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Im Inneren des Erebors

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kolibri8:
Ælfwærd ging den Gang hinunter zurück zu seiner Pritsche auf und neben der seine Sachen lagen. Er wollte gerade das Kettenhemd ausziehen als er einen Zettel auf seinem Feldbett bemerkte. Auf diesem stand, dass er zum Wachdienst heute Nacht am Südtor eingeteilt war. Ælfwærd zerknüllte den Zettel und fluchte, er war müde, und wollte schlafen. Verbittert nahm er seinen Schwertgurt und schlang ihn sich um die Hüfte und schloss ihn. Dann rückte er seine Waffen an diesem zurecht das Landschwert auf die linke, das Sax auf die rechte Seite, so dass er beide Schwerter bequem mit der rechten Hand ziehen konnte. Nun warf er sich seinen Mantel über die Schulter und Schloss ihn mit der Fibel vor seinem rechten Schlüsselbein. Zuletzt zog er den Helm auf, warf sich den Schild auf den Rücken und nahm den Speer in die rechte Hand. So ging er nun, den Speer als Wanderstab nutzend, zum Südtor.

Eine geschlagene Viertelstunde brauchte er um zum Tor zu kommen. Links des Tores fürhte eine steinerne Wendeltreppe zu einem Wachposten oberhalb des Tors. Diese Treppe stieg Ælfwærd nun empor, bis er zu einer Eichentür kam. Er klopfte, und ein tiefes "Wer da?" ertönte hinter dieser. "Wachablösung!" antwortete Ælfwaerd. Kaum hatter er dies gesagt öffnete sich die Tür einen Spalt weit, ein blaues Auge wurde sichtbar, schließlich öffnete sich die Tür ganz. Vor Ælfwærd stand ein hagerer alter Menschenmann mit grau-weißen Haaren und blauen Augen und einem stoppeligen Bart, sein Gesicht war Spitz und die Wangen eingefallen, insgesamt sah er eher so aus als würde er ohnehin bald sterben, wenn nicht durch des Feindes Hand, dann durch sein Alter. "ah, gut," sprach er, "komm rein". Ælfwærd zögerte einen Moment und betrat dann die Wachstube. Es war ein kleiner Raum, mit steinernen Wänden und einem in die Wand eingeschlagenem Fenster, von dem aus man den Eingansbereich des Erebors und die Stadt Thal sehen und gut überblicken konnte. In der Wachstube, stand auf einem kleinen Tisch ein Tablett, mit einem halben Brotlaib, etwas Käse und den Resten zweier Hühner. Ein drittes Huhn schien noch unberührt. Krümel und Tierknochen lagen auf dem Boden verstreut. Scheinbar war es Sitte nach dem Wachdienst nicht aufzuräumen. Neben dem Tablett, stand ein Krug mit Wein und in der hinteren Ecke, stand ein kleines Fass Met. Becher waren auch vorhanden. "Nun denn," der alte Mann hatte wieder das Wort ergriffen, " ich denke du wirst dich hier zurecht finden. Bei Sonnenaufgang kommt deine Ablösung. An der Wand hängen Fackeln und im Schrank findest du Felle und Feuerstein, falls es kalt wird. Es ist noch ein wenig Verpflegung dar, du kannst den Rest aufbrauchen. So, und nun verabschiede ich mich, ich wünsche eine Ruhige Nacht, Bursche." Er schnappte sich seine Sachen und wollte gerade gehen, da drehte er sich noch auf dem Absatz um "ach, ja, bevor ich es vergesse: Hüte dich vor verirrten Geschossen. Der arme Kerl, der vor mir Wache schieben musste, hat wegen einem verirrten Pfeil ein Auge verloren, wenn die direkt auf einen zukommen kann man die Dinger nicht sehen. Nun auf Wiedersehen". Er ging keuchend die Treppe runter.

Ælfwærd schloss die Tür hinter ihm. Er sah sich nochmals um, lehnte seinen Speer an die Wand und legte Helm und Schild ab. Nun ging er zum Fenster und sah sich um Thal brannte, Krieggeschrei, das Klirren von Schwertern, Schilden und Speeren, die aufeinander schlugen, das Surren von Pfeilen und das Geschrei der Pferde und Menschen, die Starben oder verbrannten, drangen an sein Ohr. Er sah Orks gegen einen Schildwall anrennen und sich wieder zerstreuen und zu einem neuen Angriff zu formieren, dem der Schildwall nicht standhalten konnte. Er brach auf und die Männer starben unter dem gekrümmten Klingen der Orks und den großen Äxten der Ostlinge. Über alledem ging die Sonne blutrot unter und das Schlachtfeld wurde von der Nacht verdunkelt. Endlose Ströme von Flüchtlingen kamen zum Erebor.

Ælfwærd  setzte sich nun auf den Schemel neben dem Tisch. Er zog sein Sax und schnitt damit ein Stück von dem Käse ab und stopfte es in den Mund. Dann schnitt er einen Hühnerschenkel vom Huhn ab, erstach das Huhn und biss in den Schenkel hinein. Das Fleisch war abgekühlt schmeckte aber trotzdem und Ælfwærd nahm einen weiteren Bissen. Er aß nun den Käse und das Huhn auf und einen Großteil des Brotes und trank einige Becher Met. So saß er nun mehrere Stunden und es ging auf Mitternacht zu. Er hatte sich mit einem Fell zugedeckt und einen Becher, halbvoll mit Met in der Rechten Hand. Er lehrte ihn mit einem Zug und stand auf. Sein Blick war der Stadt zugewandt. er stellte den Becher ab und ging, durch den Alkoholgenuss leicht wackelig, zum Fenster. Es gab keinen Zweifel, die Flammen kamen näher.

CrystalPhoenix:
Mit einem grässlichen Knirschen spaltete Crólair die Tonkugel auf dem Sandsack.

Sofort sprang es zu den nächsten beiden Kugeln, die sich in nächster Nähe befanden, und hieb diese mit einem einzigen Schlag entzwei. Die Klinge sauste weiter ins Leere, und rostrote Sicheln schossen, von dem Schwung nach vorne katapultiert, frontal auf den vierten Sack zu, der zwei Meter durch die Luft flog, und dann nach einem dumpfen Aufprall auf der Erde aufplatzte.
Fließend wurde Crólair wieder nach vorne geworfen, und es spießte den Sandsack mit Schild einfach auf, während die roten Sichelkrallen nach der Tonkugel obendrauf griffen.
Die Tonkugel zersprang, und während Crólair noch zur Seite geschwungen wurde, um den mitsamt Schild aufgespießten Sandsack abzustreifen, traf ein harter Tritt den letzten, sechsten Sack, und warf ihn um. Die Nähte rissen, und dort wo der stahlbesetzte Stiefel sich durch das grobe Leinen gebohrt hatte, rieselte feiner Sand aus dem Sack.

Alle sechs Säcke lagen dem Kämpfer zerfetzt zu Füßen. Er atmete aus. Dann drehte er sich zu seinem Aufseher um.
Schwarze, wirre Strähnen bedeckten das Gesicht des Kämpfers, und er strich erst, den Blick nach unten gerichtet, mit zwei behandschuhten Fingern über die blutrote Klinge in seiner Hand. Es klirrte, als er sich das Schwert auf den Rücken schwang, ein paar Lederriemen an seiner Rüstung festzog, und mit einem Klicken die sandigen Sicheln an seiner linken Hand ausklinkte.

„Carracáin!“

Der Soldat hob seinen Kopf, und ein schwarzes Auge funkelte dem Aufseher entgegen.

„Wie war ich?“
Die rauchige Stimme des Schwarzhaarigen war leise, das Sprechen schien ihn anzustrengen.

„Hmm, für einen Elben nicht sehr gut, tut mir leid dir das so offen sagen zu müssen. Du hast ja gar keine Technik, und lässt dich von deinen Schlägen führen, anstatt sie zu beherrschen.“

Beleidigt entgegnete der Elb: „Ich weiß. Ich habe auch zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder eine Waffe in der Hand. Und diese Rüstung ist verdammt schwer, vergiss das nicht!“
„Nun, du denkst, sie wäre schwer“, meinte der Aufseher abschätzig, „aber jeder meiner Männer hätte keine Probleme, sie zu tragen... möchtest du nicht doch...?“
„Nein.“
 Störrisch wendete sich Carracáin von dem Menschen ab, der ihn für die letzten sechs Tage beobachtet hatte, und der ihn in die Kunst des Kampfes einführen sollte.
Er hatte keine Lust mehr.

Kämpfen war etwas verflucht anstrengendes, er wusste, wie man einen Hammer zu schwingen hatte, aber ein Schwert kannte er nur aus seinen Balancetests, die er mit Schmiederohlingen durchgeführt hatte!
Wütend spuckte er auf den Fels, dann schritt er davon, hielt auf  die Bank zu, die man ihm anbot.
Carracáin ließ sich förmlich auf den Stein fallen, und wischte sich mit einem Wolltuch über sein schweißnasses Gesicht. Seit Sonnenaufgang trainierte er mit den Sandsackattrappen, die ihn auf eine Schlachtsituation vorbereiten sollten... Seiner Meinung nach brachte das gar nichts.

Ausnahmsweise hatte es keine eigene Trainingshalle im Erebor gegeben, die wahrscheinlich ebenso monumental wie die Schmiedehalle und das Lazarett ausgefallen wäre. Nein, er befand sich auf dem Exerzierfeld.
Der Gleichschritt von hunderten Soldatenstiefeln brachte den blanken Felsboden zum Erzittern, und  lustlos blickte Carracáin zu dem „Schlachtfeld“ hinüber, auf dem die Truppen des Erebor Tag und Nacht marschierten. Auf hohen Felssäulen standen die stolzen Offiziere, und erhoben sich damit über den ansonsten absolut ebenen, unglaublich weiten Steinboden, auf dem trainiert wurde.
Von diesen Säulen aus brüllten sie den Mannen Befehle zu, und die Soldaten gehorchten ihnen blind.
Schon vom ersten Augenblick an war Carracáin  von der Folgsamkeit und der Disziplin der Soldaten beeindruckt gewesen, und in den Händen der Befehlshaber wurden sie damit zu tödlichen Verbänden, die auf einen Wink komplizierteste taktische Manöver ausführen konnten.

Ihr einziges Problem war die Zahl der Kämpfer, und nach den Berichten zufolge waren die Ostlinge den Mannen von Erebor um mehr als das Doppelte überlegen. Sie konnten nur auf Verstärkung und auf das günstige Schlachtfeld hoffen, denn ein bloßer Zusammenprall der Armeen hätte verheerende Auswirkungen.

Doch daran konnte Carracáin selbst nichts ändern, und er musste sich damit zufrieden geben. Er selbst würde wohl später in die Schlacht eingreifen, und zwar als mobile Ein-Mann-Einheit, die den Truppen neue Hoffnung geben sollte.
Dafür trainierte er. Tag für Tag.
Der Zwerg, der ihn beaufsichtigte, hatte ihm aber schon direkt am Anfang klar gemacht, dass man in einer Woche nicht lernen könne, was andere in Jahren nicht schaffen. So wurde Carracáin insbesondere in der Bewegung mit der Rüstung geschult, und auf harte, präzise Schläge gedrillt, die schon beim ersten Treffer sitzen mussten. Denn dem Elben war so gut wie keine Verteidigung außer seiner Rüstung an die Hand gegeben, nicht einmal anständig parieren konnte der Elb - eigentlich ein elementarer Bestandteil des Schwertkampfs.
Die letzten fünf Tage hatte er auch weder mit Schwert, noch mit Attrappen gekämpft. Er hatte sich nur bewegt. Die Bewegung mit einer schweren Ganzkörperrüstung völlig ungewohnt, war es für den Elben nämlich enorm schwierig, schnell zu agieren – wobei Schnelligkeit der Schlüssel für seinen „Kampfstil“ war, den er sich angeeignet hatte.

CrystalPhoenix:
„Carracáin, du wirst in den nächsten beiden Tagen keine Gelegenheit mehr haben, dein Können in irgendeiner Weise zu verbessern!“
Bestimmt trat der Übungsmeister hinter den Elben, und legte ihm eine Hand auf die kleinere Schulterplatte.
„Ich werde dir jetzt etwas befehlen, was ich bisher erst einem einzigen Manne befahl. Du wirst mir jetzt aus dieser Halle folgen. Wir werden einen Soldaten treffen, der sich um seinen Posten in der Armee verdingt machte. Hunderte tapfere Männer fielen durch seine Axt, behandele ihn also mit dem gebührenden Respekt. Er ist der Meister, der schon die Prinzen zweier Generationen unterwies, und wahre Legenden schuf. Nur er verfügt über die nötige Kenntnis der Kampfkunst in voller Rüstung, die wir für dich benötigen. Hast du das bis hierhin verinnerlicht?“
„Ja, Sir.“
„Gut. Dann hast du hier meine Befehle, denen du dich nicht widersetzt: Du wirst deine Rüstung bis zum Tag der Schlacht nicht ablegen.“
„Was-?“, doch forsch wurde Carracáin unterbrochen: „Wir werden sie mit Blei füllen. Du wirst dein Tagewerk in dieser Rüstung verrichten, und sie wird dir zur zweiten Haut werden. Hast du das bis hierhin verinnerlicht?“
„Nein Sir. Ich-“
Eine schallende Ohrfeige warf den Elben nach hinten. Der Offizier hatte sich nun vor dem sitzenden Elb aufgebaut, und blickte auf ihn herunter. „Dann gib die Rüstung ab.“
„Ich werde diese Rüstung nicht weggeben!“, schrie Carracáin trotzig. „Sollen sich deine Soldaten doch selber ihre Rüstungen schmieden!“
„Das können sie nicht. Aber sie können etwas, wozu du nicht im geringsten fähig bist! Kämpfen!“
Carracáin konnte sich nicht gegen den Griff des Offiziers wehren, wie ein Schraubstock hatte dieser seine Hände um Carracáins Kieferknochen gelegt, und zwang den Elben dazu, ihm ins Gesicht zu schauen. Hasserfüllt starrte Carracáin zurück.
„Was ihr verlangt, ist unmöglich! Ich werde zusammenbrechen! Ich werde nicht schlafen können!“
„Das interessiert mich nicht, Rekrut! Verstehst du nicht, was es für uns bedeuten würde, wenn der Träger dieser fantastischen Rüstung nicht kämpfen kann? Die Soldaten werden dich hassen, jedermann wird abschätzig auf dich herabschauen. Dort wo du auftauchst, wird man sich zurückziehen, man wird dich einfach nicht respektieren! Schon jetzt macht sich Murren breit, die Männer begehren auf, sie wollen nicht, dass ein unfähiger Grünschnabel den Wert der Rüstung schmälert!“
Dies alles hatte der Übungsmeister dem Elben entgegen geschleudert, und harrte jetzt schwer atmend vor dessen Gesicht aus.
„Carracáin... Ich, wir schätzen deine Arbeit. Aber wenn du nicht bereit bist, bis zum Äußersten zu gehen, dann werden wir dir deine Rüstung abnehmen.“
Carracáin hatte seinen Standpunkt schon längst eingesehen. Es behagte ihm zwar nicht, doch er musste es tun, er hatte die Ungeschicklichkeit der Lage erkannt, dennoch schob er trotzig sein Kinn vor.
„Das könntet ihr nicht, das wäre Raub!“
„Glaubst du das wirklich? Glaubst du, die Bauern in der Umgebung gäben jede Ähre Weizen freiwillig? Glaubst du, die Männer hier hätten freiwillig Frau und Kind verlassen, um sich in den Tod zu begeben? Glaubst du das?“
Carracáin schwieg.
„Hier gilt schon längst nicht mehr, was man will, Elb. Die schwarze Pranke Mordors holt für den letzten Hieb gegen den Erebor aus! Da draußen verrecken jeden weiteren Tag hunderte ehrenwerte Menschen, keiner wollte das! Opfer müssen gebracht werden, Carracáin, es wird Zeit, dass du deinen Platz in der Gesellschaft einnimmst, und dich für das Wohle Aller aufgibst! So wie tausende andere!“
Betroffen hatte der Elb die Augen geschlossen, der feste Griff des Soldaten ließ nicht zu, sich abzuwenden.
„Ich... ich habe alles verinnerlicht, Sir.“
Augenblicklich lösten sich die großen Hände des Kämpen von Carracáins Gesicht. „Gut. Dann folge mir, Rekrut.“

Und mit gesenktem Haupt folgte der Elb dem Hauptmann nach, heraus aus der Halle, hinaus aus der Monotonie der stampfenden Stiefel.

CrystalPhoenix:
„Ahh, der Junge, von dem du mir erzählt hast. Sehr schön, sehr schön.“
Während die Stimme durch den Raum schwebte, schien sie Wurzeln zu schlagen, so holzig und knarzend war sie.
„Komm näher heran, mein Auge ist nicht mehr das, was es einst war...“, und mit einer Hand, die auch der Ast eines Baumes hätte sein können, winkte der alte Zwerg Carracáin zu sich herüber. Ein langer weißer Bart hing bis zum Boden, und er stützte sich auf eine zweischneidige Kriegsaxt, dessen Schaft ihm bis zu seiner großen Nase reichte. Über dem rechten Auge hatte er eine Augenklappe, ein Andenken an eine seiner Heldentaten wie ihm der Übungsmeister von Carracáin erklärt hatte. Langsam ging Carracáin zu dem Veteranen  herüber, sie befanden sich in dessen Privatgemächern die ganz und gar mit Eiche ausgekleidet waren, und an deren Wänden Schilde und Äxte hingen. Mit prüfendem Brummeln strich der Zwerg über die Rüstung, und berührte dann das Gesicht des Elben. Er fühlte über die zerstörte Haut, betastete die Sicheln an der linken Hand und blickte dann zu dem großen Elben auf.
„Junge, schmieden kannst du.“
Doch noch bevor Carracáin sich bedanken konnte, fuhr der Alte mit seiner nach Baum klingenden Stimme fort.
„Aber kämpfen kannst du anscheinend nicht. Ich bin hier, um das zu ändern.“
Der Übungsmeister wippte auf seinen Fußballen vor und zurück, und warf Carracáin einen vielsagenden Blick zu.
„Dein Ausbilder berichtete mir von seinem Vorhaben, dich zu kräftigen.“ Aber noch während Carracáin Hoffnung schöpfte, ihm möge diese Tortur erspart bleiben, setzte der Zwerg hinzu: „Ich unterstütze das natürlich voll und ganz. Eine gute Rüstung macht noch keinen guten Krieger. Wenn du dich mit deiner Rüstung eins fühlst, dann ist das der erste Schritt auf dem Weg zum Soldaten.“
Ich will aber kein Soldat werden.
„Auch wenn du wahrscheinlich in deiner Schmiedekunst aufgehen möchtest, so ist es dennoch unabdingbar, dass du deine Werke nutzen kannst. Du verstehst das sicher.“ Erstaunlich scharfsinnig hatte der alte Zwerg aus Carracáins Gesichtszügen das geschlossen, was das Grundproblem war. Und er hatte es eindrucksvoll umschifft, als Errungenschaft dargestellt.
Carracáin lief es kalt den Rücken herunter, als der alte Mann wieder sein Gesicht berührte.
„Kein Helm... du möchtest dein Haupt nicht schützen?“
„Meine Rüstung wird mir hoffentlich Schutz genug sein, Herr. Ich entwarf die lange Schulterplatte extra zum Schutze meines Kopfes.“
„Sehr schön... Sehr schön. Das gefällt mir. Und diese... Kralle? Wie stellst du dir vor, damit zu kämpfen?“ Der Zwerg lehnte nun an der Wand, eingelullt von dessen schmeichelnden Worten hatte Carracáin nicht mitbekommen, wie sich die dünnen Finger von seinem Gesicht gelöst hatten.
„Ich... möchte den Gegner damit zerschneiden, aufspießen und enthaupten, Herr.“
„Hmhm... Dann hebe mal deinen Arm.“
Carracáin hob den Arm.
„Nein, nicht den. Den mit der Kralle.“
Genervt hob Carracáin den anderen Arm, doch als er ihn wieder sinken lassen wollte, schnitt der Zwerg mit seiner Stimme dazwischen: „Lass ihn oben, Junge.“
Die Sicheln blieben in der Luft schweben. Und nach den ersten Sekunden fiel es dem Elben zunehmend schwer, das Ungetüm von Metall über dem Boden zu halten
Endlose Augenblicke kämpfte Carracáin gegen die Kraft, die das Eisen nach unten zog, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und schließlich gab er prustend auf.
„Ich... ich konnte einfach nicht länger, tut mir leid.“
„Sehr schön, sehr schön... Da arbeiten wir noch dran, Junge. Dein Ausbilder hatte die richtige Methode, und ich werde ihm helfen, deine Rüstung zu beschweren. Würden wir sie mit Steinen füllen, dann wäre das nicht nur unnütz, sondern es würde dich regelrecht behindern.“ Ach?
„Pass auf. Wir werden jetzt Übungen machen, und ich entscheide, wie und wo wir deine Rüstung beschweren. Nach zwei Tagen fühlst du dich wie ein Fisch im Wasser, ich weiß das.
Das ist die radikalste Trainingsmethode, die es im Kanon der Ausbilder gibt, es sind schon viele daran zugrunde gegangen. Du bist Schmied, du wirst es verstehen wenn ich dir sage: Das ist ein Amboss, auf dem man gebrochen oder geschmiedet wird.“

Und nach drei Stunden brachialer Übungen wankte ein schwer gerüsteter Elb aus den Privatgemächern des obersten Ausbilders, Bleistücke an Armen, Knien, Schultern und anderen für die Kunst des Kampfes wichtigen Punkten.
Er drehte sich noch einmal zu seinem Ausbilder um, der still und mit abwesendem Blick an der Tür zu den Gemächern lehnte.
„Sir?“
Der Mann schreckte auf, und warf seinen Kopf zu Carracáin herum.
„Ja?“
„Dürfte ich sie noch etwas fragen, Sir?“
„Alles.“
„Wer wer der andere Soldat, an dem sie diese Methode einst ausprobierten?“
Der Kämpe schwieg,. Dann holte er tief Luft.
„Mein Sohn. Mein Jüngster.“
Doch als sich Carracáin, mit der Antwort zufrieden, wieder dem Gang zudrehen wollte, hielt ihn der  Mensch zurück.
„Seine fünf Brüder fielen in der Schlacht. Ich...“, er rang um Atem „ich wollte ihn nicht auch verlieren. Er konnte nicht gut kämpfen, also setzte ich alle meine Hoffnungen in mein Training. Kein Soldat erschlug ihn in der darauffolgenden Schlacht.
Am Abend davor traf ihn der Schlag, er zerbrach an dem Training, an der Hitze in seiner Rüstung.“

Und mit einer stillen Träne in einem Augenwinkel, wandte sich Carracáins Ausbilder ab, und schritt durch den gewölbten Gang davon.

CrystalPhoenix:
Mit einem satten Klatschen setzte Carracáin einen metallenen Stiefel in die rote Suppe, die fingerdick auf dem weißen Marmor der Ebene 23 stand.
Das Blut schlug Wellen, und der bereits geronnene, braune, sich auf dem Boden absetzende Teil blieb an dem schwarzen Stiefelabsatz hängen.

Es kotzte Carracáin an, dass jeder Schritt ein paar rote Spritzer mehr auf seiner Rüstung hinterließ, dass er jederzeit ausrutschen, und in die blutige Pampe fallen konnte. Vor einer Woche hätte und hatte ihn diese morbide Szenerie noch fasziniert, doch nun war er zu ausgelaugt für jegliche Beachtung  der Ästhetik dieses Ortes. Sechs ganze Stunden hatte er nun schon seine Rüstung am Leib, es war eine unbeschreibliche Qual geworden.
Sein Schweiß sammelte sich in dem Beckenbereich seiner viel zu steifen Lederhose, rann ihm aus allen Poren. Seine Kopfhaut juckte wie verrückt, doch er hatte keine Möglichkeit, sich auch nur im entferntesten zu kratzen. Er konnte seinen Arm noch nicht einmal bis zum Kopf heben, seine Schulterplatte verhinderte dies, und innerlich verfluchte er sich dafür, diese verdammte Rüstung überhaupt entworfen zu haben!
„Dáedaloth“ war ein Wort aus einem sehr extremen zwergischen Dialekt und bedeutete „Schmerz“ sowie „Qual“. Allerdings gab es abweichende Meinungen, ob das „- da“ in der Mitte als Anhängsel gesehen werden durfte, wäre dem so, dann würde es „Schmerz für dich“ und „Qual als Geschenk“ bedeuten.
Was sich erst nach einem perfekten Waffennamen angehört hatte, bewahrheitete sich jetzt auf eine andere Art und Weise, diese Rüstung war eine Qual für den Träger.

Aber das, das schaffte Carracáin. Das sagte er sich bei jedem Tropfen Schweiß, der seinen Rücken herunterlief, das betete er sich bei jedem Schritt nach vorne vor.
Und es hatte sechs Stunden lang funktioniert, Doch jetzt brauchte der Elb Abwechslung, er brauchte etwas, worauf er sich konzentrieren konnte.
Es war schon ein bisschen unheimlich, dass er sofort an „Gliedmaßen abschneiden“ gedacht hatte, aber das hier war eben sein zweiter Platz im Erebor – Die Ebene 23, die Ebene, auf der die Weisheit „Lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende“ galt.
Die Heilerinnen machten große Augen, als der (zu ihrer Freude) sonst so spärlich bekleidete, geheimnisvolle Elb in einer schwarzen Rüstung auf sie zukam, und sie anflehte, ihm den Kopf zu kratzen.
Nachdem diesen wirklich dringendsten Bedürfnissen genüge getan war, bot Carracáin sich den verwirrten Schwestern als Helfer an. Zwar war er freigestellt doch er wollte unbedingt helfen. Die Lage auf der Ebene war katastrophal, ein Chor von Schreien und Klagen wob seine Melodie in der flimmernden Luft über dem See aus Blut, und die Heilerinnen konnten jede helfende Hand gebrauchen. Auch wenn es eine mit 5 Sicheln war, die dazu geschmiedet worden war, Ostlinge zu enthaupten.

Und so stand Carracáin nun an einem Feldbett, und redete seiner Patientin gut zu. Es war ein Kind. Ein gottverdammtes Kind, keine 16 Winter hatte sie erlebt,  und Carracáin war im Begriff, das Leben dieses unschuldigen Mädchens zu verändern. Sie war totenbleich, und zitterte am ganzen Körper. Ein Pferd war ihr bei der Flucht auf den rechten Arm gesprungen, und hatte Sehnen wie Knochen zermalmt. Es war eine der grausamsten Verletzungen, die Carracáin je gesehen hatte, und es war schrecklich, den Blick über die weiße, zarte Schulter, und dann zu dem zerstörten Arm gleiten zu lassen.
Sanft legte er dem Mädchen eine Binde auf die Augen. „Hab keine Angst, Kind. Ich habe auch nur ein Auge, aber ich sehe trotzdem. Es wird nicht einmal schmerzen, ich verspreche es dir.“ Die letzten Worte hatte er in ihr Ohr geflüstert, er wusste nicht warum.
Mit einem einzigen Zuschnappen seiner Sichelhand trennte er den Arm vom Torso des Mädchens.

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