Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Eigene Geschichten
Aus den Schatten in den Schatten
Khamul:
Kapitel 16:
Orks aus den Bergen
Es würde schon bald Morgen werden. Auf der weiten grünen Ebene standen nur vereinzelt größere Felsbrocken. Sie hatten gerade das Ephel Duath, das Schattengebirge, hinter sich gelassen.
Boltan war müde, doch sie waren schon fast am vereinbarten Treffpunkt angelangt. „Sputet euch, ihr Maden!“, rief er den anderen Orks zu: „Euch erwartet ein Festmahl!“ Nun waren diese wilden Tiere wieder zum Laufen ermuntert. Er gab dem Warg, auf dem er ritt, einen Tritt in die Seiten, worauf dieser sofort zu laufen begann.
Boltan war von Saurons Mund ausgeschickt worden, die Orks, die sich im Schattengebirge versteckt hatten, zu ihm zu bringen, sodass er seinen Krieg früher beginnen könne. Im Ephel Duath hatte er bestimmt mehr als zehnmal hundert Orks gefunden. Weiter als bis hundert konnte Boltan nicht zählen, doch auch so wusste er, dass es sehr viele waren. Obwohl... er glaubte, schon mehr Orks ausgebildet und ausgebrütet zu haben, als er hier gefunden hatte. Zusammen mit diesen hier müsste das Heer seines Meisters unglaubliche Ausmaße haben. So würde er bestimmt das Reich der Menschen zerstören können!
Während dieser Reise war ihm auch etwas völlig Unbekanntes widerfahren. Er hatte schöne, zierliche Orks gesehen, die als „Frauen bezeichnet wurden. Sie hatten pralle Brüste und waren nicht so muskulös wie ein gewöhnlicher Ork, doch Boltan hatte sich sofort in das Aussehen dieser Wesen verliebt. Durch sein Geschick mit der Axt hatte er die Gunst einer dieser Orkfrauen gewonnen, und sie hatte ihm etwas gezeigt, dass sie „Liebe“ nannte. Das war ein aufregendes Gefühl für ihn gewesen, bis dahin hatte er nicht gewusst, wozu das Ding zwischen seinen Beinen zu Nutzen gewesen war. Immer wieder begann es, sich aufzurichten und größer zu werden, wenn er an die Liebe, die er mit der Orkfrau gemacht hatte, dachte. Ihm war so gewesen, als befände er sich in einer fehlerlosen Welt...
Zum Glück waren unter den Orks, die er seinem Meister mitgebracht hatte, auch viele dieser Frauen! Doch auch kleinere, jünger wirkende Orks befanden sich darunter, sie wurden „Kinder“ genannt. Unter den Orks im Schattengebirge hieß es, dass eine Frau, nachdem sie Liebe gemacht hatte, ein Kind bekommen würde. Dieses sollte angeblich in ihrem Bauch heranwachsen, und sie würde es dann ausscheiden wie ihre Pisse. Boltan konnte sich so etwas nicht vorstellen. Er hatte schon viele Orks ausgebrütet, und noch nie zuvor hatte er Frauen oder Kinder gesehen. Wieso hatte Saurons Mund die Macht, Orks zu erschaffen, die nie Kinder waren, wo die Orks aus dem Schattengebirge doch behaupteten, jeder von ihnen sei einmal ein Kind gewesen.
Boltan selbst war vor drei Wintern von Saurons Mund persönlich ausgebrütet und ausgebildet worden und war seit damals Brutmeister in den Höhlen, die er bis jetzt noch nie verlassen hatte, gewesen. Vor seiner Mission war Saurons Mund sehr vorsichtig gewesen und hatte ihn zuerst Karten studieren lassen, sodass er sich nicht verirren konnte. Obwohl es ihm am Anfang unmöglich schien, diese Karten zu überblicken, hatte er dennoch schnell gelernt und war so schon nach drei Tagen bereit gewesen, nach den Orks des Schattengebirges zu suchen.
