Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Gortharia

In den Straßen von Gortharia

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Curanthor:
Dragan und Anastia aus ihrem Versteck

Dragan verlangsamte seine Schritte nicht und stürmte durch die Straßen von Gortharia, wärend Anastia stellenweise laufen musste. "Wenn du das als unauffällig bezeichnest, bist du eindeutig betrunken", keuchte sie und zog ihn an der Schulter, "Jetzt gehen wir erstmal schön langsam und überlegen, was wir machen werden."
Er blickte sie gehetzt an und sah sich um, schließlich beruhigte er sich und wollte gerade weitergehen, als er mit einem Kerl zusammenstieß. "Pass auf wo du hintrampelst.", blaffte der Hühne und Dragan machte eine ausweichende Bewegung.
"Was sollte das denn schon wieder?", zischte Anastia und zog ihn in eine dunkle Ecke.
"Was denn? Ich habe doch was ich wollte," er zeigte ihr ein Laib Brot und biss hinein, "Ischt gud", sagte er kauend und stopfte sich den Rest in den Mund.
"Besonders wenn man nichts bezahlen muss hmm?", fragte Anastia und schüttelte nur den Kopf.
"Hör auf zu nörgeln und komm her." Dragan sah sich kurz um und sprang schließlich auf eine kleine Mauer und zog sich dann an einem Holzverschlag hoch. Nach einer kleinen Kletterstunde (er musste Anastia dreimal hochziehen) standen sie schließlich auf einem der vielen Dächer. Der Ausblick half ihm nicht sonderlich, doch Anastia deutete irgendwo auf einen Punkt in der Stadt.
"Dort ist irgendwo ein Gasthaus, von dem ich weiß, dass dort hin und wieder einige unserer Informanten ein und ausgehen. Außerdem treffen sich ein paar Söldner dort gerne, weswegen man einigermaßen sicher ist."
Der Fürstensohn drehte sich ungehalten zu ihr um, eine steile Falte erschien auf seiner Stirn und Anastia rüstete sich für ein weiteren Wutanfall.
"Gut, du kennst dich hier aus. Geh vor", sagte er überraschend und half ihr von dem Dach herabzuklettern. Bei dem letzten Vorsprung öffnete er die Arme, sodass sie an ihm herunterglitt. Mit einem Grinsen verbiss er sich einen anzüglichen Kommentar und lief hinter ihr her. Nach einigen Straßen voller Menschen machten sie in einer etwas abgelegeneren Seitegasse eine Pause.
"Was ist denn?", fragte er ungehalten und scharrte ungedulig mit den Füßen.
"Ich glaube, wir waren länger als nur eine Nacht dort unten", sagte Anastia nachdenklich, während sich auf Dragans Gesicht ein anzügliches Grinsen legte, "Ist das dein Ernst?", fragte sie mit roten Kopf und schnaubte.
"Wenn es darum geht, scherze ich nie.", antwortete er und prüfte den Sitz seiner Waffen in seiner Kleidung, "Genug davon, was schätzt du, wie lange haben wir dort verbracht?"
"Schwer zu sagen, vielleicht einige Tage und Nächte? Dort untengab es keinen Luftzugang und wir hatten Glück, dass wir nicht erstickt sind." Ihre Stimme klang gleichgültig, was Dragan mit einem skeptischen Stirnrunzeln zur Kenntniss nahm. Sie ergriff seine Hand und zog ihn wieder zurück auf die Hauptstraße. "Was soll das werden? Eine Verführung?", fragte er und gab langsam nach.
"Nein, nur als Liebespaar fallen wir weniger auf.", antwortete sie mit einem Seufzen und zog heftiger an seinem Arm, "Nun beweg dich, sonst verpassen wir den Kontakt."
"Aha, du weiß also doch mehr als du sagst", stellte er mit gespielter Empörung fest und lief mit ihr gemeinsam auf der Hauptstraße, "Dabei dachte ich, dass ich der Einzige bin der Geheimnisse hat."
"Kannst du mal aufhören ständig zu brabbeln?", fragte Anastia etwas entnervt, was Dragan mit einem belustigten Prusten beantwortete. Schweigend und schmunzelnd lief er mit ihr weiter durch die Straßen, bis sie an einer Kreuzung stehen blieb. Die Sonne senkte sich bereits tief dem Horizont entgegen und Dragan ahnte, dass Anastia einen großen Umweg genommen hatte. Sie blickte sich rasch um und zog ihn in eine enge Gasse, die hinter den Gebäuden an der Hauptstraße entlangführte. Es roch abstoßend und alles war mit Gerümpel vollgestellt. Große Leinentücher, die zwischen die Gebäude gespannt waren, spendeten in der Mittagshitze etwas Schutz vor der Sonne. An einer unscheinbaren Hintertür kramte Anastia einen Schlüssel hervor und schloss auf. Etwas grob stieß sie ihn in einen Lagerraum und stolperte unbeholfen hinterher. Er fing sie gerade noch rechtzeitig auf, wobei sie sich sehr nahe kamen. Dragan räusperte sich und schob sie ein wenig auf Abstand. "Wo sind wir?", fragte er interessiert und sah sich in der Abstelltkammer um, die von einer einzelnen Funzel erleuchtet wurde.
"Das ist mein Reich.", antwortete sie grinsend und schmiss den Mantel weg, "Willkommen in der Taverne "Zum einbeinigen Zweibein"."
Dragan konnte nicht anders und lachte lauthals los und amüsierte sich köstlich über den Namen.

Dragan und Anastia zur Taverne "Zum einbeinigen Zweibein"

Verlinkung ergänzt

Eandril:
Milva aus Tianas Taverne

"Wo bleibt sie nur?", murmelte Milva ungeduldig vor sich hin. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, und sie war froh über den Schatten, den das Haus hinter ihr warf. Neben ihr lehnte Aivari deutlich gelassener an der Hauswand, und rauchte eine kleine Pfeife.
"Sie wird schon kommen", erwiderte der Zwerg. "Und wenn nicht, gehen wir eben wieder."
Milva musste lächeln. Obwohl sie Aivari nicht lange kannte, übte die Gegenwart des Zwerges sich beruhigend auf sie aus. Sie rieb sich über die Stirn um die leichten Kopfschmerzen zu vertreiben, die sie bereits den ganzen Morgen lang plagten - sie hätte am Abend zuvor weniger trinken sollen.
"Ihr habt recht, ich sollte mir weniger Gedanken machen", meinte sie. Doch es fiel ihr schwer, denn die ganze Situation, die Stadt, die Geheimnisse, ihr eigentlich erfüllter Auftrag, ließen die Gedanken in ihrem Kopf hin und her schwirren wie einen Schwarm Mücken. Einerseits sehnte Milva sich nach der Ruhe und Einsamkeit der Wildnis am Carnen, doch andererseits... war Gortharia irgendwie aufregend, und in ihr regte sich eine große Neugierde, die sie so nicht an sich gekannt hatte.
Nach einem Moment einvernehmlichen Schweigens sagte sie: "Ich bin froh, dass ich euch getroffen habe, Aivari." Der Zwerg hob eine buschige Augenbraue, doch als sie nicht weiter sprach entgegnete er: "Nun, das bin ich ebenfalls - ohne euch hätten uns diese Kerle auf dem Weg hierher deutlich größere Schwierigkeiten bereitet."
"Und ich wäre ohne eure Hilfe wahrscheinlich rettungslos verloren in dieser Stadt", sagte Milva ein wenig zaghaft. "Also... wäre es in Ordnung, euch einen Freund zu nennen?"

"In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns bereits gegenseitig aus dem Schlamassel gezogen haben, spricht für mich nichts dagegen.“, gab Aivari kühl zurück und nahm noch einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife. Das Kraut, das man hierzulande rauchte, war deftig und verströmte einen eher würzig-herzhaften Geruch. Aivari hatte die Zeit genutzt eine neue Pfeife und Kraut zu erwerben, nachdem ihm die alte Pfeife östlich des Nebelgebirges von den Waldläufern entwendet worden war.
Es war ihm nie leicht gefallen „Freundschaften“ zu schließen, vor allem unter seinesgleichen, doch Milva hatte sich diese Bezeichnung einigermaßen verdient, wie er befand.

"Ich will jetzt wirklich wissen, was es mit diesen Geheimbünden und so auf sich hat", gab Milva plötzlich zu. Es war jedoch nicht Aivari, der antwortete, sondern Ryltha, die mit einem Mal neben ihnen an der Hauswand lehnte. "Dann hast du jetzt die Gelegenheit, es zu erfahren." Milva zuckte zusammen, denn trotz ihrer jahrelangen Erfahrung mit der Jagd und dem Verstecken vor fürstlichen Soldaten hatte sie die Kommandantin nicht kommen hören. Auch Aivari wirkte milde überrascht, zeigte es jedoch weniger deutlich.
"Wenn ihr an unserer Seite kämpfen wollt, müsst ihr immer Augen und Ohren offen halten", fuhr Ryltha mit leichtem Tadel an beide gerichtet fort. "Da ihr beide hier seid, scheint ihr es euch nicht anders überlegt zu haben. Ich gebe euch jetzt eine letzte Gelegenheit zu gehen, und wenn nicht... habt ihr euch entschieden."
Milva wechselte einen raschen Blick mit Aivari, und beide nickten. Ryltha wirkte zufrieden. "Also schön. Folgt mir, denn dies ist nicht der richtige Ort um solche Sachen wirklich zu besprechen."
Sie führte Milva und Aivari schnellen Schrittes durch die Straßen von Gortharia, die immer schmaler und verwinkelter waren, je weiter sie kamen. Schließlich erreichten sie eine unscheinbare Tür. Ryltha zog einen kleinen Schlüssel aus der Tasche, öffnete damit die Tür und nacheinander traten sie in einen kleinen Raum, in dem es nichts gab außer einigen in Halterungen an der Wand hängenden Fackeln und einer geradewegs nach unten führenden Treppe. Ryltha zog eine der Fackeln aus ihrer Halterung, entzündete sie und begann die Treppe hinunter zu steigen, wobei sie Milva und Aivari bedeutete, ihr zu folgen. Unwillkürlich lief Milva ein Schauer über den Rücken, denn Höhlen, Tunnel und Verließe hatte sie noch nie gemocht. Sie hatte immer den Eindruck, was auch immer über ihr war, würde jeden Moment herunterkommen und sie erdrücken, und sofort vermisste sie den freien Himmel.
Am unteren Ende der Treppe blieb Ryltha stehen und sagte: "Willkommen im Untergrund von Gortharia." Und an Aivari gewandt fügte sie hinzu: "Ich schätze ein Zwerg dürfte sich hier besonders wohlfühlen."
“Ihr habt keinen gewöhnlichen Zwerg vor euch, Herrin.“, erwiderte Aivari etwas verdrießlich.
“Lasst mich Euch einfach sagen, dass ich es bevorzugen würde schnellstmöglich wieder den offenen Himmel über dem Kopf zu haben. Ich lade euch jedoch herzlich auf eine Reise nach Khazad-Dûm ein, falls ihr davon gehört haben solltet. Danach würde ich euch gerne fragen, ob ihr noch Wohlgefallen an Höhlen und tiefen Schächten findet.“
Der Zwerg musste etwas lachen, als er einen Hauch von Entzücken, aber auch einen Funken Erstaunen über Rylthas fackelbeschienenes Gesicht huschen sah.
Was erwartete sie denn von einem Zwerg, der sich hunderte Meilen weit vom nächsten Zwergengebirge ausgerechnet im tiefsten Rhûn aufhielt? Etwa normales Verhalten?
“Mein erster Eindruck hat mich natürlich nicht getäuscht.“, gab sie dann jedoch etwas prahlend zurück. “Ihr seid ein sehr eigener Charakter. Das gefällt mir.“

Mit einer Geste bedeutete Ryltha ihnen erneut, ihr zu folgen. Ihr Weg führte sie tief durch die Katakomben, wobei Ryltha sich ziemlich gut auszukennen schien und den merkwürdigen Zeichen, die offenbar eine Art System aus Wegweisern darstellte, kaum eine Beachtung schenkte. Sie kamen durch Gänge, die direkt in den Fels geschlagen zu sein schienen, durch solche, die mit Holz ausgekleidet und gestützt waren, mal bestanden die Wände und Decken aus Erde und mal aus gemauerten Steinen.
"Das ist ja wie eine zweite Stadt", sagte Milva leise und unbehaglich. Sie fragte sich insgeheim, ob sie diese Tunnel jemals wieder verlassen würde, oder ob es ihr bestimmt war, hier unten zu sterben - in der Finsternis. "Zwerge leben doch ebenfalls in unterirdischen Hallen, sieht es in eurer Heimat so ähnlich aus?", fragte sie an Aivari gewandt.
"Nun, das ist als ob man das grob behauene, aus der Form geratene Metallstück eines Dorfschmiedes aus Bree mit dem meisterlich formvollendeten Kunstwerk eines alten Zwergenfabers aus den Blauen Bergen vergleicht, werte Milva.“, gab er in gespielter Ernsthaftigkeit zurück, obwohl er sich in seinem Zwergenstolz einer gewissen Ehrverletzung durch diesen Vergleich tatsächlich nicht entziehen konnte.
"Einige Abschnitte dieser Gänge weisen ohne Zweifel sehr alte Kunstfertigkeit auf, aber sie sind doch größtenteils sehr verfallen und die Bemühungen sie zu erhalten scheinen mir recht halbherzig. Schickt ein halbes Dutzend Zwerge hier hinab und ihr müsstet sicher nicht fürchten, dass euch jeden Augenblick die Decke auf den Kopf fällt. Und das hört ihr von einem, der sich vor nicht allzu vielen Monden noch in Moria aufgehalten hat. Zwergenbauten halten sich Jahrtausende, selbst wenn sie von Orks und Geschöpfen besudelt wurden, die man sich nicht ausmalen mag.“
Aivari hatte zwar bei sich selbst nie die selbe Begeisterung für Minen, Stollen, Gänge und Hallen entfachen können wie die meisten anderen aus seinem Volke, doch ein gewisses Grundwissen entbehrte sich niemandem aus den sieben Zwergenvölkern.

Schließlich erreichten sie eine Wendeltreppe, die noch tiefer in den Untergrund zu führen schien, doch Ryltha betrat die Stufen nicht sondern trat durch eine kaum sichtbare Öffnung zur Linken der Treppe. Für einen Augenblick verspürte Milva den merkwürdigen Drang, die Treppe hinunter zu gehen, zu erkunden, was dort unten war. Doch dann schüttelte sie den Kopf, vertrieb die Gedanken und folgte Ryltha und Aivari, die bereits ein paar Schritte voraus waren.
Dummes Mädchen, was hast du dir dabei gedacht.
Am Ende des schmalen Ganges erreichten sie eine weitere hölzerne Tür, hinter der eine größere, mit Holz ausgekleidete Kammer lag. Der Raum wurde von mehreren Fackeln erhellt, und es gab einen langgezogenen Tisch mit mehreren Stühlen. Ryltha steckte ihre Fackel in eine leere Halterung, ließ sich am Kopfende des Tisches nieder, und sagte: "Bitte, setzt euch. Es wird Zeit, dass wir ein wenig über euch sprechen."
Sobald Milva der Aufforderung Folge geleistet hatte, fragte Ryltha: "Also, was führt eine einfache Jägerin aus Dorwinion nach Gortharia und bringt sie dazu, sich einem Geheimbund anzuschließen?"
"Ich... hatte einen Auftrag", begann Milva langsam und ein wenig unsicher. Die ganze Situation erinnerte sie unangenehm an die Verhöre, die die Soldaten des Fürsten in ihrer Heimat geführt hatten - und wer dort die falschen Antworten gegeben hatte, hatte die Kaserne selten lebendig verlassen. Und wenn, dann meistens nicht mehr im Besitz aller Gliedmaßen. "Eigentlich kann ich euch den Auftrag nicht verraten, aber wenn ihr mit Cyneric gesprochen habt, wisst ihr vermutlich eh Bescheid", sagte sie, und Ryltha lächelte ein wenig triumphierend. "Allerdings", bestätigte sie Milvas Vermutung. "Und wie ich sehe, kannst du durchaus Geheimnisse bewahren und deinen Verstand ein wenig benutzen - gut. Und jetzt sag mir, was dich dazu bringt, dich uns anschließen zu wollen." Ihre Stimme war freundlich, doch ihr Blick schien Milva zu durchbohren, hart und forschend. Zum wiederholten Mal fragte Milva sich, was sie hier eigentlich tat, während sie antwortete: "Ich mag nicht besonders gebildet sein - oder klug, wer weiß - aber ich kann sehen und beobachten. Und ich sehe, wie die Menschen in meiner Heimat behandelt werden. Sie sind arm, hungern, und wenn sie auch nur ein Kaninchen fangen werden sie mitgenommen und verprügelt - wenn sie Glück haben."
Ich hab dich sehr lieb, meine Kleine hatte ihr Vater gesagt, und dann gehustet. Hinterher war sein Ärmel rot vom Blut gewesen.
"Und andere - Zwerge, Elben - sind früher Freunde gewesen, doch jetzt plötzlich nicht mehr. Manchmal werden sie sogar gejagt, wenn sie gesehen werden. Und die, die sie beschützen..." Sie hob den Kopf, sodass die runde Narbe um ihren Hals sichtbar wurde. "... hängt man an den nächstbesten Baum. Und ich seh', was der Grund dafür ist. Die Fürsten, der König, und der Krieg. Ihr wollt die Fürsten und dann den König beseitigen. und wenn die beseitigt sind, ist vielleicht auch der Krieg vorüber." Sie verstummte und blickte Ryltha herausfordernd an, doch die Kommandantin erwiderte nichts und lächelte nur.
Dann wandte sie sich an Aivari: "Nun seid ihr an der Reihe - was führt euch hierher und, viel wichtiger, was führt euch zu uns?"

"Ich fürchte da muss ich mich wiederholen.“, erwiderte Aivari und spielte auf ihr kurzes Gespräch im Gasthaus an. „Frau Inari führte mich hier her, und da ihr mir bereits mitgeteilt habt, dass sie Teil eurer Rekrutierten ist, wisst ihr vielleicht besser als ich, warum ich hier bin. Was meine Motivation angeht euch zu helfen... ich habe einen guten Teil meines Lebens damit verbracht mich mit feindseligen Menschen aus Rhûn zu bekriegen und da schien es mir wie eine spöttische Wendung des Schicksals, das ich nun auf diese Weise dem Unrecht entgegenwirken kann, dass den friedvollen Menschen in diesem Land zufällt. Doch mein wesentlicher Ansporn gilt Frau Inari, das solltet ihr wissen. Ich verdanke ihr mein Leben und noch weit mehr, in vielerlei Hinsicht."
Aivari hielt sich bewusst etwas bedeckt, schließlich war Ryltha auch nicht gerade dafür bekannt mit der Tür ins Haus zu fallen. Und vermutlich hatte Inari ihr bereits einiges mehr offenbart. Er hoffte sie sehr bald wiederzusehen.
Ryltha lächelte zur Antwort. "Ihr wirkt weniger leidenschaftlich als die gute Milva hier, aber ihr sagt mir die Wahrheit und redet mir nicht nach dem Mund. Außerdem verstrickt ihr euch nicht in Widersprüchen, was ebenfalls für euch spricht. Und nun weiß ich, woran ich bei euch bin, das schätze ich." Sie klatschte in die Hände, und ein Mann in einfacher Kleidung betrat den Raum.
"Bringt Aivari zu seiner Gefährtin Inari. Und für den Moment..." Sie wandte sich wieder Milva und Aivari zu. "Willkommen bei den Schattenläufern."

Milva und Ryltha zum Königspalast

Curanthor:
Dragan von der Taverne "Zum einbeinigen Zweibein" + Tiana und Kenshin

Der nächste Morgen war recht unspektakulär gewesen, denn Dragan hatte bis in den Nachmittag geschlafen. Im Schankraum der Taverne hattte er Kenshin abgeholt, der erneut mit einem Becher Tee vor der Nase auf ihn wartete. Beim Verlassen der Taverne schloss sich Tiana ihnen an, die Dragan zuzwinkerte. Sie hatte ihre Kleidung vom Vortag an, sowie einen Umhang, der sie unkenntlich machte. Als sie vor der Taverne standen, fragte sie: "Und was habt ihr jetzt vor?" Dabei blickte sie sich suchend um.
"Das müsstest du mir sagen, wo geht es zu den Verließen?", antwortete Dragan und versicherte sich, dass er seine Waffen dabei hatte.
"Ho, langsam! Erstmal müssen wir ein paar Bekannte treffen, die nicht gerne neue Leute kennenlernen" Tiana blickte sich rasch um und schlug den Weg in eine der vielen Nebengassen ein. Kenshin wartete einen Moment und folgte mit einem größeren Abstand, da seine Gestalt zu viele Blicke auf sich zog. Dragan war erleichtert, dass er ihm nicht alles ins kleinste Detail befehlen musste. Vereinzelt waren Bewohner in den Gassen, die entweder Kisten stapelten oder die großen Leinentücher zwischen die Häuser spannten. Sie nahmen kaum Notiz von ihnen. Tiana schien sich bestens auszukennen, denn sie führte sie zielsicher durch die Gassen. Nach unzähligen Biegungen und einigen Abkürzungen stellten sie fest, dass Kenshin nicht mehr hinter ihnen lief. Dragan fragte, wo er abgeblieben sei, doch Tiana schüttele nur den Kopf und zuckte mit den Schultern.
"Toll, da hat man schon einen guten Krieger und dann verschwindet er einfach," Er trat gegen einer der Holzkisten, die sich ganz und gar nicht leer anhörte. "Was zum..."
Im nächsten Augenblick warf sich Tiana mit voller Wucht gegen ihn. Über ihn schlug ein Dolch in die Wand und blieb zitternd stecken.
"Lauf", rief seine Retterin und zog ihn sofort auf die Beine. Gemeinsam rannte sie durch die engen Gassen, sprangen über Kisten und Bretter hinweg, wichen anderen Leuten aus. Verzeinteltschlugen Dolche hinter ihnen ein oder flogen über ihre Köpfe hinweg. Keuchend rannte Dragan über eine belebte Hauptstraße und blickte rasch zurück. Die in Schwarz und Weiß gekleideten Gestalten sprangen von Dach zu Dach, einige sogar über die Hauptstraße hinweg. Er fluchte und wich einer Kiste aus, über die er fast gestolperte wäre. Das Hindernis wurde aber einem seiner Verfolger zum Verhängnis, der laut polternd darüber flog und in einem Stapel Obst landete. Dragan lachte und bog mit Tiana in einer Seitentraße ein, keuchend wurde sie etwas langsamer. Vor ihnen war es ruhig und wenig Leute auf der Straße, trotzdem liefen sie weiter. Dragans Beine begannen etwas zu ziehen, doch er biss die Zähne zusammen. "Was sind das für Kerle?", stieß er gepresster hervor und schlug Haken, als hinter ihnen ein Dolch auf das Pflaster klirrte.
"Die von Letztens", antwortete Tiana hastig. Ihre Augen kniffen sich zusammen, woraufhin sie einen Satz in die Luft machte und sich dabei drehte. Ein metallenes Blitzen verließ ihre Ärmel. Polternd fiel einer der Verfolger vom Dach und schlug auf das Pflaster auf.  Dragan wollte schon lachend eine Schmähung rufen, doch blieb ihm die Wörter im Halse stecken. Die Nebenstraße, die sich vor ihnen in zwei Gassen aufteilte war von drei vermummten Gestalten versperrt. Die in der Mitte trug einen Krummsäbel. Ihre Verfolger stoppten ihre Wurfangriffe und kletterten von den Häusern auf die Straße.
"Euer Weg endet hier, Anastia", sagte der Kerl mit dem Krummsäbel, denn anhand der Stimme bemerkte Dragan, dass es ein Mann war.
Die Gestalt, die rechts von dem Mann stand zog einen Dolch und deutete auf Dragan.
"Und wer ist das? Ein Neuer Eures Zirkels?", fragte der Mann mit dem Krummsäbel, der gerade seine Schultern durchrollte.
Dragan betastete im Inneren seiner Handschuhe die Wurfdarts, die er dort versteckt hatte. Aus den Augenwinkel sah er, dass sie von acht Gestalten verfolgt wurden. Alle in schwarz-weiße Roben gehüllt, einen dunkelroten Turban und mit Silber bestickten Halstüchern, die sie bis zu der Nase hochgezogen hatten. Das sind also die Meuchler des Königs, dachte sich Dragan und ließ beiläufig seine Hand in seinem Oberteil verschwinden.
Tiana schwieg eine ganze Weile lang, während die Attentäter sie aufmerksam beobachteten, dabei bemerkte sie nicht, dass auf den Dächern sich einige Schatten erhoben hatten. Tiana grinste und machte einen raschen Schritt zur Seite, während sie Dragan mitzog. Gleichzeitg sprangen sechs Gestalten in schwarzen Umhängen von den Dächern und stachen auf die Attentäter des Königs ein. Während Dragan zur Seite gezogen wurde, spürte er einen Schmerz am rechten Arm. Ächzend rollte er sich ab und zog dabei einen seiner Darts aus dem Handschuh. Ein heftiger Kampf entbrannte zwischen den jeweils verhüllten Gestalten. Waffengeklirr hallte durch die Straße und man sah deutlich, dass die Attentäter des Königs deutlich besser waren. Zwei der Verbündeten lagen bereits mit aufgeschnittener Kehle am Boden. Gleichzeitig schritten die drei Kerle auf sie zu, der Mann mit dem Krummschwert voran. Dragan holte kurz Luft und warf seinen Dart, einer der beiden Begleiter des Mannes stürmte vor und warf sich in die Wurfbahn. Das Geschoss bohrte sich durch die Kleidung und blieb im Brustkorb stecken. "Arsch", fluchte der Fürstensohn und tastete nach seinem Zirrat."
"Euer Begleiter scheint mir nicht gerade schlau zu sein", provizierte der Mann mit dem Krummschwert und holte aus, doch Tiana trat ihm vors Schienbein und machte einen Schritt zur Seite. Mit einem Dolch in der Hand lieferte sie sich ein erbittertes Duell, das ihr Geger durch sein langes Schwert dominierte. Die zwei Begleiter des Anführers stürmten nun auf Dragan zu und zogen jeweils zwei Dolche.
"Kommt her, ihr feigen Hunde!", rief er und zog seinen Zirrat. Der Hammer in der Rechten und den Dolch in der Linken, fing er beide Schläge ab und machte einen raschen Schritt zur Seite, und wich einem folgenden Hieb aus.
"Weicht nicht zurück, feiger Kerl", zischte eine der Vermummten und Dragan erkannte, dass es eine Frau war. Ihr Kampfgefährte dagegen schwieg und griff sich an die Brust. Dragan trat mit aller Kraft der Frau zwischen die Beine und ließ den Hammer auf ihren Hinterkopf fahren, als sie sich schmerzhaft nach vorn beugte. Betäubt fiel sie zu Boden. Er wandte sich zu den Kerl der zuvor seinen Dart abgefangen hatte. "Was... war", stieß der Mann hervor, der sich nun windend am Boden befand, die Hand stets an der Brust. Dragan schenkte ihm keine weitere Aufmerksamkeit, da er wusste, dass der Kerl keine zwei Herzschläge mehr überleben würde. Rasch blickte er sich um, die Verbündeten Assassinen waren nur noch zu viert, gegen sechs der erfahrenen Attentäter. Letztere waren gnadenlos und verziehen keine Fehler in der Deckung. Es klirrte und Tiana fluchte. Dragan wandte den Kopf und ihr Dolch schlitterte über den Boden. Der Anführer der Attentäter bedrohte sie mit dem Schwert am Hals. "Euch nehme ich mit als Trophäe, genau wie den Rest eurer jämmerlichen Bande, die bei uns schon einsitzt." Dragan wollte losstürmen und ihr helfen, doch einer der verbündeten Assassinen kam ihm zuvor. Obwohl ihre Kleidung in Fetzen hing, sprang die verhüllte Gestalt nach vorn und fing das Krummschwert ab. Der Anführer grunzte unzufrieden und schlug der neuen Gegnerin ins Gesicht und riss ihr dabei das Halstuch herunter. Als diese zurücktaumelte, beschrieb das Schwert einen blitzenden Bogen. Schreiend ging die Frau zu Boden und hielt sich den Bauch, aus dem Blut quoll. Dragan wandte den Blick ab um nicht noch mehr zu sehen. Tiana nutzte das Zeitfenster und rammte den Anführer mit der Schulter zur Seite, da er über ihren Dolch stand. Der Mann reagierte unheimlich schnell und ließ seine Faust an ihre Schläfe krachen. Lautlos brach Tiana zusammen, einer der Attentäter kam auf Dragan zugestürmt, der nun zwei Darts in den Händen hielt. Wütend schleuderte er den Ersten, der dem kleinen Geschoss auswich, dabei aber im Blut der Frau ausrutschte, die sein Anführer zuvor getötet hatte. Dragan ergriff die Chance und warf ihm einen Dart mit voller Wucht ins Auge. Mit einem Kreischen griff der Mann, so hörte Dragan es heraus, sich ins Gesicht und ging zu Boden. Sein Blick ging kurz zu Boden, wo er einen Schatten hinter sich sah. Ein lautes Klirren ließ ihn herumfahren. Der Anführer des Trupps von Attentätern blickte hasserfüllt zu Seite. Zu Dragans Überraschung stand dort Kenshin. Der Krieger hielt seine Naginata in der Einen und sein Katana in der anderen Hand.
"Verzeiht meine Verspätung, ich habe mich verlaufen,", sagte der Krieger und hielt dem Druck des Krummschwerts mit einer Hand stand.
Kenshins Gesicht war hinter einer Dämonenfratze verborgen, seine Stimme klang blechern aber ernst.
"Wer bist du?", fragte der Kerl mit dem Krummschwert, "Ihr seit dieser Ronin..."
"Ich bin ein Ronin aus der Familie Niwa", antwortete Kenshin und legte dem Mann die Klinge des Katana an den Hals, "Sehr erfreut."
Der Anführer knurrte leise. "Niwa... ich werde mir diesen Namen merken." Er hob seine Hand und drückte langsam das Katana zur Seite. Scheinbar trug er gepanzerte Handschuhe unter der weiten Kleidung, denn dabei packte er in die Schneide, woraufhin Kenshin Dragan zunickte. Er machte einen Satz nach vorn und rollte sich ab, gleichzeitig ließ Kenshin das Krummschwert nach vorn fahren. Der Anführer duckte sich unter dem Katana hinweg, das einen blitzenden Bogen beschrieb. Lauernd umkreisten die beiden Männer einander. "Wie ist Euer Name? Ich möchte wissen, wer durch meine Hand stirbt, dafür, dass er meinen Lord angegriffen hat.", fragte Kenshin langsam und Dragan bemerkte, dass dieser sich vor Tiana postiert hatte. Der restliche Kampf in der Straße ging langsam zu Ende, denn die verbündeten Assassinen lagen bis auf einen blutend und sterbend am Boden. Vier der gegnerischen Attentäter lauerten darauf, den letzten Mann zu töten.
"Mich nennt man den Falken", antwortete der Anführer schließlich und nickte Kenshin zu, "Wir sind noch nicht fertig."
Die verbliebenden Feinde hatten in der Zeit den letzten Mann getötet und wollten schon auf Dragan losgehen, der gerade Tiana aufgehoben hatte. Zur seiner Überraschung hob Der Falke die Hand und gab einige Zeichen. Draufhin verteilten sich die verhüllten Attentäter und verschwanden in den Gassen und über die Dächer. Dann zog Der Falke etwas aus seiner Tasche und warf es zu Boden. Dichter Qualm stieg auf und raubte ihnen die Sicht. "Ich hasse die Dinger, " murmelte Tiana, die gerade erwachte. Kurz ließ sie den Blick über das Blutbad schweifen und schüttelte den Kopf. "Lass uns von hier verschwinden", sagte sie und nickte zum Ende der Straße, wo ein Trupp Stadtwachen erschien, "Deswegen hat er sich auch verzogen"
Kenshin half Dragan und stützte Tiana, während er aufmerksam sich umblickte. Hastig eilten sie durch die Gassen um mögliche Verfolger abzuschütteln und kamen schließlich an einer alten Lagerhalle an. Kenshin trat die Tür ein und bettete die Verletzte auf einem wackeligen Tisch. Dragan blieb am Eingang stehen und hielt nach Feinden oder Wachen ausschau.

Dragan, Tiana und Kenshin irgendwo in Gortharia

Eandril:
Milva vom Königspalast

Obwohl ihr der Weg zum Anwesen der Adligen genau beschrieben worden war, schaffte Milva es bereits nach wenigen Minuten, sich erneut zu verirren. Den Weg zurück zum Gasthaus, wo sie noch immer ein Zimmer bewohnte, hatte sie ohne Probleme gefunden und hatte dieses lächerliche Kleid durch ihre gewohnte Kleidung ersetzen können. Und auch der Weg zurück zum Palast, wo Ryltha ihr die Details ihrer Aufgabe verraten hatte, hatte ihr keine Schwierigkeiten bereitet.
Doch nun, auf dem Weg zu ihrem Auftrag, stand sie an einer Straßenkreuzung, an der ihr nichts bekannt vor kam, und an der sie nicht weiter wusste. Sie blickte unsicher von einer der beiden Straßen vor ihr zur anderen, die genau gleich aussahen und auf denen gleich viel Betrieb herrschte.
"Eine von denen muss es ja sein...", murmelte sie leise vor sich hin, und machte kurz entschlossen einen Schritt in Richtung der linken Straße.
"Da werdet ihr nicht ans Ziel kommen", sagte eine männliche Stimme neben ihr, und als Milva herumfuhr sah sie sich dem Mann gegenüber, den sie bereits im Untergrund gesehen hatte, und der offenbar in Diensten der Schattenläufer stand.
"Ich werde nicht gerne beobachtet!", fuhr sie den Mann unfreundlich an, obwohl er möglicherweise ihre einzige Hilfe war. Doch ihr Gegenüber lächelte nur entschuldigend, anstatt sich zu wehren. "Verzeiht, aber es war meine Anweisung euch zu folgen und sicherzustellen, dass ihr sicher an euer Ziel gelangt." Er deutete in Richtung der Straße, die sie gerade hatte nehmen wollen, und fügte hinzu: "Und wenn ihr diesem Weg gefolgt wärt, wärt ihr an alle möglichen Orte gelangt, nur nicht an euer Ziel." Er zeigte die Straße, die Milva gekommen war, zurück.
"Ihr solltet stattdessen zurückgehen und an der nächsten Kreuzung an die ihr kommt, nach links. Dann seht ihr das Anwesen bereits."
"Danke", gab Milva missmutig zurück. "Gebt mir einen unbekannten Wald mit Hügeln und Bächen und allem drum und dran und ich führe euch sicher hindurch, aber das hier... und diese vielen Menschen, wo kommen die überhaupt her?", platzte sie dann heraus, und der Mann lächelte verständnisvoll.
"Viele, die zum ersten Mal in Gortharia sind, haben damit Schwierigkeiten, gewöhnen sich aber daran. Und manche wollen dann nie wieder weg." Milva zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. Das klang doch ein wenig weit hergeholt. "Ich kann mir nicht vorstellen mir jemals zu wünschen, immer hierzubleiben."
"Wer weiß schon, was er sich morgen wünschen wird?", sagte ihr Gegenüber nachdenklich, und schüttelte dann den Kopf. "Nun, so gerne ich auch weiter mit euch plaudern würde, ihr kennt den Weg und mich erwarten andere Pflichten. Lebt wohl."
Er verschwand in der Menge, und Milva fiel auf, dass sie ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte - und sein Gesicht begann in ihrer Erinnerung auch bereits zu verschwimmen. Sie blickte in die Richtung, die er ihr gezeigt hatte, rückte den Bogen aus Særima auf ihrem Rücken zurecht, und setzte sich in Bewegung. Was blieb ihr anderes übrig?

Tatsächlich sah sie nur wenig später ein prunkvolles Anwesen, das von einer hohen Mauer mit Metallspitzen umgeben war, vor sich. Vor dem großen, zweiflügligen Tor, standen zwei Männer in Rüstung mit langen Lanzen Wache. Milva näherte sich ihnen, und sprach den rechten der beiden Wächter schließlich vorsichtig an: "Ist das hier das Anwesen von Herrin, äh..." Der Wächter blickte sie unter seinem Helm heraus misstrauisch an, während Milva fieberhaft nach dem Namen suchte. Sie hatte ihn gewusst, Ryltha hatte ihn ihr gesagt, doch in dieser Stadt, wo überall Lärm, und Bewegung und Menschen waren, schien ihr Gedächtnis nicht wie gewohnt zu funktionieren. "Herrin Velmira!", stieß sie schließlich erleichtert hervor, als ihr der Name wieder einfiel. "Herrin Velmira aus dem Haus Bozhidar."
"Da seid ihr hier richtig", erwiderte der Wächter ein wenig freundlicher. "Was führt euch hierher?"
"Ich habe gehört, die Herrin ist auf der Suche nach einem neuen Jäger für ihr Gefolge", antwortete Milva ein wenig sicherer. "Kann ich mit dem Haushofmeister sprechen?" Instinktiv hätte sie womöglich direkt nach der Herrin selbst gefragt, doch Ryltha hatte ihr eingeschärft, stattdessen zunächst mit dem Haushofmeister, der sich um diese Dinge kümmerte, in Verbindung zu setzen.
Als Antwort öffnete der Wächter eine kleine Tür, die in das Tor eingelassen war, und rief einem weiteren gerüsteten Mann, der dahinter auf einer Bank saß, zu: "He, Bohdan! Führ die Frau zu Meister Czeslav." Und an Milva gewandt fügte er hinzu: "Bitte, tretet ein, und folgt Bohdan. Er wird euch zum Haushofmeister bringen."
Milva lächelte dankbar, und trat durch die Tür in den Innenhof des Anwesens.

Milva zum Anwesen von Haus Bozhidar...

Eandril:
Milva vom Bozhidar-Anwesen

Als es an der Tür klopfte, schreckte Milva im Bett hoch. Zwei Tage waren vergangen, seit sie bei Herrin Velmira vorstellig geworden war, und bislang war es niemandem eingefallen, nach ihr zu rufen. Von den Schattenläufern hatte sie in der Zwischenzeit niemanden gesehen, und Aivari blieb ebenfalls verschwunden, und so fühlte Milva sich einigermaßen einsam. Sie kletterte gähnend aus dem Bett, und zog sich rasch ihre übliche Kleidung über - das Wams aus hellem Hirschleder, das weit am Hals hinauf ging, die ebenfalls hirschlederne Hose und die einfachen aber festen Stiefel. Die Kleidung stammte - die Stiefel ausgenommen - von den Elben des Sternenwaldes, ein Geschenk zum Abschied, und sie saß perfekt und wirkte noch immer kein bisschen abgetragen. Durch Ritzen des kleinen Fensterladens fiel nur fahles Morgenlicht herein, was ihr verriet, dass die Sonne noch nicht richtig aufgegangen war.
Während sie sich anzog, brummte auf der anderen Seite der Tür eine männliche Stimme: "Da ist ein Soldat, der dich sprechen will, Mädchen."
Es war die Stimme des Schuhmachers, in dessen Haus Milva eine vorläufige Unterkunft gefunden hatte. Es war das Zimmer des einzigen Sohnes des alten Ehepaares, der in den Krieg nach Westen gezogen war und niemals heimkehren würde. Ronvid und Ana, so hießen der Schuhmacher und seine Frau, vermieteten sein altes Zimmer um ein wenig Leben in ihrem Haus zu haben und ein wenig zusätzliches Geld zu verdienen, denn Ronvids Laden lag ungünstig und lief nicht allzu gut. Die beiden hatten Milva gleich an ihrem ersten Abend zum Essen dazu geholt, und sie freundlich bewirtet. Sie freuten sich ganz offensichtlich jemanden, der im selben Alter wie ihr Sohn war, im Haus zu haben.
Als Milva fertig angezogen war, öffnete sie die Tür, und stand Ronvid gegenüber. Der Schuhmacher hatte ein Gesicht voller kleiner Fältchen, und dünne graue Haare, doch links und rechts der Hakennase funkelten seine dunklen Augen noch immer lebhaft.
"Ein Verehrer vielleicht?", fragte er zur Begrüßung mit einem Augenzwinkern. "Ein so hübsches Mädchen hat doch sicherlich den ein oder anderen, nicht wahr?"
Milva spürte, wie sie errötete, und antwortet: "Nein, sicher nicht. Ich bin noch nicht lange in der Stadt."
"Das kommt schon mit der Zeit, du wirst es sehen", meinte Ronvid aufmunternd, und trat zur Seite um ihr Platz zu machen. Milva stieg leise die schmale, hölzerne Treppe hinab, denn Ronvid hatte ihr "im Vertrauen" verraten, dass Ana gerne länger schlief, und dabei äußerst ungern gestört wurde. Die Haustür stand ein Stück offen, und ein Mann, der in gelb und grün gerüstet war, lehnte am Türrahmen. Ein Blick auf seine Brust, auf der stolz das Wappen eines aufgerichteten Bären prangte, verriet ihr, dass er zum Gefolge der Herrin Velmira gehören musste, und nach einem weiteren Blick auf sein Gesicht erkannte sie Bohdan, den Wächter der sie zwei Tage zuvor zu Haushofmeister Czeslav geführt hatte.
Sobald er Milva gesehen hatte, sagte der Soldat ohne Umschweife: "Die Herrin Velmira wünscht frischen Rehbraten zum Abendessen. Finde dich in einer halben Stunde am Zwergentor bei den anderen Jägern ein." Milva unterdrückte die Fragen, die ihr durch den Kopf schossen: Warum brauchte man mehrere Jäger, um ein Reh zu erlegen? Wo um alles in der Welt sollten sie in der Nähe Gortharias Rehe finden? Und wo um alles in der Welt war das Zwergentor? Die letzte Frage unterdrückte sie nicht, sondern fragte ein wenig verlegen: "Wo ist das Zwergentor?"
Zu ihrer Erleichterung lachte Bohdan nicht über ihre Unwissenheit - was ihn vermutlich vor einer Ohrfeige rettete - sondern antwortete mit verständnisvollem Lächeln: "Folg dieser Straße geradewegs nach Süden. Wann immer nötig, geh solange nach Westen bis wieder ein Weg nach Norden führst, dann wirst du es schon finden."
Milva bedankte sich und eilte die Treppe wieder hinauf, während Bohdan sich auf den Weg zurück zum Anwesen machte. Als sie Bogen und Köcher aus ihrem Zimmer geholt hatte und sich außerdem den Gürtel mit ihrem Jagdmesser um die Hüften geschnallt hatte, ging sie ebenso leise wie sie gekommen war, wieder ins Erdgeschoss hinunter. Von dem engen Raum, der den Eingangsbereich bildete, gingen nach Norden und Süden zwei Türen ab. Im Süden lag der Raum, der Ronvids kleine Werkstatt und Geschäft beherbergte, und nach Norden ging es in die Küche, die das Paar auch als Wohnbereich nutzte. Über der Küche lag Milvas Zimmer, und gegenüber das Schlafzimmer von Ronvid und Ana. Unterhalb der Treppe gab es noch einen kleinen Verschlag, dessen Boden als einziger um Haus mit Fliesen ausgekleidet war, und der den Bewohnern zum gelegentlichen Waschen diente.
Als Milva in den Eingangsbereich herunterkam, konnte sie Ronvid in der Küche mit Tellern klappern hören, was ihren eigenen Magen knurren ließ. Doch sie hatte keine Zeit etwas zu essen, wenn sie rechtzeitig am Treffpunkt sein wollte, und das war ihre eigene Schuld. Schließlich hatte Czeslav ihr gesagt, dass sie bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang bereit sein sollte, und heute hatte Milva nicht darauf gehört.
"Ein guter erster Eindruck...", murmelte sie vor sich hin, als Ronvid den Kopf zur Küchentür herausstreckte. "Willst du nichts essen, Milva?", fragte er. "Ich könnte sicher schnell etwas auftreiben, ein paar Scheiben Brot, ein wenig Speck..."
Missmutig schüttelte Milva den Kopf. "Nein, keine Zeit. Ich muss so schnell wie möglich los."
Sie hatte ihren Vermietern von ihrer Tätigkeit erzählt, dennoch wirkte Ronvid ein wenig enttäuscht, und Milva stöhnte innerlich auf. Die beiden Alten waren sehr freundlich zu ihr, doch sie konnte es nicht leiden, bemuttert zu werden. Ohne ein weiteres Wort schlüpfte sie zur Tür heraus, überlegte es sich im letzten Moment anders und sagte ein möglichst ehrliches "Danke" über die Schulter zu Ronvid. Dann ging sie um das Haus herum in einen kleinen verwahrlosten Hinterhof wo sie ihr Pferd angebunden hatte, und machte sich auf den Weg durch die erwachenden Straßen Gortharias.

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