Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Lindon
Die Grauen Anfurten
Fine:
Mathan, Oronêl, Kerry, Halarîn, Faelivrin, Gandalf, Celebithiel, Finelleth, Anastorias, Farelyë, Adrienne, Angatar, Fanael und Aesa vom Fluss Lhûn
Ihre Ankunft war offenbar bereits erwartet worden. Gandalf, der mit Finelleth ein Stückchen voraus ging, wartete am Tor auf sie. Kerry staunte nicht schlecht. Sie gingen einen sanft abfallenden Pfad hinunter, zu beiden Seiten lagen saftige Wiesen und blühende Bäume. Die große Stadt breitete sich vor ihnen aus. Der Großteil lag am südlichen Ufer des Lhûns, der ungefähr eine Meile vor Mithlond eine Biegung nach Westen machte, doch auch auf dem Nordufer standen schlanke, verzierte Türme und elbische Gebäude. Mehrere große Brücken überspannten den Fluss, die sich so hoch hinauf spannten, dass selbst große Schiffe unter ihnen hindurch passten und die Gewässer des Flusses befahren konnten. Der Pfad führte sie zum nordwestlichen Tor in der Mauer, die beide Hälften der Stadt umgab und aus beigefarbenen Steinen gebaut und reich verziert war.
"Willkommen in Mithlond," sagte Gandalf gut gelaunt, und neben ihn trat ein Elb, wie ihn Kerry noch nie zuvor gesehen hatte. Er besaß einen Bart und eine unglaubliche Ausstrahlung, die Kerry in wachsendes Staunen versetzten.
Círdan, Herr der Anfurten, breitete die Arme aus und sagte: "Auch ich heiße euch willkommen, ihr Wanderer, die aus der Wildnis zu uns kommen. Große Namen sind unter euch, doch mir ist jeder willkommen, ob groß..." und seine Augen fixierten Farelyë, "...oder klein."
Als Faelivrin heran kam wandte sich Círdan ihr zu. "Es ist schön, Euch wiederzusehen, Scalyna. Ihr werdet im Hafen zwei große Schiffe vorfinden, voll mit Elben, die geduldig auf Eurer Rückkehr geharrt haben."
"Ich werde gleich zu ihnen gehen. Danke, Ältester," sagte Faelivrin."
Círdan neigte gütig sein Haupt, und Faelivrin ging in Richtung des Hafens davon; gefolgt von Anastorias und ihren Leibwächtern. Dann wandte sich der Meister der Häfen dem Rest der Gruppe zu.
"Einige von euch kenne ich bereits," begann er. "und die Namen der Übrigen sind mir bereits genannt worden. Dennoch ist es bei den Falathrim Sitte, wichtige Besucher angemessen willkommen zu heißen."
Oronêl trat vor und sagte: "Mein Name ist Oronêl Galion, Meister."
Círdan musterte ihn aufmerksam. "Der Herr des Goldenen Waldes," stellte er fest. "Und Träger einer schweren Bürde. Mögest du hier Frieden und Ruhe finden... für eine Zeit." Daraufhin gab Oronêl keine Antwort, und Mathan war als Nächster an der Reihe. Gemeinsam mit Halarîn trat er aus der Gruppe.
"Willkommen zurück, Mathan Carnesir," sagte Círdan. "Eine wichtige Nachricht brachtest du einst hierher. Und nun kehrst du zurück, nach großen Taten im Norden." Er nickte zufrieden und hieß auch Halarîn willkommen: "Willkommen, Halarîn, leichtfüßige Tochter der Hwenti. Dein Mitgefühl und deine Liebe begleiten dich."
Halarîn blickte leicht beschämt zu Boden, doch dann winkte sie Kerry heran, die Farelyë an der Hand führte. "Hier ist Ténawen Morilië Nénharma, meine Tochter," stellte Halarîn sie vor. "Und Farelyë von den Cuventai."
Zum ersten Mal zeigte Círdan tatsächlich Überraschung. "Wir haben viele Zeitalter nichts von den Cuventai gehört," sagte er leise. "Und viele Fragen stellen sich noch. Wenn dies Farelyë ist, dann frage ich mich, welches Schicksal Farel erlitten hat, und wohin ihn die Wogen der Zeit gertragen haben mögen."
Er machte eine kurze Pause, und Farelyë wiederholte leise: "Farel..."
Der Herr der Anfurten lächelte und blickte dann Kerry an. Und sie erkannte, dass auch in seinen Augen ein silberner Schein war. "Ténawen," wiederholte er den Namen, den Mathan ihr in Fornost gegeben hatte. "Sei willkommen. Und fürchte keine Aufmerksamkeit!" Kerry blickte, ihrer Mutter ähnlich, betreten zu Boden, doch sie sagte: "Danke, Meister."
Auch Adrienne wurde von Círdan herzlich begrüßt. "Hier bist du in Sicherheit," sagte er tröstlich. "Kein Schatten wird dir hierhin folgen können." Adrienne blieb zwar schweigsam, aber schließlich nickte sie.
Dann wandte sich der Meister der Häfen wieder an die gesamte Gruppe. "Die Gastfreundschaft der Anfurten wird euch allen zuteil. Ruht euch aus, findet Frieden und lasst eure Wunden heilen, bis euch andere Dinge wieder von hier fort rufen."
"Einen Augenblick, mein Freund," wandte Gandalf ein, der noch immer äußerst zufrieden mit sich selbst wirkte. "Du hast jemanden vergessen - beziehungsweise hat sich jemand deiner Begrüßung entzogen."
"Nur keine Sorge," erwiderte Círdan. "Ich habe ihr lediglich die Zeit gegeben, die sie brauchte. Komm nur zu mir, Faerwen."
Und Finelleth trat zu ihm, seltsam bedrückt wirkend. "Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft, Ältester," stieß sie hervor.
"Du hast dich dein Leben lang verborgen," mahnte Círdan. "Es ist Zeit, dass du dich der Verantwortung stellst, die dich möglicherweise einst erwarten mag."
"Ich verstehe," antwortete Finelleth leise. Doch zufrieden sah sie nicht aus.
Círdan führte sie ins Innere der Stadt, die voller Elben war. Kerry stellte bald fest, dass in Mithlond zwei große Gruppe zu bestehen schienen. Eine ähnelte Círdan, Celebithiel und den Elben, die mit Gandalf an der Straße am Fluss auf sie gewartet hatten. Und auch Mathan schien ihnen zu ähneln. Sie trugen meist Rot- oder Blautöne, sowie silberne Rüstungen, wenn es sich um bewaffnete Krieger oder Stadtwachen handelte. Ihre Haare waren meist dunkel. Die zweite Gruppe ähnelte stark Oronêl und Finelleth und war zum Großteil in grüne, braune oder graue Kleidung gehüllt. Trugen sie Rüstunge, waren diese rotgolden, mit langen, blauen Umhängen.
Celebithiel, die neben Kerry herging, erklärte ihr den Unterschied. "Die Galadhrim, Oronêls Volk, lebt erst wenige Monate in Lindon. Die meisten wohnen in den Wäldern südlich von Mithlond; direkt an die südliche Mauer grenzt ein großer Wald an in dem sie Fletts in den Baumkronen errichtet haben. Einige haben aber auch leerstehende Häuser in Mithlond bezogen. Die zweite Gruppe sind die ursprünglichen Bewohner Lindons: Sindar und Noldor, die hier seit zwei Zeitaltern unter Círdans weiser Anleitung leben und Schiffe bauen, die in den Alten Westen fahren."
Kerry nickte staunend. So viele Elben hatte sie noch nie auf einem Haufen gesehen. Farelyë, die noch immer an ihrer Hand ging, schien ebenso beeindruckt zu sein und hatte seit der Begrüßung kein Wort gesagt. Auf ihrem kindlichen Gesicht lag ein Ausdruck der Bezauberung.
"Wie ist es dir seit dem Alten Wald ergangen?" fragte Celebithiel neugierig. "Hast du dein Versprechen gehalten?"
"Ich schätze schon," sagte Kerry und erinnerte sich. Damals hatte Celebithiel ihr gesagt, dass sie dafür sorgen solle, dass Gandalf seinen Mut zurückerlangte. "Sieh ihn dir doch an. Zwar hat ihn die Schlacht um Fornost viel Kraft gekostet, aber jetzt erinnert er mich schon wieder viel mehr an den Gandalf, den ich vor vier Jahren in Edoras gesehen habe."
"Stimmt," befand Celebithiel. "Das hast du gut gemacht, Kerry - oder sollte ich vielleicht Ténawen sagen? Oder Morilië?"
"Das darfst du dir aussuchen," sagte Kerry großzügig. Und dann erzählte sie Celebitihiel wie einer alten Freundin in schnellen Sätzen alles, was seit ihrem Aufbruch ins Auenland geschehen war, obwohl ihre bisherige Bekanntschaft nur aus einem kurzen Gespräch bestanden hatte. Dennoch tat es gut, davon zu erzählen.
Sie war bis zur Feier ihrer Adoption gekommen, als sie an einem großen Gebäude in der Nähe des Hafens angekommen waren. Die mit elbischen Lanzen bewaffneten Gardisten gaben den Eingang frei und die Gruppe betrat einen großen, kreisrunden Saal, in dessen Mitte ein riesiger, ebenso runder Tisch stand. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes war ein großer Balkon, der einen beeindruckenden Ausblick über die Bucht bot, die sich von Mithlond aus nach Westen bis zum Ozean ausbreitete. Und auf diesem Balkon standen zwei in Weiß gekleidetete Gestalten, ein Mann und eine Frau.
Oronêl sog hörbar den Atem ein, und Gandalf ging zu den beiden hinüber, gefolgt von Círdan. Nach und nach betrat der Rest der Gruppe den Balkon.
"Es ist gut, dich wiederzusehen, Oronêl," sagte die Frau, deren Ausstrahlung auf Kerry gleichzeitig majestätisch, aber auch traurig wirkte. "Gräme dich nicht, dass dein Auftrag unvollendet blieb. Du hast immer noch Zeit."
"Dies sind Celeborn und Galadriel," stellte Círdan die beiden Elben vor. "Sie kamen mit den Galadhrim zu mir und haben bereits gespannt auf euer Eintreffen gewartet."
In schneller Abfolge nannten Gandalf Celeborn und Galadriel die Namen der Gruppe. Doch die Aufmerksamkeit der beiden lag auf Oronêl, der sie offensichtlich bereits kannte.
"Ich sollte zunächst berichten, was seit meinem Aufbruch aus Aldburg geschehen ist," begann er, und Galadriel blickte ihn aufmunternd an. Dann erzählte Oronêl mit fester Stimme von seinem Weg durch Dunland, Eregion, Imladris und Fornost, der Schlacht um die Stadt, die ungeplante Reise nach Angmar und die Rettung Kerrys aus Carn Dûm, die mehr und mehr das Gefühl bekam, Oronêl an der Erfüllung eines wichtigen Auftrages gehindert zu haben. Er hätte längst schon woanders sein sollen, dachte sie und fühlte sich äußerst unbehaglich. Und ich bin schuld, dass er jetzt ... Ärger bekommt? Doch danach sah es nicht aus- Celeborn sagte sogar: "Es war eine mutige Tat von euch allen, nach Angmar zu ziehen um ein unschuldiges Leben zu retten." Der beeindruckende Elb ließ seine Augen auf Farelyë ruhen, die den Blick mit einem ruhigen Gesichtsausdruck aus ihren silbernen Augen erwiderte.
"Wäret ihr nicht gegangen, wäre der Ersten ein schlimmes Schicksal zuteil geworden," stellte Galadriel klar. "Ich könnte vielleicht versuchen, mit ihr zu sprechen. Aber es gibt jemanden hier in der Stadt, die es besser kann als ich." Dabei blickte sie zu Halarîn hinüber. "Ihr solltet sie suchen, wenn ihr Zeit habt."
Mehrere kleinere Gespräche wurden nun geführt, doch Kerrys Blick wurde vom Meer angezogen. Sie kletterte auf das flache Geländer des Balkons und blickte auf die schier endlosen Wassermassen hinaus.
"Earí", sagte Farelyë bewundernd, die neben ihr stand. Kerry zog sie vorsichtig zu sich hinauf und ließ das Mädchen auf ihrem Schoß sitzen. Gemeinsam beobachteten sie, wie ein Schiff mit hellblauen Segeln in den Hafen einlief.
Eandril:
Als die Elben sich in der Halle und darüber hinaus verstreuten, blieb Oronêl bei Celeborn und Galadriel stehen. "Es war gut getan, ihr zu folgen", sagte Galadriel leise, und ihr Blick schweifte zu Kerry, die mit Farelyë auf dem Geländer des Balkons saß, und auf das Meer hinausblickte. Auch Oronêls Blick wurde immer wieder von den glitzernden Wassern des Golfes von Lhûn angezogen - über dieses Wasser war über sechstausend Jahre zuvor das Schiff gefahren, dass seine Eltern in den Westen gebracht hatte.
"Wir wissen nicht, welche Rolle Kerry in dieser Geschichte noch zu spielen hat", fuhr Galadriel leise fort. "Doch etwas wichtiges hat sie bereits in Bewegung gebracht: Laedors Tod, Mathans Suche nach seiner Mutter - beides mögen wichtige Stücke im Gefüge vom Schicksal Mittelerdes sein. Und ihre Verbindung mit Farelyë ist nicht zu übersehen, Gutes mag daraus erwachsen."
"Ich bereue nicht, von meinem Weg abgewichen zu sein", erwiderte Oronêl, und als Galadriel ihn ansah hatte er das Gefühl, dass sie geradewegs durch ihn hindurchblicken konnte. "Vielleicht bist du das gar nicht. Vielleicht war der Weg durch Angmar dir von Anfang an zu Füßen gelegt", sagte Celeborn, doch Galadriel schüttelte den Kopf. "Das ist es nicht."
Unter ihrem festen Blick legte Oronêl die Recht auf den Beutel, in dem er den Ring trug. "Es ist merkwürdig, aber ich fühle, dass er... stärker wird." Zum ersten Mal hatte er es bemerkt, kurz nachdem sie Ringechad verlassen hatten. Immer wieder waren seine Gedanken kurz zu dem Ring in seiner Tasche gewandert, an den er seit Fornost nur noch selten gedacht hatte. Er hatte noch kein Bedürfnis verspürt, den Ring hervorzuholen oder gar aufzusetzen, doch er ahnte, dass das nur eine Frage der Zeit war.
"Die Ringe der Macht haben... einen eigenen Willen", sagte Galadriel langsam, und auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Anflug von Besorgnis. "Und seit der ursprüngliche Träger dieses einen der Neun vernichtet wurde, ist er auf der Suche nach einem neuen Träger. Du hast ihn in Dol Amroth gebrochen, doch da er zurück in die Hände der Menschen geraten ist, fürchte ich, dass sein Wille erneut erwacht ist."
"Und ich weiß nicht, ob ich dieses Mal stark genug sein werde", erwiderte Oronêl leise, und der Gedanke machte ihm Angst. Zwar war der Ring für die Menschen gemacht worden, doch wer konnte schon sagen was geschah, wenn ein Elb ihm verfiel? Celebithiel, die offenbar den letzten Teil ihres Gesprächs mitgehört hatte, trat neben ihm, und sagte: "Dann wird es an der Zeit, dass ich das Versprechen erfülle, dass ich dir in Dol Amroth gegeben habe. Aber vorher solltest du dich einige Tage ausruhen - und es gibt noch einige Leute, die dich sehen wollen."
Kaum hatte sie ausgesprochen, da fand Oronêl sich bereits in der festen Umarmung eines blonden Mädchens wieder. Als Irwyne ihn losließ und einen Schritt zurücktrat, strahlte sie über das ganze Gesicht. "Ihr habt es geschafft! Ich hatte natürlich nie daran gezweifelt, aber..." Sie lachte, unfähig Worte zu finden, bis ihr Blick auf Oronêls linke Hand fiel, und sich ihre Augenbrauen zusammenzogen. "Wer war das denn?"
"Eine einstürzende Mauer", erwiderte Oronêl lächelnd, und Finelleth, die ebenfalls zu ihnen getreten war, ergänzte: "Und ich."
"Du?", fragte Irwyne verwundert, bevor sie begriff. "Natürlich, die Finger waren nicht zu retten und ihr musstet sie abnehmen. Habt ihr wenigstens darauf geachtet, das dass Messer sauber war, habt die Wunden gleich sauber verbunden und..." Oronêl und Finelleth wechselten einen Blick und lachten, doch bevor einer von beiden etwas sagen konnte, sagte eine männliche Stimme: "Dazu ist mitten in einer feindlichen Festung vermutlich keine Zeit, meine liebe Heilerin." Als Oronêl sich umwandte, sah er einen Mann auf sich zukommen in dem er erst nach einem kurzen Moment Amrothos erkannte. Imrahils Sohn sah deutlich gesünder aus als das letzte Mal, dass Oronêl ihn in Imladris gesehen hatte. Er sprühte geradezu vor Leben, und hatte sich einen kurzen schwarzen Bart stehen lassen.
Oronêl schloss ihn kurz in die Arme, und sagte dann: "Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen. Ich dachte, du wärst noch in Imladris oder bereits wieder auf dem Weg nach Süden."
"Wir sind uns kurz hinter Bree auf der Straße begegnet", erklärte Irwyne, die merkwürdigerweise leicht errötet war, und Amrothos ergänzte: "Eigentlich wollte ich bereits vor ein paar Tagen abreisen, bis die Nachricht kam dass Celebithiel und Mithrandir euch an den Nordgrenzen getroffen hättet. Und wie das Schicksal es will, brauche ich nun nicht einmal mehr eines von Círdans Schiffen in Anspruch zu nehmen."
"Wieso?", fragte Oronêl verwundert. "Ist Botschaft aus Dol Amroth eingetroffen? Hat dein Vater ein Schiff gesandt?"
Durch die große Tür trat eine schlanke Elbenfrau in blau-silbernen Gewändern nach der Art Dol Amroths in die Halle. Mithrellas trug die Kleidung der Stadt, der sie ihren Namen gegeben hatte, mit einer Selbstverständlichkeit als hätte sie nie etwas anderes getragen. "Das hat Imrahil allerdings getan", sagte sie, und küsste Oronêl zur Begrüßung auf die Wange. Er freute sich, seine Tochter zu sehen, doch musste er einen Gedanken verscheuchen, der ihm bei ihrem Anblick durch den Kopf geschossen war: Willst du wissen, was ich mit deiner Tochter... "Nach der sicheren Rückkehr seiner Tochter möchte der Fürst gerne auch seinen jüngsten Sohn in Sicherheit wissen, weshalb ich nach Norden gesegelt bin", fuhr Mithrellas fort, und Amrothos stutzte. "Von wo ist Lothíriel sicher zurückgekehrt?", fragte er, und Mithrellas warf Oronêl einen vorwurfsvollen Blick zu.
"Du hast es ihm nicht erzählt?" Oronêl kannte diesen Tonfall, denn so hatte nicht nur ein Streit zwischen ihnen angefangen. "Ich hatte meine Gründe...", begann er, und auf den Ausdruck in Mithrellas' Augen hin unterbrach er sich und lächelte. Keine Antwort hatte seine Tochter so wütend gemacht wie diese, besonders wenn er diese Gründe nicht richtig erklärt hatte. "Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, war Amrothos in keinem Zustand für eine solche Neuigkeit", erklärte er, und Amrothos nickte zustimmend. "Das ist leider wahr. Vielleicht ist es tatsächlich besser, dass ich erst jetzt davon höre, erst recht, da meine Schwester wieder in Sicherheit ist - was ist überhaupt passiert?"
"Nach der Schlacht von Linhir und dem Bündnis deines Vaters mit Qúsay wurde Lothíriel nach Umbar entführt, und Imrahil schickte Valion und Valirë vom Ethir los, um sie zu befreien", berichtete Mithrellas, und Amrothos zog die Augenbrauen in die Höhe. "Eine merkwürdige Wahl. Als Kinder hatten sie nichts als Unsinn im Kopf, und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie mit den Jahren verlässlicher geworden wären", meinte er. "Aber so kann man sich täuschen, denn offensichtlich hatten sie ja Erfolg."
"Nach dem, was ich gehört habe, hatten sie Hilfe von einem Meister... Edrahil?", sagte Mithrellas ein wenig unsicher. Amrothos verzog ein wenig das Gesicht. "Der Herr der Spione. Dann wundert mich ihr Erfolg nicht mehr - Edrahil ist äußerst fähig, allerdings fand ich ihn immer ein wenig unheimlich... Mich wundert allerdings viel mehr, dass er und die Zwillinge zusammengearbeitet haben. Er hat ihnen als Kinder oft genug einen Strich durch die Rechnung gemacht, und dann war da noch der Vorfall mit dem Braten..." Amrothos verstummte, und lächelte bei der Erinnerung. "Aber ich sehe schon, ich habe einiges verpasst."
"Ich würde gerne mit dir nach Dol Amroth kommen", sagte Oronêl. Mithlond erinnerte ihn ein wenig daran, und hatte in ihm die Sehnsucht nach der Schwanenstadt geweckt, so wie die Wälder im Norden des Landes die Sehnsucht nach Lothlórien geweckt hatten. "Aber zuvor muss ich meine Aufgabe erfüllen."
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, bis Irwynes Blick auf den inzwischen verwaisten Balkon. "Oh, ich wollte auch Kerry begrüßen, aber sie ist nicht mehr da", sagte sie. "Ich gehe sie suchen." Mit einem seltsamen Gesichtsausdruck blickte Amrothos ihr hinterher, und sagte dann langsam: "Nun... ich würde auch gerne das Mädchen kennenlernen, um deretwillen ihr bis nach Carn Dûm gegangen seid." Mit diesen Worten eilte er Irwyne hinterher, und Finelleth lächelte still in sich hinein.
Celebithiel, die Irwyne ebenfalls hinterhergesehen hatte, sagte an Oronêl gewandt: "Weißt du, was in fünf Tagen ist?"
"Der... erste September?", fragte Oronêl verwundert, und Celebithiel lächelte. "Das auch. Aber was ich meinte, ist Irwynes Geburtstag... Amrûn hat es mir einmal erzählt." Bei der Erwähnung Amrûns huschte ein Ausdruck der Traurigkeit über ihr Gesicht, und Oronêl drückte ihre Hand, während er einen Blick mit Finelleth wechselte. "Nun... das ist gut, denn ich denke, ich habe ein Geschenk für sie." Es wird einen Tag geben, der dir gehört, hatte er in Fornost zu ihr gesagt. Wie es aussah würde es bald eine Gelegenheit geben, es wahr zu machen.
Curanthor:
Der Weg durch Mithlond erinnert Mathan an seinen ersten Auftrag, den er ausgeführt hatte. Einen der drei Ringe der Macht der Elben zu dem Hochkönig zu bringen. Nun stand er wieder in den Mauern, die er vor so langer Zeit bereits besuchte. Sein Blick ging zu Kerry, die mit der kleinen Farelyë auf dem Balkon stand und in die Bucht hinausblickte. Der Elb blickte kurz zurück zu Halarîn, die mit Adrienne sprach, sie nickte ihm zu und er trat zu seiner Tochter hinaus.
Gerade deutete Farelyë staunend auf eines der Schiffe von den Elben Faelivrins.
"Beeindruckend nicht wahr?", sagte er, als er sich zu ihnen gesellte.
An der Hafenmauer lag ein großes Schiff, das mehr als drei Stockwerke maß war und länger als die meisten Langhäuser. Drei große Masten hielten die hellblauen, aufgerollten Segel. Die hohen Aufbauten waren filigran verziert, der bauchige Rumpf hatte zwei Reihen von Luken, hinter der sich scheinbar irgendwelche Waffen versteckten. Im Sonnenlicht funkelte der stählernde Rammsporn und die metallverstärkte Front des Schiffes wundervoll.
"Ich hätte nicht gedacht, dass Elben so groß bauen", gab Kerry offen zu und betrachtete das Schiff, auf dem sich dutzende Elben tummelten und unablässig Vorräte, Kisten und Bündel heruntertrugen.
"Es ist immernoch von der Vorhut, Kleine.", spach jemand hinter ihnen und sie drehten sich überrascht um. Vor ihnen stand eine Ellbe, die genauso groß war wie Kerry. Ihre blonden Haare und die blauen Augen strahlten in der Sonne, ihr gütiges Gesicht wirkte sehr glücklich. "Du bist also das neue Mitglied des Königshauses. Sehr erfreut, mein Name ist Nivim Sasca.", stellte sich die Elbe vor und verneigte sich leicht.
"Sehr erfreut Nivim Sa..." Kerry stockte, "Nivim, sehr erfreut", sagte Kerry, stellte sich selbst vor und errrötete, da sie den Nachname der Elbe nicht aussprechen konnte. Nivim lächelte verständnisvoll und trat an sie heran, ihre Augen glitten neugierig über ihr Gesicht. "Verzeih mir, aber ich habe noch nie Menschen getroffen", sagte Nivim bewundernd und strich Kerry durchs Haar, "Die Sprache der Hwenti ist sehr schwer, das "C" innerhalb des Namens ist bei uns ein "th", also nenn mich einfach Nivim, Ténawen."
Kerry, noch immer rot, nickte und Nivim verneigte sich zu Mathan. "Verzeiht, Ahnherr, ich war zu sehr gefesslt von der jungen Dame. Es ist mir eine Ehre den Herrn des Königshauses kennenzulernen. Eure Tochter ist wahrlich eine große Königin."
Mathan trat etwas unwohl von einen Fuß auf den Anderen und murmelte, dass sie nicht so förmlich sein müsste. Er mochte es nicht, wenn er so hochstehend behandelt wurde, was Nivim ihm scheinbar ansah, denn sie grinste nun das erste Mal.
"Lass das", sagte sie mit einem glockenhellen Lachen und zog hinter ihren Rücken ein kleines Elbenmädchen hervor. Scheu klammerte sich das Mädchen an die Beine ihrer Mutter und lugte mit einem Auge hervor. "Das ist Estora, meine Tochter.", stellte Nivim die Kleine vor, die Farelyë ein scheues Lächeln schenkte und Kerry aufmerksam beobachtete. Ihre blauen Augen waren durchdringend und Mathan konnte sich nur mit Mühe von ihnen lösen. Farelyë sagte etwas, das scheinbar nur Estora verstand, denn sie nickte und gemeinsam liefen die beiden Mädchen zwischen von dem Balkon nach drinnen. "Geht nicht zu weit weg!", rief Nivim ihnen hinterher und lächelte, "Sie wollen spielen, die Erste hat sehr undeutlich gesprochen. Keine Sorge es sind genug Leute da die aufpassen.", sagte sie auf Kerrys Blick hin.
Mathan räusperte sich und fand seine Stimme wieder. "Es ist schön dich kennenzulernen, Nivim." Er bemerkte, wie sie seine Waffen musterte und sich dann knapp verneigte. "Bitte, ich bin nur ein normaler Elb, du musst nicht so respektvoll sein.", bat Mathan sie freundlich, da es ihm unangenehm wurde.
Nivim nickte und lächelte, dann wandte sie sich an Kerry: "Komm, wir gehen mal Frauendinge besprechen. Außerdem ziehen wir dir mal etwas Anderes an.", sie schnaltzte mit der Zunge und legte nachdenklich einen Finger an das Kinn, "Deine Maße sind ja eigentlich ganz gut, ich schätze, du könntest es tragen."
Mathan grinste, während Kerry erneut rot anlief, doch Nivim war scheinbar voll in ihrem Element und schob das Mädchen kurzhand vom Balkon. Der Elb blickte ihr verwundert nach, scheinbar waren die Avari noch immer impulsiver als die meisten Elben. Halarîn trat zu ihm auf den Balkon und blickte mit einem Schmunzeln Kerry hinterher, die von Nivim an der Hand genommen wurde.
"Es ist schön hier", sagte sie und betrachtete die großen Schiffe der Avari, "Und sehr lebhaft", setzt sie lächelnd nach. Ihr Lächeln schwand, als sie die Luken in dem Rumpf erblickte. "Ob sie auch dort kämpfen mussten? Faelivrin hat davon nichts erwähnt."
"Ich schätze es wurde nur zur Sicherheit eingebaut", antwortete Mathan und kniff die Augen zusammen, "Dort." Er deutete auf eine halb geöffnete Luke, aus der zuwei lange Metallstäbe herausführten. "Das sieht nach einer Führungsschiene aus... vielleicht für Geschosse", mutmaßte Mathan und Halarîn stupste ihm in die Seite.
"Kein Kampferläuterungen jetzt, du Eisklotz" Halarîns Stimme schwankte zwischen Belustigung und gespielter Empörung. "Lass uns zu Faelivrin gehen. Adrienne hat gesagt, sie kommt erstmal alleine zurecht. Sie braucht Zeit für sich."
Da Mathan nichts weiteres geplant hatte, nickte er und gemeinsam ging das Paar von dem Balkon. Im Inneren sprachen die Anderen noch immer und er nickte Oronêl im vorbeigehen zu.
Nivim zog Kerry durch die Stadt und lächelte dabei unentwegt. Die Elbe war ganz von dem jungen Mädchen begeistert und versuchte sich ständig zu beruhigen. Menschen fand sie faszinierend. "Komm, es wird dir gefallen"sagte sie und blieb vor einem kleineren, unscheinbaren Haus stehen. Sie öffnete die Tür und bedeutete Kerry einzutreten. Staunend kam sie ihrer Aufforderung nach und blickte sich um. Das Haus war vollgestopft mit aller Arten von Stoffen und Kleidung. Nivim lächelte scheu. "Eigentlich habe ich mein eigenes Heim aufgeräumter, aber ich bin auch nicht seit langem hier.", gestand sie und führte Kerry in einen kleinere Raum nach hinten, der offensichtlich zur Anprobe gedacht war.
Nivim musterte sie ausführlich und blickte sie auffordernd an, bis Kerry unsicher fragte, was sie erwartete. Die Elbe hob daraufhin überrascht die Brauen und schmunzelte. "Na, deine Kleidung wirst du ja wohl kaum unter dem Kleid anlassen", sagte Nivim schelmisch und zog ein Tuch hervor, "Nun komm schon, wir sind beide erwachsene Frauen und werden erwartet."
Mit knallrotem Kopf kam sie zögerlich der Aufforderung nach entkleidete sich. Kerry bemerkte rasch wofür das Tuch gut war, denn Nivim bedeckte sie damit, während sie in Unterwäsche dastand. So konnte die Elbe nicht zu viel erkennen, aber genug um Maß zu nehmen. Nach einigen "Hmmm" und "Interessant" verschwand sie in einen Nachbarraum und Kerry blickte sie um und strich über einen Stoff, der butterweich durch die Finger glitt. Im selben Moment kehrte Nivim mit einem eisblauen Kleid zurück, das einen nicht ganz so tiefen Ausschnitt wie das Kleid von Irwyne besaß, mit einer silberne Schmuckborte verziert wurde, einen hohen Kragen und weit ausgestellte Arme hatte. Bewundernd strich Kerry über den Stoff und bemerkte, dass es der Gleiche war, wie der, den sie zuvor berührte. Nivim lächelte ihr aufmunternt zu und half ihr nach einem kurzen Zögern in das Kleid.
"Na, passt doch wie angegossen.", sagte Nivim stolz und strich den Stoff glatt. "Jetzt wird man dich sicher als Mitglied unserers Hauses erkennen können."
Kerry kribbelte es, als der Stoff sich auf der nackten Haut bewegte, sie hatte das Gefühl, als ob dutzende Hände sie berührten. Sie strahlte Nivim an, die ihr noch ein passendes Paar Schuhe dazustellte, die einen kleinen Absatz hatten. Kerry schlüpfte zweifelnd in die zierlichen Schuhe, stelle aber dann überrascht fest, dass sie gemütlich waren und sich an den Fuß schmiegten.
"Nun, lass uns rasch gehen, sonst warten nachher alle auf uns.", sagte Nivim eifrig und warf ihr noch einen goldbestickten Schal über, ehe sie die verlegene Kerry an die Hand nahm und zur Tür hinauszog. Gemeinsam liefen die beiden Frauen durch die Stadt, in den östlichen Teil der Stadt. Als sie an einen der größeren Garten ankamen, wurden sie langsamer und Stimmengemurmel drang an ihre Ohren.
Mathan und Halarîn kamen gerade um die Ecke, als sie Kerry an der Hand von Nivim erblickten. Sie steuerten auf den Garten zu, in den sie ebenfalls gerade gehen wollten. Sie beschleunigten ihre Schritte und Nivim bemerkte sie.
"Du siehst wundervoll aus, Schatz", sagte Halarîn erfreut und küsste ihre Tochter auf die Wange, "Telella Ténawen", kicherte sie und strich ihr die Haare glatt.
Nivim nickte Mathan zu, der seiner Tochter ebenfalls über den Kopf strich. "Wirklich bezaubernd. Du hast ein gutes Auge", lobte er die Elbe, die daraufhin scheu lächelte.
Zu viert betraten sie den Garten und erblickten eine größere Gruppe von Elben, die aufgeregt miteinander redeten. Darunter war eine wahrhaftig riesige Frau, die alle Anderen um einen Kopf überragte. Ihre weit sichtbaren silbernen Augen blitzen auf, als sie die vier Neuankömmlinge entdeckte. Die Gespräche verstummten und die Elben drehten sich um. Mathan erkannte seine Tochter Faelivrin, die gegenüber von Anastorias stand, der rechts und links von zwei Elben an den Schultern gehalten wurde. Offensichtlich waren es seine Eltern, denn die Ähnlichkeit von Isanasca mit Faelivrin war sehr deutlich. Mathan kannte sie nur aus den Briefen seiner Tochter. Lachend rannten Farelyë und Estora zwischen Halarîn und Kerry hindurch in den Garten. Farelyë blieb wie angewurzelt stehen, als sie große Elbe erblickte. Selbige schien sie ebenfalls zu erkennen, denn sie kniete sich nieder und öffnete die Arme. Nach einem Moment lief Farelyë zu ihr und umarmte sie. Die große Elbe erhob sich mit der kleinen Elbe auf dem Arm und ging etwas zur Seite.
"Das wird interessant... Komm, lass uns Ténawen vorstellen.", sagte Nivim schließlich und zog die etwas verunsicherte Kerry mit sich. Die Elben kamen ihr auf halber Strecke entgegen. Dutzende neue Gesichter verneigten sich leicht und begrüßten sie höflich, aber herzlich.
"Besser, ich stelle alle nach der Reihe vor, sonst kommt ihr ja noch ganz durcheinander", lachte Faelivrin und die Elben verstummten.
"Dies ist Isanasca, meine Tochter.", sagte die Königin und legte die Hand auf die Elbe, die ihr fast wie aus dem Gesicht geschnitten war. Sie trug eine Blume im Haar, woran man sie gut erkennen konnte. "Sehr erfreut, du kannst mich einfach Isa nennen", sagte sie und machte einen höfischen Knicks, "Ich bin die Prinzessin der Manarîn und dies ist mein Mann, Sanas." Der angesprochene Elb, von dem Anastorias offensichtlich das schwarze Haar geerbt hatte, schenkte ihnen ein warmes Lächeln.
"Das ist Luscora, mein Sohn" Faelivrin deutete auf einen Elb, der etwas schmächtig wirkte, seine dunkelbraunen Haare wirkten etwas zerzaust. Er lächelte etwas zurückhaltend. "Du siehst wundervoll aus. Ich bin der Prinz der Manarîn und mit verlaub der beste Baumeister." Beim letzten Satz grinste er schief und tätschelte seiner kleinen Tochter liebevoll über den Kopf, die verngügt die Augen schloss und die Berührung genoss. "Und das ist Nivim, die du ja bereits kennengelernt hast. Sie ist meine Frau und eine der besten Schneiderinnen, die wir haben." Stolz schwang in Luscoras tiefer Stimme und er gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss.
"Mich kennst du ja", sagte Anastorias mit einem Augenzwinkern. "Ich bin der Stärkste Elb der Manarîn." Mehr brauchte er nicht zu sagen, die übrigen Elben schmunzelten und scheinbar war es wirklich so, denn sie nickten vereinzelt.
"Eigentlich gehören auch noch die Fürsten dazu, aber die sind leider im Moment gerade beschäftigt.", erklärte Faelivrin und wirkte glücklich wieder bei ihrer Familie zu sein.
"Nicht alle", erklang eine samtene Stimme, die wie Honig in die Ohren floss. Die große Elbe trat näher, mit der kleinen Farelyë an der Hand, die sich leicht recken musste.
"Mein Name ist Ivyn" Sie beugte sich herab und blickte mit ihren silbernen Augen Kerry geradewegs ins Gesicht, "Ich sehe Freude in dir... und Dankbarkeit... und Scham?" Kerry erschaudete unter ihren Augen und darüber, dass sie sie so einfach las wie ein Buch. "Scham ist nicht nötig, junges Fohlen, denn du bist angenommen und akzeptiert wie du bist.", sagte Ivyn langsam und zog sich zurück. Farelyë reckte sich und wollte auf den Arm genommen werden, was auch kurz darauf folgte. Sie flüsterte etwas in ihr Ohr, woraufhin sich ihr Gesicht erhellte. "Farelyë sagt, dass du ihre liebste Schwester bist und fragt ob du noch welche von den leckeren Beeren hast." Das kleine Mädchen tuschelte weiter in Ivyns Ohr, die aufmerksam lauschte. "Sie bedankt sich außerdem für die Rettung aus der Höhle und dafür, dass du ihr die Sterne gezeigt hast."
"Du. Bi.. b- bist Li..cht", sagte Farelyë schwerfällig und strahlte Kerry an.
Mathan lächelte Halarîn an, die seine Hand genommen hatte und sich an seine Schulter kuschelte. Er war froh, dass der Rest der Familie Kerry akzeptierte und so liebevoll mit ihr umging. Zwar bemerkte er, dass ihm und Halarîn auch viele Blicke zugeworfen wurden, doch war das Menschenmädchen deutlich interessanter, da sie die Erste aus einem anderen Volk in der Familie ist.
Fine:
Als sie Farelyë ihre ersten Worte in der Gemeinsamen Sprache sprechen hörte, konnte Kerry gar nicht anders, als zu ihr zu gehen und die Hand des Elbenmädchens zu ergreifen. "Du lernst wirklich schnell," lobte sie. "Ich verspreche dir, in jeder Küche der Stadt nach den Beeren zu suchen, die du so liebst," fügte sie lächelnd hinzu.
"Ein leicht zu erfüllendes Versprechen, kleine Ténawen," sagte Ivyn, die Kerry zwar auf eine Art und Weise einschüchterte, aber dennoch gleichzeitig eine so beruhigende und friedlche Aura ausstrahlte, dass Kerry die Gegenwart der hochgewachsenen Elbin nicht unangenehm war. Ihre silbernen Augen glichen denen von Farelyë, doch Ivyns strahlten deutlich mehr Weisheit und Erfahrung aus, und sie hatte im Laufe der Jahre gelernt, den silbrigen Schein so zu dämpfen, dass er nicht schmerzte wenn man direkt hineinblickte. Farelyë gelang das noch nicht immer. "Du wirst auf dem großen Markt in der Nähe des Südtores solche Beeren finden," fuhr Ivyn fort. "Es sind nicht ganz dieselben wie jene, die in den eisigen Schluchten der Eiswüste im warmen Dampf der Quellen gedeihen, aber ich weiß, dass meine kleine Freundin sie ebenso sehr lieben wird."
"Danke," sagte Kerry und ließ Farelyës Hand los, die noch immer strahlte. Offenbar hatte Ivyns Gegenwart sie auf eine Art und Weise erfreut und beruhigt, die sie seit der Trennung von ihrem ursprünglichen Stamm nicht erlebt hatte. "Ich werde gehen und diesen Markt finden, wenn ich allen Familienmitgliedern genug Zeit geschenkt habe." Sie wandte sich entschuldigend ab und wollte gehen, doch Ivyn hielt sie mit einem überraschend starken Griff fest.
"Ténawen," sagte sie leise. "Löse dich von der Angst, allen gefallen zu müssen. Sie sind deine Familie und lieben dich so, wie du bist. Sei du selbst. Das wirkt erfrischend und ist auch für dich leichter, denn du musst dich nicht verstellen. Lass sie dich auf ihre Art und Weise annehmen. Du verkörperst etwas, das alle Manarîn jetzt gut gebrauchen können: Hoffnung auf eine neue Zukunft."
Kerry nickte. "Du bist ja wirklich so weise, wie alle sagen," sagte sie bewundernd.
Das brachte Ivyn tatsächlich zum Lachen. "Man hat mir schon davon berichtet, dass du ein Talent dafür hast, Leute zum Lachen zu bringen," kommentierte sie.
Nachdem sie sich lange und überschwänglich bei Nivim für das wunderbare Kleid bedankt hatte (und von ihr das fröhliche Versprechen erhalten hatte, dass Kerry jederzeit mit Kleiderwünschen zu ihr kommen durfe), entdeckte Kerry Anastorias, der bei seinen Eltern stand und ihnen gerade lang und breit von seinen Taten bei Carn Dûm berichtete. Ihr entging nicht, dass Isanasca und Sanas dabei nicht allzu begeistert wirkten, aber ein klein wenig stolz auf ihren tapferen Sohn schienen sie dennoch zu sein.
"Gibt er immer noch mit seinen Erfolgen an?" mischte sie sich frech ein und erntete belustigte Blicke von Faelivrins Tochter und ihrem Mann. Anastorias verhaspelte sich mitten im Satz und ihm schienen die Worte zu fehlen.
"Das gibt es nur selten, dass es jemandem gelingt, unseren Sohn sprachlos zu machen," kommentierte Sanas amüsiert.
"Ich habe so meine Momente," gab Kerry bescheiden lächelnd zurück. "Ihr solltet aber nicht vergessen, dass er uns im Norden eine große Hilfe war. Ohne ihn wären wir vielleicht nicht so leicht aus der Festung des Bösen hinausgelangt."
"Ja, meine Mutter hat es mir bereits erzählt," sagte Isanasca. "Wir sind froh, dass es dir gut geht..... Tante Ténawen."
Das brachte Kerry zum Grinsen. "Tja... stimmt wohl, ich bin tatsächlich deine Tante, Isa," sagte sie.
"Und die Großtante von Anastorias und der kleinen Estora," fügte Sanas hinzu. "Eine große Familie, wie du siehst."
"Und sie wird bald noch größer," sagte Kerry eifrig. "Isa bekommt noch eine Tante, oder einen Onkel."
Die Überraschung stand den drei Elben ins Gesicht geschrieben. "Soll das etwa heißen - " setzte Isanasca an und brach mitten im Satz auf. Alle blickten sie zu Halarîn hinüber, die bei Mathan stand und sich leise mit ihrem Mann unterhielt.
Kerry schlug sich entsetzt die Hände vor den Mund als ihr klar wurde, was sie da unabsichtlich verraten hatte. Doch die Nachricht breitete sich bereits wie ein Lauffeuer in der Avari-Gruppe aus, denn Anastorias lief bereits von Elb zu Elb um es allen zu erzählen. Und schon bildete sich eine dichte Gruppe um Halarîn, die überrascht und etwas verlegen von allen Seiten mit Fragen bedrängt wurde.
Es war schließlich Faelivrin, die mit ihrer königlichen Autorität wieder für Ruhe sorgte. Schuldbewusst wollte sich Kerry davonstehlen, doch ein starker Arm legte sich von hinten um sie und hielt sie fest.
"Junge Dame, das war aber noch nicht für die neugierigen Ohren der Familie bestimmt," sagte Mathan ruhig, mit unterdrückter Belustigung, und zog sie in Richtung ihrer Mutter, die noch immer rötliche Wangen hatte.
"Morilië, was mache ich nur mit dir?" empfing sie Halarîn und wuschelte Kerry liebevoll durchs Haar. "Nun, da die Familie Bescheid weiß, werde ich kaum noch Ruhe vor ihnen haben."
"Auf mich werden sie hören," versicherte Faelivrin. "Ich werde sie dir schon vom Leib halten."
Etwas eiskaltes berührte Kerrys Nacken und ließ sie erschrocken aufschreien. Mathan nahm sein Medaillon wieder weg und sagte: "Strafe muss sein, Tochter. Das nächste Geheimnis wirst du bewahren, nicht wahr?"
Kerry rieb sich den prickelnden Nacken. "Ja, werde ich, Ontáro." sagte sie.
Nach dem kurzen Moment der Aufregung verbrachte Kerry noch einige Zeit im Kreis ihrer neuen Großfamilie und erzählte Teile ihrer Geschichte, hörte Erzählungen aus den Neuen Landen an und sprach mit ihren Nichten und Neffen über dies und das, bis ihr schließlich eine Hand auf die Schulter tippte. Es war Irwyne, neben der ein gutaussehender junger Mann mit schwarzem Bart stand. "Hallo, Deórwyn!" grüßte Irwyne und umarmte Kerry lange und innig. "Ich hoffe, du hast nicht gefroren in dem Kleid, das ich dir geliehen habe. Das, das du da trägst, ist auch sehr schön. Ist es von den Elben, die mit dem Schiffen gekommen sind?"
"Ja," bestätigte Kerry. "Du weißt ja dass ich jetzt Halarîns Tochter bin. Und die meisten Elben hier sind nun mit mir verwandt, kannst du das glauben?"
Irwyne blickte für einen Augenblick etwas traurig an ihr vorbei, zu jemandem, den Kerry nicht sehen konnte. "Nun, ich freue mich für dich," sagte Irwyne gleich darauf und der Augenblick verging. "Du musst mir alles haarklein erzählen, hörst du?" forderte sie.
"Wen hast du denn da mitgebracht?" fragte Kerry interessiert und musterte Irwynes Begleiter eindringlich, der ein freundliches Lächeln im Gesicht trug.
"Ich bin Amrothos, Prinz von Dol Amroth," sagte Amrothos galant und hauchte einen Kuss auf Kerrys Hand, die er ergriffen hatte. "Ich bin erfreut, dich endlich kennenzulernen, edle Dame."
Kerry wurde rot - zum wiederholten Mal an diesem Tag. "Ich bin doch keine Dame," stieß sie etwas durcheinander hervor.
"Oh, in dem Kleid könntest du unerkannt unter den anmutigen Hofdamen von Dol Amroth spazieren gehen," erwiderte Amrothos, der noch immer Kerrys Hand hielt.
Irwyne löste schließlich diese Verbindung und zog Amrothos' Hand weg. "Bei der der Hammerhand, Amrothos, sie ist kein Kind mehr; du musst sie nicht an der Hand halten." Ein ungewöhnlicher Tonfall lag in ihrer Stimme, doch Kerry konnte ihn nicht richtig zuordnen.
"Was macht ein Prinz aus Gondor so weit im Norden?" fragte Kerry mit großem Interesse. Sie war froh, dass es zur Abwechslung mal nicht um sie ging.
"Das ist eine lange und an vielen Stellen nicht sonderlich erfreuliche Geschichte," sagte Amrothos. "Ich schlage vor, wir drei suchen uns ein etwas ruhigeres Plätzchen und tauschen uns dort über das, was uns allen zugestoßen ist, aus. Ich sorge für Verpflegung!"
"Sehr großzügig," sagte Kerry und ärgerte sich beinahe sogar ein bisschen, dass sie Farelyë versprochen hatte, Beeren zu kaufen. "Ich habe nur... zuvor noch einen kleinen Ausflug zum südlichen Markt zu machen. Besorgungen. Ihr wisst ja, wie Eltern sein können."
Amrothos lachte, aber Irwyne nicht. Schweigend blickte sie zu Boden, und Kerry fiel brennend heiß ein, dass Irwynes Eltern seit mehreren Jahren tot waren. "Oh, Irwyne, ich... ich meinte damit nicht..."
"Ist schon gut, Déorwyn," sagte Irwyne mit einem schwachen Lächeln. "Du redest zuviel, wenn du glücklich bist, ist dir das schonmal aufgefallen?"
Amrothos und Irwyne beschlossen schließlich, Kerry bei ihrem Botengang zu begleiten und ihr den Weg zu zeigen. Die Elbenmenge hatte bereits begonnen, sich langsam zu zerstreuen. Mathan und Halarîn standen bei Faelivrin am Rand des Gartens, der zum Meer hin lag und gaben Kerry nur allzu gerne die Erlaubnis, sich die Stadt von Irwyne zeigen zu lassen.
"Wir werden hier auf dich warten," sagte Halarîn. "Ivyn spricht in einem der angrenzenden Häuser mit Farelyë und erklärt ihr, was ihr zugestoßen ist. Ich schätze, danach könnte die Kleine ein paar Beeren nur allzu gut gebrauchen."
"Oder einen gutes Glas Apfelwein," mischte Mathan sich ein und kassierte dafür von seiner Frau einen heftigen Schlag gegen die Brust.
"Bis später," verabschiedete Kerry sich. Irwyne und Amrothos kannten sich überraschend gut aus, und wenig später hatten sie den Markt erreicht. Obwohl es bereits Nachmittag war herrschte dort noch immer ein reges Treiben. Als sie den Beerenstand entdeckt ahtten, fiel Kerry schließlich auf, dass sie etwas sehr Wichtiges vergessen hatte.
"Oh," machte sie und Irwyne und Amrothos blickten sie fragend an. "Ich habe gar kein Geld dabei," gab Kerry beschämt zu.
Irwyne kicherte. "Ich habe mich die ganze Zeit schon gefragt, wann du es merkst."
Amrothos hingegen verfiel wieder in seine Rolle als vollendeter Kavalier, die er fehlerfrei beherrschte. "Eine Dame in Not? Da kann ich helfen." Er zog einen gut gefüllten Beutel hervor und warf ihn in die Luft. Als er ihn geschickt wieder auffing, ertönte ein klingeldes Geräusch. Und kurz darauf hatten sie einen großen Korb voll Beeren gekauft und machten sich auf den Rückweg zu Faelivrins Garten.
Dort angekommen kam Ivyn gerade aus einer der Türen hervor. Sie wirkte leicht außer Atem. "Gut, dass du hier bist, Ténawen. Farelyë braucht dich jetzt. Du bist diejenige, die ihr den ersten Trost spendete seitdem sie erwacht ist. Sie hat bereits eine enge Bindung zu dir aufgebaut. Obwohl sie wie ich eine der Ersten ist, kann ich ihr noch nicht alles geben, was sie braucht. Bitte geh zu ihr."
Amrothos und Irwyne warteten draußen, während Kerry den kleinen Raum betrat. Ein einzelnes Bett stand dort, auf dem Farelyë mit dem Gesicht zur Wand hin lag. Als sie Kerrys Gegenwart spürte (oder die Beeren roch) drehte sich das Mädchen um, und Kerry sah, dass ihre Augen von einem roten Rand umgeben waren, und noch immer rollten ihr Tränen die Wangen hinab. Und mit einem Mal sah Kerry sich selbst, wie sie in Fornost auf ihrem Bett saß und ungehemmt weinte, während Halarîn sie tröstete. Da wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie setzte sich zu Farelyë auf das Bett und nahm die kleine Elbin fest in den Arm, ohne etwas zu sagen, und strich ihr zärtlich über den Rücken. Mehrere lange Minuten schwieg sie, bis sie sich noch genauer an das, was Halarîn damals getan hatte, erinnerte.
"Elentai," flüsterte Kerry sachte, und da wurde ihre Stimme gelöst und das Lied, das Halarîn für sie im Versteck des Sternenbundes gesungen hatte, kam ihr zart und lieblich über die Lippen, ohne dass sie die Worte verstand oder bewusst aussprach. Sie sang von der Ostküste Mittelerdes, von der Schönheit des Meeres und wie die ersten Elben in den Wäldern lebten und das Sternenlicht auf ihre Gesichter fiel. Als sie endete versiegten Farelyës Tränen, und das Mädchen kuschelte sich noch enger an Kerry. "Morilyë," flüsterte Farelyë. "D...danke."
