir, der wohl nicht ganz wusste was er von ihrer Frage halten sollte.
Magrochil lachte. "Du bist so offensichtlich, Kerra."
"Bin ich überhaupt nicht!" wehrte diese sich. "Erzähl uns doch bitte etwas mehr über den Grund eurer Reise, Pferdefreund. Was genau wollt ihr im Auenland?"
"Hast du vorhin nicht aufgepasst?" warf Magrochil ein, doch Lindir hob die Hand und lächelte. "Ich werde die Tatsache dass dies wohl ein Versuch ist, von einem anscheinend heiklen Thema abzulenken außer Acht lassen. Wir bringen den Halbling Bilbo Beutlin zurück in seine Heimat, die er verlassen hatte um bei uns in Imladris zu leben. Er war ein außergewöhnlicher Hobbit und ein guter Freund," fügte er mit ernster Stimme hinzu.
"Ihr wollt also mit einem toten Hobbit im Gepäck einfach so ins Auenland platzen? Keine gute Idee," sagte Kerry.
"Oh, wir kennen einige verborgene Pfade. Die Leute werden uns kaum bemerken."
"Das hoffe ich für euch. Dort hat sich in den letzten Jahren einiges geändert."

Lindir setzte sich mit den beiden Mädchen an eines der nahen Feuer, denn die Elben hatten mehrere angezündet, die seltsamerweise kaum zu rauchen schienen. Auch warfen sie kein weit scheinendes Licht, spendeten aber dennoch ausreichend Wärme.
Diese Elben, dachte Kerry. Für alles scheinen sie eine Lösung zu haben.
Sie unterhielten sich einige Zeit mit Lindir über dies und das. Schließlich fragte er sie, wo sie ursprünglich herkamen.
"Ich stamme aus Arandol," sagte Magrochil. "Es ist eine kleine Stadt in den Pinnath Gelin. Fürst Elatan lebt dort mit seinem Gefolge. Meine Eltern sind reiche Grundbesitzer aus der Umgebung und haben ein großes Haus in Arandol. Es ist beinahe schon ein Palast. Dort bin ich aufgewachsen."
"Wieso kamst du in den Norden?" wollte Lindir wissen.
"Ich wollte ein Abenteuer erleben," antwortete Magrochil schulterzuckend. "Ich schloss mich einer Gruppe Flüchtlinge aus dem Osten Gondors an, die durch die Stadt zogen und auf dem Weg nach Arnor waren. Doch jetzt, wo Enedwaith und die Gegenden südlich des Breelandes immer unsicherer werden kann ich nicht mehr zurück. Nicht dass ich das wollte. Ich bin nicht geschaffen für das Leben einer Dame am Hofe irgend eines Fürsten oder Statthalters."
Lindir nickte. "Du bist mutig, Magrochil. Ohne Sorgen kamst du hierher und gabst den Reichtum deiner Familie auf. Das war keine leichtfertige Entscheidung."
Er schwieg einen Moment und wandte sich dann Kerry zu. "Was ist mit dir? Was ist deine Geschichte?"
"Oh, da gibt es nicht viel zu erzählen," entgegnete sie leichthin. "Ich habe in Archet ein Huhn gestohlen und bin seitdem auf der Flucht vor dem Gesetz."
"Du hast ein Huhn gestohlen?" fragte er ungläubig.
"Nicht irgendein Huhn. Das Lieblingshuhn des Ortsvorstehers. Es war was ganz Besonderes, denn es legte goldene Eier. Es hatte..."
"Schon gut, schon gut," unterbrach Lindir ihre Erzählung lachend. "Ich sehe, dass du deine Vergangenheit noch niemandem preisgeben willst. So sei es denn. Aber mein Herz sagt mir, dass du erst Frieden finden wirst wenn du deine Last mit jemandem teilst."
Kerry blickte als Antwort nur schweigend in die Flammen des Lagerfeuers.

Kurz darauf löschten sie die Feuer und stellten Wachposten auf. Am folgenden Tag würden sie Bree, die große Menschenstadt im Norden erreichen.


Arwen, Lindir, Kerry, Rilmir, Lónar, Magrochil und die Elben von Imladris nach Bree und Umgebung

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln