Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Erebor

Im Inneren des Erebors

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CrystalPhoenix:
Carracáin ließ seine Knöchel knacken.

Er befand sich gerade auf dem Plateau des dritten Schmieds.
Auch wenn offiziell alle Schmiede der Zehn gleichberechtigt waren, so hatten sie doch Nummern. Und es war klar, dass die Nummer Eins den allergrößten Respekt bekam. Carracáin selber hatte die achte Position inne, aber eigentlich scherte ihn das nicht.
Er war auf dem Plateau des Dritten, weil er sich nach Kontakten zu den wahren zwergischen Schmieden sehnte. Schließlich hatte er nur deshalb die Strapazen der Reise zum Erebor auf sich genommen, schließlich war sein einziges Ziel gewesen, sich mit den anderen Zwergen auszutauschen!
Dass ihm dabei soviel Feindseligkeit hatte er natürlich nicht gewusst, und er war die ersten Tage, die er hier im Erebor verbracht hatte, doch tatsächlich ein bisschen enttäuscht gewesen.
Aber dann kam etwas, was er nie erwartet hätte!
Einer der Zehn hatte ihn eingeladen, sich seine Arbeiten anzuschauen! Dwarkarnur war sein Name gewesen, und Carracáin war begeistert von der Offenheit des Zwergs!
Der Zwerg selber war zwar eher unbeliebt in dem Zirkel der zehn Besten, seine Kameraden sahen ihn als einen elitären, verträumten und weltfremden Schmied an, aber das war Carracáin so ziemlich egal!

Und so kam er hierhin, auf das Plateau Nummer drei. Es war bombastisch!
Der dritte Zwerg hatte ein so starkes Bündnis hinter sich, dass ihm fast ein Achtel der gesamten Halle gehörte. Sobald Carracáin den Bereich betreten hatte, empfing ihn eine Gesandschaft, und geleitete ihn zu ihrem „Herrscher“, der Carracáin freudig empfing.
Dieses... „Reich“ konnte man von dem Plateau herrlich überblicken. An aus chagallblauem Marmor gefertigten Säulen schlängelte sich eine reinweiße Wendeltreppe empor, die in eine riesengroße Plattform überging. Das war die Residenz Dwarkarnurs, dem dritten Schmiede der gigantischen Halle.

Carracáin ließ seinen blick über die Plattform schweifen.
Das ist... naja, also ein bisschen pompös ist das schon.
Auf der Platte erstreckte sich ein Labyrinth aus Öfen, Tischen und offenen Feuern, riesige Ambosse waren in Reihen aufgestellt, an denen mindestens zwanzig Zwerge Arbeiteten.
„Na, Elb, wie gefällt dir meine Plattform?“

„Großartig.“, war das einzige Wort, was Carracáin herausbekam.
Denn das war kein normales Gestein, das die Tische bildete. Nein, das waren Blöcke aus poliertem, nachtblauem Aquamarin, und quadratische Formen von Amethyst und Azur wuchsen daraus hervor. Silberne Intarsien umgaben alles auf dieser Plattform, als wäre Regen aus blankem Metall herniedergefallen, und hätte sich wie Tau auf die Geräte gelegt. Eisblumenmuster aus schillerndem Kristall zogen sich über den spiegelglatten Boden, und weißgoldene Kelche zarter Lilien wölbten sich über das Plateau.

Das war ein Seelenverwandter.

