Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Rohan
Aldburg - In der Stadt
Eandril:
Oronêl schüttelte traurig den Kopf. "Nein, das kann man nicht unbedingt sagen. Ich führte die letzte Verteidigung von Caras Galadhon an, und in Galadriels Abwesenheit hatte sie mir ihr Amt übertragen. Aber Lórien gibt es nicht mehr, und jetzt bin ich niemandes Anführer."
Er blickte Cyneric ins Gesicht - ein eigentlich offenes, ehrliches Gesicht, dass aber trotz des freundlichen und respektvollen Tonfalls des Mannes von einer Düsternis beherrscht wurde, die Oronêl nur zu gut kannte.
"Ich habe in der Schlacht gegen Saruman gute Freunde verloren, und meine Heimat wurde vernichtet. Jede Sekunde in seiner Anwesenheit erinnert mich an das, was seinetwegen zerstört wurde.", sagte er, um seine Weigerung, die Halle zu betreten solange der Zauberer darin war, zu erklären. "Er hat auch diesem Land großes Leid zugefügt. Es kann auch für euch nicht leicht sein, in seiner Nähe tatenlos zu bleiben."
Fine:
"Nein, das ist es wirklich nicht", sagte Cyneric und schüttelte leicht den Kopf. "Der Zauberer hat uns mit seiner Stimme verzaubert, damit wir ihn einließen - sonst wäre er niemals ohne Blutvergießen hineingelangt."
Seine Finger schlossen sich fest um den Speer, auf den er sich stützte. Er meinte es ernst, stellte er fest - hätte Saruman ihn und seine Kameraden nicht in den Bann seiner Stimme gezogen, hätten sie ihm den Eintritt mit Waffengewalt verwehrt. Jeder Mann und jede Frau Rohans wusste um das Leid, welches er der Riddermark zugefügt hatte - dass nach dem Krieg in Osten der Schatten Mordors das Land regiert hatte, ließ die Menschen dennoch nicht vergessen, wer die Westfold in Brand gesetzt und König Théodens Sohn ermordet hatte.
"Der Verlust Eurer Heimat liegt noch nicht lange zurück, und hier ist nun der Verantwortliche, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft heuchelnd. Läge die Riddermark in Trümmern und derjenige, der sie zerstörte wäre in Reichweite, fiele es mir wohl sehr schwer, meine Klinge zu zügeln, obwohl unsere Herren uns Frieden gebieten.
Dies sind wahrlich finstere Zeiten."
Eandril:
Oronêl konnte nicht anders, als Cyneric zuzustimmen. "Es ist ein Winter für die freien Völker Mittelerdes, auch wenn wir Sommer haben. Und ihm Winter stirbt das Tier, dass für sich alleine kämpft - ob Hirsch oder Wolf, nur im Rudel überlebt man."
Er blickte dem Gardisten geradewegs ins Gesicht. "Mein Verstand sagt mir, dass es klug ist, sich mit Saruman zu verbünden, aber mein Herz macht es mir unmöglich. Sagt mir Cyneric, habt ihr Familie? Jemanden, den ihr beschützen wollt?"
Fine:
Er hielt einen Moment inne, und blickte seinen Gegenüber schweigend an. Der plötzliche Themenwechsel hatte ihn überrascht. Die Absichten seines Gesprächspartners waren ihm unklar - wollte er sich nur die Zeit vertreiben, bis Erchirion aus der Ratshalle zurückkehrte? Und doch meinte Cyneric, einen echten Anflug von Interesse in der Stimme des Elben zu erkennen.
"Meine Aufgabe ist es, die Herrin von Rohan und den Heermeister Faramir zu beschützen," nahm er das Gespräch wieder auf. "Sie sind alles, was mir an Familie geblieben ist," fügte er leise hinzu, etwas erstaunt über die eigenen Worte. Und doch stimmte es - er stand nun schon viele Jahre in Éowyns Diensten, und sie war ihm immer freundlich gegenüber gewesen. Faramir war ebenfalls überaus beliebt in Rohan.
"Meine Frau starb während der Eroberung der Riddermark durch die Streitkräfte Mordors," sagte er. "Meine Tochter ist seitdem verschwunden. Ich fürchte, ich werde sie nicht wiedersehen." Er straffte sich und nahm wieder eine aufrechtere Haltung an. "Doch ich darf nicht an mein eigenes Wohl denken. Meine Sorge gilt Rohan und seinem Volk, welches ich zu verteidigen geschworen habe."
Eandril:
Die Geschichte des Menschen ähnelte seiner eigenen deutlich, dachte Oronêl bei sich. Der Verlust der Frau, der Tod des Königs, das Verschwinden der Tochter... allerdings war Cynerics Reaktion darauf eine deutlich andere gewesen. Anstatt sich wie er in den Bergen zu verkriechen und keinen Anteil mehr an den Geschehnissen in Mittelerde zu nehmen hatte Cyneric sich dafür entschieden, weiter zu kämpfen.
Bevor Oronêl allerdings etwas sagen konnte, schwang die Tür der Ratshalle auf, und hinaus traten zwei Männer, in blau und silber gewandet, die ihre Augen gegen die plötzliche Helligkeit der Sonne, die in diesem Augenblick durch die Wolken gebrochen war, beschirmten. Oronêl erkannte Erchirion sofort, obwohl er den Prinzen in Dol Amroth nur wenig gesehen hatte, und sprang auf die Füße.
"Prinz Erchirion?", begann er. "Ich weiß nicht, ob ihr euch an mich erinnert, aber..."
"... ihr seid Oronêl aus Lothlórien.", beendete der Prinz den Satz für ihn." Er lächelte, auch wenn sein Gesicht noch immer von Sorgen beherrscht wurde. "Natürlich erinnere ich mich an den Stammvater meines Hauses, der plötzlich auftauchte als wir Hilfe am nötigsten brauchten. Ich hatte gehofft, dass ihr die Schlacht überlebt habt."
"Das habe ich, allerdings trage ich die Spuren davon immer noch mit mir. Ich nehme an, ihr seid hier, um Faramir nach Gondor zurück zu holen?"
"Das war es, was mein Vater mir aufgetragen hatte. Für den Moment ist Dol Amroth in Sicherheit, und wir sind gegen Linhir vorgerückt, aber ich weiß nicht, wie das ausgegangen ist. In jedem Fall wird jede Sicherheit nicht lange andauern, und wir brauchen jemanden, der für ganz Gondor spricht und nicht nur für Dol Amroth." Erchirion wirkte enttäuscht, als er sagte: "Faramir wird nicht mit mir kommen. Offenbar hat der Rat Gondor bereits verloren gegeben, und konzentriert seine Kräfte hier im Norden. Hier werde ich keine Hilfe finden."
"Vielleicht ja doch.", erwiderte Oronêl, ergriff Erchirions Arm und warf den Torwächtern einen Blick zu. Zwar glaubte er nicht, dass er diesen Männern misstrauen musste, nicht nach dem Gespräch mit Cyneric, aber je weniger Ohren das hörten, was er Erchirion vorschlagen wollte, desto besser. Und außerdem musste er dem Prinzen noch etwas erzählen, was für sonst niemanden bestimmt war.
"Kommt, ich möchte euch jemandem vorstellen." Er führte Erchirion durch die Tore der Stadt hinaus ins Lager der Elben, bis zu Mithrellas' Zelt, das am Rand des Lagers in der Nähe weitere Zelte, die von den Erben Lenwes bewohnt wurden, stand.
Als sie das Zelt erreichten stand Mithrellas auf. Offenbar hatte auch sie die Farben des Neuankömmlings sofort erkannt, denn ihre Augen strahlten. Oronêl und Erchirion machten vor ihr Halt, und Oronêl sagte: "Prinz Erchirion, ich stelle euch meine Tochter Mithrellas vor, ehemalige Gemahlin von Imrâzor, dem ersten Fürsten von Dol Amroth."
Der Prinz verneigte sich tief und sagte: "Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen, Herrin."
Mithrellas lachte, ein so glückliches Lachen, wie Oronêl es zuletzt von ihr gehört hatte, als sie Amrothos kennen gelernt hatte. "Bitte, nennt mich nicht so, ich bin nicht eure Herrin. Nennt mich bei meinem Namen: Mithrellas."
