Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Der Thron von Mittelerde
Gondor
Saizo:
Anórien (Gondor)
Sanya und Mithrendan aus Minas Tirith auf der Jagd nach Octavia
Sanya ritt nachdenklich entlang der Straße, die von Minas Tirith nach Norden durch das Gebiet namens Anórien führte. Sie näherten sich dadurch ihrer Heimat, Cair Andros, eine Insel im Anduinfluss, auf dem eine große Burg mit umliegender Stadt erbaut war. Seitdem sie der Armee beigetreten war, war Sanya nur ein einziges Mal wieder dort gewesen. Auch in Cair Andros saß nun ein Legat der Königin, sie hatte als Erbin der ehemaligen Herrscher der Insel dort keine offiziellen Einfluss mehr. Dennoch war sie beim Volk recht beliebt und man kannte sie.
Ich frage mich, ob diese Octavia vielleicht mit den Aufständischen in Westgondor unter einer Decke steckt. Ob sie vielleicht sogar im Auftrag des Silbernen Schwans gehandelt hat. Wenn wir sie verhören, werden wir es erfahren. Vielleicht kann sie uns sagen, wo wir diesen Mistkerl finden können.
Zu viele Hoffnungen machte sie sich nicht. Nach allem was man wusste, war die Verräterin, die Sanya nun jagte, aus Arnor gekommen. Dort hatte es eine schon etwas länger etablierte Rebellion gegeben. Die Rebellen sind wirklich dreist gewworden wenn sie es nun wagen, die Königin persönlich anzugreifen. Wer auch immer zugelassen hat, dass man eine bewaffnete Frau ganz alleine mit der Königin lässt, sollte mehr als nur seinen Posten verlieren. Wie konnten die königlichen Wachen so etwas nur zulassen? Das war Versagen auf ganzer Linie... es ist ein Wunder, dass ihre Majestät noch am Leben ist.
Sanya hoffte, so etwas würde nicht wieder vorkommen. Allein dass Octavia so weit gekommen und kurz davor gestanden hatte, Kiana zu ermorden, war schon ein gewaltiger Erfolg für die Rebellen - oder für wen auch immer Octavia in Wahrheit arbeitete. Sanya war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, dieses Mädchen so bald wie möglich in die Finger zu bekommen, um sich wieder auf die Jagd nach dem Silbernen Schwan zu konzentrieren, und der Ungewissheit, die sich in ihr ausbreitete. Hatte die Königin sie nur für diese wichtige Mission ausgewählt, weil sie eine Frau war? Oder war dies vielleicht eine Art Test? Sanya wusste es nicht - sie wusste nur, dass sie sich ein Versagen nicht leisten konnte.
Sie seufzte frustriert und konzentrierte sich wieder auf die Straße, der sie weiter nordwärts folgten.
Gleich im ersten Dorf nördlich von Minas Tirith ließ Sanya die Eskorte ausschwärmen und die Bewohner danach fragen, ob sie die Gesuchte gesehen hatten. Während die Soldaten das Dorf mehr oder weniger auf den Kopf stellten, unterhielten sich Sanya und Mithrendan im gedämpften Ton.
"Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, um mit der Sache umzugehen," sagte der Kundschafter.
"Befehl ist Befehl," erwiderte Sanya. "Wir sollen diese kleine Verräterin schnappen, also schnappen wir sie, verschnüren sie und präsentieren sie der Königin als Geschenk."
"Und was dann?"
"Dann widmen wir uns wieder der Jagd nach dem Silbernen Schwan," sagte Sanya.
"Deinem Tonfall nach würdest du das aber lieber gleich tun, anstatt erst der Königin dieses kleine Geschenk bringen zu müssen." Mithrendan grinste. "Ich seh's dir an der Nase an."
"Bleibt uns etwas anderes übrig?" hielt Sanya dagegen. "Du hast die Königin gehört, sie hat sich klar asugedrückt. Sie will diese Octavia hinter Gittern haben."
"Ich frage mich nur..."
"Fragst du dich etwa wieso?" rief Sanya, die ein wenig die Geduld verlor. "Weil sie versucht hat, die Königin zu ermorden! Sie kann sich glücklich schätzen, dass wir sie lebendig einfangen sollen."
"So meinte ich das nicht," sagte Mithrendan. "Ich dachte nur... vielleicht sollte man erst einmal herausfinden, aus welchem Grund das Mädchen die Königin angegriffen hat? Sie soll noch so jung sein... es wäre schade, wenn sie den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen müsste."
"So ist das aber nun einmal, wir haben Gesetze und wenn man diese bricht, muss man mit den Konsequenzen leben."
"Ich weiß, nur..."
"Jetzt erzähl mir nicht, du hast dich ebenfalls in sie verguckt, so wie dieser Reichsmarschall." Sanya lachte.
"Wie bitte? Jetzt werd' nicht albern, Kommandantin, ich weiß ja nicht einmal wie diese Octavia aussieht, bis auf die grobe Beschreibung die man uns gegeben hat."
Sanya wollte etwas antworten, doch in dem Moment kamen die Soldaten zurück. Sie hatten jemanden gefunden, der Octavia gesehen hatte, wie sie weiter nach Norden geflohen war. So ließ Sanya die Kompanie zurück auf ihre Pferde steigen und sie preschten los, in die Richtung die ihnen die Dorfbewohner genannt hatten.
Einige Meilen weiter fanden sie inmitten von Wiesen neue Hinweise in Form von plattgetretenem Gras. Mithrendan begann sofort nach Spuren zu suchen. Als erfahrener Fährtenleser dauerte es nicht lange, bis er welche fand.
"Sie hat hier eine Weile gerastet," sagte er. "Vielleicht kommt sie nicht so schnell voran wie sie es sich wünschen würde. Sie... sie muss vom Pferd gestürzt sein, hier drüben... dann hat sie sich noch ein paar Meter geschleppt und ist dann hier liegen geblieben."
"Die Kämpfe in der Arena," mutmaßte Sanya. "Da hat sie sich möglicherweise eine Verletzung eingefangen, die sie jetzt verlangsamt. Wohin ist sie von hier aus gegangen?"
Mithrendan suchte den Boden ab, dann deutete er in Richtung Westen, über die Felder. "Sie ging in diese Richtung, erst vor wenigen Stunden Zeit," sagte er. "Und sie ist nicht mehr allein. Hier sind noch mehr Spuren."
"Folgen wir ihnen. Aber vorsichtig, damit wir sie nicht verlieren," entschied Sanya.
Tief gebückt im Sattel reitend gelang es Mithrendan, die Spuren weiter zu verfolgen. Sie führten in relativ gerader Linie westwärts, weiter nach Anórien hinein. Sie ritten im langsamem Tempo für einige Zeit, bis in der Ferne ein Hügel auftauchte. Eine kleine Ansammlung von Häusern war darauf errichtet worden. Versteckte sich Octavia etwa dort? Die untergehende Sonne ließ die Schatten der Häuser lang werden, als sie auf das Dorf zuritten.
Sanya befahl der Hälfte ihrer Eskorte, das Dörfchen zu umstellen, damit niemand es ungesehen verlassen konnte. Sie selbst ritt mit Mithrendan und dem Rest der Soldaten ins Zentrum. Ein frostiger Empfang wartete auf sie, den Mienen der Bewohner nach zu urteilen. Alle beeilten sich, den Soldaten aus dem Weg zu gehen, und niemand hieß sie willkommen.
Sanya sprang aus dem Sattel. "Wer spricht für dieses Dorf?" verlangte sie von den wenigen Schaulustigen zu wissen, die in der Nähe geblieben waren.
