Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Erebor
Im Inneren des Erebors
kolibri8:
Alfwards Start:
Aelfwaerd saß auf einem Schemel im Lazaret, das man in einem alten Festsaal des Erebors eingerichtet hatte. Vor ihm auf einer Pritsche und mit einer Decke überdeckt, jedoch das Gesicht offen liegend, lag der Leichnam seiner Frau. Er hatte gerade gebetet und stand nun auf, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und bedeckte ihr Gesicht. Er nahm den Helm der neben ihm auf den Boden lag und ging aus dem Lazaret heraus.
Gedankenverloren kramte Aelfward in einer Tasche und suchte nach einem Wetzstein, denn er wollte sein Schwert scharf genug wissen um jedem Ostling und Ork problemlos Fleisch und Harnisch zu zerschneiden. Stattdessen fand Aelfwaerd einen Talisman in Form eines Hammers, den ihm Aasmund vor seinem Tod gegeben hatte.
Er erinnerte sich zurück wie er seinem sterbenden Freund in dem verschneidten Gebirge versprochen hatte in Wodans Hallen zu feiern. Aelfwaerd besann sich wieder auf das Hier und Jetzt und bemerkte das er zu weit gelaufen war. Er drehte sich also um und bog nach einigen Metern rechts ab und kam in die große Halle in der er seine Sachen abgelegt hatte. Während er zu seinem platz ging legte er den Mjölnir in die Tasche zurück und fand den Wetzstein den er eben gesucht hatte. Den Stein warf er auf seinen auf dem Boden ausgebreiteten Mantel und streifte sein Kettenhemd ab. Dann setze er sich auf den Boden und begann sein Schwert zu schleifen.
Dabei fiel sein Blick auf sein zerschlissenes Kettenhemd. Ein grauenhafter Anblick. Kein Ring glich dem anderen, egal ob in punkto Größe oder Material, teilweise waren Ringe mit Lederriemen zusammengebunden, es war eigendlich ein Wunder das es nicht auseinanderfiel, geschweige denn noch schütze. Aelfwaerd hatte es in den Jahren zuvor immer selbst zusammengeflickt und das mehr schlecht als recht. So beschloss er es von einem Schmied wieder richten zu lassen. "In einer Zwergensiedlung wird es wohl nicht so schwer sein einen Schmied zu finden", dachte er sich. Also legte er den Wetzstein beseite und steckte sein Schwert zurück in die Scheide, dann nahm er dass Kettenhemd auf den Arm und ging los. Er ging auf die Plattform über der Halle und sah dort eine Gruppe von Zwergen-Schmieden und einen Elb, und ging auf diese zu. Sie schienen eine dunkle Rüstung zu betrachten. "Entschuldigt meine Herren Schmiede, dass ich euch störe, aber könnte sich bitte einer von Euch meinem Kettenhemd annehmen" sagte er, sein Kettenhemd vorzeigend, zu der Gruppe.
CrystalPhoenix:
"Entschuldigt meine Herren Schmiede, dass ich euch störe, aber könnte sich bitte einer von Euch meinem Kettenhemd annehmen?"
Langsam drangen die Worte zu dem Ohr Carracáins, der immer noch ganz in seine Gedanken versunken die schwarze Rüstung betrachtete.
Nur schwer konnte er seinen Blick von dem Wunderwerk abwenden...
Carracáin, du hast wahrhaftig Großes vollbracht. Du hast es dir verdient, die Sachen jetzt lockerer anzugehen.
Mach was du willst! Du hast keine Schranken mehr, keine Pflichten die dich einengen!
Ja, ich glaube, das ist jetzt genau das richtige für mich.
Behaglich drehte er sich zu dem Mann um, der da in ihren Kreis getreten war.
Der Elb ließ seinen Blick an dem Menschen hinabwandern, an dem Spangenhelm, geschmückt mit schwarzem Rosshaar, den beigen Kleidern und den hellhätigen Fingern, die um den Helm gelegt waren. Dann glitt der Blick Carracáins wieder zum Gesicht des Fremden, das teilweise von einem Bart verdeckt war, in dem man aber noch die Furchen und Narben von Kämpfen entdecken konnte.
Der Mensch hielt seinem Blick stand, in den stahlblauen Augen lag weder Furcht noch Zweifel.
Das gefiel Carracáin..
„Was willst du, Junge? Wir waren hier gerade beschäftigt...“
Ein kleines Flackern trat in die Augen des Jünglings, es war ein kurzes Auflodern von Zorn, ob der Abfälligkeit, die der Elb ihm entgegenbrachte. Aber schnell hatte sich der Mensch wieder im Griff.
„Nun... ich glaube, das sagte ich bereits.“
„Und ich glaube, dass ich so sehr in meine Überlegungen vertieft war, dass ich dich nicht gehört hab. Wenn du etwas von mir möchtest, dann sag es jetzt.“, setzte Carracáin entgegen. Er war noch nicht einmal böse oder sonst etwas auf den Menschen, er fand nur den nötigen Respekt ihm gegenüber angebracht, schließlich war der Mensch derjenige, der eine Bitte hatte.
„Ich habe hier ein Kettenhemd und... nun vielleicht könnte einer aus eurer Runde mal einen Blick drauf werfen. Es ist wohl nicht mehr in allerbestem Zustand.“
Carracáin nahm das Kettenhemd entgegen, das er entgegen gestreckt bekam. Schon der erste prüfende Blick machte ihn betroffen.
Kettenhemd? Das ist doch kein Kettenhemd mehr. Das ist allerhöchstens eine Haufen Altmetall, der zusammengeschustert wurde- auf welche Weise auch immer!
„Jungs?“, er schaute zu seinen Helfern, die sich nach getaner Arbeit ebenfalls entspannt hatten, und sich gelassen auf ihre Schemel lümmelten, „was haltet ihr davon?“
„Nun, ich weiß nicht wie es euch geht, Meister Carracáin, aber ich kann dieser Schmiedetechnik nichts abgewinnen.“, verkündete einer der Schmiede. Doch er sagte es in solch einem heuchlerischen Tonfall, dass es Carracáin wahrlich anekelte.
„Hättest du das auch gesagt, wenn ich wohlwollend auf das Hemd geschaut hätte?“
„Meister- an diesen Haufen Schrott hättet ihr niemals einen wohlwollenden Blick verschwendet.“
Oh Gott. Ja, ja, kriech mir nur in den Arsch du dummer Zwerg.
Mit einem erneuten Blick zu dem Jüngling fragte Carracáin:
„Wie ist dein Name?“
„Ælfwærd, Ælfrics Sohn.“
„Dann los!“
Und mit einem Zähneblecken nahm Carracáin das Kettenhemd entgegen, trug es zu seinem Arbeitstisch.
Ein wenig verstört folgte Ælfwærd, möglicherweise war Carracáins Grinsen ein wenig zu böse ausgefallen...
Bin ich böse?
Nein. Nur, wenn ich nicht ich selbst bin.
Das war zwar nur teilweise beruhigend, aber Carracáin wusste schon, dass er nicht böse war. Schließlich hatte er einem Mädchen schon das Leben gerettet!
„Setz dich doch, Ælfwærd, schau mir ein bisschen zu, damit du weißt, wie dein Kettenhemd funktioniert!“
Immer noch ein bisschen nervös nahm der Mensch auf der Bank Platz, die neben dem Tisch in den Boden eingelassen war, Carracáin selber bevorzugte es, bei seiner Arbeit zu stehen.
Kritisch zerfaserte der Elb das Kettenhemd, baute Flecken aus und nahm ein paar zu große Ringe aus dem Geflecht.
„Brauchst du einen sehr stabilen, oder einen sehr leichten Kettenpanzer?“, murmelte Carracáin in Ælfwærds Richtung
Der Junge schreckte hoch, er war wohl in Gedanken versunken gewesen. „Ähmm, hm, geht auch... geht auch beides?“
Ein Schmunzeln glitt über die Lippen des Elben, und hielt sich noch ein wenig in dem zerfurchten Gesicht. „Na, da bräuchten wir wohl ein bisschen Mithril... Du hast nicht zufällig welches dabei?“
„Ich? Nein... das ist doch eines der wertvollsten Materialien Mittelerdes!“
„Hach, schade! Vielleicht kriegen wir es ja trotzdem hin, dass du dich flink wie eine Amsel bewegen kannst, aber dennoch den ein oder anderen Speerstoß auf deine Brust überlebst.“, und dabei zwinkerte Carracáin dem Menschen verschwörerisch zu.
