Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Der Thron von Mittelerde

Gondor

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Darkayah:
Minas-Tirith
Kiana in Minas-Tirith…

Kiana hatte noch immer den Brief Sanyas in ihrem Kopf. Die Worte von ihr ließen der Königin keine Ruhe. Nachdem sie ihre Gefühle offenbarte, war sie doch nun so plötzlich verschwunden. Hatte es etwas damit zu tun? Liebte sie Kiana nicht und deshalb ging sie nun lieber weg, um den silbernen Schwan zu fangen?
Das konnte es aber nicht sein. Immerhin sagte Kiana ihr, dass sie nach der Feier weiter nach ihm suchen durfte. Es konnte ja auch genau umgekehrt ein Zeichen sein, dass Sanya ihre Geliebte Königin nur in Sicherheit wusste, wenn der silberne Schwan und seine Anhänger beseitigt waren.
Sie zog sich um, sodass sie Abreisebereit war. Ihre Reisebekleidung unterschied sich kaum von der normalen, außer dass diese aus dickerem Stoff war. Ihre Krone trug sie ebenfalls auf dem Kopf. Als sie rasch aus ihren Gemächern ging, traf sie nochmals auf Loki, der sie besorgt ansah. Kiana konnte sich schon denken was er sagen wollte.
"Loki… Wir hatten das alles eben schon…", wimmelte sie ihn nur ab.
"Ich mache mir nur Sorgen Kiana…", sagte er.
"Sorgen um deine Rebellen Freunde?", provozierte sie nur.
"Um dich natürlich… Ein einziger Pfeil muss dich treffen und das ganze Reich geht zu Grunde… Du bist die, die alles zusammenhält… Ohne dich bricht das ganze System auseinander…".
"Genug!", stoppe Kians ohne und fasste sich genervt an die Stirn. "Mir wird nichts passieren… Immerhin reite ich auf Ancalagon!".
"Und was ist mit Octavia?".
"Ach darum geht es dir…", entgegnete sie halb grinsend, da sie davon überzeugt war ihn doch ertappt zu haben.
"Wenn das stimmt und ihre Kräfte hervorgekommen sind… Das ist zu gefährlich!", sagte er ziemlich laut.
Kiana schüttelte nur den Kopf. Sie glaubte ihm kein Wort. Warum sollte sie auch so leichtsinnig sein und sich in Gefahr bringen? Er vergaß wohl wer sie war: Eine mächtige Maia mit einem Drachen an ihrer Seite. Sie war die Königin von ganz Mittelerde. Und außerdem musste sie dann erst recht für Ordnung sorgen. Jemand mit solcher Macht, der sie nicht kontrollieren konnte, war eine große Bedrohung für jeden einzelnen im ganzen Reich.
"Dann ist es erst recht meine Aufgabe, diese Gefahrenquelle zu unterbinden… Jemand mit solchen Kräften ist eine Gefahr für jeden!", sagte sie nur. Bevor Loki nur etwas sagen konnte, unterband sie seinen Versuch sie umzustimmen, sodass er nur stöhnte.
"Willst du nicht wenigstens nochmal auf Sanya warten, um mit ihr zu sprechen?", wagte Loki schließlich nochmal zu fragen. Kiana schüttelte nur den Kopf.
"Dafür ist keine Zeit… Außerdem kümmert sich Sanya hier um die Verräter.", entgegnete Kiana sicher. "Ich erwarte von dir, dass du einen freien Kopf hast und mich hier gut vertrittst!".
"Natürlich, meine Königin…", antwortete er widerwillig und biss die Zähne zusammen.
"Gut…", sagte Kiana breit lächelnd. Dann lief sie die lange Gänge des Palastes entlang, um hinaus zu gelang. Sie spürte Lokis Blick förmlich auf sich ruhen, der ihr hinterher sah. Als sie in einen Korridor stehen blieb und sich unbeobachtet fühlte, seufzte sie mit hängenden Schultern. Natürlich war sie sich nicht so gewiss. Aber sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Die Königin durfte keine Schwäche zeigen. Nicht jetzt.
Im Thronsaal traf sie die Hauptmänner und Generäle der Armee. Gemeinsam gingen sie auf den Hof der obersten Ebene der weißen Festung.

Begleitet von einigen Kommandanten der Armee und Loki schritt sie aus dem Palast hinaus auf die oberste Ebene von Minas-Tirith. Der verbrannte Rest vom alten weißen Baum Gondors ragte noch in der Mitte des Platzes hervor. Drumherum war ein Brunnen mit einem kleinen Garten gebaut.
Die schwarzen Ostlinge und ein Teil der Armee stand stramm und hörig. Kiana trat an sie heran. Alle von ihr salutierten.
"Heute ist der Tag, an dem wir unseren Feinden zeigen, dass es ein großer Fehler ist wenn man sich mit der Krone anlegt! Niemand hat das recht, einen Anspruch auf ein Land in Mittelerde zu erheben und die Menschen die dort leben zu unterdrücken!", rief sie.
Die Ostlinge und auch die Soldaten der Armee rammten zustimmend ihre Speere in den Boden, sodass ein lauter Ton durch das Gebirge erhallte.
"Ich habe dafür gesorgt, dass jeder Mensch in diesem Reich frei ist! Ich habe euch dazu erwählt diese Freiheit mit eurem Leben zu beschützen!".
Wieder rammten die Soldaten die Speere gegen den Boden.
"Heute ist dieser Tag! Heute werden wir in den Norden aufbrechen, um Arnor zu befreien!".
Die Ostlinge schlugen wieder das Ende der Speere gegen den Boden, während die normale Armee aus Berufssoldaten ihr zu jubelten. Kiana sah zufrieden auf ihre Armee und saugte die Zurufe ein. Es gab ihr das Gefühl, dass sie richtig handelte.
Kiana zögerte nicht lange und befahl den Abmarsch in den Norden. Die Königin sah der Armee noch hinterher, die mit Gesängen und Rufen, begleitet von Trommelschlägen, die von der obersten Ebene von Minas-Tirith marschierten. Die etlichen schwarzen Banner mit dem roten Drachen wehten im Wind.

Kiana seufzte zufrieden. Sie selbst wartete auf Ancalagon, der lautstark am Himmel schrie und um den Palast kreiste.
Nach wenigen Minuten landete er schließlich auf der obersten Ebene. Einige der Wachen, die keine Ostlinge waren, suchten Schutz und fürchteten sich vor der Kreatur. Kiana aber, streichelte Ancalagon noch und stieg stolz auf den Drachen. Na los Ancalagon, bring mich in den Norden!, sagte sie in ihren Gedanken. Es dauerte auch nicht lange und der schwarze Drache breitete seine Flügel aus, lief in Richtung des Ende des Vorsprungs der Ebene. Auf Ancalagon flog sie tief über der Stadt, bis sie außerhalb der Stadt war und immer wieder über der Stadt und Anduin flog. Sie wartete immer wieder auf die Armee, die natürlich deutlich langsamer war. Dennoch nutzte sie den Drachen, um ihre Macht vor ihrem Volk zu demonstrieren. Kiana hatte wieder dieses Gefühl der Freiheit. Das Gefühl, welches auch bald wieder die Menschen von Arnor fühlen werden, wenn sie die Rebellen besiegt.
Wenn sie erst den Norden befreite, erinnerten sich schon alle anderen daran, was mit den Verrätern aus Minas-Tirith passierte und werden ihre rebellischen Aktionen unterbinden...

Kiana auf Ancalagon in Richtung Arnor...

Saizo:
Dol Amroth (Gondor)

Sanya und Mithrendan in Dol Amroth

Der folgende Tag brachte eine Veränderung der Situation. Zwar blieb Mithrendan bis auf weiteres verschwunden, was Sanya jedoch nicht beunruhigte. Sie vertraute ihrem alten Freund und wusste, dass er seine ganz eigene Art und Weise hatte, Nachforschungen anzustellen. Er würde mühelos in die undurchsichtigen Gefilde der Stadt eintauchen, dort, wo Dinge im Schatten geschahen, die den Augen der Wachen verborgen blieben.
Anstelle von Mithrendan war es einer der Ostlinge, der Sanya eine Nachricht brachte. Anscheinend war es den Männern des Legaten gelungen, einen der beiden gesuchten Verdächtigen zu fassen.
"Wenn Ihr den Gefangenen befragen möchtet, bringe ich Euch zu ihm," sagte der Ostling, und Sanya stimmte zu.

In den Verliesen des Fürstenpalastes angekommen stellte Sanya fest, dass es sich bei dem Gefangenen um den Mann handelte, den Mithrendan als "Narbengesicht" bezeichnet hatte, denn seine linke Gesichtshälfte war von einer gut sichtbaren Narbe auf der Wange verunstaltet. Der zweite Mann, der an seinem buschigen roten Bart zu erkennen sein sollte, war bislang nicht gefunden worden.
"Ah, sieh an," sagte der Gefangene, als er Sanya bemerkte. Schwere, eiserne Gitterstäbe trennten sie von ihm, doch das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. "Da hat die Königin uns tatsächlich ihr neues Lieblingsspielzeug hinterhergeschickt. Was für eine Ehre!" Er betrachtete Sanya von oben bis unten, und sie kniff die Augen zusammen. Diesen abwertenden Blick kannte sie, und er gefiel ihr gar nicht.
Sie ging nicht auf seine Worte ein. "Wenn du mir hilfst, wird es einfacher für dich werden," stellte sie deutlich klar und verschränkte die Arme. "Sag mir wie du heißt und für wen du arbeitest."
"Meinen Namen will die kleine Sanya wissen?" spottete er. "Damit du nachts besser von mir träumen kannst?" Er machte eine obszöne Geste und grinste. "Indur Messerhand nennt man mich," fuhr er angeberisch fort. "Willst du wissen, wie ich diese Narbe bekommen habe, hmm?"
"Das ist mir ziemlich egal," sagte Sanya. "Wer hat dir und deinen Kumpanen den Auftrag gegeben, unsere Königin zu ermorden?"
"Tu nicht so als wüsstest du es nicht lägnst," sagte Indur etwas ärgerlich, ehe er wieder frech lächelte und seine Augen über Sanyas Körper gleiten ließ. "In dem schwarzen Kleid auf der Feier im Palast hast du mir aber besser gefallen. Willst du dich nicht umziehen? Eine Frau in Rüstung, wo soll das noch alles hinführen? Eine Frau auf dem Thron ist schon schlimm genug. Komm, tu mir den Gefallen, vielleicht erzähle ich dir dann ein bisschen über seine Pläne."
"Seine Pläne? Sprichst du von dem Kerl, der sich "Silberner Schwan" nennt?" hakte Sanya sofort nach.
"Er ist der Einzige, dem ich folgen würde. Er hat einen Plan für dieses Land. Ein Plan, in dem kein Platz für diese Drachenschlampe aus dem Osten ist. Ein Plan, der die richtigen Leute wieder an die Macht bringt und jenen, denen alles was ihnen rechtmäßig gehört, weggenommen wurde, wieder zurückgegeben wird!"
"Dass ihr den Adelsstand wieder einsetzen wollt, weiß ich längst..." merkte Sanya an.
"Und wieso arbeitest du dagegen?" wollte Indur wissen. "Du bist doch selbst eine ranghohe Lady."
"Weil ich meine Titel nicht brauche, um der Mensch zu sein, der ich sein will," antwortete Sanya. "Ich habe mir meine Position aus eigener Kraft erarbeitet."
"Pah!" Indur spuckte aus. "Du bist so hoch aufgestiegen, weil die Königin Gefallen an dir gefunden hat, das könnte selbst ein Blinder sehen. Aber wart's nur ab, bald wird sie sich ein neues Spielzeug suchen und dich fallen lassen."
Sanya sagte nichts. Indurs Worte hatten eine Angst in ihrem Herzen wachgerufen, der sie eigentlich keinen Raum geben wollte. Sie musste den Anschein erwecken, dass er nicht zu ihr durchdrang, aber ihr Zögern reichte ihm schon aus, um sie zu durchschauen. Er lachte dreckig.
"Du weißt, dass ich recht habe, kleine Sanya. Alles was du dir... "erarbeitet" hast, kann dir mit einem einzigen Fingerschnippen deiner Königin wieder genommen werden. Sie ist eine Tyrannin, Sanya. Das musst selbst du erkennen." Er kam ganz nahe an die Gitterstäbe heran. "Schließ dich unserer Sache an," flüsterte Indur verschwörerisch. "Ich weiß, dass der Schwan Gefallen an dir gefunden hat, sonst hätte er sich dir niemals so offenbart, wie er es in Anórien getan hat. Du könntest an seiner Seite stehen und für die Gerechtigkeit kämpfen. Den Menschen, die alles verloren haben, ihr Leben zurückgeben. Für Gondor kämpfen. Was sagst du?"
Sanya wich zurück. Ihre Fassade war längst zerbröckelt und sie starrte Indur mit geweiteten Augen an. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, so sehr hatten ihn seine Worte erschüttert. Als sie nicht mehr weiter wusste, drehte sie sich um und hastete nach draußen.
Im Gang des Kerkers, der zurück nach oben führte, hörte sie von Ferne noch Indurs gehässiges Lachen, das sie verfolgte.

Sanya hatte sich in ihre Unterkunft geflüchtet, doch selbst dort blieb sie nicht lange allein. Kaum eine halbe Stunde nachdem sie dort angekommen war, klopfte es an der Tür. Sanya öffnete, und sah sich einer ihr unbekannten Frau gegenüber, die langes, blondes Haar hatte und ein hellblaues Kleid trug. "Ich heiße Váneth," sagte die Unbekannte mit leiser, wohltönender Stimme. "Und du musst Sanya Terelos sein, nicht wahr?"
Sanya nickte. "Was... gibt es?" fragte sie etwas holprig. Noch immer war sie ziemlich durcheinander.
"Mein Meister schickt mich. Ich habe eine Nachricht für dich, vom Lächelnden Schatten. Dem neuen Herrn der Unterwelt von Dol Amroth."
"Und wie lautet diese Nachricht?" wollte Sanya wissen. Von einem Lächelnden Schatten hatte sie noch nie gehört.
Váneth lächelte vielsagend. "Er lässt dich bitten, heute Abend auf seinem exklusiven Ball zu erscheinen. In angemessener Kleidung natürlich." Sie blickte an Sanya herab, die nach wie vor ihre Rüstung trug. "Im Austausch gegen deine Anwesenheit sollst du Informationen erhalten, die dir bei deiner... Mission von unschätzbarem Wert sein werden."
Sanya hob die linke Augenbraue. "Und warum sollte ich deinem Meister vertrauen? Das klingt für mich alles sehr nach einer Falle."
"Weil er die einzige Person hier in Dol Amroth ist, die dir helfen kann," sagte Váneth, als wüsste sie über alles Bescheid. "Lehnst du die Einladung ab, verfliegt die Gunst meines Meisters, denn im Augenblick... ist er dir sehr zugetan. Du musst nichts weiter tun, als auf dem Ball zu erscheinen. Es wäre dir sogar gestattet, eine Begleitung mitzubringen... von diesen unsäglichen Ostlingen mal abgesehen."
Aber meine einzige Begleitung, der ich vertraue, ist im Untergrund der Stadt verschwunden, dachte Sanya und hoffte, Mithrendan würde wie aus dem Nichts auftauchen, was natürlich nicht geschah. "Ich... werde alleine kommen," sagte sie nach einer langen Pause. "Wo findet der Ball denn statt?"
"Im Ballsaal des Theaters der Schwäne," erklärte Váneth lächelnd. "Es ist nicht weit vom Palast. Ich bin mir sicher, du wirst es finden."
Sanya nickt. Sie kannte das Gebäude. Einer der früheren Fürsten von Dol Amroth hatte es vor einigen Jahrhunderten erbauen lassen. "Das werde ich."
"Und für den Fall, dass du keine... passende Kleidung aus Minas Tirith mitgebracht hast..." erneut lächelte Váneth, als wüsste sie bereits, dass es tatsächlich so war.
"Ich habe in der Tat nicht daran gedacht, ein Ballkleid auf die Jagd nach zwei gefährlichen Verbrechern mitzunehmen", sagte Sanya sarkastisch.
"Mein Meister hat für diesen Fall vorgesorgt," erwiderte Váneth gelassen. "Sprich mit den Wachen vor dem Theater, ich werde sie informieren. Sie werden dich in einen Raum bringen, in dem du dich umziehen kannst, und dort wird etwas für dich bereit liegen. Komm aber rechtzeitig, damit du genug Zeit hast, um dich fertig zu machen!"
Sanya zögerte erneut. Es kam ihr alles noch immer sehr verdächtig vor, doch sie konnte nicht leugnen, dass Váneth recht hatte. Solange Mithrendan verschwunden blieb, war der Lächelnde Schatten Sanyas einzige Spur... falls es ihr nicht gelingen würde, noch mehr Informationen aus Indur herauszubekommen. "Ich... werde dort sein. Zu welcher Stunde werde ich erwartet?"
"Sei bei Sonnenuntergang vor dem Theater, das genügt," antwortete Váneth und lächelte zufrieden. "Und... mache dir keine Sorgen. Du wirst nicht in Gefahr sein."
Sie drehte sich um und trat einen Schritt von Sanyas Türe weg, ehe sie ihr den Kopf noch einmal zu wandte und über die Schulter sagte: "...Jedenfalls nicht mehr, als du es jetzt bereits bist."
Mit diesen Worten ging die geheimnisvolle Frau davon und war schon bald in der Menschenmenge auf den Straßen Dol Amroths verschwunden.

Darkayah:
Umland von Dol-Amroth

Kiana aus Arnor nach Dol-Amroth...

Lange Zeit dachte sie noch über das Vergangene nach. Plötzlich hörte sie all die Schreie der Menschen in ihrem Kopf, die in Minas-Tirith starben und die derer, die noch vor kurzem ihr Leben in Arnor lassen mussten. Auch wenn Kiana irgendwie versuchte die Stimmen zu ignorieren, wurde dies bald unmöglich. Die Schreie waren so laut, dass sie sich auf nichts anderes konzentrieren konnte.
Das war alleine schon gefährlich, weil sie auf dem Rücken ihres Drachen Ancalagon war, der geschmeidig über das weiße Gebirge flog.
War sie zu weit gegangen und alle hatten recht, dass sie nur noch aus reiner Machtgier handelte? Nur noch Angst davor hatte ihre Anerkennung und ihren Titel zu verlieren?
Kiana hatte so viele Seelen in den Krieg geschickt. So viele verloren ihr Leben. Dabei waren es doch die Menschen, die sie beschützen wollte vor den bösen Dingen dieser Welt. Nun wurde sie selbst zum Schrecken. Zur Dunkelheit.
Schon viel zu lange ließ sie die Finsternis in ihr Herz.
Die Königin konnte es den Rebellen nicht verübeln, dass sie sich gegen Kiana auflehnen. Sie konnte sie eher verstehen. Sie konnte Octavia verstehen, die versucht hatte Kiana zu töten.
Ich habe alles falsch gemacht, dachte sie sich erschüttert. Thirak hatte recht… Ich bin damals schon viel zu weit gegangen.
Kiana sah den Mann vor sich. Wie er bestürzt und gebrochen vor ihr stand, als sie Minas-Tirith niederbrannte. Den Mann den sie einst liebte und der in Wirklichkeit ihr Neffe war. Sie waren eine Familie und sie nahm es in Kauf, dass er getötet hätte werden können.
Genauso wie er gehörte Octavia zu ihrer Familie. Ganz gleich ob nur als Halbschwester oder Schwester. Beide Frauen hatten den gleichen Vater. Das gleiche Blut floss durch ihre Adern.
Kiana musste an die Worte von Robben Rogwyne denken, der ihr sagte, dass Octavia in Sicherheit war. Eine große Erleichterung machte sich in ihr breit. So wusste sie, dass ihre Halbschwester nicht von ihrem Angriff getötet wurde. Sie hoffte nur, Thirak könnte ebenfalls den Flammen entkommen. Sobald sie zurück in Minas-Tirith war, wollte sie sofort nach ihnen suchen lassen. Mit beiden über die Ereignisse Reden. Die Königin war sogar bereit dazu, Arnor freizugeben, damit Octavia und ihre Liebsten dort in Frieden leben konnten.
Was war schon ein Stück Land im Gegensatz zu den vielen Todesopfern, die Kiana selbst verursachte. Nichts.
Kiana war sich sicher, dass sie in Frieden Koexistent leben konnten. In Frieden und… Als Familie.

Kiana überflog das weiße Gebirge von Gondor mit Ancalagon. Die Wachposten der alten Leuchtfeuer waren noch immer bemannt. Neugierig sahen sie in den Himmel, als Kiana mit ihrem Drachen über ihre Köpfe hinweg flog. Sie mussten es gewohnt sein, dass der Drache oft am Gebirge aufhielt. Die Sonne stand schon tief am Horizont. Das Land war in einem Orange-Rot der Abenddämmerung gefärbt. Im schwachen Licht konnte Kiana die Menschen von West-Gondor sehen, die wie Ameisen in ihren Dörfern wuselten. Kiana freute sich schon endlich wieder Sanya sehen zu können. Sie wollte unbedingt mit ihr über ihre neuen Ideen sprechen.  Sie war die einzige, der Kiana vertraute. Die einzige, die Kianas Gedanken ernst nahm.
Loki würde sie wohl kaum noch für voll nehmen, wenn sie ihm von ihrem Wandel erzählte. Oder er fühlte sich dadurch nur bestätigt.
Sie kam sie ja selbst mehr als verrückt vor. Im ersten Moment tötete sie noch tausende von Menschen. Zerstörte die größten Städte von Arnor. Im nächsten Moment bereute sie all ihre Taten, wollte nur  noch alles rückgängig machen.
Die Königig seufzte tief, denn sie hoffte Dol-Amroth so schnell wie möglich zu erreichen. Sanya musste nur noch dort sein. Sie wollte nicht vorher nach Minas-Tirith zurück.

Das weite Meer Belegaer war sichtbar, genau wie die große Stadt von Dol-Amroth. Genau wie die Zitadelle auf einer Anhöhe, die der Sitz der ehemaligen Fürsten der Stadt war.
Noch nie hatte Kiana die Heimat ihres Widersachers Imrahil Imrazor gesehen. Dennoch strafte sie die Menschen von Dol-Amroth dafür ab, dass er von dort kam. Sei es durch Beschränkungen der Bevölkerung, Kontrollen oder das Geld, welches sie zwar von der Stadt nahm, diese aber verkommen ließ. Wahrscheinlich war es kein Wunder, dass der Silberne Schwan sich mit den Aufständischen aus Gondor gegen sie auflehnte. Sie fühlten sich ungerecht behandelt, in gewisser Weise ihrer Heimat beraubt.
Für Kiana stand fest, dass sie neben Thirak und Octavia auch den Silbernen Schwan nach Minas-Tirith einladen musste. Natürlich konnte sie ihm kein Land versprechen, aber sie kamen bestimmt auf einen gemeinsamen Nenner. Und wenn es nur der Abzug der Legaten und das Einsetzen von lokalen Verwalten war. Sanya konnte ihr sicher damit helfen. Kiana war davon überzeugt. Wenn die Menschen schon nicht auf Kiana hören wollten und ihr nicht vertrauten, würden sie es ganz sicher auf Sanya. Sie war eine starke Frau Gondors, die eine große Begabung hatte.
Das war auch einer der Gründe, warum sie sich sofort in die Frau verliebte.

Gerade flog sie über ein Waldstück hinweg, da schrie der Drache Ancalagon plötzlich wie aus dem Nichts auf. Kiana spürte nur einen Rückstoß, als wäre er von etwas getroffen worden.
Mit aller Kraft versuchte sie sich an den Stacheln des Drachen auf dem Rücken festzuhalten. Es war nicht so einfach, da er in der Luft eine Schieflage einnahm.
Als die Königin wieder halbwegs gefestigt auf dem Rücken saß, erkannte sie den großen Pfeil der am Ansatz des linken Flügels in seinen Schuppen steckte.
Kiana kannte diese Geschosse. Es waren die gleichen, mit denen Imrahils Männer Aranyon vom Himmel schossen.
Verzweifelt versuchte sie am Boden etwas zu erkennen. In der Dunkelheit erwies es sich alles andere als einfach. Vorsichtig ließ sie das Geflügelte Ungeheuer um das Waldstück kreisen.
Ich muss dringend für das Treffen aller Sorgen…, dachte sie nur. Sicher würde eine Übereinkunft für Frieden sorgen. Den Gedanken ausdenken konnte sie allerdings nicht.
Ein weiteres Geschoss traf den Drachen, sobald er wieder aufschrie und weiter in die Höhe flog. Kiana hatte so gut wie keine Kontrolle mehr über Ancalagon, so sehr sie es auch versuchte.
Selbst hoch in der Luft schlug noch ein drittes ein und sorgte dafür, dass mit einem Steilflug in Richtung Boden stürzte.
"Los, flieg nach oben!", schrie Kiana nur, doch der Drache reagierte nicht, sondern flog mitten auf das weiße Gebirge zu und Stoff die steinernen Wände. Kiana konnte sich dadurch kaum festhalten und wurde selber von einer Wand erfasst.
Voller Schmerzen rollte sie noch ein Stück weiter herunter. Schlug mehrere male mit allen Körperteilen auf. Ihre Kleidung zerriss dabei und sie verlor ihre Kleidung.
Als sie mit ihrem Kopf gegen einen Felsen schlug, wurde ihr schwarz vor Augen….

Saizo:
Dol Amroth (Gondor)

Sanya in Dol Amroth

Als Sanya einige Zeit später - kurz vor Sonnenuntergang - am Theater ankam, sah sie, dass die Wachen sie tatsächlich bereits erwarteten. Man winkte sie durch einen der Nebeneingänge und zeigte ihr einen Raum, in dem sie sich ungestört umziehen konnte. Ihr geheimnisvoller Verbündeter hatte ein dunkelblaues Ballkleid für sie vorbereiten lassen, das Sanya wie angegossen passte. Sie wollte gar nicht wissen, woher dieser geheimnisvolle Drahtzieher ihre Maße kannte. Nachdem sie fertig mit dem Umziehen war, machte sie sich auf die Suche nach dem Saal, in dem sie auf den Lächelnden Schatten treffen sollte.

Die erste Person, die ihr am Eingang des Saals über den Weg lief, war ein vertraues Gesicht.
"Lady Terelos!" Die Stimme des Händlermeisters, Relon Deneril, ließ Sanya beinahe die Augen verdrehen. "Was für eine Freude, Euch hier anzutreffen! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr mit den eloquenten Kreisen der amrothischen Gesellschaft so gut vertraut seid, dass Ihr euch diesen exquisiten Ball nicht entgehen lassen. Ihr müsst mir verraten, wer Euch die Einladung beschafft hat. War es Ferthan? Oder Belrith? Oder gar unser großzügiger Gönner höchstpersönlich?"
"Ich war es, Relon," sagte Váneth, die urplötzlich neben dem schwatzenden Händler aufgetaucht war.
Für einen Augenblick verfinsterte sich die sonst so gut gelaunte Miene Denerils, doch der Moment verflog so schnell wie er gekommen war. "Oh, ich verstehe. Natürlich... ich hätte es ahnen müssen, dass zwei so starke und schöne Frauen nicht lange brauchen, bis sie zusammenarbeiten. Nicht wahr? Ich bin schon gespannt, was ihr in euren hübschen Köpfen so ausgeheckt habt. Ich sollte..."
"Du solltest langsam den Weg freigeben," sagte Váneth streng, aber lächelnd. "Du blockierst den Eingang, mein lieber Relon."
"Oh! Aber natürlich tue ich das," sagte der Händler und grinste. Er trat einen Schritt zurück, und eine große Menge von fein gekleideten Gästen strömte herein. Im entstehenden Gemenge verloren Sanya und Váneth den aufdringlichen Deneril glücklicherweise aus den Augen - oder vielmehr, er verlor die beiden Frauen aus den Augen.
"Das wäre geschafft. Du bist pünktlich, und wie ich sehe, hattest du bei der Ankleide keine Probleme," sagte Váneth anerkennend. "Ich denke, der Abend steht unter einem guten Stern. Ich werde nach meinem Meister schicken lassen, während du dich ein wenig mit der Halle vertraut machen kannst. Genieße die Verpflegung und mische dich unter's Volk! Je weniger du herausstichst, desto besser."

Sanya gab sich alle Mühe, Váneths Rat zu befolgen, doch es fiel ihr nicht leicht. Sie war noch nie jemand gewesen, der mühelos über belanglose Dinge sprechen konnte; sie kam lieber zum Punkt und sprach das an, was ihr am Dringendsten vorkam. So fand sie nur wenig Anschluss an die abendlichen Unterhaltungen der Gäste. Sie zog sich in Richtung des hinteren Teils des Saales zurück und begann, unauffällig die Anwesenden zu beobachten. Nach einer Weile konnte sie sie in drei Gruppen aufteilen: Da waren die Neureichen, wie Deneril, die unter dem einstigen König keinen Titel oder Rang besessen hatten und nun unter der Herrschaft der Drachenkönigin aufgestiegen waren. Dann gab es die ehemaligen Adeligen, die sich ihren Wohlstand durch Kooperation mit dem Legaten zumindest teilweise erhalten hatten. Und dann gab es eine dritte Gruppe, die in keine der beiden vorherigen Kategorien passte. Es waren Menschen, die entweder nicht so aussahen, als gehörten sie an einen solchen Ort, oder solche, die so aussahen, als wollten sie um jeden Preis den Anschein erwecken, unverdächtig und harmlos zu sein. Sanyas Erfahrung riet ihr, die dritte Gruppe am wenigsten aus den Augen zu verlieren. Sie aß ein wenig, rührte aber von den vielen alkoholischen Getränken nichts an, denn  sie wollte einen klaren Kopf bewahren.

Es verging eine halbe Stunde, in der der Ball seinen ganz gewöhnlichen Verlauf nahm. Dann traft der Gastgeber persönlich ein. Gespannt beobachtete Sanya, wie Váneth einen gut gekleideten, hochgewachsenen Mann in den Saal begleitete. Sein Gesicht war hinter einer Maske aus weißem, festem Stoff verborgen, die ein breites, aufgemaltes Lächeln zeigte. Hellbraunes Haar fiel ihm über die Schultern herab. Als er sich Sanya näherte, blitzten hinter der Maske zwei graue Augen auf.
"Guten Abend," sagte er mit angenehmer, volltönender Stimme. "Wie schön, Euch endlich persönlich zu begegnen, meine Liebe. Ich habe so viel von Euch gehört."
"Guten Abend," erwiderte Sanya höflich. "Welche Dinge habt Ihr denn gehört?"
"Oh, ich werde Euch nicht damit ermüden, sie alle aufzuzählen, keine Sorge," sagte ihr Gastgeber. "Dies überlasse ich Anderen, wie meinem guten Freund Relon Deneril."
Váneth gab ein amüsiertes Geräusch von sich. "Er ist ein Narr, aber ein gutherziger, nützlicher Narr," merkte sie an.
"Und was bin ich für Euch? Ebenfalls nur ein nützliches Werkzeug?" fragte Sanya kritisch nach.
"Mitnichten. Ich bin auf Eurer Seite, Teuerste," sagte der Schatten und nahm in einer flinken Bewegung Sanyas Hand. Sie war zu überrascht, um ihn daran zu hindern. "Tanzen wir. Dies ist ein Ball - mein Ball - und ich möchte sehen, wie bewandert Ihr seid."
Sanya zögerte einen Augenblick, doch dann ließ sie sich von ihm in die Mitte des Saales führen, wo bereits einige andere Paare zu der Musik tanzten, die von einer Gruppe Musikanten gespielt wurde.

"Ihr fragt Euch sicher, wozu ich all diesen Aufwand betreibe," sagte der Lächelnde Schatten, während er Sanya führte. Er war ein exzellenter Tänzer, und auch wenn Sanya die Schritte kannte, die von ihr erwartet wurden, hätte sie sich vollkommen auf seine Führung überlassen können.
"Ja," beantwortete sie seine Frage, ehe er sie einmal um ihre Achse drehte. "Das habe ich mich tatsächlich gefragt."
"Nicht wahr? Wir hätten uns ohne Probleme auch in einer verborgenen Zuflucht im Untergrund der Stadt treffen können. Aber dies... ist aufregender," sagte er, und Sanya konnte sein Lächeln hören, obwohl sie es unter der Maske nicht sehen konnte. "Hier, vor aller Augen der Öffentlichkeit Geheimnisse auszutauschen..."
Sanya konnte nicht verhindern, dass sich Verwunderung auf ihrem Gesicht ausbreitete. "Aber... ist das nicht gefährlich für Euch?"
"Gefährlich? Vermutlich. Aber seid unbesorgt, meine Schöne... ich habe hier alles absolut unter Kontrolle," sagte der Lächelnde Schatten amüsiert. "Für die Ostlings-Wachen ist dies nur ein weiterer, belangloser Exzess, dem sich die Oberschicht hingibt, anstatt an den Verschwörungen und Aufständen der letzten Zeit teilzunehmen. Sie sind es zufrieden, dass wir unseren Festen und Feiern nachgehen, solange wir keinen Ärger verursachen. Aber die Wahrheit ist viel spannender, nicht wahr? Denn wir tun mehr als nur zu feiern und zu tanzen. Ich tue mehr. Diese Stadt mag augenscheinlich von einem Legaten regiert werden, aber in Wirklichkeit... gehört sie mir."
"Ist das so?" fragte Sanya. "Und was gedenkt Ihr mit Dol Amroth zu tun?"
"Es zu dem Wohlstand zu führen, den es verdient. Die Drachenkönigin... sie verachtet diesen Ort, weil sie die Heimat ihres ärgsten Feindes war. Aber das sind nur die trotzigen Gedanken eines Kindes. Ich sehe mich in der Lage, diese... Ungerechtigkeit auszugleichen."
"Ihr kontrolliert die Händler und Warenlieferanten," stellte Sanya fest.
"Scharfsinnig," lobte er. "Aber mein Einfluss reicht deutlich weiter. Meine Leute sind überall in den wichtigen Posiionen der Stadt platziert worden. Ich bestimmt, wer Dol Amroth betritt, und wer es wieder verlässt."
"Bin ich also Eure Gefangene?"
"Oh, so etwas dürft Ihr nicht denken," sagte er freundlich. "Solange wir einander.... verstehen, dürft Ihr tun und lassen, wie es Euch beliebt," sagte der Schatten. "Sprecht mit Váneth, wenn Ihr weitere Fragen habt, und sie wird Euch darüber hinaus um einen Gefallen bitten. Seid so gut und helft ihr, meine Gute. Ich vertraue darauf, dass Ihr die richtige Entscheidung treffen werdet."
Er ließ ihre Hand los, machte einen Schritt zurück und verschwand im Trubel der tanzenden Menge. Sanya blieb allein und voller Fragen zurück.

Sie bahnte sich ihren Weg von der Tanzfläche und machte sich auf die Suche nach Váneth. Als sie die Frau schließlich entdeckt hatte, sah sie wie ein Page Váneth einige Dinge ins Ohr flüsterte, und die sonst so beherrschte Miene der Dame mit einem Mal erbleichte.
"Ist das wahr?" hörte Sanya Váneth aufkeuchen, und rasch näherte sie sich.
"Was ist geschehen?" fragte Sanya direkt.
"Die Silberne Schar hat sich offenbart," murmelte Váneth, die noch etwas bestürzt wirkte. "Ich hätte nicht erwartet, dass sie... so schnell handeln würden..."
"Wovon sprichst du?"
Da teilte sich die Menge, und der Lächelnde Schatten trat zu ihnen, die Arme ausgebreitet. "Dies sind unerwartete, wenn auch exzellente Neuigkeiten, meine Freunde," sagte er mit lauter Stimme und wandte sich an alle Anwesenden. "Dies ist nun die Stunde, in der wir unseren rechtmäßigen Platz einnehmen! Der Drache ist gestürzt worden, ihr guten Menschen von Dol Amroth. Die Männer des Silbernen Schwans haben die Bestie über der Stadt vom Himmel geholt, mitsamt seiner verhassten Reiterin. Wir sind frei uns zu nehmen, was uns zusteht."
Jubel brach aus, und alle Anwesenden begannen, wild durcheinander zu reden. Sanya konnte kaum glauben, was sie da hörte. Wie konnte das wahr sein? Kiana war doch weit weg, in Arnor...
"Váneth," hörte sie den Schatten noch in aller Ruhe sagen. "Geh und lass unseren werten Legaten wissen, dass er sich als abgesetzt betrachten darf. Seine Dienste werden nicht länger benötigt..."

Saizo:
Minas Tirith (Gondor)
Sanya und Mithrendan reisen von Dol Amroth nach Minas Tirith

Die Ereignisse überschlugen sich in den wenigen Tagen nach dem mutmaßlichen Tod der Drachenkönigin. Der Aufstand in Gondor wurde zu einem landesweiten Flächenbrand, und es gelang den Rebellen, unter der Führung des Silbernen Schwans, die loyal zur Krone gebliebenen Ostlinge bis nach Minas Ithil zu vertreiben. Unter ihrem Kommandanten konnten die Ostlinge Minas Ithil und die Lande Mordors halten, doch der Rest Gondors wurde zu einem freien Königreich proklamiert, das übergangsweise von einem Rat von Adligen geführt wurde, der binnen eines halben Jahres zusammentreten wollte, um einen aus ihrer Mitte zum König zu krönen.
Die königliche Armee, soweit sie nicht aus Ostlingen bestand, wurde vor die Entscheidung gestellt, sich dem Rat zu unterwerfen oder ins Exil zu gehen. Der Großteil entschied sich dafür, ihre Posten zu behalten, nun allerdings unter anderer Führung. Sie legten das Drachenbanner ab und dienten wieder unter dem Weißen Baum, der als Landeswappen Gondors wieder eingeführt wurde.
In Dol Amroth wurde ein neuer Fürst ernannt. Sein Name war Alphros, und er behauptete von den einstigen Herren der Schwäne abzustammen. Ähnliches geschah in Pelargir und Linhir. Der Umsturz geschah so schnell und vollständig, dass die meisten Gondorer sich einig waren, dass die Sache bereits von langer Hand geplant und vorbereitet worden war.

Sanya und Mithrendan, der in all dem Chaos wieder aufgetaucht waren, beschlossen, bei der Armee zu bleiben, wenn auch nur unter falschen Vorgaben. Sanya erhielt zwar ihre Titel und Ländereien rings um Cair Andros zurück, doch wäre sie dorthin zurückgekehrt, wäre sie eine alleinstehende Fürstin gewesen, die sich vor Heiratsanträgen nicht hätte retten können. So blieb sie nominell bei der Armee und durte sogar ihren Rang behalten. Ihre Ländereien nahm sie nur symbolisch in Besitz, in Wahrheit ließ sie die Menschen sich dort weiter selbst regieren. Sie blieb eine ganze Weile in Dol Amroth, denn dass Kiana einfach so gestorben sein sollte, konnte sie nicht glauben und auch nicht akzeptieren. Tagelang durchkämmte sie mit Mithrendan die Wildnis, doch bis auf ein paar Spuren des Drachen, die ins Leere führten, fanden sie nichts.
Schließlich kam der Befehl aus Minas Tirith, dass sich die Führungsriege des Heeres dort zu versammeln hatte. Die neuen Grenzen des wiederhergestellten Königreichs Gondor sollten gesichert werden. Der Großteil der Soldaten, die in Arnor gegen die Rebellen gekämpft hatten, waren mittlerweile heimgekehrt und standen zur Verfügung. Der Hohe Rat von Gondor hatte große Ambitionen. Sie planten, die Flüsse Anduin, Poros, Limklar und Isen als Grenzen Gondors festzulegen, was bedeuten würde, dass auch das ehemalige Reich von Rohan innerhalb ihres Einflussbereiches liegen würde. Aus Rohan waren kaum Nachrichten nach Gondor gedrungen, selbst die Soldaten aus Arnor, die es auf dem Heimweg durchquert hatten, hatten kaum Menschen dort gesehen.

In Minas Tirith angekommen staunten Sanya und Mithrendan nicht schlecht über die schlagartigen Veränderungen, die in der Weißen Stadt vor sich gegangen waren. Viele der Menschen, die in den Tagen der Drachenkönigin in die Hauptstadt gezogen waren, waren in ihre angestammten Heimatgebiete zurückgekehrt. Die schwarzroten Drachenbanner waren vollständig entfernt worden, sowie alle Statuen von Kiana zerstört worden. Auch Sanya und Mithrendan hatten neue Ausrüstung bekommen und trugen nun schwarze und silberne Rüstungen, auf denen der weiße Baum eingraviert worden war.
"Sie haben wirklich keine Zeit verloren," merkte Mithrendan an, als sie langsam durch die Straßen der Stadt ritten.
"Nein, das haben sie nicht," stimmte Sanya ihm nachdenklich zu. Sie hatte die ganze Zeit unterwegs darüber nachgegrübelt, was wirklich mit Kiana geschehen sein mochte. Dass sie wirklich tot sein sollte, wollte Sanya nicht glauben. Sie erlaubte es sich nicht.
Mithrendan zuckte mit den Schultern. "So ist das nun einmal. Könige und Herrscher kommen und gehen. Ich hoffe, der neue Rat geht mit der Bevölkerung weise um."
"Wir werden es sehen," sagte Sanya. "Wir werden es sehen..."
"Diese geplante Kampagne gegen Rohan lässt mich jedenfalls nichts Gutes ahnen," seufzte Mithrendan.
"Ich denke nicht, dass es ein richtiger Kriegszug werden wird," hielt Sanya dagegen. "Sie wollen einfach nur ihren Anspruch deutlich machen und Truppen an die Grenzen entsenden."
"Mh.." machte Mithrendan. "Also mir hat es besser gefallen, als es zwischen den Ländern der Menschen keine Grenzen gab."
"Mir auch," sagte Sanya leise. "Mir auch..."

Im Palast angekommen wurden sie von den Wachen, die größtenteils noch dieselben wie unter Kiana waren, ohne Probleme hindurchgelassen. In den neu eingerichteten Ratsaal durfte allerdings nur Sanya hinein, Mithrendan besaß weder den benötigten Rang noch machte er sich viel aus solcherlei Besprechungen. Sanya stieß die schweren Türflügel auf - und fand sich Auge in Auge mit dem Silbernen Schwan wieder.
"Du," knurrte sie so leise, dass sie hoffte, dass nur er es hören konnte.
"Welch eine Freude dich zu sehen, meine liebe Sanya," sagte er mit einem Lächeln, das sie nur noch wütender machte. Hier stand der Mann, den sie kreuz und quer durch das ganze Land gejagt hatte, und sie durfte ihn nicht in Ketten legen und seiner gerechten Strafe zuführen! Stattdessen würde Sanya nun sogar seine Befehle befolgen müssen.
"Warum denn so mies gestimmt?" fragte er, als wüsste er nicht ganz genau, woher Sanyas Abneigung kam. "Ich hatte gedacht, wir beide verstünden einander, und könnten unsere Beziehung ein wenig... vertiefen, nun, da unser Heimatland so viel freier atmen kann."
"Vergiss es," stellte Sanya klar. "Du magst derzeit die Oberhand haben, aber eines Tages werde ich dafür sorgen, dass du hinter Gittern landest, wo du auch hingehörst."
"Oho!" amüsierte er sich. "Ich seh' schon, du bleibst dir treu, nicht wahr? Keine Sorge, du wirst es gut haben, im wiederhergestellten Königreich Gondor. Ich habe dafür gesorgt, dass du deinen Rang in der Armee behalten konntest. Die übrigen Ratsmitglieder waren da... anderer Meinung. Aber wie du ja weißt, kann ich sehr... überzeugend sein."
Also ist dieser Rat nur eine Farce, und in Wahrheit kontrolliert der Silberne Schwan sie alle, dachte Sanya. "Wenn du jetzt einen Dank von mir erwartest, muss ich dich leider enttäuschen."
"Etwas Dankbarkeit stünde dir tatsächlich gut," sagte er, wirkte allerdings in keinster Weise beleidigt oder verärgert. Seine gute Laune machte Sanya nur noch wütender, und sie sah, dass er das ganz genau wusste, und es ihm Spaß machte.
Sanya antwortete nichts darauf. Er hingegen besaß die Dreistigkeit, sich bei ihr unterzuhaken und sie sanft, aber bestimmend zum großen, runden Tisch zu führen, an dem die Ratssitzung stattfinden sollte. Sie ertrug es nur unter innerlichem Protest.

An der Ratssitzung beteiligte Sanya sich kaum, eigentlich antwortete sie nur auf die vereinzelten Fragen, die an sie gerichtet wurden. Ihre Aufmerksamkeit galt voll und ganz dem Silbernen Schwan, von dem Sanya mehr und mehr überzeugt war, dass er die vollständige Kontrolle über den Rat besaß und dass er sich von ihnen zum König machen würde. Es war alles nur eine große Scharade, um dem Volk vorzugaukeln, dass es sich seinen Herrscher selbst aussuchen konnte, mehr nicht.
Die Beschlüsse des Rates kamen entsprechend schnell auf den Tisch, es gab nur wenig Diskussionen oder Meinungsverschiedenheite n. Man entschied, Mordor vorerst den Ostlingen zu lassen, denn es war zwar mittlerweile ein grünes Land, aber noch immer kaum bebaut: Straßen und Gebäude gab es dort nur an vereinzelten Stellen, bis auf eine Handvoll Städte war das Land sehr unzivilisiert. Ithilien sollte zum Kriegsgebiet erklärt werden, und von einer starken Garnison gegen Angriffe aus dem Osten gesichert werden, und der Anduin sollte als zweite Verteidigungslinie deklariert werden. Sanya erhielt den Auftrag, die Bastionen von Cair Andros zu verstärken und die teilweise baufälligen Mauern instand setzen zu lassen, denn die Inselfestung lag nun wieder an der Grenze des Reiches.
Nach Norden und Westen hin sollten die Lande Rohans in Besitz genommen werden, wofür die Hälfte der zur Verfügung stehenden Armee eingesetzt werden sollte. Die übrigen Soldaten wurden nach Ithilien abkommandiert, während ein Teil die Aufgabe bekam, den Gerüchten über Überfälle von - gerüchteweise - Orks aus dem Weißen Gebirge nachzugehen.
Sanya würde in Minas Tirith bleiben. Die Restauration von Cair Andros konnten andere in ihrem Namen durchführen. Sie wollte den Silbernen Schwan ganz genau im Auge behalten, zumindest bis dieser sich tatsächlich zum König ausriefen ließ...

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