Am Anfang war er mit seinem Warg nur bei Nacht geritten, denn das Tageslicht war zu grell für ihn gewesen und hatte ihn geschwächt. Als er sich dann an die Sonne gewöhnt hatte, war er dennoch öfter bei Nacht als bei Tag geritten. Die Orks, die er mitgenommen hatte, hassten das Tageslicht ebenso wie er und hatten sich vor Tagesanbruch immer schon in Höhlen verkriechen wollen. Boltan hatte eigentlich kaum Schwierigkeiten damit gehabt, die Orks auf seine Seite zu bringen und sie zu überzeugen, mit ihm mitzukommen. Nur beim letzten und größten Orkstamm hatte er zuerst den Häuptling in einem Zweikampf töten müssen, damit die Orks ihm folgten. So war diese riesige Truppe, die er mit sich führte, zustande gekommen.
Boltan hatte schon fast den vereinbarten Treffpunkt erreicht. Er erinnerte sich noch genau an die Worte von Saurons Mund: „Ich gebe dir fünf Tage. Sei bis dahin wieder beim Geheimgang.“
Dieser Geheimgang war ein Felsen, in dessen Inneren Saurons Mund eine Vorrichtung angebracht hatte, um ihn heben zu können. Von diesem Eingang aus führte ein Tunnel direkt in die Verließe unter dem Königspalast.
Der fünfte Tag war schon heute, Saurons Mund wartete sicher schon auf ihn. Boltan sah schon den Felsen, welcher der Eingang zum Tunnel war, und er war geöffnet. Vor der Öffnung standen Saurons Mund und ein in Schwarz gekleideter Krieger.
Boltan sputete sich. Saurons Mund würde sicher erfreut sein!
Je näher er seinem Meister und dem in Schwarz gekleideten Krieger kam, umso deutlicher erkannte er den Krieger. Er trug eine schwarze Kutte, darunter jedoch einen roten Mantel, alles über einer goldenen Rüstung. Sein Gesicht war von einer goldenen Maske bedeckt. Außerdem ging etwas ungeheuer Bedrohliches von diesem vermummten Krieger aus.
Als Boltan endlich bei den Beiden angelangt war, zügelte er seinen Warg und sprach zu Saurons Mund: „Seid gegrüßt, mein Meister! Ich bringe Euch alle Orks, die ich im Schattengebirge finden konnte!“ Mit diesen Worten deutete er auf die vielen Orks, welche über die Ebene auf den Fels zu rannten. Ein boshaftes Grinsen umspielte die Lippen seines Meisters. „Du hast deine Arbeit gut gemacht, Feldherr Boltan... habe ich dir schon meinen Stellvertreter Khamûl vorgestellt?“, er deutete auf den vermummten Krieger: „Er wird die Orks zählen, und dann werdet ihr beide sie zuerst zur Vorratskammer und dann zur Waffenkammer führen. Ich werde vorgehen und die anderen Orks in die tieferen Höhlen schicken.“ Saurons Mund wandte sich ab und ging in den Tunnel. Boltan sprang von seinem Warg. Nun stand er direkt vor diesem Khamûl, welcher um beinahe zwei Köpfe größer war als er. „Was bist du denn?“, fragte Boltan den Stellvertreter seines Meisters unhöflich: „Ein Mensch?“
Khamûl ließ sich lange Zeit mit seiner Antwort, und dann sagte er nur: „Ich war einmal ein Mensch...“ seine Stimme ließ abgrundtiefe Furcht in Boltan auflodern, und sein Blick schien ihn durchbohren zu wollen. Wenn er doch nur wüsste, was sich hinter Khamûls Maske verberge!
Boltan nahm all seinen Mut zusammen und fragte Khamûl so entschlossen wie möglich: „Was verbirgst du hinter deiner Maske? Hast du ein so entstelltes Gesicht, dass du es verstecken müsstest?“ Wieder durchbohrte Khamûl Boltan mit seinem Blick, doch dann nahm er langsam seine Maske ab. Dahinter war - Gar nichts! Boltan erschrak: „Du bist ja ein Geist!“
„Und du bist nicht der erste Orkhäuptling, der mich als solcher bezeichnet“, erwiderte Khamûl, während er seine Maske wieder aufsetzte. Dann ging er auf die Orks, welche sich schon zum Großteil vor dem Felsen versammelt hatten, und begann, sie zu zählen.
Während Khamûl die Orks zählte, stand Boltan einige Zeit lang nur rum, doch dann fütterte er seinen Warg mit einem Streifen Dörrfleisch. Jetzt war er also doch nicht mehr der oberste Befehlshaber. Was würde denn als nächstes kommen? Würde Saurons Mund auch noch Unûar über ihn erheben? Nein! Das würde sein Meister niemals tun! Sein Meister hatte ja noch immer Vertrauen in ihn, ansonsten hätte er ja nicht ihn geschickt, die Orks zu holen.
