Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Dol Amroth

Am Hafen

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Thorondor the Eagle:
Mehr Rauch als Luft war in diesem engen Raum. Der Tresen war alt und morsch und das meiste der Einrichtung sowie der Wände schien aus längst ausrangierten Schiffplanken zu bestehen. Der Elb setzte sich auf einen Hocker an die Bar. Niemand war zu sehen oder zu hören.

Sein Blick viel auf drei bemalte Teller, die sorgsam in das Regal hinter der Theke gestellt waren. Eines war schon sehr ausgeblichen, auf den anderen beiden sah man Abbildungen von zwei Schiffen. Amrûn glaubte die Namen Vingilot und Alcarondas zu erkennen.

„Guten Tag“, begrüßte ihn nun der Wirt, der aus einem Hinterzimmer hereintrat. Er war klein und schmächtig, hatte nur einen Arm und sein linkes Auge war mit einem schmutzigen Tuch abgedeckt. Sein weißes, grauses Haar umringte eine kahle Stelle und stand von da an in alle erdenklichen Richtungen.
„Guten Tag“, erwiderte der Elb.
„Was darf es sein?“
„Gebt mir einen Becher Milch und ein Stück Brot bitte. Ich habe heute noch nichts gegessen.“
„Das macht zwei Silberpfennig“, sagte er, streckte fordernd seine Hand aus und seine Stimme wanderte gegen Ende in eine merkwürdig quietschende Lage.
Der Elb kramte in seinen Taschen und gab es dem Wirten: „Eigenartige Sitten habt ihr hier. Verlangt Geld noch vor der Verköstigung."
„Achsoooo, ein Fremder seid ihr. Wie so viele andere hier und nur Wenige haben tatsächlich Geld. Wo wäre ein Wirt wenn er Speis und Trank verteilt und ehe die Gäste bezahlen ist der Tisch wieder leer. Nicht wir sind hier die komischen Käuze, sondern jene die in unsere Stadt kommen und glauben Gasthäuser sind Wohlfahrtshäuser, jawohl Wohlfahrtshäuser.“
„Ihr habt Recht, Vorsicht lautet das Gebot der Stunden.“