„Ja, großartig ist das hier in der Tat, Carracáin. Ich liebe die Farbe Blau, seitdem ich einst das große Meer erblicken durfte. Es war Winter, und Schneeflocken tanzten über die Wellen. Eiskristalle hatten sich in meinem Bart gebildet,  Silbermöwen kreisten über dem schneeweißen Strand und ihre Schreie klangen nach Freiheit und Anmut.
Dieses Erlebnis habe ich stets in meinem Herzen getragen, und ich würde all meinen Besitz geben, um noch einmal die makellose Schönheit der winzigen Eissterne zu sehen, die auf den Wellen schweben.“
Der Blick des Zwergs war zwar noch immer auf den Elb gerichtet, aber er starrte durch ihn hindurch, auf die Wunder die sein Auge einst erblicken durften, die ihm jahrzehntelang das Herz gewärmt hatten. Eine einzelne Träne kullerte über sein zerfurchtes Gesicht, und tropfte dann in seinen Bart.
Nach einem Augenblick schniefte er laut, wischte sich die Träne weg, und schaute Carracáin wieder fokussiert an.
„Aber lassen wir das! Ich habe dich gebeten, hier her zu kommen“, Mich gebeten. Hui, da bin ich ja doch ganz schön wichtig, wenn man mich nicht mehr befiehlt... sondern bittet. „weil ich deinen Stil sehr, sehr schätze!“
Carracáin musste vor Glück breit grinsen. Ihm wurde noch nie, nie in seinem ganzen leben von einem anderen Schmied gesagt, dass seine Arbeiten gut wären! Es war das erste Kompliment, das er von jemandem erhielt, der Schmied war.
„Lachst du mich etwa aus?“, fragte der Zwerg mürrisch. Er hatte wohl das glückliche Grinsen Carracáins falsch interpretiert.
„Nein, Herr Zwerg, ganz und gar nicht! Ich... nun es ist so... Mir hat noch nie ein Schmied gesagt, er würde meine Arbeit schätzen...“ Verlegen sah Carracáin nach unten weg. Doch er war viel größer als der Zwerg, sodass dieser sich einfach zwischen ihn und den Boden schieben konnte. Entrüstet schaute er zu Carracáin auf.
„Wirklich? Dann wirds aber mal Zeit! Wenn ich mir anschaue, wie sich die Schmiede hier gegenseitig beweihräuchern und Begeisterung heucheln, dann ist es eine riesige Schande für das Zwergenvolk, dass eure Meisterleistungen nicht angemessen gewürdigt werden!“
Carracáin wurde rot. Er wusste überhaupt nicht, wie er die Lobpreisungen des Zwergen erwidern sollte. „Ihr seid aber auch nicht schlecht...“ „Jaa, das weiß ich, aber von Kindesbeinen an wurde ich mit Lob überschüttet! Ich sag dir mal was: Jeder Schmied hier in der Halle, der nicht auf einem Plateau sitzt, würde seine Seele für deine Kunstfertigkeit geben! Ach was sag ich, er würde sie sich allein schon für die Fähigkeit, ein einzelnes deiner silbernen Blätter zu formen, bereitwillig herausreißen!“
Als Carracáin peinlich berührt herumdruckste, beruhigte sich der Zwerg wieder.
„Was ich damit sagen will ist: Der Elbenhass, der hier in der Halle herrscht, war nicht immer da. Das ist purer, hässlicher Neid. Du hast viel mehr geschafft als die meisten hier von uns, und so wie ich das aus den Informationen entnehmen kann, die mir zugetragen wurden, hattest du nichts. Dir wurde nichts beigebracht, du wurdest nicht ermutigt. Und ich habe größten Respekt davor, dass du bescheidener bist, als die meisten Schmiede hier, die mit ihren unfertigen Machwerken herumprahlen.“
Jetzt konnte Carracáin aber wirklich nicht mehr. Er legte seine Hand auf die Schulter des Schmieds, und lächelte überglücklich.
„Danke.“


So blieben sie eine Minute lang stehen, beide sahen sich in die Augen. Sie beide wussten was es hieß, Schmied zu sein, und sie beide zehrten von einer Schönheit, die wohl für immer unerreichbar wäre. Carracáin von den Kristallen in den verschütteten Minen von Cristalón, und von Yolandas wunderbaren Augen, die nun gebrochen waren, Dwarkarnur von dem Schnee über dem Meer, welches er wohl nie wieder erblicken würde.
„Carracáin, ich will mit dir etwas großes auf die Beine stellen! Vielleicht das größte, was die Mauern dieser Halle je erblickten!“
„Kein Problem.“, erwiderte Carracáin, immer noch grinsend.
„Wenn wir beide uns zusammentun... dann werden wir wohl selbst die königlichen Schmiedemeister übertreffen. Ich habe deinen Stil gesehen- ich weiß um meinen. Wenn wir uns ergänzen, dann werden wir ein Maß an Perfektion erreichen, wie es selten in der Geschichte der Zwerge geschah.“
„Ich glaube auch. Wir beide sind Meister unserer Klasse. Lass es uns anpacken!“, und sie schlugen ihre Handflächen zusammen, so dass sie sich überkreuzten und ineinander griffen, und führten die andere Faust zur Brust. Das war, wie Carracáin wusste, die rituelle Verschmelzung zweier Schmiede. Das geschah dann, wenn sich zwei (vorzugsweise meisterhafte) Schmiede zusammentaten, um etwas gemeinsam zu erschaffen. Ob die Verbindung nach der Vollendung der Arbeit beendet wurde, war einzig und allein eine Sache der beiden Schmiede.

Dwarkarnur erklärte Carracáin, dass er eine richtig furchterregende Rüstung fertigen wollte, da es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis um den Erebor ein blutige Schlacht entbrennen würde.
„Zwei Rüstungen Carracáin. Für dich und für mich.“
Und sie begannen mit ihrer Arbeit.

CrystalPhoenix:
Ohne Dich

Ich hör dein Lachen
da bleibe ich stehn
Ich fühl deinen Atem
doch ich kann niemanden sehn
Ich spür deine Haut
aber ich bin allein
Ich rieche deinen Duft
und auch das kann nicht sein

Ganz deutlich vor mir
seh ich dein Gesicht
Ich will dich umarmen
doch ich greife ins Nichts

Ich hör deine Stimme
ihren Widerhall
Ich kann sie nicht finden
sie ist überall
Ich hab eine Blume
für dich gemacht
Ich weiß nicht ob du sie siehst
vielleicht sogar riechst

Ich fall auf die Knie
ich bin so allein
Ich fang an zu weinen
so kalt ist der Stein

Die schwarze Spur der Feder auf dem weißen Blütenpapier versiegte.
Carracáin wischte sich eine Träne von der Wange, die ihm aus dem Augenwinkel gekullert war, und  legte seine lange indigofarbene Feder beiseite.
Still las er sich die Zeilen durch, die er zu Papier gebracht hatte. Sie waren ihm einfach aus dem Herzen geflossen, denn mit dem Bild von Yolanda vor Augen hätte er tausend Seiten füllen können.

Traurig legte er das Blatt beiseite. Schöne Worte machten seine Gräueltat nicht ungeschehen.
Er saß in dem Schankhaus, dass er schon mit Alvias unsicher gemacht hatte.
Auf den Tischen waren zahllose Rollen von Papier ausgebreitet, übersät mit Konzeptzeichnungen und Notizen zu den Rüstungen, an denen er arbeitete. Der Wirt brachte gerade ein Kristallglas voll von blutrotem Wein, und immer noch betrübt nippte Carracáin an dem Kelch. Der Wein rann in köstlich kühlen Tropfen seine Kehle entlang, und vertrieb die schwarzen Schatten, die in Carracáins Bewusstsein gewachsen waren.
Das Gasthaus hatte er sich zusammen mit Dwarkarnur gemietet. Der Zwerg hatte so seine Beziehungen, und so wurde die Schenke kurzerhand zu ihrem privaten Adlerhorst, in dem pure Schmiedekunst heranreifte. Die letzten Nächte waren außerordentlich fruchtbar gewesen (Carracáin konnte sich getrost als „Nachtmensch“ bezeichnen, obwohl er Elb war.), und das Aussehen der Rüstung war schon fast geklärt.
Riesige Schulterplatten, mit der Form von Rabenschädeln, deren Schnäbel sich über die Arme von Carracáin wölbten, waren die Grundidee gewesen. Nun hatten sie sich auf nur eine riesige Schulterplatte geeinigt, ein weiter schwarzer mantel sollte die andere Schulterpartie umschmeicheln. Die Rüstung selbst würde aus vielen beweglichen Einzelgliedern aufgebaut werden, mit zwei großen Brustplatten. Überhaupt solle die gesamte Rüstung einem abartigen Wesen nachempfunden sein, das nur aus dicken Muskelsträngen bestand.
Die linke, von der großen Schulterplatte umgebene Armpartie lief am Ellebogen in gekrümmte Drachenflügel aus, sodass der Unterarm frei beweglich war. Das war auch dringend notwendig, denn an der linken Hand hatte Dwarkarnur sein persönliches Augenmerk angebaut: Ein grausamer, in spitze lange Krallen auslaufender Panzerhandschuh. Ein Fausthieb in das Gesicht eines Gegners würde wohl dessen Schädel zertrümmern, und wenn nicht, so würde wohl doch wenigstens ein beträchtlicher Teil der Gesichtshaut mitgerissen.
Die Rüstung bestand komplett aus kaltem schwarzen Stahl, übergroß, und von Nieten übersät. Überall sollten Ketten unterschiedlicher Schwere angebracht werden, und jede einzelne Gravur musste eine Aura der Unbesiegbarkeit verströmen.

Müde arbeitete Carracáin abermals die Zeichnung eines Helms nach, auf einen Helm hatten sich er und der Zwerg nämlich noch nicht geeinigt. Dwarkarnur wollte ihn dem von Sauron nachempfinden, Carracáin meinte aber, dass Sauron schließlich der Herrscher ihrer Angreifer war. Es würde wohl eher zu einer Ermutigung der Horden führen, und die eigenen Reihen entsetzen.
Aber das war jetzt mal Dwarkarnurs Problem. Dieser rührte gerade unten in den Schmieden verschiedene Metalllegierungen an, und wartete wohl darauf, dass Carracáin den Färbungsprozess vornahm. Denn anders als bei seinem Schwert, konnte man die Rüstung nicht nachher färben, zu minimal waren die Details, die nicht beschädigt werden sollten. Man musste die Rüstung also schon aus gefärbtem Metall fertigen.
Und so schlurfte Carracáin die über riesige Wendeltreppe in die Hallen hinab.

In der Schenke räumte der Wirt gerade das Glas weg, und entdeckte dabei Carracáins geschriebene Zeilen.
Kopfschüttelnd las er sie sich durch und murmelte dann:
„Ein solch feinfühliger Herr sollte seine Kunst nicht in der rohen Produktion von Waffen ausleben...“

CrystalPhoenix:
Nein das ist es nicht.

Carracáin kramte in seinem großen Rucksack herum, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Kristallgefäß.
„Hast dus jetzt, Carracáin? Die Legierung darf nicht zu heiß werden sonst-“
Carracáin schnitt Dwarkarnur das Wort ab. „Ja, ich weiß, ich habe schließlich die Grundbestandteile davon hergestellt.“
Genervt wühlte er zwischen den Kristallpulverbechern, und den Stapeln von weißem Papier, die er mitgebracht hatte. Da schlossen sich seine Finger um einen kleinen, bauchig-runden Behälter, gemeißelt aus reinem Bergkristall.
„Ich habs!“
Federnden Schrittes kam er zu dem Zergenschmied herüber, der schon ungeduldig an einem riesigen Bottich voller brodelndem Metall stand. Daneben waren die gleichen Apparaturen aufgebaut, die Carracáin auch schon in seinen Katakomben auf seiner Plattform aufgestellt hatte, auch wenn er an ein paar Stellen hatte improvisieren müssen.
„Pass auf,“, setzte er erklärend an, und wandte sich dabei Dwarkarnur zu, „das hier, ist mein Blut.“
Er schüttelte die rote Flüssigkeit in seinem Gefäß. Der Zwerg machte große Augen. „Damit habe ich auch schon Crólair gefärbt. Die Kunst, Farbe zu gewinnen, die so wirkt wie die meine, ist eine Kunst, die ich mir ganz alleine in den Minen von Cristálon erarbeitet habe. Sie ist mein Geheimnis. Verstehst du? Gut. Während ich das hier tue, halt die Luft an, und hol am besten mal ein paar deiner Leute, damit sie uns frische Luft zufächeln.“ Mit diesen Worten strich er sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und legte seine Finger auf die Apparatur.
Das war sein Moment.

Zitternd nahm er ein anderes Gefäß in die Hand. Es war ein gläserner Pokal, und in ihm schwappte eine tiefschwarze Flüssigkeit, dick und unansehnlich, hin und her. Es war nicht der gleiche Prozess wie bei der Färbung Crólairs, denn hier mischte er zwei Farben, musste sie aber trotzdem voneinander getrennt halten. Es war kompliziert, aber für ihn war das kein Neuland. Er hatte allein fünf Jahre damit verbracht, dieses Gebilde aus Röhren, Schläuchen, Destillationsbehältern und Hitzeleitern zusammenzubauen, das sich da vor ihm erstreckte, er wusste von jedem einzelnen Gläschen wozu es gut war,  und er wusste, auf welche Temperatur man jede einzelne Kristallkanüle bringen musste. Ja, auch das war eines seiner Lebenswerke.

Er holte tief Luft, schlang sich ein schwarzes Tuch über Mund und Nase, und gab dann einem der Diener Dwarkarnurs ein Handzeichen. Dieser nickte hastig, und begann dann mit seinen Kumpanen einen riesigen Blasebalg zu betätigen.
Die Hitze unter der Arbeitsplatte wuchs, und sie hatte nur eine Steinspalte, durch die sie entweichen konnte, und durch die sie genau auf ein Kristallgefäß traf. Die farblose Flüssigkeit in dem Gefäß fing an zu blubbern, und die Blasen mit unsichtbarem Stoff, der aus der Flüssigkeit herausgefiltert wurde, liefen durch mehrere Kanäle auf andere Flüssigkeiten zu, sowie auf mehrere Stangen aus seltsamem Material, die sich erhitzten, sobald sie mit dem Gas in Berührung kamen.
Fast sofort war die gesamte Apparatur im Gang, weißglühende Stangen Metall zogen sich durch die Schluchten aus Kristall, die das Gerät bildete, und Carracáin musste grinsen.
Er schüttete die schwarze Flüssigkeit in einen Trichter.

Jetzt geht†™s los.

Als die ersten Tropfen der absoluten Definition von „Rabenschwarz“ auf die Dämpfe innerhalb des Geräts trafen, war es, als würde plötzlich alles Licht der Halle in dem Gefäß implodieren, und dann mit atemberaubender Geschwindigkeit davongestoßen, in wirbelnden Schlieren, durchbrochen von  tiefviolett schimmernden Strahlen, die gleißend durch den Lichttanz schnitten. Ein Raunen ging durch die Halle, als das Gemisch gurgelnd hin und her schlug, als leuchtende, goldene Lichtfünkchen das Gebräu umhüllten, und sich ein dichter, Obsidianschwarzer Nebel, so dick wie Wasser in die Rohre ergoss. Das Licht der Halle  pulsierte wie eine gigantische Aura um Carracáins Plattform herum, ballte sich wie ein gewaltiges Herz zusammen, und floss dann Wellen werfend wieder zurück. Der lautlose, und dennoch dröhnende Puls des Lichts raubte Carracáin fast die Besinnung, aber mit schweißnassem Gesicht schaffte er es, seine Hände zur Ruhe zu zwingen. Er gab allerlei Substanzen zu der von Schwaden verdeckten Flüssigkeit, und als allerletztes ließ er einige Tropfen des Rabengifts, das ihm sein Gesicht zerfressen hatte, in die Gläser rollen.
Rasant veränderte sich die Flüssigkeit, sie tobte umher, changierte lebhaft zwischen goldenem Schimmern und Schwarzem Feuer, warf rasende Schatten an die Felswände, bis es sich aufbäumte, und als Schwarzer Eiskristall erstarrte. Der zwergische Schmied warf Carracáin einen besorgten Blick zu, aber es lief alles nach Plan! Das mit der Lichtaura war zwar nicht eingeplant, aber... vielleicht hat das nichts zu bedeuten.
Die schwarze Farbe war jetzt eigentlich fertig, aber dank ein paar zusätzlichen Substanzen hatte er die Struktur des Gemischs so verändert, dass es einen sehr sehr hohen Gefrierpunkt hatte. Unter 200 Grad würde es nicht schmelzen, und genau das hatte der schweißüberströmte Elb beabsichtigt. Er träufelte ein paar Tropfen seiner Blutfarbe in eine lange, spiralförmige Kristallröhre, und begann zu beten.
Wenn diese, vorher schon mehrfach behandelte rote Farbe auf seine sehr reaktionsfreudige schwarze Farbe traf, sollten sich Bestandteile des Blutes, die Farbstoffe nämlich, zwischen die Kristallstruktur des schwarzen Eiskristalls schieben, und ihn mit einem Netz aus Rot durchziehen. Dabei würde eine Menge Hitze freigesetzt und Carracáin hoffte inständig, dass nicht alles auf einmal entweichen würde. Würde der Prozess auch nur vier Sekunden dauern, dann hätte sein Bangen ein Ende, dann wäre die Hitze so gleichmäßig freigesetzt worden, dass die Kristalle des  Apparats nicht springen würden. Aber sollte der Prozess kürzer dauern, so wäre die Hitze zu groß.
Das Gebilde würde Platzen, und innerhalb von der nächsten Minute wären alle hier in dieser Halle tot, gestorben an verätzten Atemwegen und einer brennenden Lunge.
Das wollte Carracáin natürlich nicht, und angsterfüllt sah er den blutigen Armen zu, wie sie in dem schwarzen Kristallgebilde wucherten. Sie fingen an zu glühen, und schnell zog Carracáin seine Hände von den brühheißen Gläsern weg. Er zählte.
Eine Sekunde.

Die blutigen Adern in dem Eis fraßen sich durch die Dunkelheit in dem Kristall.

Zwei Sekunden

Der Kristall warf Blasen, Carracáin konnte förmlich sehen, wie die Gitterstruktur in ihm zerfiel.

Drei Sekunden.

Das Eis zerfloss nicht, sondern verdampfte sofort, rabenschwarze, ölige Schlieren entwichen, in denen es rot aufblitzte, wie schillernde Flügel von blutigen Insekten.

Vier Sekunden.

Aus.

Mit einem gewaltigen Schlag brach die Welt um Carracáin auseinander. Der gigantische Lichtpuls krampfte sich in einem allerletzten Aufbäumen zusammen, und fetzte dann mit einem ohrenbetäubenden lautlosen Knall auseinander. Das Auge Carracáins zerbrach förmlich an der schieren Menge an Licht, die in einem Taifun aus Farben um die Plattform toste, sich in silbrige, irrlichternde Polarlichter ergoss und sogleich wieder in einem changierenden Goldregen auseinanderstob. Der gepeinigte Elb presste sein Auge zusammen, stand er doch dort, wohin sich der gesamte Schein konzentrierte, stand er doch dort, wo gerade für Bruchteile einer Sekunde ein gewaltiger Stern, umfangen von rasenden Silberschweifen, aus seiner Taufe gehoben wurde.
Dann war es vorbei.

Der leuchtende Herzschlag setzte aus, zerfaserte in der Dunkelheit der Halle, und verlor sich auf dem kalten Stein.
Doch niemand konnte etwas sehen.

CrystalPhoenix:
„Ähm, Carracáin? War das geplant?“

Gute Frage...

„Keine Angst... Das sollte bald wieder vorbeigehen!“
Ganz sicher war sich Carracáin aber nicht.

Es war totenstill in der Halle, jeder hatte Carracáin gehört.

Die Sekunden zerronnen, die Tropfen aus Zeit spiegelten sich in den Gedanken jedes einzelnen Schmieds in dem Raum.
Alle warteten, warteten darauf, dass ihr Augenlicht wiederkehrte.

Nach  schier endlosen Momenten, angefüllt mit sich steigernder Angst und mit wachsenden Zweifeln schrie einer der vierhundert Schmiede:
„Ich bin blind! BLIND!“
Hundertfaches Wehgeschrei hob an, Klagen und Flüche prasselten auf Carracáin ein.
Zitternd hob er sich die Hand vor sein Gesicht.
Er sah nichts.
Er hörte nur die Verwünschungen, der seelische Schmerz und die pure Angst, die in der Halle herumwüteten, fühlte nur den puren Hass auf den hochnäsigen Elben, der den zwergischen Schmieden ihre Augen genommen hatte.

Scheiße!

Verdammt, verdammt, verdammt!

„Scheiße nochmal, seid ruhig!“, schrie Dwarkanarnur, und eine Stille setzte ein, wie sie nur von Männern kommen konnte, die sich an die Worte des Zwergen klammerten, als hänge ihr Leben daran.
Das stimmt ja auch... Wer ist schon gerne blind?
„Männer,“, hob der drittbeste Schmied in der Halle an, „Seid ohne Furcht! Wir sind die schmiedenden Söhne Erebors, warum sollten und ein paar Lichtstrahlen bezwingen?! Da draußen, auf den Ebenen vor dem Berg, da draußen steht der Feind, mit seinen Zähnen, Schwertern und Katapulten, und ihr heult hier wie Weibsvolk herum, nur weil ihr zu lange in das Schauspiel aus Farben geblickt habt! Was seid ihr?!“
Die Worte feuerte Dwarkarnur wie mächtige Pfeile in die Nacht vor seinen Augen, doch da unter der steinernen Kuppel kein einziger Zwerg sehen konnte, vernahmen sie mit ihren gespitzten Ohren die Worte des Schmieds umso deutlicher.
Ein gebrülltes „Schmiede Erebors!“ kam von der anderen Seite der Halle, und dann noch eines! Hunderte, von den Feuern rauchige Stimmen fielen in das Gebrüll ein, das zu einem gewaltigen Kampfschrei anschwoll, das die riesigen Säulen der Halle zum Erzittern brachte und das die angsterfüllte Stille in dem Raum zerbersten ließ!
„Schmiede Erebors!“

„Schmiede Erebors!“

„Schmiede Erebors!“

Carracáin merkte, wie sein Körper zu beben begann, und er stimmte mit einer Euphorie mit in den Schlachtruf ein, die angesichts dem Verlust seines Augenlichts völlig irrsinnig war. Er wurde von der Flut aus Wille und Hoffnung mitgerissen, warf seine Fäuste in die Luft, und brüllte so laut er konnte!

„Schmiede Erebors!“



Unter der widersinnigen Freude durch die sprudelnde Hoffnung auf Rettung stemmte sich ein Lehrling Dwarkarnurs gegen den Blasebalg, den er noch in den Händen hatte.
Und Funken stoben auf.


Jeder konnte die Funken sehen.

Mitten in der Hymne der Schmiedehalle blieb jedem einzelnen Zwerg die Luft weg.
Ein gerauntes „Funken! Da sind Funken! Ich sehe Lichter!“ schlich sich durch die versammelten Schmiede, und Carracáin begriff, dass sie selbst bei weitem nicht erblindet waren.
Die Feuer waren verloschen, nur die Feuer...

Und noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, flammten zahllose Feuerstellen und Essen auf, stellten sich mutig gegen die Dunkelheit und tauchten ihre Herren in ein goldenes Licht.
Ein Licht, das aus purer Hoffnung zu bestehen schien.

Nach den ersten Sekunden des Begreifens, brach ein Jubelruf durch die angstgetränkte Luft in der Halle, nahm jeden Zwerg mit sich, und schweißte die Schmiede zu einem einzigen, jubelnden, dankbaren Kollektiv zusammen!

Danke! Danke!
Tränen des Glücks rannen Carracáin über die Wange, er war einfach nur dankbar.

Der Jubel schlug um, veränderte sich, bis er zu zwei schlichten Wörtern gepresst wurde:

„Schmiede Erebors!“

König Legolas:
Lengas bekam von all dem überhaupt nichts mit, er war immer noch in seinen Gedanken gefangen, er musste an Khamul denken:

Was ist wenn er hier her kommt? Er - er wird uns alle töten. Aber vielleicht lebt meine Mutter auch noch, ich weiß es einfach nicht. Ich muss es heraus finden, aber wie, wie bitteschön? Ich kann mich nicht ihm in den Weg stellen. Ich kann ihn nicht töten. Denn er ist ein Nazgul, ein unsterblicher Ringgeist. Aber ich muss es versuchen, denn wenn meine Mutter noch lebt, muss ich sie nur finden, doch wo sollte sie dann sein? Soll ich mich gefangen nehmen lassen? Sollte ich nach Thal zurück kehren, und nach Überlebenden suchen? Sollte ich mich Khamul schon jetzt stellen? NEIN! So werde ich nicht sterben, so werde ich nicht enden.

Er dachte immer mehr über Khamul, und zwei Elben drehten sich schon zu ihm um. Sie sahen wie Lengas sich mit seinen Armen abstützte.

Ich-ich-ich muss jetzt nach Thal, ich muss jetzt sofort nach THAL!!!

Schrie Lengas innerlich auf. Er raffte sich mit alle Kraft auf, und ging Richtung Ausgang des Erebors. 

,,Jetzt oder nie", sagte Lengas mit recht aggressiver Stimmer. Obwohl seine rechte Hand immer noch nicht richtig verheilt ist, zieht er seine neu geschmiedete Schwerter.

,,Öffnet das Tor, ihr kleinen Zwerge", rief Lengas.

,,Wer hat euch gesagt dass ihr so mit uns reden könnt, Herr Elb", fragte der Zwerg höhnisch.

,,Öffne jetzt sofort das Tor, ich muss nach Thal, ich werde Khamul töten", schrie Lengas so laut, das sogar die Schmiede nach Lengas schauten.

Ohne zu zögern öffneten die Zwerge nun das Tor.

Lengas schritt durch das Tor, und schaute sich um. Überall waren Zelte, und Lagerfeuer, denn der Abend brach schon ein. Er schaute auf die untergehende Sonne. Er möchte noch den letzten Augenblick seines Lebens genießen. Nach ein paar Elbischen Wörtern, richtete er seine Schwerter in Richtung Thal, und ging ganz langsam einen Schritt nach dem anderen.

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