"Ich habe dir etwas mitgebracht," sagte Kerry und hievte den Korb auf das Bett. Farelyë war entzückt und schon nach einigen wenigen Bissen war ihre Laune beinahe so gut wie eh und je. Doch Kerry spürte, dass das Mädchen einen Teil ihrer Unbeschwertheit verloren hatte, nun, da sie wusste, was mit ihr geschehen war. Da kam Estora in das Zimmer geflitzt und und kletterte zu ihnen aufs Bett. Als Kerry sah, dass Farelyë nun vorerst wieder gute Laune und eine Spielgefährtin haben würde, umarmte sie das Elbenmädchen noch einmal und verabschiedete sich dann.
"Schön, dass du schon Freunde gefunden hast," sagte Halarîn, als Kerry ihr Amrothos und Irwyne vorgestellt hatte. "Nimm dir nur die Zeit, die du brauchst, um mit ihnen zu sprechen. Aber bitte komm nicht zu spät wieder! Dies ist zwar eine friedliche Stadt, und wir müssen hier nichts fürchten, aber ..."
"...wir wollen dich trotzdem sicher wissen," ergänzte Mathan, ehe Halarîn von einer erneuten Entführung sprechen konnte. "Wenn du uns Bescheid gibst, wo du schläfst, sind wir beruhigt."
"Dann ist es wohl am einfachsten, du schläfst heute bei mir," sagte Irwyne fröhlich. "Ich wohne in einem der Häuser in der Nähe der großen Halle, wohin Gandalf euch heute zuerst gebracht hat."
"Und ich sorge dafür, dass eure Tochter morgen wieder wohlbehalten zu euch zurückfindet," versprach Amrothos.
Kerrys Eltern gaben sich damit zufrieden, und Irwyne und Amrothos brachten Kerry zu dem Haus, in dem Irwyne untergebracht war. Und dort setzten sie sich zu dritt an einen kleinen Tisch und begannen, einander von ihren Abenteuern zu erzählen, während es draußen langsam Abend wurde.
Curanthor:
Die Sonne senkte sich langsam dem Horizont entgegen und das Treiben in der Stadt wurde ruhiger. Einzig die Avari an den Schiffen waren unermüdlich an der Arbeit, wie Luscora Mathan und Halarîn erzählte, bevor er mit Nivim im Arm davonschlenderte. Sie hatten viele interessante Gespräche geführt, aber auch neugierige Fragen beantworten müssen. Als die Frage nach Mathans Schwertern, den Silmacil aufkam, war es Ivyn, die ihm aus der Erklärungsnot half. Dabei gestand diese später Halarîn, dass sie selbst nicht wusste was es damit auf sich hat. Zum Schluss waren sie nur noch zu viert in dem Garten, Halarîn sprach mit Ivyn und Mathan saß neben Faelivrin, auf einer der Bänke.
"Círdan hat uns empfohlen nach Eregion zu gehen", sagte seine Tochter plötzlich und legte den Armreif beiseite, mit dem sie gespielt hatte, "Er glaubt, dass sich das Land nach frischen Wind sehnt. Es will geliebt werden, hatte er gesagt."
"Ist er nicht eher dem Wasser näher?", fragte Mathan erstaunt und Faelivrin nickte zustimmend. "Gut möglich, dass er befürchtet, dass noch mehr kommen."
Faelivrin grinste und nahm wieder den Armreif in die Hand. "Sie warten einige Meilen vor der Küste und die Vorhut versorgt sie immer mit Vorräten, bis wir einen angemessenen Lagerplatz erreicht haben."
"Und sie wissen, dass sie höchstwahrscheinlich kämpfen müssen?", fragte Mathan besorgt, woraufhin sie erneut grinste.
"Was meinst du, warum die Vorhutschiffe so schwer bewaffnet sind? Wir sind gekommen um zu leben, zu kämpfen und unsere Verwandten zu untersützen, damit wir alle in Frieden leben können.", erklärte sie und legte ihren Armreif an.
Halarîn trat zu ihnen, während Ivyn sich zurückzog, nicht ohne Faelivrin noch einen Blick zuwarf. Ihre Tochter erhob sich und wünschte einen angenehmen Abend. Sie ging mit Ivyn davon und begann dabei ein leises Gespräch mit der großen Elbe.
Nach einer längeren Zeit waren Mathan und Halarîn endlich nur zu zweit. Er strich ihr über den Bauch, der schon eine dezente Wölbung aufwies. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie seine Berührung genoss. "Den werde ich wohl nicht mehr verstecken können, selbst mit der besten Kleidung", lachte sie und warf sich die Haare zurück, "Aber das muss ich auch nicht mehr."
Mathan streichte sie weiter und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Sie streichelte ihm über die Wange, während er ihren Duft einsog und stets das Exotische daran bemerkte: Kiefer gemischt mit einer Meerespriese.
"Kann ich dich etwas fragen? Es ist vielleicht nicht ganz so erfreulich...", fragte Halarîn nach einer Weile. Mathan setzt sich auf, nahm ihre Hand und küsste sie, dann nickte er.
"Wie gut kanntest du deine Mutter, ich möchte mehr über sie erfahren, jetzt da du etwas von ihr erhalten hast." Sie legte kurz einen Finger auf das Medallion und zog ihn rasch wieder zurück. "Wenn auch ein sehr merkwürdiges Etwas."
Mathan dachte eine Weile nach und seufzte, doch dann lächelte er sie an und Halarîn hob erstaunt die Brauen. Ehe sie etwas sagen konnte, begann er zu erzählen:" Ich kannte sie nicht ganz so gut, denn ich war sehr viel bei meinem Vater. Damals war ich noch sehr klein und an die Zeit kann ich mich nicht mehr su gut erinnern. Ich war das erste Kind in Ost-In-Edhil nach einer längeren, kinderlosen Zeit. Damals lag schon der Schatten über der Welt und es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Angriff erfolgt. Dann kam ich." Mathan machte eine Pause, lächelte und gab Halarîn einen Kuss auf die Lippen, den sie innig ewiderte. "Ein wundervolles Geschenk, ein wundervoller Elb.", flüsterte Halarîn als sie sich voneinander lösten, "Mein Elb", sagte sie glücklich und schlang die Arme um seinen Hals. Sie kuschelte sich an ihn und bat ihn weiterzusprechen. Er strich ihr liebevoll über den Rücken und küsste ihren Nacken.
"Nun, als ich klein war...", begann er und legte ihr beide Hände auf den Rücken, "Meine Eltern verstanden sich nicht immer besonders gut und meine Mutter war oft sehr traurig. Ihre Hände waren oft am zittern und sie fasste mich nicht oft an. Amarin schob es auf die schrecklichen Dinge, die sie erleben musste, bevor sie sich in Gondolin trafen. Darüber weiß ich weiter nichts, schheinbar hatte sie eine schwere Zeit gehabt. Trotz alledem sah ich jedesmal die Liebe in ihren Augen, wenn sie sich zu mir herunterbeugte." Tränen füllten seine Augen, als er sich an ihr liebevolles Gesicht erinnerte, doch er sprach mit fester Stimme weiter:" Sie roch immer nach einem frostigen Morgentau, der Morgens auf den Blumen um Ost-In-Edhil lag. Ihre ruhige Art war immer sehr angenehm und sie schrie nie, egal was für einen Unsinn ich angestellt habe. Amarin zwar auch nicht, aber er konnte auch mal lauter werden."
"Ich hätte beide gerne mal zusammen kennengelernt, dein Vater wirkte damals immer so traurig...", nuschelte seine Frau und strichelte ihm das Bein. "Ich liebe dich."
"Ich dich auch Amandis...", gestand Mathan und Halarîn richtete sich auf, ihre Augen blitzten und sie gab ihm einen langen, innigen Kuss.
"Es ist lange her, dass du diesen Namen benutzt hast..." Sie stand halb auf, setzte sich auf seinen Schoß und drückte ihn mit dem Rücken gegen die Lehne der Steinbank, "Du bist meine Welt, Marillindo." Halarîn legte ihm die Hand auf die Brust und blintzelte eine Träne fort,
Zur Antworte küsste er sie erneut und strich ihr dabei die Haare aus dem Gesicht. Gerührt zog er sie fest an sich und genoss es, sie bei sich zu haben. Um nichts auf der Welt würde er diesen Augenblick aufgeben wollen. So blieben sie eine lange Zeit einandner verschlungen und bemerkten gar nicht wie die Sonne schon zur Hälfte verschwunden war. Rote Strahlen im Himmel kündigten die nahe Nacht an und Mathan schlug vor, ein Nachtlager aufzusuchen. Halarîn nickte, küsste ihn erneut und stand auf. Der Elb ächzte, als er seinen überstreckten Rücken wieder entspannte. Seine Frau half ihm auf und gemeinsam gingen sie langsamen Schrittes aus dem Garten hinaus. Auf der Straße warteten zwei schlanke Gestalten, die beide in hellgrüne Mantel gehüllt waren. Es dauert einen Moment, bis Mathan begriff wen er da vor sich hatte.
"Bruderherz!" Ehe der Ruf verhallt war, waren die beiden Elbinnen schon heran und umarmten ihn stürmisch. Mathan vollkommen sprachlos, legte ihnen jeweils einen Arm um und seufzte tief vor Erleichterung auf. "Halarîn, dir geht es gut!", rief eine von ihnen und zog die ebenfalls verblüffte Elbe mit in die Umarmung.
"Wir haben uns so große Sorgen gemacht", sagte Mathan schließlich und streichelte seinen Schwestern über den Rücken. Er musste schielen um beiden gleichzeitig zuzulächeln. "Ich bin froh, dass meinen Lieblingszwillingen nichts geschehen ist."
Die beiden lachten gleichzeitig und drückten ihn immer wieder an sich. Ihre schneeweißen Haare kitzelten ihm immer wieder in der Nase, doch es störte ihn nicht.
"Yuteé, Sabaia, es ist so wundervoll euch hier zu treffen... und ich kann euch noch immer nicht auseinander halten, "lachte Mathan und die beiden Elbinnen, die einen Kopf kleiner waren knufften ihm liebevoll in die Seite. "Aua, das war nur ein Scherz. Yuteé hat eine kleine Narbe von der Nadel am linken Ringfinger und Sabaia hat versucht es nachzumachen und hat die falsche Hand genommen."
Seine Schwestern lösten sich schließlich von ihm und grinsten bei seiner Erklärung, während Sabaia beleidigt die Wangen aufblies. Etwas, dass er zuvor nur bei Adrienne beobachtet hatte. Yuteé bemerkte Halarîns Bäuchlein, da sie beim Kuscheln zuvor ihre Kleidung total durcheinander gebracht haben. Die Weißhaarige schlug sich die Hände vor dem Mund und tippte ihre Zwillingsschwester an, die genau die gleiche Reaktion zeigte. Nun musste Halarîn eine heftige Umarmung über sich ergehen lassen, die sie lachend erwiderte.
"Glückwunsch, das ist so wundervoll. Gleich zweimal innerhalb kurzer Zeit Tante werden", sagte Sabaia glücklich und Yuteé zwinkerte ihnen zu, "Natürlich haben wir schon von Ténawen gehört, den ersten adoptierten Menschen in einer Elbenfamilie."
"Ich dachte nicht, dass sich das so schnell verbreitet...", gestand Halarîn offen und wirkte etwas verlegen. Mathan nickte zustimmend und fragte woher sie das wussten.
"Nachrichten verbreiten sich schnell, Gerüchte noch schneller", erklärte Yuteé geheimnisvoll und Sabaia lächelte dabei nur still vor sich hin. "Wir sind aber nicht durch den puren Zufall hier, sondern wollten dir etwas geben", sagte sie schließlich.
Yuteé holte ein schwarzes Bündel hervor und reichte es Mathan, der es etwas verwirrt annahm. "Wer hat euch denn geschickt?", fragte er verwundert, während er das Bündel entgegenahm, das ihm seltsam vertraut vorkam.
Er vergaß seine Frage, als er das Bündel entfaltete und zu seiner Überraschung den Mantel seines Vaters in den Händen hielt. Das Wappen Gondolins war deutlich sichtbar. Die Schwestern blickten sich stolz an und antworteten sofort als das "woher hab ihr den" kam: "Er lag in Aldburg rum, wir sind euch nach dem Fall Lóriens gefolgt und sind dann alle eurer Stationen nachgelaufen."
Halarîn machte einen entsetzten Schritt zurück. "Alle Stationen?"
Yuteé und Sabaia tauschten einen raschen Blick aus eisgrauen Augen, dann nickten sie. Halarîn fasste sich an die Stirn und schüttelte schockiert und fassunglos den Kopf.
"Warum habt ihr das getan? Fornost, Carn Dûm, die Eiswüste, nur für einen Mantel?", fragte er mit einer Mischung aus Unvertständniss und Unglauben.
"Es ist nicht nur ein Mantel!", rief Sabaia überraschend heftig, "Der ist von Vater, dort hat er Mutter kennengelernt.", setzte Yuteé etwas ruhiger nach.
Mathan hob abwehrend die Hände und nickte. "Gut, aber wie seit ihr uns gefolgt? Dazu noch, ohne dass wir euch bemerkt haben.", fragte er neugierig und dachte an Forochel, wo er sich eindeutig beobachtet gefühlt hat.
"Nun... wir sind euch nicht ständig gefolgt. Wir waren immer zwei Tagesmärsche hinter euch, da ihr ein sehr schnelles Tempo eingelegt habt. Wir haben in Eregion Oronêl noch gesehen, also dachten wir, dass ihr euch getrennt habt. Dann sind wir euch weiter gefolgt", erklärte Sabaia nun auch etwas ruhiger.
"Aber wie? In Fornost haben wir eine längere Zeit uns aufgehalten, aber ihr wart nicht in der Nähe?", fragte Mathan skeptisch und bemerkte, dass die Zwillinge unter ihren Mäntel jeweils ein Schwert auf dem Rücken trugen.
"Nun, wir waren nicht immer euch auf den Fersen, wir mussten auch andere Dinge erledigen", verteidigte sich Yuteé mit einem Seitenblick zu Sabaia, "Außerdem sind eure Spuren verdammt schwer zu lesen. Besonders, da du dich dort auskennst, Bruderherz.", setzte diese nach und seufzte erleichtert auf.
"Und der Rest? Der Weg nach Carn Dûm und dann die Eiswüste? Ich will alles wissen", bat Mathan und seine Schwestern wurden etwas ungehalten.
"Carn Dûm war einfach, da ihr in einer Gruppe wart und einige Leichen hinterlassen habt. Die Festung selbst beobachteten wir nur und waren schon auf dem Rückweg, als uns die Idee kam, dass ihr womöglich über den Norden geflohen wart. Leider hatten wir dort eure Spuren verloren.", sagte Yuteé etwas genervt und zog sich den Mantel enger. Sabaia fuhr für sie fort:" In die Eiswüste sind wir nicht gegangen, das schwören wir, wir waren uns nicht sicher und ein solches Risiko eingehen wollten wir dann doch nicht."
"Aber bei dem Feind vor die Haustüre zu laufen schon", warf Halarîn grinsend ein und die aufgebaute Spannung löste sich wieder, als die Drei sie kurz anblickten und dann lachten.
"Naja dann haben wir alles abgesucht und in Forochel endlich eure Spuren gefunden. Da wurden wir von ein paar Orks abgelenkt. Schließlich dachten wir uns, dass ihr hierher kommen würdet." Sabaia breitete die Arme aus und Yuteé nickte eifrig.
Mathan schüttelte den Kopf und legte den Mantel aus Gondolin an. "Ihr seid verrückt, so viel Aufwand und Gefahr für einen Mantel... aber er ist sehr wertvoll, da gebe ich euch recht", er nickte ihnen zu und strich über den seidenen Stoff, "Zwar kaufe ich euch eure abenteuerliche Geschichte nicht ganz ab, aber ich glaube euch einfach mal. Dafür, dass ihr mir Vaters Mantel gebracht habt.", er lächelte und die Zwillinge atmeten hörbar auf. "Aber macht sowas nie wieder, ich will euch nicht in Gefahr wissen."
Yuteé blies nun ihrerseits die Wangen auf und Sabaia beschwerte sich lautstark:"Das sagt der, der in Fornost Katapulte baut und dutzende Orks abschlachtet und durch die Eiswüste stiefelt!" Sie imitierte die Kälte und schüttelte sich.
Mathan schwieg eine Weile und nickte mit einem "Genau der" schließlich, sehr zur Belustigung von Halarîn, die prustend anfing zu lachen. Die Geschwister fielen in das Gelächter ein und beruhigten sich erst nach einigen Augenblicken.
"Wir müssen weiter, aber wir sehen uns noch", sagte Sabaia nach einem langen Seufzer und nickte zu Yuteé, "Wir sehen uns später nochmal."
"Bis dann,", antwortete Mathan und sah seinen Zwillingsschwestern mit einem Lächeln dabei zu, wie sie die Straße hinabgingen und in einer Seitenstraße verschwanden.
"Nun, das war eine Überraschung, aber eine Gute" Halarîn strich über seinen Mantel und lächelte nach einer Weile, "Lass uns ein weiches Bett suchen."
Mathan grinste schelmisch und zog sie an der Hüfte an ihn heran "Aber gern"
Gemeinsam schlenderten sie durch Mithlond und liefen am Hafen Nivim über den Weg, die sie prompt in ihrem Haus mit den Stoffen einquartierte. Sie selbst schläft auf dem Schiff und schnippte ihnen mit einem leicht geröteten Gesicht den Schlüssel zu.
In dem Anproberaum fanden sie einen riesigen Stapel mit Stoffen, die wie ein Lager hergerichtet waren. Mathan kam eine Idee, die Halarîn begeistert aufnahm. Mit einem Kichern krabbelten sie ins Bett und verbrachten dort die ganze Nacht.
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