Boltan spürte wieder Furcht in sich aufsteigen. Er wandte sich um. Khamûl war hinter ihn getreten. „Du führtst die Orks“, sagte er barsch, und als er Boltan wieder so tödlich anblickte, wagte dieser es nicht, zu widersprechen. Während Boltan so schnell es ging auf seinen Warg aufsprang rief er den Orks auf der Ebene zu: „Alle aufstehen und mir nach!“ Schnell sprangen sie auf und folgten Boltan in den Tunnel. Khamûl blieb zurück.
Was dieser Geist wohl plante? Boltan nahm sich vor, ihn im Auge zu behalten, vielleicht könnte er so seinem Meister irgendwann einmal das Leben retten.
Khamul:
Kapitel 17:
Der Schatten des Ostens
Imrahil stand auf einer Ebene. Er konnte nicht sehr weit sehen, denn alles um ihn herum war nebelig. Er irrte einige Zeit im Nebel umher, bis er einen Stein entdeckte. Es schien etwas auf dem Stein drauf zu stehen, doch was darauf stand, konnte er nicht lesen. Deshalb ging er auf den Stein zu. Je näher er dem Stein kam, umso deutlicher wurde die Schrift, doch erst als er direkt davor stand, erkannte er genau, was darauf geschrieben stand:
Hier ruht Niniel, die Herrin von Dol Amroth
Imrahil war geschockt. Tiefe Trauer stieg in ihm auf, und er rannte in den Nebel. Wieder irrte er einige Zeit ziellos umher, doch dann blieb er stehen, um seine Trauer hinaus zu schreien. Plötzlich bemerkte er etwas in seiner Nähe. Er erkannt etwas Dunkles im Nebel.
„Der Schatten des Ostens!“, schoss es Imrahil durch den Kopf. Warum wusste er nicht, doch er war sich sicher, dass dieses dunkle Etwas der Schatten des Ostens war.
Der Nebel lichtete sich ein wenig, und Imrahil erkannte, dass das Dunkle selbst ein Teil des Nebels war. Auf einmal nahm es Gestalt an – es wurde zu einem Krieger in goldener Rüstung, bekleidet mit schwarzen und roten Stoffen und einer goldenen Maske. Der Krieger, der Schatten des Ostens, sah Imrahil an. Sein Blick wollte ihn schier durchbohren, seine Rüstung blendete ihn und die Furcht, die ihn wie ein Schleier umgab, raubte Imrahil den Atem.
Der Schatten des Ostens zog sein Schwert. Es war beinahe mannsgroß und hatte schwarze Schneiden. Imrahil tat es seinem Gegenüber gleich und zog ebenfalls sein Schwert aus der Scheide. Dieses Schwert hatte schon tausende Orks getötet. Es würde ihn nicht im Stich lassen!
Der Schatten des Ostens hob seine schwarze Klinge vor seine Maske und machte sich zum Angriff bereit. Jäh wie eine Schlange sprang er nach Vorne und stach mit seinem Schwert nach Imrahil. Dieser rollte sich jedoch rechtzeitig zur Seite und war sofort wieder auf den Beinen.
Imrahil ließ sein Schwert auf den linken Arm des Schattens des Ostens sausen. Der Schatten erhob seine Klinge zur Parade, doch Imrahil änderte im letzten Moment die Richtung seines Schwertes und schlitzte die Maske seines Gegners auf. Diesem entfuhr jedoch kein Schmerzensschrei, obwohl Imrahil ihm mindestens auch noch sein Gesicht aufgeschlitzt haben müsste! Die Maske des Schattens des Ostens fiel gespalten von seinem Gesicht, doch die Kapuze war leer!
Sowie die Maske seines Gegners von dessem Gesicht gefallen war, schien es Imrahil, dass die Leere in der Kapuze all seine guten Erinnerungen in sich aufsog und nur Angst zurückließ. Starr vor Schreck sah Imrahil nur zu, wie der Schatten des Ostens mit seiner Klinge direkt auf seinen Hals hieb. Ein stechender Schmerz durchfuhr Imrahil, und plötzlich spürte er seinen Körper nicht mehr. Er fiel auf den Boden und rollte ein wenig herum, als wäre er eine Kugel.