Der Alte rümpfte die Nase.
„So, so ein Fremder… woher kommt ihr denn?“, fragte er neugierig.
„Ich kam mit einem Schiff von Edhellond hierher. Ich habe mich dort eine Weile versteckt und auf Hilfe gewartet und tatsächlich kam sie nach einigen schlaflosen Nächten.“
„Dann haben euch die Elben aufgeschnappt.“
„Elben?“, fragte Amrûn erschrocken „Ja! Ja natürlich. Ein merkwürdiges Volk meine ich. Jahrzehnte lang hört man nichts von ihnen und dann in einer wohl unerwarteten aber hilflosen Stunde kommen sie herbei um zu helfen.“
„Mhm ja. Merkwürdig… welche Absichten sie wohl verfolgen?“
„Glaubt ihr sie haben welche?“
Der Elb biss von dem harten Brot ab, dass sicherlich schon ein,zwei Tage gelegen hatte.
„Wer nicht, wer nicht…“, brabelte er vor sich hin „Wer handelt heute schon aus Nächstenliebe? Jeder sorgt für sich selbst oder für seinen eigenen Vorteil, oder nicht? Aber wie dem auch sei, selbst diese Elbensoldaten werden den Ansturm nicht aufhalten. Nicht bei dem was der dunkle Herrscher plant.“
„Was plant er denn?“
„Oh, es gibt Gerüchte. Viele wandern hier durch diesen Raum, manche bleiben hängen und manche verfliegen wieder. Es erstaunte mich immer wieder, dass viele ‚Weissagungen‘eingetroffen sind, auch wenn es niemand glaubte.“
„Und was habt ihr gehört?“
„Nichts, das ist es ja gerade... Wir erhalten keine Nachrichten mehr aus Minas Tirith und das ist kein gutes Zeichen. Unsere Diplomaten und Boten sind… puff… einfach verschwunden…“, der Wirt fuchtelte dabei nervös mit den Händen vor sich herum „bestimmt schon tot, wenn ihr mich fragt. Jetzt sind nicht nur die Orks auf dem Vormarsch, nein sogar noch das eigene Volk… unsere Brüder.“
„Das ist wäre ja furchtbar.“
„Ja, Dol Amroth in der Zwickmühle. Vom Süden die Haradrim, von Osten Mordor, vom Norden Gondor und was vermutlich das schlimmste Übel ist: dieses verlauste Piratenpack.“
„Welche Piraten?“
Er nahm einen großen Schluck Milch um seinen vom Brot ausgedrockneten Mund zu befeuchten.
„D… di… di… die Korsaren“, stotterte er aufgewühlt „Die wollen auch ein wenig Mitmischen und sich ihr Stück vom Kuchen holen. Hunderte Jahre schon attackieren sie unseren schönen Hafen und jetzt wo ein Sieg sicher ist sind sie – und da bin ich mir absolut sicher – bereits auf dem Weg hierher… und nicht nur mit einem Schiff; Neeeiiiiinnnnn; vermutlich mit der größten Flotten die sie jemals aufgeboten haben. Jeden Mann und jedes Kind werden sie mitnehmen, denn jede zusätzliche Hand kann noch mehr plündern und mitnehmen. Dreckspack.“
„Und hat der Fürst dem etwas entgegen zu bieten?“
„Pfff, der Fürst. Er hat uns in das sichere Verderben gestürzt. Er hat all seine Ritter nach Minas Tirith geschickt um es zu verteidigen und jetzt… alle gefallen… die Namen sind uns geblieben in einer kleinen grottigen Kammer irgendwo zwischen den alten Handelshäusern der Königsstadt.“
„Ich denke er hat damals die richtige Entscheidung getroffen. Wäre Minas Tirith gefallen…“
„Minas Tirith IST gefallen“, schrie er und schlug dabei mit der Faust auf den Tisch, dass Amrûn zusammen zuckte: „Und jetzt stehen wir alleine da und warten auf unser Ende. Aber wenn Sie kommen werde ich hinter der Türe warten und einem nach den anderen meine Messer in den Rücken rammen. Dieses elendige Dreckspack und wenn ich meine wertvollen Teller nach ihnen werfen muss…!“
Der Elb trank den Becher aus: „Ausgezeichnet. Mut ist alles was man braucht im Kampf.“
„Und eine gute Waffe.“
„Da habt ihr Recht, guter Wirt. Habt Dank für die Bewirtung.“
„Beehrt mich bald wieder. Zahlende Kundschaft ist bei mir gerne gesehen“, rief er freundlich, denn so schnell wie seine aufbrausende Art gekommen war verflog sie auch wieder. Amrûn war froh aus dieser stickigen Kammer herausen zu sein.

Thorondor the Eagle:
Der Elb schlenderte den Kai entlang und dachte über die Worte des Wirten nach.

Wenn es eine solche Korsarenflotte tatsächlich gibt, ist Dol Amroth in einer Zwickmühle. Die Soldaten der Stadt können nicht an beiden Fronten kämpfen und gewift ist der dunkle Herr tatsächlich. Wenn er einen Schlag vorbereitete, dann greift er sicherlich mit allem an was er aufzubieten hat. Noch eine Niederlage kann er sich nicht leisten. Auch die Heere Mordors sind stark dezimiert. Die Schlacht um Lorien, die Unterwerfung Gondors der Niedergang des Mundes und der Trutzburg Isengard. Sauron hat nicht mehr viel auf das er zurück greifen kann, doch wir genau so wenig. Die kampftüchtigen unter den Elben sind hier an den Fronten von Gondor. Scheitern wir hier, gibt es kein Halten mehr für unser edles Volk.

Amrûn nahm die Schiffe in genauen Augenschein. Manche von ihnen hatten zerfetzte Segel, manche geborstene Reling und Oberdeck und manche sogar Löcher im Rumpf.

Wenn eine Flotte kommt müssen wir alle Schiffe seetüchtig machen und stark bewaffnen. Ich muss dem Fürsten Bescheid geben, aber wie. Hier bin ich ein einfacher Mann, unscheinbar und ohne Privilegien… Ich muss mir etwas einfallen lassen. Am besten ich spreche mit Limris. Vielleicht weiß sie wie einen Weg.

Besorgt überschritt er wieder die enge Brücke und begab sich ins Innere der Stadtmauern. Die Straße führte ihn direkt in das edle Herrenhaus, indem er und Celebithiel einquartiert waren. Es war sehr groß und herrlich, vielleicht hatte ihre Gastgeberin ohnehin genug Einfluss auf Imrahil.

„Guten Morgen!“, begrüßte er sie und überraschte sie beim Nähen an einem tyrkisen Kleid.“
„Guten Morgen! Habt ihr gut geschlafen?“
„Ja. Ich war schon auf einen Morgenspaziergang an den Kais. Der Sonnenaufgang war herrlich.“
„Ja, ein wahrlich schönes Spektakel hier in der Schwanenstadt.“
„Sagt, habt ihr schon Mal vom vollgelaufenen Bug gehört?“, fragte der Elb.
„Dieser heruntergekommenen Spelunke? Ja, ich kenne sie.“
„Ich war dort und habe abenteuerliche Geschichten vom Wirten gehört.“
„Nicht jeder von seinen Geschichten sollte man Glauben schenken, habe ich gehört, doch so wie in jeder anderen Geschichte steckt auch in den seinen Seefahrermärchen meist ein Körnchen Wahrheit.“
„Ja, so was Ähnliches sagte er auch über längst Vergangenes.“
„Erlebt hat er sicherlich schon vieles. Seit vierzig Jahren gibt es den Wirten schon und zuvor war er ein Admiral in der fürstlichen Flotte.“
„Vom Admiral zum Wirten…“
„Ja, die Leute sagen, dass er mit seinem Auge auch seine Berufung verloren hatte. Er eröffnete die Taverne um wenigstens von dort auf das weite Meer zu blicken, die salzige Brise zu spüren und um der untergehenden Sonne nachzuweinen. Er liebte sein Schiff und das offene Meer. Wie so vielen von uns gabe es auch ihm das Gefühl von Freiheit und Überlegenheit.“
„Nun macht es mir umso mehr sorgen!“
„Was denn?“
„Er mutmaßte, dass die Korsaren mit einer enorm großen Flotte auf dem Weg hier her seien. Fällt der Hafen…“
„Fällt die ganze Stadt“, unterbrach sie ihn „Ich weiß nicht ob wir auf des Wirten Urteil vertrauen können, aber der Fürst kann auch nicht riskieren den Hafen ungeschützt zu lassen.“
„Sicherlich rechnet er mit einem Angriff, aber ich würde mich wohler fühlen ihm Bescheid zu geben.“

Eilig legte sie das Kleidungsstück zur Seite: „Wartet auf eurem Zimmer, ich muss einiges erledigen. Ich glaube ich weiß wie ihr mit dem Fürsten sprechen könnt.“
Sie verschwand aus dem Zimmer. Amrûn hörte nur noch wie die schwere Haustür in ihr Schloss fiel.


Amrûn in die Stadt

Thorondor the Eagle:
Amrûn aus dem Palast des Fürsten


Nach dem Gespräch flüchtete Amrûn nahezu vom Feste. Seit dem heutigen Abend hatte er ein sehr laues Gefühl im Bauch.

Ob mich mein Instinkt vor morgen warnen will? Das letzte Mal als ich auf See kämpfte war zur Verteidigung von Lindon… Es war die Schlacht in der ich erlag und meinem Leben ein jehes Ende verliehen hätte… Es ist als ob meine Erinnerung lebendig wird; alles ist hier so gleich!

Mit der linken Hand griff Sich der Elb an seine alte Wunde am rechten Oberarm, blieb aber in seinen Gedanken versunken.