Getuschel erhob sich, bis sich ein bärtiger Mann aus der Gruppe löste. "Ich," sagte er und begegnete Sanyas Blick ernst.
"Ich bin Sanya Terelos, und ich bin im Auftrag der Königin hier," erklärte Sanya und hielt seinem Blick stand.
"Maenas," erwiderte er. "Was will die Königin von unserem kleinen Dorf? Wir haben unsere Steuern bereits gezahlt."
"Wir verfolgen die Spuren einer Verräterin, die versucht hat, unsere Königin zu ermorden. Die Spuren führen in euer Dorf," legte Sanya die Fakten auf den Tisch und wandte sich an die ganze Gruppe. "Wenn ihr dieser Frau helft, macht euch das zu Mitverschwörern und ihr könnt hier und jetzt hingerichtet werden."
Aufgeregtes Gerede antwortete ihr, doch Sanya sprach weiter. "Meine Soldaten werden euer Dorf jetzt durchsuchen. Ihr habt nichts zu befürchten, wenn ihr die Gesuchte nicht versteckt..."
Maenas starrte Sanya feindselig an. Ob er etwas verbarg? Einem Bauchgefühl folgend machte sie einen Schritt auf den Mann zu, die Hand am Schwertgriff...
Da ging die Tür des Hauses hinter Maenas mit einem Knall auf. Ein kleines Mädchen stand darin, eine wütende und zugleich änstliche Miene im Gesicht. "Ihr dürft Octavia nichts tun! Sie ist verletzt und schläft, und außerdem ist sie ein guter Mensch, sie hat nichts falsch gemacht!"
Sanyas Hand schloss sich um den Griff ihrer Klinge. Ihr war klar, dass die Gesuchte sich in dem Haus befand und dass zumindest Maenas und das Mädchen sie hierher gebracht und ihr geholfen hatten. Die Anweisungen der Königin waren eindeutig gewesen, und auch wenn es Sanya widerstrebte, ließen sie ihr keine Wahl...
Mithrendan war es, der die Situation rettete. Während Sanya noch mit sich rang, ging er mit einem mitfühlenden Ausdruck im Gesicht an Maenas vorbei, der wie erstarrt mit trotzigem Gesichtausdruck da stand, und ging vor dem Kind in die Hocke. "Wir haben nicht vor Octavia etwas anzutun, Kleine. Wir sind nur auf der Suche nach ihr, weil sie versucht hat, jemanden zu töten. Das ist falsch, verstehst du das? Einen anderen Menschen zu töten sollte man nur aus Notwehr, niemals mit Absicht. Wie heißt du, Kleine?"
"Eiriên," antwortete das Mädchen etwas ruhiger. "Aber... ihr werdet sie mitnehmen, dabei braucht sie Ruhe, es geht ihr nicht so gut!"
"Die Königin hat befohlen, dass Octavia kein Leid geschehen soll," erklärte Mithrendan sanft. "Wir werden sie schlafen lassen, bis sie von selbst aufwacht, aber danach muss sie mit uns kommen. Verstehst du das? Wenn man etwas Verbotenes tut, muss man manchmal Dinge hinnehmen, die einem nicht gefallen, kleine Eiriên. Das gilt auch für Octavia."
Das Mädchen musterte den Kundschafter noch eine Weile misstrauisch, dann jedoch lief es von der Türe weg und klammerte sich an das Bein von Maenas, der alles schweigend beobachtet hatte. Er legte Eiriên eine schützende Hand auf den Kopf und blickte Sanya feindselig an. "Sieht aus als hättet Ihr Eure Flüchtige gefunden, Lady Terelos," sagte er grimmig. "Was wird also jetzt geschehen?"
"Geht zurück in eure Häuser oder euren Geschäften nach," sagte Sanya etwas steif, als sie sich von der Überraschung erholt hatte. Als sich die Menge zerstreut hatte, fuhr sie leiser an Maenas gewandt fort: "Ich hätte Euch auf der Stelle hinrichten sollen dafür dass Ihr der Verräterin geholfen habt. Euer Tochter zuliebe werde ich in meinem Bericht schreiben, dass Octavia sich gegen Euren Willen Zugang zu dem Haus verschafft hat... aber vergesst nicht wem dieses Land gehört. Ich will nicht hören, dass die Königstruppen gnadenlos seien, verstanden?"
"V...verstanden," murmelte der Mann. "Habt Dank, Herrin."
Sanya seufzte, ließ ihren Schwertgriff los und befahl ihren Soldaten, das Haus scharf zu bewachen und alle Fenster und die Tür genaustens im Auge zu behalten. Dann betrat sie das Gebäude. Ihre hohen Stiefel ließen die hölzernen Dielen etwas knarzen, als sie sich umsah. Ein Bett stand in der Ecke, darin lag eine schlafende Gestalt. Octavia, das musste sie sein. Die Beschreibung passte. Sanya fand, dass sie selbst im Schlaf etwas verbissen wirkte, aber auch verletzlich. Ich frage mich wirklich, wie sie dieses Turnier gewinnen konnte, dachte sie und zog einen der Stühle heran, um sich in ungefähr einem Meter Abstand neben das Bett zu setzen, das Schwert griffbereit am Gürtel. Mithrendan lehnte sich gegen den Türrahmen und blockierte den Fluchtweg. Sanya schlug die Beine übereinander und klatschte einmal in die Hände, um die Schlafende zu wecken.
"Octavia, nehme ich an? Gut geschlafen?" fragte sie ruhig, wenn auch etwas sarkastisch lächelnd. Das
Darkayah:
Anórien
Octavia in Gefangenschaft von Sanya...
Octavia drehte sich gerade auf die Seite, als sie von ihrem anstrengenden Traum, durch ein Geräusch das sich wie ein Klatschen anhörte, erwachte. Aber das war sicherlich nur Eiriên. Wieder träumte sie von der dunklen Gestalt, die Deloth in die Dunkelheit zog. Immer wieder holte sie der Traum ein. Wurde sie nun auch verrückt, weil sie das gleiche Blut wie Kiana in sich trug? Den gleichen Vater hatte? Sie legte sich das Kissen stöhnend zurecht, auf welches ihr Kopf lag und schob ihre Hände unter das Kissen.
Als sie vorsichtig blinzelte, erkannte sie nur eine Gestalt vor dem Bett, sitzend auf einem Stuhl. An der Tür lehnte eine zweite Gestalt.
“Octavia, nehme ich an? Gut geschlafen?”, ertönte die Stimme einer Frau.
“Mhm…”, machte sie nur und erhob dabei ihren Kopf. Sie streckte ihre Arme von ihrem Körper, um den Schlaf aus den Gliedmaßen zu vertreiben. Dabei gähnte sie.
Dann erst erkannte sie die Frau, die am Bett saß. Sie trug eine leichte Rüstung, ein Kettenhemd und darüber einen schwarzen Wappenrock, der den roten dreiköpfigen Drachen auf dem Bereich der Brust abgebildet hatte. Ihr Schwert war deutlich sichtbar. Die Frau mit dem Sandblonden Haar hatte ihre Beine übereinander geschlagen und lächelte Octavia sarkastisch an. Ihre hellen Grauen Augen beobachteten die Rebellin, die sich nichtsahnend die Augen rieb.
Erst jetzt begriff sie, dass sie Soldaten Kianas vor sich hatte. Sie wunderte sich nur, eine Frau in Rüstung vor sich zu haben. Klar wusste sie, dass Frauen unter Kiana gleichberechtigung erfuhren, aber sie hatte in der Armee sonst nur Männer gesehen. Schnell schrak sie auf und setzte sich auf ihre Beine, noch immer im Bett. Sie hatte keine Waffen bei sich und auch im Haus war nichts, was in ihrer greifbaren Nähe war. Ihr Blick wanderte zur Tür, in der Hoffnung einfach schnell an ihr vorbei zu fliehen. Doch dort stand ein großer Mann. Seine dunklen Augen verharrten ebenfalls auf der jungen Rebellin. An ihm vorbei schaffte sie es vermutlich nicht.
Verdammt… Ich hätte schon am Abend abreisen sollen, ärgerte sie sich.
“Da habt ihr mich nun endlich gefunden… Hat ja doch länger gedauert als ich gedacht habe…”, scherzte Octavia noch, trotz ihrer misslichen Lage, mit kratziger Stimme. Sie bis dabei auf ihre Unterlippe und zog die Augenbrauen ertappt hoch.
“Du hast es den Wachen von Minas-Tirith nicht leicht gemacht, wobei mich sehr interessiert, wie du es hinaus geschafft hast. Sicherlich nicht alleine?”, wollte die Frau wissen.
“Ich war alleine…”, sagte sie kurz. Wenn sie Loki verriet, beendete die Königin sicherlich das Leben des Reichmarschalls. So bestand wenigsten noch die Hoffnung dass die Rebellen vielleicht durch ihn gewarnt werden.
“Was erwartest du denn von jemanden, der das Turnier gewinnt!”, rief der Mann lachend von der Tür. Octavia beobachtete, wie die Frau mit dem Sandblonden Haar ihm daraufhin einen genervten Blick rüber warf.
“Warum hast du versucht die Königin zu töten? Du bist noch so jung...”, fragte die Frau weiter.
“Um die Grausamkeit in diesem Land zu beenden…”, entgegnete Octavia weiterhin kurz. Sie wollte nicht mit ihr reden. Wozu auch? Sie war sowieso zum Tode verurteilt.
“Es ist eher eine Grausamkeit, dass jemand versucht unsere Königin zu töten und den Frieden des Reiches stört…”.
“Ach ja?”, sagte die junge Rebellin, “Kiana hat tausende Menschen auf dem gewissen…”.
“Und trotzdem geht es dem Volk besser, als vorher… Die Fürsten, die das Volk ausgebeutet haben wurden entmachtet und selbst Frauen haben eine Chance sich zu beweisen… Siehe auf mich… Sanya Terelos, eine Frau als Kommandantin der Armee!”.
Die Frau, die Sanya hieß, wirkte sehr stolz, als sie das sagte. Octavia erinnerte sich an die Worte Kianas, die von ihrer einzigen Kommandantin erzählte und Octavia auch deshalb auf ihre Seite ziehen wollte.
“Wer hat dir den Auftrag gegeben unsere hohe Königin zu töten?”, löcherte Sanya weiter.
“Niemand. Sie selbst ist dafür verantwortlich. Kiana brachte Tod und Vernichtung nach Minas-Tirith und jetzt nach Arnor…”, antwortete Octavia. Bevor die Kommandantin etwas sagen konnte sprach die Rebellin weiter: “Hast du gesehen wie die Stadt vernichtet wurde? Wie ihr Drache alle die Menschen und Gebäude in Brand gesetzt hat und ihre Soldaten jeden abgeschlachtet haben, der auf den Straßen war? Nein? Ich schon… Mein Bruder floh mit mir nach Arnor, während meine Mutter in den Flammen starb…”.
Ihre Stimme wurde brüchig und ihre Augen feucht, sodass sie glänzten.
“Solange die Königin lebt… sind wir alle in Gefahr und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder durchdreht und weitere Leben vernichtet! Sie ist verrückt!”. Octavia erwartete gar keine Antwort von der Kommandantin. Sie sah nur, wie sie sich erhob und zu dem Mann sprach, der an der Tür lehnte. Er verschwand dann aus dem Haus.
“Also tötet ihr mich jetzt und hier?”, fragte sie zynisch und lächelte der Kommandantin provokant entgegen. Immerhin wollte sie auch keine Schwäche noch Gefühle zeigen.
“Nein, die Königin will dich lebend…”.
Schnell verschwand das Lächeln von ihren Lippen. Sie fragte sich, warum Kiana sie lebendig wollte. Immerhin versuchte Octavia sie zu ermorden. Das konnte nichts gutes bedeuten.
"Ihr dürft mich nicht zu ihr bringen…", zitterte sie schon panisch.
Es dauerte nicht lange und Soldaten kamen in das Haus, die Octavia packten und mit einem Seil fesselten. Verzweifelt versuchte sie sich dagegen mit Hand und Fuß zu wehren. Doch vergeblich.
Draußen stiegen die Soldaten der Krone auf ihre Pferde und ritten im Schritttempo los. Octavia saß gefesselt auf ihrem Pferd. Die junge Frau sah noch Maenas und Eiriên. Der bärtige Mann sah den Soldaten feindselig hinterher, während das Mädchen, weinend in seinen Armen lag. Der dunkelhaarige Mann der Sanya nie von der Seite wich, hielt das Seil, mit welchem Octavia gefesselt war, in den Händen. Im Truppenzug befanden sie sich weit vorne, sodass die Rebellin etliche Soldaten hinter sich hatte. Stets versuchte sie die Fesseln zu lösen. Die schienen aber zu stark festgezogen zu sein und schnitten ihr in die Handgelenke.
Die junge Rebellin erkannte die Gegend wieder. Sie ritt vor wenigen Tagen noch selbst dort vorbei.
Nach einiger Zeit machten sie rast und Octavia wurde an einem Baum gebunden. Die Kommandantin saß auf einem Felsen, der aus der Landschaft herausragte. Ein paar der Männer Sanyas standen bei ihr um sie zu bewachen. Einer von ihnen schnitt mit einem Messer Stücke aus einem Apfel den er schmatzend aß. Die junge Frau beobachtete ihn die ganze Zeit.
“Kannst du vielleicht aufhören zu schmatzen?”, fuhr ihn Octavia böse an. Der Mann wandte sich zu ihr und aß einfach genüsslich weiter. Sie verdrehte ihre Augen. Daraufhin hockte er sich direkt vor ihr auf den Boden. Octavia machte das nur wütend.
Sie tritt nach dem Soldaten und traf ihn an der Hand, sodass sein Messer und der Apfel zu Boden fielen
“Bist du dumm?”, machte der Mann sie verärgert an. Er griff nach seinem Messer und hielt es Octavia direkt vor das Gesicht. “Ich kann auch einfach dein hübsches Gesicht zerschneiden! Der Königin stören die Kratzer bestimmt nicht!”.
“Na los, tu dir keinen Zwang an, Schwächling!”, provozierte sie ihn. Der Soldat packte sie am Zopf und zog ihren Kopf dadurch nach hinten. Dabei hielt er sein Messer bedrohlich an ihren Hals.
"Tu es!", sagte sie wieder streitlustig.
“Hey!”, rief jemand von weiter weg. Der Soldat sprang sofort auf und entfernte sich von ihr. Ein weiterer Mann kam auf Octavia zu, der aus Sanyas Richtung kam.
“Es tut mir leid… Einige der Soldaten sind… Miesgrämig…”.
Die junge Rebellin antwortete ihm nicht und sah absichtlich in eine andere Richtung. Er zückte eine Wasserflasche hervor und setzte sie Octavia an die Lippen. “Ich heiße übrigens Mithrendan!”. Sie nahm einige Schlücke und beobachtete ihn dabei. Seine dunklen Augen wirkten freundlich und er trug auch keine Rüstung, wie die übrige Soldaten. Er trug eine Lederrüstung, in der ein blasser Baum eingearbeitet war. Lediglich die schwarze Schärpe zeigte die zugehörigkeit zu der Krone.
“Siehst du es auch so, wie deine Kommandantin und findest es richtig wie die Königin handelt?”, fragte sie ihn direkt. “Durch ihre Herrschaft wird das Volk unterdrückt und viele sterben”.
Dabei sah sie ihn ernst an. Mithrendan befestigte die Trinkflasche wieder an seinen Gürtel. Octavia versuchte weiter irgendwie ihre Fesseln zu lockern.
“Ich denke man muss nicht alles gut finden, was die Königin macht… Aber ich vertraue Sanya!”, sagte er ruhig und sah in die Richtung seiner Kommandantin.
“Was denkst du macht sie mit mir, wenn ihr mich zu ihr gebracht habt? Sie wird mich töten!”, versuchte sie ihm weinerlich klarzumachen. “Wenn es nicht möglich ist mich gehen zu lassen, müsst ihr mich töten… Bitte, ich kann nicht zurück zu ihr gebracht werden…”.
Die Verzweiflung war schon deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. Es wirkte, als hätte der Mann in gewisser Weise Mitleid, doch bevor er etwas sagen konnte, befahl Sanya den Aufbruch. Soldaten entfernten das Seil um den Baum und führten Octavia zu ihrem Pferd. “Bitte! Ich flehe dich an… Ich kann nicht zurück zu ihr!”, rief sie ihm hinterher.
“Komm mit und halt die Klappe!”, sagte einer der Soldaten und wickelte ein Stück Stoff um ihren Mund und knebelte sie damit, während er sie zum Pferd führte.
Zunächst gab sie noch immer unverständliche Laute von sich, als sie wieder auf dem Rücken ihres Reittiers saß, verstummte aber schließlich und ließ die Schultern hängen. Es brachte ja nichts und die Anhänger der Krone hörten nicht aus sie. Sie hatte verloren.
Die Truppe ritt weiter durch Anórien, bis sie schließlich an einer Brücke vorbeikamen. Unter dieser Brücke floss weit tiefer unten ein Fluss hindurch, der bis in den Anduin führte. Seine Strömung war stark und viele Felsen ragten hervor. Der Truppenzug blieb stehen und die Kommandantin schien diesen Übergang zu mustern.
Die junge Rebellin rieb ihre Hände aneinander, in der Hoffnung diese durch das Seil um ihre Handgelenke zu quetschen.
Nacheinander überquerten sie die Brücke. Als Octavia gerade auf der Brücke war, musste sie irgendwie die Chance nutzen, um zu fliehen. Sie konnte nicht zurück nach Minas-Tirith. Der Übergang aus Holz sah nicht unbedingt stabil aus. Eher marode.
Ich muss es versuchen… Und wenn ich dabei sterbe ist es noch immer besser, dachte sie. Sanya und Mithrendan waren schon auf der anderen Seite.
Mit ihren Füßen trieb sie das Pferd an, das dann hochstieg, da es weder vorwärts noch rückwärts konnte. Es bekam panik und stampfte auf der Brücke. Mit einem lauten Knarzen und Knacken brach die hölzerne Brücke tatsächlich in zwei Teile. Octavia stürzte in die tosenden Fluten, samt Soldaten und Pferde, die sich mit ihr auf der Brücke befanden. Das Wasser zog sie immer wieder hinunter und stieß sie gegen einige der Felsen. Es war ungewiss, ob sie überhaupt lebendig aus dem Fluss kam...
Octavia stürzt in die Fluten des Flusses unbekannter verbleib….
Saizo:
Anórien (Gondor)
Sanya und Mithrendan in Anórien
Sanya starrte entsetzt in die tiefe Schlucht hinab. Zunächst hielt sie das alles für einen schrecklichen Unfall, als sie sah, wie vier Reiter, darunter die Gefangene, mitsamt ihren Reittieren in ihren sicheren Tod stürzten. Sie brauchte einen langen Moment, bis sie sich gefangen hatte und ihre Instinkte einsetzten. "Los, los, los!" befahl sie ihren Soldaten. "Wir müssen da runter, und nachsehen, ob irgendjemand überlebt hat!"
Das erwies sich als sehr schwierig. In die Schlucht hinabzuklettern war viel zu gefährlich. Glücklicherweise fiel das Land neben der Straße in Fließrichtung des kleinen FLusses am Grunde der Schlucht steil ab, sodass die senkrechten Wände der Schlucht immer niedriger wurden, je näher der Fluss seiner Einmündung in den großen Anduin kam. Sanya und ihre Eskorte folgten also der Schlucht, bis diese nur noch wenige Meter tief war, und sie gefahrlos hinunterklettern konnten. Dann machten sie sich daran, so gut es ging im Wasser nach Überlebenden zu suchen.
Einen halben Tag brauchten sie, dann gaben sie die Suche auf. Sie hatten die Leichen von drei Pferden und einem der Soldaten gefunden, vom Rest fehlte jede Spur. Die leblosen Körper die sie aus dem Wasser gezogen hatten, waren so zerschlagen und zerbrochen, dass die Soldaten alle den Kopf schüttelten.
"Das kann niemand überlebt haben. Wahrscheinlich sind die anderen nicht einmal mehr in einem Stück."
Mithrendan stand am Flussufer und blickte traurig in Richtung der Brücke, die sich - noch immer zerbrochen - weit über ihnen erhob. "Warum nur hat sie das getan?" murmelte er.
"Was getan?" wollte Sanya wissen.
"Octavia... Sie hat den Einsturz selbst verursacht. Es war kein Unfall."
"Bist du dir da sicher?" hakte Sanya sofort nach.
"Sehr sicher," erwiderte der Kundschafter. "Wieso nur wollte sie lieber sterben als zur Königin gebracht werden? Ich verstehe es einfach nicht."
"Ich auch nicht," sagte Sanya. "Sie kam mir nicht so verzweifelt vor, als ich sie verhört habe." Sie setzte sich auf einen großen Felsen und seufzte. "Was jetzt, Mithrendan?"
"Ich glaube nicht, dass wir hier noch viel ausrichten können."
"Nein, natürlich nicht. Ich meinte, was jetzt aus dem königlichen Auftrag wird," sagte Sanya."
"So wie ich das sehe ist er abgeschlossen," meinte der Kundschafter. "Auf tragische Weise, aber uns trifft dabei keine Schuld."
"Hmm. Ich hoffe nur die Königin wird das ebenfalls so sehen, wenn wir mit leeren Händen zu ihr zurückkehren."
"Die Attentäterin stellt nun keine Gefahr mehr für Kiana Vaneryen mehr dar," sagte Mithrendan sanft und erneut hörte Sanya die Traurigkeit in seiner Stimme. "Sie wird das verstehen."
Sanya blieb noch einen Augenblick sitzen. Sie war nicht zufrieden damit, wie die ganze Angelegenheit gelaufen war. Dabei war ihr doch eigentlich das Glück hold gewesen. Sie hätte Octavia an die Königin übergeben und sich dann wieder der Jagd nach dem Silbernen Schwan widmen können.
Ein tragischer Verlust, dachte sie und versuchte dann, dem Ganzen zumindest etwas Positives abzugewinnen. Immerhin können wir uns jetzt wieder auf die größere Bedrohung konzentrieren..
Es war Nacht geworden und sie hatten erst die Hälfte des Rückwegs bis nach Minas Tirith zurückgelegt. Also befahl Sanya, in einem kleinen Wäldchen einen Steinwurf abseits der Straße ein Nachtlager zu errichten. Sie teilte die Soldaten für die Nachtwache ein und gab auch sich selbst eine Schicht, denn sie wollte mit gutem Beispiel vorangehen. Sie wählte für sich dabei die letzte Schicht, die Stunde vor dem Morgengrauen. Nachdem sie eine Weile nachdenklich am Lagerfeuer gesessen und eine karge Mahlzeit zu sich genommen hatte, legte sie sich in ihrem kleinen Zelt schlafen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ihr die Augen zufielen.
Später kam es ihr so vor, als hätte sie nur wenige Minuten geschlafen, als sie eine Hand an ihrer Schulter spürte und hochschreckte. Dabei riss sie wie instinktiv den unter ihrem Kissen verborgenen Dolch hervor.
"Sachte, Kommandantin," sagte der Soldat, der sie geweckt hatte. "Ich bin kein Feind."
Sanya starrte ihn schlaftrunken an, dann klärte sich ihre Sicht und sie senkte die Waffe. "Entschuldige," brummte sie, dann warf sie sich ihren Umhang über um die Wachschicht anzutreten - die Rüstung hatte sie selbst im Schlaf nicht abgelegt.
Das kleine Lagerfeuer war zu einem schwach glühenden Haufen Kohlen zusammengeschmolzen, als Sanya ihr Zelt verließ und sich auf einen umgestürzten Baumstamm hockte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, auch wenn hier und da zwischen den Blättern der Bäume über ihrem Kopf ein fernes, graues Schimmern zu sehen war. Die ersten Vorboten der Morgendämmerung.
"Kommandantin?" fragte der Soldat, der Sanya geweckt hatte.
"Was gibt es?" antwortete sie verwundert, eigentlich hatte sie erwartet, dass der Mann sich nun schlafen legen würde. Doch er blieb neben ihr stehen, und folgte ihrem Blick hinab in die Glut.
"Vermisst Ihr es manchmal?"
"Wovon sprichst du, Soldat?" Sanya wunderte sich immer mehr.
"Den Komfort eines Titels. Die Privilegien des Adels," erklärte der Mann. "Ihr hättet als Lady Terelos von Cair Andros ein angenehmes Leben in großen Ehren führen können."
"Das hätte ich wohl," gab Sanya zu. "Aber ich mache das Beste aus der Situation in der sich das Reich befindet. Der Adelsstand ist abgeschafft worden und ich habe einen neuen Weg gefunden, wie ich mir einen Namen machen kann. Jeder kann das nun tun, egal wo oder unter welchem Titel er geboren wurde. Ist das nicht gerecht?"
"Gerecht? Vielleicht, aus einem gewissen Blickwinkel betrachtet. Aber nicht jeder ist zu Höherem bestimmt. Ein Anführer muss gewisse Tugenden verkörpern: Respekt gegenüber Untergebenen, die Bereitschaft mit gutem Beispiel voranzugehen, und Aufopferungswillen. Ihr besitzt all dies, Kommandantin."
Sanya glaubte so langsam zu ahnen, wohin das Ganze führen sollte. "Für Schwärmereien ist das wirklich nicht der richtige Moment," sagte sie etwas sarkastisch.
"Auch Schwärmerei hat meist einen wahren Kern. Ihr könntet so viel errreichen, wenn Ihr nur..."
"Wenn ich nur... was?"
"Wenn Ihr euch nur nicht von dieser Drachenkönigin blenden ließet," sagte der Soldat. Und noch bevor Sanya die Tragweite seiner Worte richtig klar geworden waren, spürte sie schon den kalten Stahl seines Schwertes an ihrem Hals. Blitzschnell hatte der Mann seine Klinge gezogen und hielt Sanya damit in Schach.
"Rührt Euch besser nicht, Lady Terelos," sagte er freundlich und gab die Rolle als Soldat auf. "Ich würde Euren schönen Hals wirklich ungerne aufschlitzen müssen, und es wäre so... schade um Euer Potenzial."
"Verräter," zischte Sanya.
"Nicht so laut, wenn ich bitten darf," ermahnte er sie so gelassen sie jemand, der eine Situation zu einhundert Prozent unter Kontrolle hat. "Wenn Ihr die anderen aufweckt, sehe ich mich gezwungen, meine Waffe zu benutzen. Und das wollen wir doch nicht, oder?"
"Wer hat dich geschickt? Der Silberne Schwan?"
"Nun, auf gewisse Art und Weise ist das wahr. Ich habe mich selbst geschickt, könnte man sagen."
Sanya starrte ihn an. Bis jetzt hatte sie ihre Soldaten nie so richtig wahrgenommen, da sie nahezu immer ihre Helme trugen. Doch der Mann der sie überrumpelt hatte, hatte seinen Helm abgezogen. Langes, hellbraunes Haar und graue Augen besaß er, sowie ein kantiges Gesicht mit einem Stoppelbart. Sanya spürte, dass sie ihn in ihrem früheren Leben schon einmal gesehen hatte, doch sie kam einfach nicht darauf, wo, und wie sein Namen war. Sie schätzte ihn auf knapp dreißig, also ungefähr im selben Alter wie sie selbst.
"Du bist... der Silberne Schwan?"
"Eine passende Anrede, nicht wahr?" sagte er und lächelte. Seine andauernde Freundlichkeit machte Sanya wütend. "Ich hatte dir ja gesagt, dass ich dich erneut kontaktieren würde," fuhr er fort.
"Und was willst du nun?"
"Eine Antwort von dir, Sanya," sprach er sie auf einmal ganz vertraut mit dem Vornamen an. "Erinnerst du dich an mein Angebot?"
"Ich werde mich einem Hochverräter nicht anschließen!" wehrte sie sich vehement.
"Du redest ständig von Verrat," hielt er dagegen. "Aber ist es Verrat, für das eigene Volk einzutreten? Das Beste für sie zu wollen? Dieses Land heilen zu wollen?"
"Du willst die Adeligen wieder einsetzen, wie soll das dabei helfen, dass es dem Volk besser geht?" Sanya schüttelte den Kopf und rutschte ein Stück zur Seite.
"He, schön brav sitzen bleiben, meine Liebe," drohte er freundlich und sein Schwert ritzte die Haut an Sanyas Hals ein wenig auf; ein einzelner Blutstropfen lief an der Klinge herab. "Gemeinsam könnten wir so viel erreichen. Das Volk leidet unter dem Irrsinn der Drachenkönigin, kannst du es nicht sehen? Arnor befindet sich bereits in offener Rebellion, und ich werde dafür sorgen, dass es in Gondor ebenfalls so weit kommt. Dieses Mädchen, diese octavia, die hat es verstanden!"
"Was bitte soll sie verstanden haben?" Sanya schüttelte den Kopf.
"Dass Kiana Vaneryen eine Tyrannin ist. Dass sie nur Leid und Tod mit sich bringt und dass jemand sie aufhalten muss."
"Sie hat Sklaven befreit und trtitt für Ungerechtigkeit ein," hielt Sanya dagegen.
"Gibt es in Gondor etwa Sklaven? Gondor musste nicht befreit werden. Sie herrscht mit eiserner Faust und alle, die sich gegen sie stellen, erledigen das Schicksal der Bewohner von Minas Tirith... weißt du, wieiviele Unschuldige in der Stadt zu Asche verbrannt sind? Ich war damals dort, Sanya. Die Schreie verfolgen mich noch heute bis in meine Träume. Und all jene Toten treiben mich an, das zu tun, was ich tun muss."
"Und... was musst du tun?" fragte Sanya leise.
"Ich werde Gondor retten," erklärte er grimmig, die Freundlichkeit war von ihm abgefallen wie ein Mantel. "Egal ob mit deiner Hilfe oder ohne. Ich hoffe, du verstehst mich jetzt etwas besser Sanya."
Sie biss die Zähne zusammen und antwortete nicht. Stattdessen starrte sie in die Glut und versuchte, das Chaos in ihrem Kopf, das seine Worte auslösten, mit Gewalt zu unterdrücken. Als sie frustriert die angestaute Luft entweichen ließ, stellte sie fest, dass die Schwertklinge an ihrem Hals nicht mehr dort war. Sanya sprach auf und sah sich hastig um. Der Silberne Schwan war spurlos verschwunden.
Bis auf Mithrendan erzählte Sanya niemandem von ihrer nächtlichen Begegnung, und sie war noch unentschlossen, ob sie der Königin überhaupt davon berichten sollte. Am folgenden Morgen erreichten sie Minas Tirith, und Sanya begab sich mit Mithrendan zum Palast, um ihrer Herrscherin von der Jagd nach Octavia zu berichten.
Sanya und Mithrendan zurück nach Minas Tirith
Darkayah:
Minas-Tirith, Weiße Festung (Gondor)
Kiana im Palast von Minas-Tirith…
Kiana kam gerade aus ihren Gemächern. Loki und ihre zehn Wachen warteten schon vor der Tür auf ihre Königin.
Sie hatte die Nacht wunderbar geschlafen. Seitdem sie wusste, dass ihre Kommandantin nach der Verräterin suchte ging ihr es ihr viel besser. Ihre Ängste verschwanden nach und nach. Sie fühlte sich wieder in Minas-Tirith sicher.
"Siehst du Loki? Sie ist eine Frau, die sofort umsetzt! Sie geht mit Verstand an die Sache und zögert nicht!", sagte Kiana während sie mit Loki durch den Palast ging. "Das ist was mir gefällt… Leider haben nur wenige diese Kompetenz dazu…".
Hinter und vor ihnen liefen stets fünf Ostlingsoldaten, die ihre Königin bewachten. "Ja, sie scheint zielstrebig zu sein…", entgegnete Loki. Wirklich begeistert schien er darüber nicht zu sein.
"Warum konnte Kommandantin Sanya nicht meine Schwester sein?", träumte die Königin, "Stattdessen teile ich mein Blut mit einer Mörderin… Einer Verräterin… Eine, die dem Blute der Maiar nicht gerecht ist!".
"Man kann sich nicht aussuchen wer zur Familie gehört…".
"Nein, leider…", sagte Kiana.
"Vielleicht solltest du nicht so hart mit ihr ins Gericht gehen… Sie ist noch jung, hat ihre Mutter durch den Angriff auf die Stadt verloren…", fing Loki an.
Kiana schnaubte und blieb stehen. Sie lächelte ihren Reichsmarschall sarkastisch an und wandte sich ihm zu.
"Sie hat bereits ihren Weg gewählt… Ich habe ihr die Möglichkeit gegeben an meine Seite zu kommen…", sagte Kiana. Loki seufzte nur unzufrieden. "Wenn du weißt dass sie deine Schwester ist, dein Fleisch und Blut… Kannst du ihr und ihren liebsten nicht ein Stück im Norden überlassen? Du hättest nichts dabei verloren, eher gewonnen in dem die Rebellen aufhören zu rebellieren…".
"Hast du nun vollständig deinen Verstand verloren?", lachte die Königin, während sie weiterging. "Wenn ich nachgebe, werden die anderen Aufständischen nur stärker auf ihre ungerechtfertigten Forderungen beharren… Nein… Sie muss meine Herrschaft akzeptieren!".
"Kiana, damit könntest du das Sterben von weiteren Menschen verhindern und deine Schwester beschützen!".
"Ich kann es nicht zulassen, wenn in einem Teil des Reiches eine Ungerechtigkeit herrscht… Und das wird sie, wenn ich nicht darüber wache!", behauptete Kiana selbstsicher.
"Was wirst du mit ihr machen, wenn die Kommandantin sie her gebracht hat?".
"Ich weiß es noch nicht… Aber sie muss bestraft werden…", sagte die Königin nachdenklich. "Immerhin hat sie ein Verbrechen gegen die Krone begangen…".
"Meinst du nicht, dass du darüber hinwegsehen solltest? Vielleicht würde Hausarrest ausreichen?", fragte Loki und klang dabei besorgt. Kiana beäugte ihn misstrauisch. "Wenn ich sie nicht bestrafen, dann mache ich das gleiche, was all die Tyrannen vor mir getan haben… Ich werde keine Vetternwirtschaft betreiben!", entgegnete sie bestimmt. Ihr war klar, dass Loki alles versuchte, um seine kleine Geliebte zu retten. Allerdings warf es ihr nur mehr die Frage auf, ob er nicht doch etwas mit ihrer Flucht zu tun hatte. Aber was spielte es nun für eine Rolle? Kommandantin Sanya würde Octavia schon wieder zu Kiana bringen. Somit war die Flucht sinnlos.
“Deine kleine Prinzessin muss ja sowieso auch erst einmal hierher gebracht werden… Ich hoffe Lady Terelos kommt schnell zurück… Du solltest auch nicht vergessen, dass sie hier mehr in Sicherheit ist, als bei den Wilden im Norden!”, sagte Kiana. Sie vernahm Lokis irritierten Blick, störte sich aber nicht daran.
“Wir sollten uns erst einmal wichtigeren Dingen widmen… Zum Beispiel, wie wir Kommandantin Sanya belohnen könnten…”, überlegte die Königin.
“Du weiß doch nicht einmal ob sie erfolgreich ist…”.
“SIe hat trotzdem schon viel für das Reich getan… Sollte Grund genug sein!”, entgegnete sie. “Sie entscheidet sich wenigstens nicht gegen ihre Königin!”. Damit spielte sie wieder auf die Liebelei Lokis im Norden an und das Entkommen Octavias. Loki sagte nichts dazu, was ihr ein siegesgefühl gab.
Sie erreichten schließlich den Ratssaal des Palastes. Das Sonnenlicht erhellte die Mitte des Raumes. Trotzdem hingen Kronleuchter von der Decke, die den Raum zusätzlich ausleuchteten. In diesem Saal standen schon Grauer Staub und andere Kommandanten der Armee an einem großen Runden Tisch, auf dem eine Karte ausgebreitet war, die das ganze Reich abbildete. Verschiedene Fähnchen, die in den Farben Rot und Blau waren, standen auf Orten. Die Roten auf Stellen, die in der Hand der Krone waren, die Blauen dort, wo Rebellen vermutet wurden. Viele Blaue waren in Belfalast, wo Kiana hinsah. Die anderen Männer salutierten vor ihrer Königin.
“Ich werde Sanya Terelos zur Oberkommandantin ernennen, sie hat viel für das Reich geleistet und Verschwörungen in Gondor aufgedeckt…”, fing Kiana an.
“Aber Eure Hoheit, Lady Terelos hat noch nichts erreicht… Nur einige von ihnen gefangengenommen… Und außerdem…”, sagte einer der Hauptmänner. Er trug die typische vanerische Rüstung und eine Rote Schärpe.
“Und außerdem was?”, entgegnete Kiana, “Ist sie eine Frau? Wolltet ihr das sagen?”. Die Königin zog ihre Augenbrauen hoch und sah den Mann abwertend an, während sie auf eine Antwort wartete. Der Hauptmann senkte seinen Kopf und antwortete nicht, was sie erahnen ließ dass sie richtig lag. Ein anderer General sagte: ”Wir wissen noch nicht einmal wem ihre Loyalität gilt…”.
“Natürlich der Krone… Sonst würde sie ihre Aufträge nicht gewissenhaft ausführen…”., sagte die Königin zuversichtlich.
“Tut sie das?”.
Kiana beäugte ihn erbost. Dass der General es schon alleine wagte, Kianas Ansichten in Frage zu stellen, empfand sie mehr als unverschämt.
“Sie ist eine ehemalige Adelige aus Cair-Andros… Ihre eigene Macht wieder zu erlangen wird wahrscheinlich oberste priorität haben… Wir sollten also aufpassen, dass sie die Rebellen Gondor unterstützt!”, behauptete der General überzeugt.
“Ich verstehe nicht… Sie hat so viel für das Reich getan und ihr bezichtigt sie dem Verrat?”, dabei klang die Königin leicht erzürnt. “Habt ihr Beweise dafür?”.
“Noch nicht…”, sagte der General, “Aber ich kann die Rote Schärpe nicht mit Würde tragen, mit dem Gewissen dass eine Frau und Verräterin diese als Oberkommandantin ebenfalls tragen wird …”.
Kiana schnaubte und lief um den Runden Tisch in der Mitte. Mit einem Finger schubste sie die Blauen Fähnchen um und lief weiter herum. Dann stand sie vor dem deutlich größeren General, der behauptete Sanya war eine Gefahr für das Reich. Er wirkte nervös und Kiana sah ihn direkt in die Augen. Er selbst sah seiner Königin in ihre, wich ihrem Blick aber so gut es ging aus. Er stand stramm und Kiana trat ganz nah an ihn heran.
“Na, wenn das so ist… Gibt Eure Schärpe wieder und tritt zurück! Wollt ihr etwa das damit sagen?”, fragte Kiana ihn provokant, dennoch war sie äußerst ruhig. Der General antwortete nicht. Er war eher wie erstarrt.
“Die Königin hat Euch etwas gefragt!”, rief Grauer Staub plötzlich mit seinem Akzent aus dem Osten, sodass der General zusammen zuckte.
Daraufhin schüttelte er rasch seinen Kopf. “Nein, meine Königin… Verzeiht mir…”.
“Gut…”, sagte Kiana und ging zum Tisch um sich darüber zu beugen. Die Königin sah nochmal auf die Karte, während sie sich auf den Tisch aus Marmor stützte. Für sie waren es zu viele Blaue Fähnchen, auch wenn diese meist verstreut über die Karte waren.
“Grauer Staub, sorgt dafür dass unsere neue Oberkommandantin mit mehr Männern und Mitteln für ihre Mission versorgt wird… Ich möchte Gondor befreit von allen Aufständischen haben!”.
Er verbeugte sich tief vor ihr und machte sich auf den Weg. Ihr Blick streifte Loki, der nur ruhig auf dem Boden sah. Die Königin erklärte das Ende der Besprechung. Die Würdensträger der Armee salutierten erneut, während sie aus dem Ratssaal ging. Loki folgte ihr.
Im Thronsaal angekommen, wollte sie gerade die Stufen zu ihrem Thron hinaufgehen, da kam ein Soldat in den Saal gestürmt. Er erklärte, dass Sanya und ihre Männer zurück in Minas-Tirith waren.
Sie ist schneller als ich erwartet habe! Dachte sie sich und sah triumphierend zu Loki, der sie nur von der Seite anblickte. Er schien mit der Nachricht ganz und gar nicht zufrieden. Kiana freute sich innerlich, dass die junge Frau die sie ermorden wollte… Ihre eigene Schwester… Nun einer gerechten Strafe unterzogen werden konnte. Gleichzeitig konnte sie sich natürlich auch an Loki rächen, der Octavia seiner Königin vorzog.
“Reichsmarschall, bitte veranlasst alles nötige, um Lady Terelos’ Beförderung zu honorieren! Ich möchte das die gesamte Armee, alle Würdenträger und Kommandanten anwesend sind! Das Volk soll sehen, dass eine Frau einen hohen Posten hat. Sie soll die neue Ordnung neben ihrer Königin symbolisieren!”, befahl Kiana stolz. Sie war zuversichtlich, dass Sanya erfolgt gehabt hatte. Sonst konnte sie niemals schon so früh zurück sein…
Kiana Vaneryen im Thronsaal von Minas-Tirith
Saizo:
Minas Tirith (Gondor)
Sanya und Mithrendan aus Anórien
Am Palast empfing Sanya ein Spalier aus Ehrenwachen, was sie sogleich in Alarmbereitschaft versetzte. Noch mehr verunsicherte es sie, als die Ostlinge vor dem Eingang der großen königlichen Halle sie baten, allein einzutreten. Mithrendan grinste. "Tja, sieht ganz so aus als müsstest du da ohne mich durch, San-"
Sie brachte ihn mit einem tödlichen Blick zum Schweigen und er ging lächelnd seiner Wege. Sanya vermutete, dass sie ihren alten Freund später in irgend einer Taverne finden würde, bei bester Laune und Gesundheit. So war er nun einmal, er ließ sich selten lange von Rückschlägen die Laune verderben.
Sanya amtete tief durch. Also gut, dachte sie. Bringen wir es hinter uns. Sie stieß die großen Torflügel mit etwas Mühe an und sie schwangen nach innen hin auf. Sanya kam allerdings nicht weit, denn ihr Weg wurde von ihrem obersten Vorgesetzten, dem Reichsmarschall Loki blockiert. Sanya blieb stehen und ihr wurde innerlich gleichzeitig warm und kalt, als sie seine misstrauische Miene sah.
"Wo ist das Mädchen?" verlangte Loki unfreundlich zu wissen.
"Sie ist tot," stellte Sanya im leisen Ton klar. "Es war ein Unfall."
"Eure Befehle waren eindeutig, Sanya," sagte der Reichsmarschall und sie konnte die unterdrückte Wut in seinem Gesicht sehen. Ob an den Gerüchten etwas dran war, dass Loki und Octavia ein Paar gewesen sein sollten? "Ihr hattet die klare Anweisung, Octavia lebendig zurückzubringen!"
Genau so eine Rüge hatte Sanya bereits erwartet, allerdings nicht von Loki, sondern von der Königin. "Es ließ sich nicht verhindern, Reichsmarschall," sagte sie beherrscht, auch wenn ihr das nicht leicht fiel. "Sie hat eine Brücke zum Einsturz gebracht und ist in die Tiefen gestürzt, nachdem wir sie gefangen genommen hatten."
Lokis Augen verengten sich und er starrte Sanya eine volle Minute lang an, ohne etwas zu sagen. Dann knurrte er leise: "Du hättest besser erst gar nicht nach ihr suchen sollen. Deinetwegen ist Octavia nun tot..."
Sanya glaubte schon, er würde sie schlagen, doch Loki ließ nur frustriert seinen Atem entweichen, dann gab er den Weg frei und deutete zum Thron, auf dem die Königin bereits wartend zu ihnen hinüber blickte. "Geh mir aus den Augen..." raunte Loki ihr noch zu, dann verschwand er aus dem Saal.
Mit einem unguten Gefühl im Bauch marschierte Sanya den zentralen Gang des Thronsaals entlang. Am anderen Ende erwartete sie nicht nur Königin Kiana, sondern auch einige andere ranghohe Mitglieder der Armee, unter ihnen auch ein Mann im Rang eines Generals. Als Sanya zu ihnen trat, machten die Würdenträger ihr Platz, damit sie vor dem Thron auf die Knie gehen konnte. Sie ließ sich wie es Sitte war auf das linke Knie nieder und senkte das Haupt.
"Du bist zurück, meine treue Lady Terelos!" hörte sie Kianas Stimme. Die Königin klang geradezu fröhlich. "Erhebe dich!"
Als Sanya aufstand, sah sie, dass Kiana sie warm anlächelte. Es schien, als wäre ihre Laune das genaue Gegenteil zu Lokis Stimmung. "Euer Gnaden, ich-" setzte Sanya an, doch die Königin brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen und nickte dann dem General zu. Dieser trat neben Sanya, in den Händen hielt er eine schmale, rote Schärpe - das Rangabzeichen eines Oberkommandanten. Ein Amt, das direkt über Sanyas derzeitigem Rang stand.
"Für Eure Treue und Euer Pflichtbewusstsein werdet Ihr, Lady Sanya Terelos, hiermit in den Rang einer Oberkommandantin befördert," sagte der General etwas unwillig.
"So ist es!" bestätigte die Königin gut gelaunt. "Denn auf dich kann ich mich verlassen, meine Liebe! Sag mir, wo hast du Octavia hinbringen lassen? Wartet sie vor dem Thronsaal?"
"Herrin, es... kam zu Komplikationen," sagte Sanya niedergeschlagen, während der General ihr auf umständliche Art und Weise die Schärpe umhängte. Sie kam sich vollkommen fehl am Platz vor, durfte es sich aber natürlich nicht anmerken lassen.
Das Lächeln der Königin geriet ein wenig ins Wackeln. "Erkläre mir, wie du das meinst," sagte sie etwas ruhiger.
"Den Kundschaftern ist es gelungen, die Spur der Verräterin bis nach Anórien hinein zu verfolgen, und wir konnten sie lebendig gefangen nehmen. Wir hatten schon die Hälfte des Rückwegs hinter uns gebracht, da geschah etwas unvorhergesehenes..."
"Sie ist dir aber doch nicht etwa entkommen?" Die Stimme der Königin klang nicht anklagend oder drohend, aber ein Teil der Fröhlichkeit war daraus verschwunden, wie Sanya besorgt bemerkte.
"Das nicht, nein. Sie ist tot, Euer Gnaden."
"Tot..." wiederholte Kiana und blickte Sanya mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck an. "Sie war meine Halbschwester und nun ist sie tot? Wie kam es dazu?"
"Sie brachte eine etwas marode Brücke zum Einsturz," erklärte Sanya und beschrieb die Umstände so genau sie konnte. "Diesen Sturz kann niemand überlebt haben. Es tut mir Leid, Euer Gnaden. Eure Halbschwester... ist tot. Ich habe versagt."
"Versagt? Aber nicht doch, meine Liebe. Du magst so gesehen zwar Octavia auf dem Gewissen haben, aber ich bin dir dafür dankbar! Sie wird nie wieder eine Bedrohung für mich sein, und ich wollte sie sowieso nicht als Verwandte haben, da wärst du mir lieber, Sanya!"
Die Königin stand auf und kam die Stufen des Thrones herunter. "Komm, wir stellen dich der Armee vor. Sie sollen von deinem Erfolg erfahren!"
Sanya war zu verdutzt, um zu widersprechen, und gewzungenermaßen folgte sie Kiana nach draußen auf den großen Vorhof des Thronsales, wo sich eine große Menge von Soldaten versammelt hatte, sowohl Krieger Gondors als auch die treuen Ostlinge der Königin. Ein Stück neben dem Eingang zur großen Halle, aus der sie gerade gekommen waren, stand ein steinernes Podest, von wo aus Kiana sich nun an die Menge wandte und mit lauter Stimme zu ihnen sprach:
"Mein Volk, meine tapferen Soldaten, ihr seid hier, um Lady Sanya Terelos zu ehren und Gerechtigkeit einzufordern! Wie ihr alle wisst, hat es einen Angriff auf das Herz unseres Reiches gegeben. Doch es war kein Feind von außen, der versucht hat, eure Königin zu ermorden, sondern eine Verräterin aus unserer Mitte! Aus unserem Volk! Die Gier nach Macht trieb sie an, als sie mich zu töten versuchte. Und sie ist nicht alleine! Auch versucht der feige Anführer der Rebellen aus Gondor, der Silberne Schwan wie er sich selbst nennt, euch alle zu täuschen! Doch wir gehen stärker aus diesen Krisen hervor als wir es zuvor waren, denn der Verrat wurde durch eine meiner getreuesten Anhängerinnen aufgedeckt: Oberkommandantin Sanya Terelos! Die Krone dankt Euch, das Reich salutiert Euch!"
Die Königin machte Sanya platz, damit sie an ihrer Stelle an das Podest treten konnte und die Menge sie gut sehen konnte. Sanya fiel nichts Besseres ein, als dabei zu salutieren, und alle anwesenden Soldaten taten es ihr gleich. Die Ostlinge rammten ihre Speere mehrmals in den Boden, was ein rythmisches Stampfen erzeugte, es war ihre Art der Ehrerbietung.
Als sich der Lärm wieder beruhigt hatte, kehrte die Königin zurück an das Podest, und Sanya trat beiseite.
"Diese Verräterin, die versucht hat euch eurer Königin zu berauben, wurde zur Strecke gebracht! Und so soll der Tod der Verräterin eine Warnung sein... Eine Warnung für alle, die sich uns entgegenstellen! Egal ob von außen oder innen! Denn dieses Reich haben wir alle gemeinsam erkämpft, und die Krone kann nicht getäuscht werden und das Reich niemals zerstört werden!".
Daraufhin folgte Jubel der Soldaten sowie erneutes Stampfen der Speere der Ostlinge, dann führte Kiana Sanya fort von dem großen Platz, in einen kleinen Garten im Schatten der großen Palastanlage. Dort nahm die Königin auf einem bequemen Stuhl Platz und musterte Sanya einen langen Augenblick lächelnd.
"Wie fühlst du dich jetzt, als frisch gebackene Oberkommandantin?"
Die vertrauliche Anrede verwirrte Sanya, denn sie wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Immerhin war dies erst das dritte Mal, dass sie mit Kiana Vaneryen sprach, und die Königin behandelte sie beinahe als wären sie langjährige Freundinnen. "Ich... weiß nicht, ob ich diese Ehre verdient habe, Euer Gnaden," gab sie vorsichtig zu.
"Natürlich hast du das. Stellst du etwa meine Entscheidung in Frage?" Kiana klang anfangs streng, doch dann gab sie ein kleines Kichern von sich und Sanya erkannte, dass sie Königin sich einen Scherz erlaubt hatte. "Ich bin mir absolut sicher, dass du die Aufgaben gut meistern wirst, die dir gestellt werden."
"Ich denke, es wäre das Beste, wenn ich mich nun wieder der Jagd nach dem Silbernen Schwan widme, Euer Gnaden," schlug Sanya vor. Noch hatte sie niemandem von ihrer Begegnung mit dem Verräter in Anórien erzählt.
"Du willst schon wieder fort? Aber ich hätte dich gerne noch ein Weilchen an meiner Seite!" sagte die Königin und klang dabei etwas enttäuscht.
Sanya versuchte, so diplomatisch zu sein wie sie konnte. "Je länger ich zögere, desto kalter wird die Spur werden, die der Silberne Schwan hinterlassen hat."
"Nun gut, du bist weiter pflichtbewusst, wie ich dich kennengelernt habe," sagte Kiana milde lächelnd. "Dann geh, tu was du tun musst und enttäusche deine Königin nicht, was ich aber bezweifle dass du das tun wirst." Dabei ergriff die Herrscherin Sanyas Hände Sanyas und hielt sie sanft fest, während sie sich von ihr verabschiedete.
Mit mehr Fragen als Antworten im Kopf verließ Sanya anschließend den Garten und machte sich auf die Suche nach Mithrendan.
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