Als er aufgehört hatte, herum zu rollen, sah er seinen enthaupteten Körper vor sich liegen! Was war hier los? Imrahil wurde umgedreht und sah wieder den Schatten des Ostens vor sich. Dieser erhob seinen Fuß, ließ ihn direkt über Imrahils Gesicht verharren, und trat dann zu.
Schweißgebadet erwachte Imrahil aus seinem Alptraum. Sein Herz raste, er rang nach Luft und wusste nicht, wo er war. Er blickte sich um. Es herrschte tiefe Nacht, um ihn herum schliefen Soldaten auf dem Boden. Ach ja! Das Heer machte Rast und hatte kein ordentliches Lager aufgeschlagen, um schneller weiterziehen zu können!
Neben Imrahil rührte sich Radagast der Braune. Imrahil blickte zu ihm hinüber. Er hatte die Augen zu einem spalt geöffnet und murmelte müde: „Ihr seht ja so aus, als hättet Ihr Sauron persönlich gesehen, Imrahil von Dol Amroth... Ein Alptraum?“
Imrahil nickte nur, unfähig, auch nur ein Wort zu sprechen.
„Versucht, noch weiter zu schlafen...“, murmelte Radagast: „Die Nacht ist noch nicht um.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und begann nach einigen Sekunden, lautstark zu schnarchen.
Imrahils Herzschlag hatte sich wieder beruhigt, seine Atmung ging auch wieder normal. Dieser Traum beunruhigte ihn jedoch. Der Schatten des Ostens - was dies wohl zu bedeuten hatte? Er wusste keine Antwort darauf.
Imrahil legte sich wieder hin und versuchte, einzuschlafen. Nach einigen Minuten umfing ihn schon schwere Müdigkeit.
Mit folgenden Worten in seinen Gedanken schlief Imrahil ein:
Der Schatten des Ostens
Khamul:
Kapitel 18 - Khamûl kommt wieder:
Das Heer des Ostens
Das Heer von Saurons Mund hatte sich vor dem Geheimausgang der Verließe versammelt. Es waren weit mehr als zehntausend Orks, die fertig ausgerüstet auf der Ebene standen. Zehntausend waren jedoch viel zu wenige, um Gondor zu vernichten, daher unterstütze König Ulfang von Rhûn Saurons Mund bei seinem Krieg gegen das Reich des weißen Baumes. Khamûl ritt an der Spitze des zirka achttausend Mann starken Ostlingsheeres, zur Rechten von König Ulfang. Doch nicht nur die Ostlinge, sondern auch viele Krieger aus dem Volk der Wagenfahrer kamen, um Saurons Mund zu unterstützen. Das würde Gondor zu Fall bringen!
Khamûl blickte zu König Ulfang. Dieser verhielt sich kalt und unnahbar. Ihm konnte der König Rhûns jedoch nichts vormachen! Er fürchtete um seine Macht, und das zu Recht! Saurons Mund hatte für Khamûl alles so eingefädelt, dass er nach dem Tode Ulfangs wieder der König von Rhûn werden würde. Ulfang hatte nämlich nur seine Tochter Mirianda, und keinen Sohn. Obwohl laut dem Gesetz der Ostlinge auch Frauen herrschen durften, war Mirianda doch zu jung, um über das Königreich ihres Vaters, über das Königreich Khamûls, zu herrschen! Und wäre Khamûl erst einmal König, würde er dafür sorgen, dass Mirianda einen „Unfall“ erleide. Somit würde er für immer über Rhûn herrschen! Er war unsterblich, auch wenn er diesen Krieg verlieren würde, irgendwann würde er sich wieder erheben, um Gondor entgültig zu vernichten!
Khamûls brauner Hengst wurde unruhig. In der nähe des Orkheeres wurden gerade die Warge gefüttert. Khamûl erkannte unter den Orks, welche den vielen Reitwölfen das Fleisch zuwarfen, Boltan, den Feldherrn der Orks. Er war ja ziemlich klug für einen seiner Rasse, doch Khamûl hatte das Gefühl, dass er nicht nur Angst vor ihm hatte, sondern ihm auch misstraute. Diesen Ork musste er auch noch einmal loswerden, doch im Moment brauchte er ihn, denn das gesamte Heer von Saurons Mund hielt zu ihm.
Aus dem Heer löste sich ein einzelner Reiter. Er ritt ein rabenschwarzes Pferd und war in schwarze Stoffe bekleidet. