Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Eigene Geschichten
Aus den Schatten in den Schatten
Khamul:
Kapitel 6:
Der erste Halbork
Seine Unterlippe bebte nervös, nun war es so weit. Er würde nun seinen wohl wichtigsten Auftrag vollenden, doch wenn es ihm nicht gelang...
An die Folgen des Scheiterns wollte Boltan, ein Ork, welcher Zuchtmeister in den Verließen von Saurons Mund war, gar nicht nachdenken. Der Kokon in der Orkgrube bewegte sich. Das Etwas im Kokon war viel größer als ein gewöhnlicher Ork. Es würde auch kein solcher werden, da war Boltan sich sicher. Es würde etwas Größeres, Mächtigeres werden als ein Ork. Viel hatte er von Saurons Mund nicht erfahren, nur, dass es etwa fünf Tage länger reifen müsse als ein gewöhnlicher Ork. Sein Meister hatte auch gesagt, er würde ihn und alle, die an der Ausbrütung dieser Kreatur beteiligt waren, eigenhändig umbringen, falls sie versagen und seine Schöpfung zerstören würden. Alles musste also reibungslos verlaufen, sonst wären er und seine Kameraden des Todes.
Wieder bewegte sich der Kokon.
Boltan wurde immer nervöser, die Stunde der Entscheidung rückte mit Riesenschritten näher. Noch einmal blickte er in die Runde der Brüter. Alle vier Orks waren von ihm persönlich ausgewählt worden, die Besten Brüter in den Verließen. Ihnen war allen klar, dass dies ihre letzte Aufgabe sein könnte. Jeder der vier Orks hatte Angst, Boltan roch es. Doch seine Kameraden versuchten, sich nichts anmerken zu lassen, sie alle blickten verbissen und unbeirrbar auf den Kokon in der Orkgrube.
Die Kreatur im Inneren des Kokons drehte und wand sich.
Boltan umklammerte seine Brutstange fester. Dies war ein spitzer Haken an einer langen Stange, um schlüpfenden Orks den Kokon Aufzustechen und sie anschließend aus der Grube zu ziehen.
Einer von Boltans Gefährten brach das erdrückende Schweigen: „Was glaubst du denn was für eine Made aus diesem Kokon heraus kriechen wird?“ „Eine Made, die um einiges größer ist als du“, knurrte Boltan dem Ork entgegen. Ihm war jetzt nicht nach einer Unterhaltung zumute
Die Kreatur im Kokon wand sich immer heftiger, bis ein Loch im Kokon entstand, durch das sie sich wand. Schnell legte Boltan der Kreatur den Haken seiner Brutstange um den Bauch, um sie herauszuziehen, doch diese brüllte ihm ein, sogar in der Sprache der Orks, unaussprechliches Schimpfwort entgegen und zersplitterte den Stab der Brutstange mit einem einzigen Hieb. Ein frisch geschlüpfter Ork wäre dazu nie in der Lage gewesen!
Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Boltan die Kreatur an. Sie erinnerte ihn ein wenig an einen Ork, wenngleich sie auch in etwa so groß war wie ein Mensch, und auch einige menschliche Gesichtszüge aufwies. Die Kreatur versuchte, sich aus dem Schlamm der Orkgrube zu befreien, doch sie begann stattdessen, im Schlamm einzusinken. Die Orks, die Boltan eigentlich beim Ausbrüten helfen sollten, sahen nur erschrocken zu, wie die Kreatur immer tiefer im Schlamm versank. „Tut doch endlich was, ihr feigen Frischlinge! Wollt ihr denn, dass wir alle umgebracht werden!“, brüllte er. Endlich löste sich der Ork, welcher Boltan vorher mit seinem Gequatsche genervt hatte, aus seiner Starre und legte der schon fast zur Gänze im Schlamm versunkenen Kreatur seinen Haken um den Hals. Dann zog er aus Leibeskräften, während die anderen Orks auch ihre Haken um den Hals der Kreatur legten. Gemeinsam schafften es die anderen Orks, die Kreatur aus dem Schlamm zu befreien und von der Orkgrube wegzuziehen.
Die Kreatur schlug jedoch wie wild um sich herum und warf Boltans vier Kameraden zu Boden. Boltan fasste sich ein Herz, zog seine Peitsche aus seinem Gürtel und ging mit seiner dieser auf die Kreatur los.
Knall! Die Peitsche hatte einen blutigen Streifen im Gesicht der Kreatur hinterlassen. Sie beachtete die Wunde gar nicht, sondern bleckte ihre Zähne und Knurrte Boltan an. Er schlug wieder mit seiner Peitsche in Richtung der Kreatur. Die Peitsche machte einen lauten Knall und schlang sich um die Hand der Bestie.
Diese reagierte blitzschnell und riss an der Peische, sodass Boltan von den Beinen gehoben wurde. Noch während er durch die Luft flog, packte ihn die Bestie und biss ihm in die Schulter. Still murmelte Boltan ein Gebet zu Morgoth, dass er ihn schnell sterben lassen möge, als er plötzlich die Stimme von Saurons Mund hörte: „Lass den Zuchtmeister sofort los!“
Unendlich langsam löste die Bestie ihre Zähne von Boltans Fleisch und setzte ihn wieder am Boden ab. Dann richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und blickte Saurons Mund lange an. Schlussendlich wandte sie ihren Blick von ihm ab und verbeugte sich vor ihm, sie sah ihm jedoch nicht in die Augen.
Saurons Mund ging zu der Bestie hinüber, berührte sie an der Stirn und sprach: „Du bist Unûar, der erste in Rhûn gezüchtete Halbork! Du wirst mir dienen und Sauron als unser aller Meister und Morgoth, den ersten und mächtigsten der Valar, als unser aller Gott verehren, so wie es auch alle anderen Orks tun müssen! Ich bin Saurons Mund, Saurons Lehrling und Nachfolger, und ich verlange von dir, dass du jeden meiner Befehle im Namen Saurons erfüllst!“
Khamul:
Kapitel 7:
Der dunkle Wald
Geduckt huschte Legolas durch das Dickicht. Geräuschlos glitt er über Äste und trockenes Laub, wo Menschen schon einen Riesenkrach verursachen würden. Die Elben waren den Menschen doch um Einiges überlegen. Endlich hatte er gefunden, wonach er suchte. Er betrachtete den Rest Spinnenseide, der an einem Baum klebte. Zu Berühren wagte er die klebrige Seide nicht, es könnte eine Falle sein.
Ein Knacken!
Legolas wandte sich blitzschnell um und legte schon einen Pfeil an die Sehne. Er war nervös, irgendetwas verfolgte ihn. Wäre es eine gewöhnliche Riesenspinne, würde er sie sofort erledigen können, doch er hatte gehört, dass...
Wieder knackte ein Ast!
Dieses Mal musste sein Verfolger ganz nahe sein!
Zoll für Zoll schob sich Legolas mit gespanntem Bogen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Einige Blätter raschelten. Sofort ließ Legolas den Pfeil von der Sehne schnellen. Er hatte schon einen neuen Pfeil aus dem Köcher gezogen und an die Bogensehne gelegt, als er aus dem Blätterdickicht einen Aufschrei hörte. Er hatte etwas getroffen, doch vermutlich nicht das, was er treffen wollte. Schnell eilte er ins Dickicht, in das er seinen Pfeil geschossen hatte.
Was er dort sah, traf ihn wie ein Donnerschlag – Ein Mensch lag vor ihm in einer Blutlache am Boden und krümmte sich vor Schmerz. Sogleich sah Legolas den Grund für den Schmerz des Menschen, der Pfeil hatte sich durch den Bauch des Mannes gebohrt.
„Helft mir...“, röchelte der Mensch. „Es tut mir leid, ich hatte Euch...“ „Ach so, Ihr wart dass... Wenn ich das hier überlebe, wird König Elessar wohl anders über Euren Prinzen denken...“
Legolas schäumte vor Wut. Er hatte aus Versehen auf einen Boten Aragorns geschossen! Er würde ihn zwar heilen können, doch dennoch würde der Mensch ihm nie glauben, dass dieser Schuss ein Versehen war. Dafür waren die Menschen zu Abergläubisch. Legolas war schon einmal mit Aragorn in Minas Tirith gewesen, dort hatten die Leute tatsächlich geglaubt, Elben besäßen verzauberte Pfeile, die ihr Ziel immer trafen. Welch ein Unsinn! Doch nun musste Legolas sich um den Verwundeten kümmern!
Er betrachtete die Schusswunde genauer. Der Pfeil war so tief durch den Leib des Menschen gedrungen, dass die Spitze ihn an der anderen Seite schon verlassen hatte. Legolas brach die Spitze des Pfeils ab. Blut strömte aus der Wunde im Rücken des Mannes. Unendlich langsam musste Legolas den Pfeilschaft aus dem Bauch des Mannes ziehen. Er durfte nicht abbrechen und im Inneren des Leibes stecken bleiben, dies hätte fatale Folgen für den Menschen.
Endlich hatte er den Pfeilschaft aus dem Mann herausgezogen, doch plötzlich – ein Knacken!
Dieses mal musste es etwas größeres sein, vielleicht eine Riesenspinne, oder schlimmstenfalls...
Wieder dieses Knacken!
Es schien von einer riesigen Kreatur mit vielen Beinen zu kommen!
Legolas wurde nervös. Mit zitternden Händen nahm er seinen Bogen und zog einen Pfeil aus seinem Köcher. Plötzlich hörte Legolas donnergleich Äste krachen, und im nächsten Moment brach eine Riesenspinne von gigantischem Ausmaß durch das Dickicht direkt vor Legolas. Dieser schoss sofort einen Pfeil auf ein Auge der Spinne ab und machte einen weiten Satz nach Hinten. Der Pfeil schrammte nur die Stirn der Spinne, welche sich irritiert umblickte. Sie hatte wohl nicht erwartet, auf einen Elben zu treffen.
Legolas betrachtete die Spinne, so wie ein Jäger seine Beute begutachtet. Sie war wirklich um einiges größer als jede andere Spinne, die er jemals gesehen hatte. An jedem ihrer acht Beine hatte sie eine Klaue – an fast jedem! Die Klaue an ihrem vordersten linken Bein fehlte!
Die Spinne blickte nun zu Legolas. Ihre acht Augen sahen irgendwie gruselig aus, doch eines wirkte komisch – es war ihr ausgestochen worden! Das war nicht möglich, Legolas konnte es auf keinen Fall glauben!
Er stand hier nicht einer gewöhnlichen Spinne gegenüber, sondern Kankra, der legendären Königin der Spinnen!
Khamul:
Kapitel 8:
Die Königin der Spinnen
Sein Herz raste, seine Wunde blutete stark und vor ihm stand eine Riesenspinne! Schlechter konnte es nicht mehr kommen!
Paladar hatte von König Elessar den Auftrag bekommen, den Elbenfürsten Legolas um Hilfe für den bevorstehenden Krieg gegen die Haradrim zu bitten. Und nun das! Kaum hatte er den Düsterwald betreten, schon traf ihn ein Pfeil mitten in den Magen! Der Elb hatte gesagt, dass das ein Versehen gewesen sei, doch Paladar glaubte ihm nicht. Man sagte von Elben, dass sie durch Bäume durchsehen könnten und ihre Pfeile niemals ein Ziel, dass sie zu treffen beabsichtigten, verfehlten.
Nun hatte der Elb seinen Bogen in den Köcher gesteckt und zwei zierlich wirkende Kurzschwerter gezogen. Dieser Elb war verrückt! Er wollte sich einer Riesenspinne stellen!
Die Spinne musterte den Elb, sie schärfte die Klauen an ihren Kiefertastern. Dann stieß sie vor, die Klauen an ihren Kiefertastern wie Schwerter einsetzend. Der Elb parierte zwar die Klauen, doch er wurde in die Defensive gedrängt. Aus dem Wulstigen Hinterleib der Spinne trat ein Stachel hervor. Mit einem Satz war sie über dem Elben und versuchte, ihm ihren Stachel in den Leib zu rammen. Der Elb wich zwar jedem Stich der Spinne aus und schlug sogar zurück, doch seine Schwerter glitten einfach an der Haut der Spinne ab, als trüge sie eine zentimeterdicke Stahlrüstung.
Die Spinne sprang ein Stück nach hinten und stand dem Elben wieder gegenüber. Sie funkelte böse zu Paladar hinüber.
Der Elb griff wieder an, doch die Spinne setzte einfach über ihn hinweg und rannte mit weit geöffnetem Maul direkt auf Paladar zu. Ihr Kiefer umschoss seinen ganzen Körper und brach ihm sämtliche Knochen. Paladar hätte schreien wollen, doch er brachte keinen Ton hervor.
Dann umfing ihn völlige Finsternis.
Khamul:
Kapitel 9 wird ein bisschen brutal (aber nur ein bisschen):
Der Folterknecht
Durch die Gitterstäbe hindurch betrachtete Saurons Mund den Gefangenen, den er vor beinahe zwei Monden seiner Männlichkeit beraubt hatte. Der Mensch sah erbärmlich aus! Saurons Mund hatte den Orks zu viel Freiheit bei ihren Grausamkeiten gelassen!
Die Orks hatten dem Mann seine Zunge herausgeschnitten, Gerüchten zufolge hatten sie ihn diese sogar essen lassen. Außerdem hatten sie ihm beide Oberschenkel geöffnet und Salz und Maden hineingestreut. Der Mensch verzerrte sein Gesicht, oder zumindest das, was davon übrig war, vor Schmerz. Nachdem der Mensch, Jules war sein Name, Saurons Mund in einer Befragung enthüllt hatte, dass er ein Spion des Fürsten Hurin sei, hatte dieser ihm die Haut seines Gesichtes abgezogen und als Maske verwendet, um zu Fürst Hurin vorzudringen. Saurons Mund hatte Hurins Schweigen erpresst und ihm außerdem einen Rubin eingepflanzt, mit dem er zu jeder Zeit in Hurins Gedanken eindringen konnte.
Nun betrachtete Saurons Mund wieder den Menschen. Was er nicht verstehen konnte war, warum der Mensch nicht vor Schmerzen schrie. Irgendwie bewunderte Saurons Mund die Beherrschung dieses Mannes. Er würde jedoch die Folter, die Unûar an ihm durchführen würde, nicht überleben. Zum Glück beherrschte Saurons Mund einen Zauber, mit dem man den Tod hinauszögern konnte. Er würde die Seele des Mannes einfach in dessen Körper gefangen halten, bis Unûar seine Folter vollendet hätte. Bei dem Gedanken daran, dem Menschen sein Leid zu verlängern, musste Saurons Mund schmunzeln. Es würde ihm eine Freude sein, dem Mann den Weg in den Tod zu verwehren.
Saurons Mund fühlte sich beobachtet. Er wandte sich um und erblickte Unûar.
„Du kommst spät.“
„Entschuldigt, Meister, Magog hat heute eine Extraportion Maden verteilt.“
Der Magen von Saurons Mund verkrampfte sich. Er lebte schon seit Jahrtausenden unter Blut saufenden, Maden fressenden Orks, doch noch immer erfüllte ihn der Gedanke an Maden mit Abscheu. Doch gerade diese Aasfressenden Larven gehörten nach Frischfleisch zu der Lieblingsspeise der Orks. Außerdem hatte Saurons Mund Magog, einem Ork, welcher Hüter der Vorratskammer war, persönlich befohlen, heute Extrarationen zu verteilen. Er hätte wissen müssen, dass Unûar, obwohl er ein Halbork war, mindestens genauso verfressen war wie die anderen Orks.
„Zeig mir, was du von mir gelernt hast!“, Saurons Mund deutete auf den Mann: „Gib ihm einen langsamen und schmerzerfüllten Tod!“ Unûar deutete eine Verbeugung an und ging wieder, um die Folterwerkzeuge zu holen. Saurons Mund öffnete die Gefängniszelle.
Der Mann hing angekettet an der Wand. Er musste wohl gehört haben, dass die Gefängnistür sich geöffnet hatte, denn er bäumte sich in seinen Ketten auf. Die Ketten waren jedoch zu stark in der Wand verankert, als dass der Mann sie jemals hätte herausreißen können.
Saurons Mund ging direkt auf den Mann zu.
Der Mensch lallte etwas, doch seine unvollkommene Zunge machte seine Worte unverständlich.
Saurons Mund lächelte. Er legte dem Menschen seine Hand auf die Brust und murmelte einige magische Worte. Von nun an würde der Mensch nicht sterben, bis er den Zauber fallen ließe. Seine Schmerzen würde dieser Zauber jedoch nicht verringern.
Die Gefängnistür quietschte. Unûar war zurückgekehrt. In der linken Hand hielt er ein frisch geschliffenes Messer, in der Rechten einige Ketten mit, der winzig kleine Klingen mit eingeflochten waren. Wieder musste Saurons Mund lächeln. Unûar würde ihm ein grandioses Schauspiel bieten.
Als Unûar sein Werk vollendet hatte, hing das Fleisch des Menschen nur noch in Fetzen von seinen Knochen. Unûar hatte alles genau so gemacht, wie Saurons Mund es ihn gelehrt hatte. Zuerst hatte er die Ketten so fest um die Gliedmaßen des Mannes geschlungen, dass sich die Klingen tief ins Fleisch gebohrt und das Blut abgesperrt hatten. Dann hatte er mit dem Messer das Fleisch des Menschen zerteilt. Dies hatte er jedoch nicht willkürlich getan, sondern äußerst professionell. Saurons Mund war zufrieden.
Der angekettete Mensch hätte schon längst tot sein müssen, doch durch den Zauber war die Seele des Mannes in seinem Körper gefangen. Er schrie aus Leibeskräften, seine Beherrschung war längst vergessen. Saurons Mund war sich jedoch nicht sicher, ob die Schreie des Menschen Schmerzensschreie oder Beleidigungen waren, die unvollkommene Zunge des Mannes machte jedes seiner Worte unverständlich. Am Gesicht des Mannes konnte er auch nichts ablesen, es war ja nicht mehr da.
„Schneide ihm die Kehle durch“, befahl Saurons Mund Unûar.
Khamul:
Kapitel 10 - Hauptfigur Khamûl kehrt zurück:
Ein Anderer kommt
Khamûl stemmte sich mit all seiner Kraft gegen den Fels. Endlich tat sich ein kleiner Spalt auf, durch den er hindurchschlüpfen konnte. Unendlich langsam zwängte sich Khamûl durch den Spalt in der erstarrten Lava, in welcher er gefangen gehalten worden war. Er wusste nicht genau, wie lange er schon da drinnen gewesen war, er hatte im Fels sein Zeitgefühl verloren.
Endlich hatte sich Khamûl aus der erstarrten Lava befreit. Er blickte über das Schwarze Land. Nichts war so geblieben, wie es einst gewesen war. Von den Heerlagern der Orks war nichts als Staub geblieben und die Festungen Saurons lagen in Trümmern. Khamûl blickte in die Richtung des Barad-Dûr und des Schicksalsberges. Was ihm sofort ins Auge stach war – Nichts! Vom Barad-Dûr war nur noch ein kleiner Haufen Schutt geblieben, und der Schicksalsberg war erloschen. Die Menschen hatten also gesiegt, Sauron war demnach tot.
Khamûl spürte Wut und Zorn in sich aufsteigen. Er hätte den Einen Ring noch retten und Sauron bringen können, wäre er nur etwas schneller gewesen. Der Eine Ring hatte stattdessen seine verbliebene Macht auf den sterbenden Khamûl übertragen. Warum, das war dem Nazgûl ein Rätsel. Er hätte den Einen Ring retten und zu Sauron bringen sollen. Der dunkle Gebieter hätte die Menschen bestimmt im Alleingang besiegen können, darin war Khamûl sich sicher.
Ein Geräusch ließ Khamûl jäh aus seinen Gedanken aufschrecken. Nicht weit von ihm entfernt kletterten einige Orks ziemlich ungeschickt die Schattenberge hinunter. Khamûl bewegte sich auf die Orks zu, welche ihn nicht zu sehen schienen. Warum sollten sie auch? Er war gestaltlos, ein Schatten, ein Geist! Wie sollte man ihn sehen können? Es waren immer nur die Rüstung und die schwarzen Stoffe gewesen, die ihm und den anderen Nazgûl Gestalt gegeben hatten! Die Gestaltlosigkeit hatte ja auch einige Vorteile. Er konnte sich viel schneller bewegen als andere Wesen, und in voller Ritterrüstung war seine Bewegungsfreiheit nicht so eingeschränkt wie bei anderen Wesen.
So erreichte Khamûl die Orks, als sie gerade am Boden angelangt waren. „Wer ist euer Anführer?“, flüsterte er einem der Orks zu. Dieser machte erschrocken einen Satz nach hinten und zog seinen Säbel. Die anderen Orks lachten über ihren Kameraden. Da erhob Khamûl seine Stimme, sodass alle Orks ihn hören konnten: „Ja, lacht nur über ihn! Er weiß wenigstens, wann ihm Gefahr droht!“ Nun zogen auch die anderen Orks ihre Säbel.
„Habt ihr Angst vor mir?“
Die Orks stellten sich mit dem Rücken zur Gebirgswand. Sie wirkten sichtlich verunsichert. Khamûl sah, dass der hinterste Ork einen Tragebeutel trug, aus dem ein Schwertgriff hervorragte. Binnen eines Herzschlags hatte er sich des Schwertes schon bemächtigt und stand wieder an seinem ursprünglichen Platz. Der Ork, dem Khamûl zugeflüstert hatte, knurrte in seine Richtung: „Was für ein Geist bist du und was für Späße treibst du mit uns?“ Khamûl musste lachen.
„Ich bin Khamûl, der zweithöchste der Neun.“
„Du lügst!“
„Wie kommt es dann, dass mich kein einziger von euch sieht?“
Die anderen Orks wichen zurück, doch sein Gesprächspartner schien dies nicht einmal zu merken. Der Ork sprang mit einem wilden Schrei nach Vorne. Kreischend schlug Stahl auf Stahl. Nun war Khamûl am Zug. Sein Schwert beschrieb einen blitzenden Bogen. Der Ork schaffte es zwar gerade noch, seinen Säbel zur Parade zu erheben, doch als die beiden Waffen aufeinander schlugen, zerbarst der Säbel des Orks.
Wütend starrte der Ork auf den Griff seines Säbels. „Du bist ein guter Fechter, Geist.“
„Bist du jetzt bereit, mir zu glauben?“
„Stirb, Geist!!“ Der Ork hatte einen Dolch gezogen und stach damit in Khamûls Richtung. Khamûl machte keine Anstalten, den Stich zu parieren, der Ork stach direkt durch ihn durch, doch er fühlte keinen Schmerz. Im Gegenteil, der Dolch des Orks schmolz dahin, als wäre er aus Butter. Khamûl war zufrieden, er hatte nichts von seiner Macht verloren. Jetzt erst fiel ihm auf, wie leichtfertig er den Stich des Orks durchgelassen hatte. Hätte er keine Macht mehr gehabt, hätte der Dolch ihn wohl getötet.
Dem Ork stand blankes Entsetzen im Gesicht, er schien nicht so recht zu wissen, was gerade passier war. Einer der anderen Orks ging auf Khamûl zu. Er war groß und stämmig, außerdem trug er als Einziger dieser Orks einen Helm. Der Ork grunzte Khamûls Gesprächspartner einen Befehl auf Orkisch, den Khamûl kaum verstand, zu. Dann wandte er sich an Khamûl: „Wenn du wirklich der Schattenreiter Khamûl bist, dann sag mir, wo die anderen Schattenreiter sind und was mit IHM ist.“
„Der dunkle Gebieter ist tot, ebenso wie die anderen acht Ringgeister.“
„Wie kommt es dann, dass du noch lebst?“ Der Orkhäuptling hielt seine riesige Axt zum Angriff bereit.
„Dass weiß ich selbst nicht“, musste Khamûl gestehen: „Ich glaube, der Eine Ring ist der Grund, warum ich überlebt habe.“
Der Ork blickte finster drein. „Ich glaube dir nicht.“
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