CrystalPhoenix:
Zwei Stunden saß er an dem Hemd.
Ælfwærd hatte ihm erzählt, dass er es mit eigenen Händen geschaffen hätte. Carracáin wusste um den ideellen Wert einer solchen Arbeit, und gab sich Mühe, die persönliche Note des Hemdes beizubehalten.
Er entfernte zunächst die rostigsten und unpassendsten Ringe, solche Schwachstellen durfte sich ein Kettenhemd nicht erlauben! Dann lötete er neue Ringe zwischen das bisher bestehende Geflecht, dabei musste er jeden zu verknüpfenden Ring neu anschmelzen, aufbiegen und dann mit dem neuen Ring verbinden. Es war schwieriger, als ein neues Hemd zu schaffen, aber er war sich sicher, der Jüngling hätte ihn sonst einfach nach einem neuen Hemd gefragt.
Sämtliche neuen Ringe waren sehr klein und leicht, damit gaben sie dem Hemd eine bessere Stabilität. Auch schaffte der Elb es, Übergänge zwischen verschieden großen Ringen zu schaffen, indem er die Größe der umgebenden Metallringe vorsichtig anglich. So wurde der Größenübergang fließend.
Das gesamte Kettenhemd säuberte er natürlich noch, und dampfte es dann mit verschiedenen Metalllegierungen ein. Eine davon war besonders weich und nachdem er diese aufgelegt hatte, bat er Ælfwærd darum, sich einmal so zu bewegen, wie es für ihn im Kampfe typisch war. Damit bewirkte er, dass die Plättchen sich feine Rillen schufen, in denen sie sich besser bewegen konnten. Diese minimalen Fugen steigerten die Flexibilität um einen weiteren Grad, sie existierten auch nur an den Stellen, an denen das Hemd oft bewegt wurde. Das war besser, als die Ringe sich diese Rillen bei normalen Umständen einbiegen zu lassen, da dies das Metall eher beschädigen würde.
Die entsprechenden Bereiche bespritze er mit Eiswasser, dann ließ er das aufgedampfte, weiche Metall wieder abschmelzen, was hoher Geschicklichkeit bedurfte. Die gekühlten Stellen erhitzen sich nämlich erst Sekundenbruchteile später, in denen der Elb das Hemd hastig aus den Kohlen zog.
Das Einölen sollte der Mensch selber übernehmen, auch wenn ihm Carracáin ein paar Kniffe zeigte. Denn der Mensch würde nicht immer einen Schmied zur Seite haben, und musste mit dem „neuen“ Hemd auch alleine zurechtkommen.
„Dann probiers mal an, Ælfwærd!“, forderte Carracáin den Jungen auf, und nickte ihm dabei aufmunternd zu.
Ælfwærd zog sich das silbrige Kettengeflecht über, das vom Öl mattschwarz glänzte und anmutig auf seinen Schultern lag.
Probeweise bewegte er sich damit ein paar mal, strich über die feinen Ringe und ließ den Panzer durch die Hände gleiten.
„Das... das ist wirklich gut geworden! Es fühlt sich an als... als wäre einfach meine Kleidung dicker geworden! Danke!“
Erfreut, weil dem Jungen seine Arbeit so gefiel, schritt Carracáin zu einem Waffenschrank.
„Nun, das ist noch nicht alles!“
Langsam nahm er ein Schwert heraus, wog es in beiden Händen, und hieb dann mit voller Wucht in die Flanke Ælfwærds. Überrascht jaulte dieser auf, aber er fing sich schnell wieder.
„Irgendwelche Beschwerden, Soldat?“
„Nein... keine. Als hätte man mir mit einem leichten Stück Holz gegen das Hemd geschlagen! Ihr beeindruckt mich!“
Bescheiden senkte Carracáin den Blick. „Keine Ursache. Ich helfe den Verteidigern Erebors, wo ich kann. Sag, wo wirst du bei der Schlacht um den Berg stehen?“
„In der ersten Reihe, dort wo mein Schild und mein Speer gebraucht werden!“, sagte der junge Mann stolz, und schlug sich mit der Hand auf die Brust.
„Ich werde an euch denken, wenn ich über die gepanzerten Reihen des Heeres blicke.“, versprach Carracáin, und Ælfwærd verabschiedete sich - noch einmal dankend- von der Gruppe.
Der Elb blickte dem jungen Soldaten hinterher, ein bisschen Glück und ein bisschen Trauer stauten sich in seiner Kehle.
Carracáin würde nie so werden. Carracáin würde wohl immer jemand sein, der auffiel, so sehr er sich auch zurückhalten würde. Ælfwærd war ihm sehr sympathisch gewesen, allein schon, weil er nicht so depressiv, mürrisch oder egozentrisch wie sein restliches Umfeld daherkam. Er war einfach so gewesen, wie man sich einen netten Kerl vorstellt, mit dem funkelnden, ungebrochenem Stolz eine jungen Kriegers in den Augen, und mit einem angenehmen Wesen.
CrystalPhoenix:
Nachdem er den heuchlerischen Zwerg verscheucht hatte, der meinte, ihm den Stuhl zurechtrücken zu müssen, setzte er sich wieder alleine vor seine Rüstung. Gedankenverloren strich er über die einzelnen Panzerglieder, alle in schwarz und Rot gehalten.
Auch wenn ihm das nicht gefiel- Für einen Aussenstehenden würde er wohl stets böse bleiben.
Er hatte ein blutrotes Schwert, sein Gesicht war schaurig, ständig lief er in einem bedrohlichen Schwarz herum, seine Haut war totenbleich, dunkle Schatten lagen unter seinem Auge, und seine Rüstung stand in ihrer Grässlichkeit einem echten Ungeheuer in nichts nach.
Und?
Das war seine Welt. Das waren die schwarzen Schatten in seinem Kopf, die dunklen Krähen, die in seinen Gedanken flatterten.
Vielleicht sollte er etwas anderes tun, als Waffen schmieden. Fortwährend Todeswerkzeuge zu schaffen war seinem bedrohlichen Selbstbild wohl ganz und gar nicht zuträglich.
Vielleicht wäre es möglich, sich anderweitig im Erebor zu betätigen, und die Krieger des ewigen Berges dennoch zu unterstützen.
Wie unterstützte man ein Heer, ohne selbst zu kämpfen?
Die Kampfkraft stärken- Klar. Aber das wollte er ja eben nicht!
Die Schwachen beschützen- Na, dafür müsste man wohl selbst kämpfen.
Das Heer vergrößern- Daraus könnte was werden. Entweder musste man dafür Rekruten anwerben oder unbrauchbare Soldaten wieder brauchbar machen... Wie sich das anhörte- So mechanisch und emotionslos.
Carracáin war nicht charismatisch, das wusste er. Aber einen Dienst im Lazarett konnte er sich gut vorstellen!
Wortlos wandte er sich von seinem Arbeitstisch ab und verließ die Halle der Schmiede, ließ die brennenden Feuer und das Dröhnen der Hämmer hinter sich.
Es war schon eine Zeit her, dass er aus der Halle getreten war. In dem Berg fand er sich wirklich nicht zurecht, es gab zu viele dunkle Gänge, einer wie der andere, die regelmäßig in überdimensionale Räume führten. Außerdem musste man sich hier nicht nur Richtungen merken, sondern auch die Höhe innerhalb des Berges- was eine Orientierung völlig unmöglich machte.
Die Zwerge schauten ihn aber alle schräg von unten an, also wandte er sich mit seinem Hilfegesuch an einen Menschen. Dieser konnte ihn tatsächlich zum Lazarett des Erebors führen. Und was das für ein Lazarett war!
In diesem Berg war wohl alles größer.
Aberhunderte Betten standen in Reih und Glied in dem riesigen, kreisrunden Kuppelsaal. Mit weißem und honigfarbenem Marmor ausgekleidet, strahlte der Saal in einem angenehmen Licht, das eine Atmosphäre der Ruhe und der Heilung schaffte. Doch anders als die Schmiedehalle, war dieser Raum nicht eine einzige flache Ebene, sondern er war gänzlich anders aufgebaut.
Drei hohe Streben aus Stein fuhren über den Boden, und trafen sich genau in der Mitte, sodass der Kreis gedrittelt war. In 15 Schritt Höhe trafen erneut drei Streben aufeinander, weitere 15 Schritt höher ebenfalls. So zogen sich insgesamt 50 Strebentrios deckungsgleich bis zur Decke, alle aus weißem Stein, alle rund und blank geschliffen, an der Oberseite abgeflacht und mit zwei handbreiten Außensockeln versehen, sodass sie brückenähnliche Konstruktionen bildeten, auf denen bis zu 10 Leute nebeneinander gehen konnten.
Um den Mittelpunkt jeder Ebene, dem Punkt, an dem die Brücken zusammentrafen, waren breite, konzentrische Kreise aus Stein befestigt, fünf Ringe zogen sich um einen Mittelpunkt auf einer Ebene, fast frei schwebend und mit großen Abständen zueinander. Diese Steinringe, die aussahen, als wären sie zusammen mit den Streben aus einem einzigen weißen Fels gehauen, waren noch flacher als die Streben und bildeten Plattformen, auf denen noch weitere Betten standen. Alle waren sie bis zu 50 Schritt breit, der äußerste Ring jeder Ebene schloss direkt an die Hallenwand an.
Da die Ringe aber weiter voneinander entfernt, als breit waren, hatte der Elb den Eindruck, die 250 Ringe würden in der Halle schweben.
Zwischen den Ebenen schlängelten sich hunderte kleine oder große Treppen hindurch, manche so filigran wie Spinnweben, andere so mächtig, dass sie wohl zwei enorm wichtige Ringe verknüpfen mussten.
Was dem Elben aber vollends den Atem nahm, waren die gewaltigen Kristallformationen, die willkürlich aus einigen Ringen und Streben wuchsen, und sich nach allen Seiten hin ausdehnten. Riesige Sterne aus Bergkristall und Saphir prangten mitten in dem Saal, schienen frei in zwischen den Ringen zu schweben, als wären sie gerade erst in atemberaubender Geschwindigkeit aus dem Stein gebrochen.
Staunend stand Carracáin in dem bescheidenen Eingang, auf der siebten Ebene.
Unter, über, und vor ihm wuselten Zwerge, Menschen und Elben hin und her, eilten Treppen hinauf und hinunter.
Das war das Lazarett.
CrystalPhoenix:
Die silberne Klinge blitzte kurz auf, dann tauchte Carracáin sie in die Haut seines Patienten.
Lautlos und glatt schnitt das Messer durch das Gewebe, bis der Spalt aufklaffte, und der Elb sein Skalpell aus dem Blut riss.
Ruhig steckte er dem Mann, dessen Bein er behandelte, ein Stück Holz zwischen die Zähne, sprach ihm ein paar beruhigende Wörter zu und griff dann in die Wunde.
Krampfhaft bäumte sich der Soldat auf, ohne das Holz hätte er sich die Zunge abgebissen, so stark waren die Schmerzen, doch Carracáin hatte zwei Dinge in seiner Woche im Lazarett gelernt – Sei schnell, sei gründlich.
Schon hatte er den Schaft eines Pfeils zwischen den Fingern, und ebenso schnell hatte er seine Hand aus dem Bein des Mannes gezogen. Ein kräftiger Zwerg hielt diesen nun fest, denn was jetzt kam, das hatte noch niemand über sich ergehen lassen ohne dabei nach dem Arzt zu schlagen.
Bestimmt träufelte Carracáin einen Tropfen Pech in die Wunde, zog eine Stange glimmenden Zunder – und brannte den klaffenden Spalt aus.
Der Mann war in Ohnmacht gefallen, Carracáins Arbeit war hier getan. Nun konnten sie nur noch hoffen, dass der Soldat überleben würde.
Es war ein Überlebender aus Thal gewesen, der als einer der ersten hier angekommen war. Während seiner Flucht hatte ein Pfeil seinen Hals durchbohrt, ein anderer war im Bein stecken geblieben. Den im Hals hatte Carracáin mühelos heraus stoßen können, der im Bein gestaltete sich etwas schwieriger. Denn der alte Kämpe hatte sich den Pfeil abgebrochen, um besser rennen zu können, und gerade dieser Pfeil war mit Gift getränkt gewesen. Der Knochen im Oberschenkel verhinderte ein Durchstoßen, und lange durfte das Geschoss nicht im Körper bleiben, ansonsten hätte man das Gift nicht mehr ausbrennen können.
Carracáin wischte sich seine blutverschmierte Hand an seiner Hose ab, dann schleppte er sich zu einer Bank, die am Rande des Ringes stand, und von der man über das Geländer in die Tiefe blicken konnte. Er befand sich auf Ebene 23, Ring 4. Damit war er auf dem Ring, der der Wand am zweitnächsten lag.
Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet, in dem Lazarett hatte er seit einer ganzen Woche nur gearbeitet. Man hatte ihn gefragt wann er verfügbar sei, und ihm 6 Stunden Schlaf zugestanden – Auf der Ebene versteht sich. In dieser Woche war er ganz versunken in das Leben als Heiler. Er hatte sich erst umgesehen, bis eine Ebene, nämlich Ebene 23, seine Aufmerksamkeit weckte.
„Aufmerksamkeit wecken“ ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich bin auf dem Boden ausgerutscht, weil das Blut dort einen halben Fingerbreit stand.
Es war ein bizarrer Anblick gewesen, als wäre die Ebene nicht aus weißem Marmor, sondern aus schillerndem Rubin. Schreie waren allgegenwärtig, doch auf eine morbide Art faszinierte dieser Abschnitt des Lazaretts Carracáin.
Denn hier wurde amputiert.
Nach einem kurzen Gespräch mit der zuständigen Heilerin, hatte man den Elben in die Kunst der Gliedmaßenabnahme eingeführt, was beileibe nicht allzu viel war. Wie man mit einer Säge umging wusste der Elb bereits, nur sein Tempo musste er noch drastisch erhöhen. Und er durfte nicht jedes mal wegzucken, wenn ihm Blut entgegenspritzte.
Nun war Carracáin seit acht Tagen als Heiler aktiv. Das Lazarett konnte jeden Freiwilligen brauchen, denn Tag für Tag kamen mehr Leute aus Thal, die bei dem dortigen Gemetzel stark verwundet worden waren. Ein Heiler hatte, als sie sich unterhielten, zu Carracáin gesagt: „Wenn der Kampf der Soldaten und der Heere da draußen geschlagen ist – dann fängt der unsrige erst an.“ Und dieser Grundsatz machte dem Elben gleich noch mehr Lust, in die Schlacht zu ziehen, und die Mannen dort zu unterstützen.
Der Elb strich sich über seinen muskulösen Oberkörper. Um sich nicht vollständig mit Blut einzusauen, hatte er nur eine schwarze Lederhose an, sowie ein Paar Stiefel, von billigster Qualität. Nicht dass ihn dass gestört hätte, er musste eh aus seinen alten Kleidern raus, doch ihm missfiel es, seinen Oberkörper zu entblößen. Auf beiden Armen hatte er narbige Striemen, über die Brust zogen sich ebenfalls Wunden, die er sich in der Nacht mit Yolanda selbst beigebracht hatte. Dies waren sehr persönliche Male, und er wollte sie nicht aller Welt zur Schau stellen. Wenigstens verdeckten die schwarzen Bandagen, die er um seine Unterarme geschlungen hatte, den meisten Teil seiner Scham, und seine Narben auf der Brust konnte er als Kampfmale abtun. Was sie ja in einer gewissen Hinsicht auch waren.
Ein paar junge Helferinnen waren schon auf ihn aufmerksam geworden, seine Gestalt hob sich mit ihrer eigenwilligen Kleidung und den langen schwarzen Haaren von den anderen Männern im Lazarett ab. Eine von ihnen hatte ihm sogar angeboten, die Narben die er trug bestmöglich unkenntlich zu machen. Der Elb hatte bereits von dieser „Schönheitsstation“ auf Ebene 47 gehört, auf die er gelegentlich Patienten schickte, die grausame Verstümmelungen erfahren hatten.
Doch, wollte er sich dieser Mahnmale auf seinem Körper entledigen?
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