Auch Erchirions Augen strahlten, auch wenn Oronêl eine gewisse Ehrfurcht in ihnen zu entdecken glaubte. Verständlich, schließlich befand er sich in Gegenwart seiner Ahnherren aus längst vergangener Zeit, und zumindest Mithrellas war in Dol Amroth schon lange eine Legende - die jetzt vor seinen Augen zum Leben erwacht war. Ebenso hatte sich Amrothos in Lórien verhalten, und der Gedanken an Erchirions Bruder stimmte Oronêl traurig.
"Nun, Erchirion, ich habe euch etwas zu erzählen, und ich bitte euch, niemandem gegenüber außer uns und eurem Vater auch nur ein einziges Wort davon zu verlieren. Die Sache ist von äußerster Wichtigkeit, und auf gar keinen Fall dürfen unsere Feinde davon erfahren." Und nachdem sie sich auf den Boden gesetzt hatten, erzählte er: Wie er in Dol Amroth gegen den Nazgûl gekämpft hatte, und diesem den Ring abgenommen hatte. Wie er Amrothos in Lothlórien nach Amrûns Entscheidung, Mittelerde zu verlassen, von dem Ring erzählt hatte. Und wie Amrothos ihn niedergeschlagen hatte und mit dem Ring verschwunden war.
"Ich denke, das beantwortet auch eure unausgesprochene Frage, warum euer Bruder nicht hier ist.", schloss er. Sein Ton war bitter, denn davon zu erzählen war hart gewesen.
Erchirion schüttelte nachdenklich den Kopf. "Was ihr erzählt habt ist besorgniserregend, und ich sorge mich um meinen Bruder. Wer weiß schon, was dieses... Ding mit ihm anstellen wird? Und was passieren wird, wenn er Sarumans oder Saurons Orks in die Hände fällt? Habt ihr bereits Leute ausgeschickt, um nach ihm zu suchen?."
Oronêl verneinte. "Direkt nach seinem Verschwinden griff Saruman an, und seitdem waren wir zuerst ständig auf der Flucht. Nach der Ankunft in Aldburg begann sofort der Rat, und jetzt konnte ich nicht riskieren jemanden loszuschicken. Nicht, solange Sarumans Augen auf dieser Stadt ruhen."
Er atmete tief durch. "Was mit Amrothos geschehen ist, ist zu einem großen Teil meine eigene Schuld, und ich werde meinen Fehler selbst wiedergutmachen, und Amrothos retten. Ich werde mich selbst so bald wie möglich auf die Suche machen, und mitnehmen, wer immer mich freiwillig begleiten will."
"Das würde ich tun.", sagte Erchirion. "Aber..." "Ihr könnt nicht.", beendete diesmal Mithrellas, die bislang still zwischen ihnen gesessen hatte, seinen Satz. "Ihr müsst nach Dol Amroth zurückkehren, und eurem Vater alles berichten, was hier geschehen ist."
"Und genau das wirst auch du tun, meine Tochter." sagte Oronêl, und Mithrellas wandte ihm erschrocken den Kopf zu. "Ich weiß, du wolltest mich begleiten, und ich wünschte das wäre möglich. Ich schicke dich nicht nach Gondor, weil ich dich schützen will oder weil ich dir nicht zutraue, mir zu helfen."
Er blickte ihr geradewegs in die Augen, die denen Calenwens so ähnlich waren. "Erchirion ist hierher gekommen, um Faramir nach Dol Amroth zu holen und um Hilfe für Gondor zu bitten. Beides hat der Rat ihm nicht gewährt, aber wir sind nicht der Rat."
"Und ich bin nicht Faramir.", unterbrach Mithrellas ihn.
"Nein, das bist du wahrlich nicht.", meinte Oronêl mit einem Lächeln. "Aber ich bitte dich auch nicht, Truchsess von Gondor zu sein. Ich bitte dich, Fürst Imrahil und Dol Amroth mit jedem Rat zur Seite zu stehen, den du ihm geben kannst. Und du wirst nicht allein gehen." Er stand auf und Erchirion und Mithrellas taten es ihm gleich. "Wo ist Ladion? Er muss die Erben Lenwes zusammenrufen."
Wenig später hatten sich einige Elben auf dem freien Platz vor dem Zelt versammelt. Die meisten davon gehörten zu den überlebenden Erben Lenwes, die mit Oronêl in Caras Galadhon gekämpft hatten, aber auch einige andere Elben aus Lórien hatten sich dazugesellt. Manche kannte Oronêl sogar noch aus der Zeit, als Amdír König in Lórinand gewesen war. Er stellte sich in die Mitte des Halbkreises, den die Elben gebildet hatten, und begann zu sprechen.
"Ich weiß, dass die letzte Schlacht erst kurz hinter uns allen liegt, und dass die bei uns allen tiefe Wunden hinterlassen ab - äußerlich und innerlich. Ich kann jeden von euch verstehen, der seine Waffen niederlegen und Mittelerde verlassen will. Aber denjenigen unter euch, die weiterkämpfen wollen habe ich eine Frage zu stellen: Wollt ihr hier kämpfen, unter der Herrschaft Sarumans, des Verräters der unsere Heimat vernichtet hat?" Überall sah er ablehnende Gesichte und Kopfschütteln.
"Nein, das will keiner von uns. Jetzt fragt ihr euch: Wo sollen wir dann kämpfen?". Er wies auf Erchirion, der neben ihm stand. "Dies ist Erchirion, Prinz von Dol Amroth, und Nachfahr meiner Tochter Mithrellas, die ihr alle kennt. Dol Amroth ist die einzige Macht in Gondor, die sich noch gegen Sauron stellt, und sie brauchen Hilfe. Erchirion hat den weiten Weg hierher auf sich genommen, um den Rat um Hilfe für Gondor zu ersuchen. Doch Saruman beherrscht den Rat, und so wird er keine bekommen. Zumindest nicht aus dieser Richtung." Er machte eine Pause.
"Wer von euch kämpfen will, dem sage ich: Geht nach Süden, kämpft für Dol Amroth! Ihr kämpft dort ebenso für das Haus Lenwe wie für Gondor, denn die Fürsten von Dol Amroth stammen über meine Tochter und mich von Lenwe selbst ab, selbst wenn sie Menschen sind. Meine Tochter wird euch anführen, aber wenn ihr kämpfen wollt, dann müsst ihr diesem Mann und seinem Haus die Treue schwören." Er deutete erneut auf Erchirion, der sich allerdings in seiner Haut nicht wohl zu fühlen schien.
Für einen Augenblick herrschte Stille, und Oronêl fürchtete sich, dass niemand vortreten würde. Dann verließ Mithrellas ihren Platz neben ihm, stellte sich vor Erchirion und sagte: "Ich bin Mithrellas von Lórien, und ich werde für euch, euer Haus und Dol Amroth kämpfen, bis unser Feind besiegt ist."
Als sie fertig war und sich hinter den Prinzen gestellt hatte, trat sofort Ladion vor, legte die Faust auf seine Brust, direkt über dem Herzen und tat es Mithrellas gleich: "Ich bin Ladion von Lórien, und ich werde für euch, euer Haus und Dol Amroth kämpfen, bis unser Feind besiegt ist." Der Bann schien gebrochen, und einer nach dem anderen traten viele der versammelten Elben vor, um Erchirion zu folgen. Einige zogen sich allerdings auch zurück - Oronêl nahm es ihnen nicht übel. Er selbst hatte ihnen diese Möglichkeit zur Wahl angeboten, und er hatte damit gerechnet, dass einige die Kämpfe satt hatten und müde waren.
Schließlich hatten sich alle Elben entweder hinter Erchirion versammelt, oder den Ort verlassen. Der Prinz wandte sich Oronêl zu, und seine meergrauen Augen leuchteten.
"Ich weiß nicht... was ich sagen soll.", gestand er freimütig. "Als ich die Ratshalle verließ, war ich verzweifelt. Aber ihr habt mir und Dol Amroth mehr gegeben, als ich je erwartet hätte." Er wandte sich den Elben hinter ihm zu. "Ich danke euch. Ich danke euch allen."
Es war Ladion, der ihm antwortete: "Wir tun nur das, was unsere Pflicht ist. Wir sind nicht viele, und wahrscheinlich weniger, als ihr zu hoffen wagtet, aber wir werden für euch kämpfen."
Oronêl und Erchirion sind jetzt im Lager der Elben...
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