Schon als das erste helle Grau am Horizont aufkam, machte sich Amrûn auf den Weg zur Feste. Zwei Soldaten standen neben der Eingangstür und hielten mit weit geöffneten Augen Wache. Berend wartete unweit von ihnen.
„Guten Morgen!“, begrüßte er ihn. Der Kapitän nickte ihm zu.
In schnellem Schritt liefen sie durch die enge Eingangshalle und die schmalen Flure in ein abgelegenes Zimmer. Nur vereinzelt brannten Fackeln in den Wandhalterungen, das restliche Bollwerk lag im grauen Schatten der Dämmerung.

Endlich erreichten sie ihr Ziel und der Elb stand in einer mäßig großen Halle ohne Fenster. Sie mussten wohl im innersten Kern der Festung sein. Hoch über ihnen brannten einige Kerzen in einem hölzernen Luster und erhellten so den Raum. An den Wänden hingen große Gemälde, ähnlich jener im Palast und genau am gegenüberliegenden Ende des Raumes hing ein prächtiges, riesengroßes Banner von Dol Amroth.

Imrahil stand mit einigen Männern in der Mitte des Raumes um einen Tisch. Eine Seekarte von Dol Amroth war ausgebreitet und sie sprachen in ruhigem Ton.
Der Fürst blickte zur Tür: „Unser letzter Gast, nun ist es wohl soweit um zu beginnen.“


Der Elb hatte gerade die letzten Anweisungen gegeben, die Schiffe richtig zu beladen und die größten Lecks notdürftig zu reparieren. Der Großteil der fürstlichen Flotte lag außerhalb des Hafens. Die Kriegsschiffe waren nur mit wenig Mann besetzt, gerade genug um einen Angriff abzuwehren, aber zu wenige um offensiv vor zu rücken.

Amrûn ging ans Ende des Kais. Sein dunkelblauer Umhang wehte im Westwind. Für diese Schlacht hatte er nur eine leichte Rüstung angelegt. Es war zwar gefährlich, doch er brauchte jegliche Bewegungsfreiheit.

Er atmete einmal tief ein,
Ahh, der Westwind. Mein treuer Gefährte. Seit meinen ersten Tagen folgst du mir und bis zum letzten wirst du mich begleiten. Wird dieser bald eintreffen? Geleitest du mich in den Westen, an mein endgültiges Ziel? So oft schon wäre ich dir beinahe gefolgt, aber immer gab es einen Grund zu bleiben. Nun ist es Aratinnuíre. Ich vermisse dich mein Schatz.

„Wir lichten nun den Anker und segeln zu den anderen Schiffen. Kommt ihr?“, fragte Berend.
Amrûn nickte: „Habt ihr alles unter Deck verstaut?“
„Ja. Wir müssen aufpassen. Was ihr vorhabt ist sehr gefährlich.“
„Ich weiß. Aber ich glaube, dass dies die einzige Chance ist. Der Wind ist auf unserer Seite“, sagte er mutig und setzte seine Schritte in Richtung Schiff.

Hastig lösten die Schiffsjungen die Taue am Kai. Mit langen Holzstäben und großem Kraftaufwand tauchten sie es aus seiner verankerten Stelle in den leeren Hafenbereich. Der Elb rannte zu einer Reeling, löste eines der Seile und die anderen Matrosen taten es ihm gleich. Im nuh öffnete sich das glänzend weiße Segel und der Wind füllte es.

Wie eine Feder glitt es über das stille Gewässer in der Hafenanlage, bis es auf die sanften Wellen der offenen See stieß. Duzende Schiffe lagen vor der Hafenanlage. An manche hatten sich schon kleinere angedockt um die spärlichen Mannschaften aufzufüllen. Selten sah der Elb ein solches Schauspiel in seinem langen Leben.

Keiner wusste, wann der Feind kommen würde. Es konnte schon morgen sein, oder noch Tage dauern. An jenem Nachmittag geschah nichts mehr. Die Mannschaften suchten sich nur ein Quartier für die Nacht. Der Elb jedoch blieb wach und starrte auf die schwarze See, in denen sich schwach das Licht des Mondes spiegelte.

Weitere vier Tage vergingen ohne auch nur ein Zeichen des Feindes. Die Sonne hatte schon an Stärke zugenommen. Stetig nahm der Winter ab und der Frühling kehrte unter die meist dunkle Wolkendecke zurück.

Es war kurz vor Mittags, als plötzlich die Glocke des weißen Turms erschallte.

Thorondor the Eagle:
Plötzlich ging alles so schnell. Die Schiffsbesatzung lief wie wild umher. Jeder machte sich auf um seine Rüstung anzulegen. Sie holten Pfeile und Messer aus den Frachträumen und versammelten sich auf Deck

Amrûn stand am Bug des Schiffes und beobachtete still. Etwa eine Meile vor sich im Norden sah er die Kriegsflotte des Fürsten. Sie blickten auf den Eingang im Süden der Bucht. Der Elb selbst und fünf Schiffe waren hinter einem Vorsprung der steilen Felsklippe versteckt. Sie warteten auf die Ankunft der Korsaren.
Es verging noch eine halbe Stunde, in der die Glocke des Turms ununterbrochen läutete. Plötzlich glänzte etwas am Himmel auf. Wie Blitze durchzuckten die mächtigen Pfeile der Ballisten die Luft.

Der Fernangriff hatte begonnen. Angespannt versuchte der Elb die Feinde zu erblicken, doch der Felsvorsprung war zu breit. Einerseit war es gut, denn hier konnten sie sich ungesehen verstecken, doch andererseits konnten die Matrosen auch nicht ausmachen, ob noch weitere Schiffe des Feindes folgten. Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit bis die ersten schwarzen Segel auftauchten. Sie hielten ungehindert ihren Kurs auf die fürstliche Flotte.

Die stählerenen Pfeile flogen immerfort durch die Luft und rissen teils große Löcher in die Decks und Segel der feindlichen Schiffe. Doch dies hielt sie nicht auf, denn es kamen immer mehr Schiffe hinterher. Die Flotte musste bei weitem doppelt so groß sein wie die von Imrahil.

Es ist noch viel schlimmer als ich dachte. Ob unser Hinterhalt überhaupt etwas ausrichten kann? Wir müssen es versuchen, wir haben nur diese eine Chance!

„Soldaten!“, schrie Amrûn nun und augenblicklich hörten sie ihm zu „Wir sahen sie kommen, die schwarzen Segel am Horizont und da sind sie. Sie sind zahlreich und mächtig, doch haben sie die Schwanenstadt und seine Bewohner unterschätzt. Da draußen ist das letzte Aufgebot der Korsaren; sie werden fallen, ehe die Sonne versinkt; in einer Schlacht wie sie Mittelerde noch nicht gesehen hat, in einer Schlacht die noch über Jahrtausende besungen werden wird… in dieser Schlacht“, sagte er mit Nachdruck „Wir sind die lodernde Flamme der Hoffnung die alles versengen wird! Seid ihr bereit… dann setzt Segel!“

Ein leiser Beifall setzte ein, denn die Besatzung hatte zu viel Angst gehört zu werden. Die weißen Segel füllten sich erneut mit Wind. Langsam aber unaufhaltsam beschleunigten die Schiffe. Doch ehe sie hinter dem Felsvorsprung hervor kamen, wurden sie bereits entdeckt. Einige wenige Feinde begannen ein Wendemanöver um dem Hinterhalt entgegen zu wirken.
„Weicht aus!“, schrie der Elb. Der Steuermann zog das Ruder auf Backbord und versuchte so den Feinden auszuweichen. Doch der Ansturm war noch nicht zu Ende. Aus dem Süden kamen noch mehr Korsaren und so wurden die sechs Schiffe des Hinterhalts schnell eingekreist. Sie waren vereinzelt wie weiße Sterne auf dem schwarzen Nachthimmel.

Zahllose Pfeile flogen durch die Luft und verfehlten den Elben nur um Haaresbreite. Er suchte den Weg zur Luke um sich unter Deck in Sicherheit zu bringen. Plötzlich wurde der Steuermann im Kopf getroffen. Er klappte leblos zusammen und riss dabei das Ruder herum. Der Elb sah zu wie beinahe die gesamte Mannschaft umkam. Plötzlich erzitterte der Holzboden unter seinen Füßen und ein lautes Krachen war zu hören. Das Schiff war mit einem anderen zusammengekracht.

Amrûn verlor das Gleichgewicht und flog rückwärts in den Bauch des Schiffes. Der Aufprall war hart und ihm wurde schwarz vor Augen. Es dauerte einen Moment bis er sich klar wurde was eben passiert war. Er spürte etwas Kaltes, Nasses auf seinen Beinen und Armen. Unter großer Mühe und Rückenschmerzen richtete sich der Elb auf und erkannte, wie salziges Meerwasser in das Schiff herein trieb und den Bug langsam mit Wasser füllte. Doch dies war nicht was Amrûn so verwunderte. Mit den Fingern fuhr er über die Wasseroberfläche. Erstaunt betrachtete er seine Handfläche und plötzlich schoss ihm ein Gedanken in den Kopf: „Der Plan!“

Hektisch stand er auf und suchte mit seinem Blick etwas in dem Raum. Mit jedem Schritt ging ein lautes Platschen einher, so als würde er von Regenpfütze zu Regenpfütze hüpfen, bis er sein Ziel erreicht hatte. Siegessicher riss der Elb eine brennende Laterne von der innerne Bordwand und stieg die ersten Sprossen der Leiter hinauf. Er starrte in die offene Tür des Laderaumes und sah die geborstenen Tonkrüge. „Die loderne Flamme der Hoffnung…“, überzeugte er sich nochmals selbst und entzündete mit der Laterne die Schicht aus Öl die unbemerkt und unheilvoll auf der Wasseroberfläche trieb.

Der Elb hatte ein Lauffeuer empfacht, dass sich schneller ausbreitete als gedacht. Er konnte gerade noch die Sprossen der Leiter hinaufklettern und sich geduckt zur Reeling durchschlagen. Von der Mannschaft war niemand mehr zu sehen. Mit einem Satz sprang der Elb in die heißen Flammen und tauchte in das kühle Nass darunter.

Thorondor the Eagle:
Amrûn holte tief Luft, bevor er unter die azurblaue  Wasseroberfläche tauchte. Mit seinen kräftigen Armen gleitete er schwerelos durch die See und elegant zwischen den Ballistengeschossen hindurch, die wie Regen auf das Meer prasselten. Zunächst musste er so viele Meter wie nur möglich zwischen sich und den brennenden Meeresspiegel bringen. Das salzige Wasser brannte wie Feuer in seinen Augen, während er die Oberfläche nach Schiffen absuchte. Er wagte es knapp neben dem Bug eines Schiffes aufzutauchen um Luft zu holen. Noch immer umringte ihn die feindliche Flotte.
Ein weiteres Mal ging er mit dem Kopf unter Wasser und schwamm Richtung Norden. In seinen Armen spürte er schon ein schlappes Ziehen als er endlich in die Nähe seiner Verbündeten kam.
Mit viel Mühe gelang es ihm die Strickleiter zu erklimmen und das Deck eines Schiffes zu erreichen. „Willkommen an Bord“, höhnte einer der Matrosen. Amrûn lag vor lauter Erschöpfung am Boden und musste sich erst aufraffen. Erst jetzt erkannte er das alte Gesicht eines Trunkenbolds vor sich. Es war der Wirt aus dem vollgelaufenen Bug.
„Ihr seid hier?“, fragte er verwundert.
„Natürlich! Eine solche Schlacht lass ich mir doch nicht entgehen“, antwortete er.
„Ihr wollt euch wohl vergewissern, dass ihr Recht hattet.“
„Oh ja“, sagte er und lachte „aber was liegst du hier herum Matrose. Hier gibt es eine Schlacht zu gewinnen.“
„Habt ihr ein Schwert?“, fragte der Elb entschlossen.
„Das und mehr“, sagte der Alte und half ihm auf.
„Wie sieht unsere Lage aus?“
„Ah gar nicht einmal so schlecht. Zuerst wollten sich meine Männer schon verkriechen als sie den schwarzen Horizont sahen, aber nun, seht selbst. Das Feuer treibt den Feind auseinander. Die nachkommenden Schiffe müssen umkehren oder verbrennen. Wahrlich ein Wunder“, sagte er mit erstaunter Mine am Gesicht.
„Dann habe ich meine Arbeit gut gemacht?“
„Ihr wart das, junger Mann? Ihr Elben könnt einen immer wieder Überraschen. Aber nun müsst ihr auch beweisen, ob euch das traditionelle Waffenhandwerk liegt. Diese Korsaren haben nichts mehr zu verlieren, denn der Tod ist ihnen gewiss. Doch macht sie das nur noch gefährlicher. Da kommen sie die Schiffe.“ Bei den Worten deutete er auf die Steuerbordseite und der Elb sah den Feind näher kommen.
„Ein Schiff haben wir schon abgeräumt. Es war ein harter Kampf“, plötzlich drehte er sich um und schrie laut los „Bögen nach vorne. Jeder verfluchte Korsar der sich an Bord traut, wird abgeschlachtet. Ist das klar!“

Er ging ein paar Schritte zum Masten und nahm aus einer Truhe einen Säbel: „Ist das klar!“, sagte er laut und drückte dem Elben das Messer in die Hand. Amrûn traute sich nur zu Nicken. Der alte Admiral ging ein Stück zur Reling und schätzte die Entfernung zum feindlichen Schiff. Es dauerte noch einen kurzen Augenblick ehe er sich nervös umhersteigend zu seinen Soldaten drehte.
„Balliste! Feuer!“, brüllte er und ohne zu zögern lösten die Bootsmänner die Sicherung. Die Pfeile flogen durch die Luft und trafen zielsicher auf das feindliche Schiff.
Amrûn lief die Treppe hoch zum Steuer. Er sah die Korsaren wie sie mit Enterhaken und Armbrüste schwingend immer näher kamen. „Pfeile los!“, brüllte Amrûn etwas konfus und hoffte durch einen verfrühten Angriff darauf, nicht in die Reichweite der Armbrüste zu kommen.
Wie Geier, die sich auf ihr Aas stürzten, warteten die Soldaten auf diesen Befehl und sogleich folgte ein Pfeilhagel der auf das Deck des feindlichen Schiffes nieder ging und Duzende verletzte. Die Korsaren waren wie jeder andere Seemann nur leicht gerüstet. Es folgte noch eine zweite Salve an Pfeilen bis sie in die Reichweite der Armbrüste kamen und das Feuer erwidert wurde. Eine dritte Folgte auch noch ehe die beiden Schiffe Flanke an Flanke standen.

Amrûn lief die Treppe hinunter auf das Hauptdeck. Er griff nach einem Speer aus dem spärlichen Waffenvorrat. Die Enterhaken flogen wild durch die Luft und suchten verzweifelt nach halt. „Zieht Schwerter“, rief der Elb und rannte zur Reling. Mit voller Wucht schleuderte er den Speer auf einen Korsaren, der gerade dabei war sich auf das Schiff zu schwingen. „Schwerter“, schrie Amrûn nochmals laut und schon war der erste Feind neben ihm gelandet. Der Elb nutzte die Chance als er sich bemühte auf den Füßen zu landen und durchbohrte mit dem Säbel seine Brust.

Plötzlich spürte er einen heftigen Tritt auf seinem linken Arm. Beim Landen hatte ihn ein Feind weggestoßen und Amrûn zu Fall gebracht.

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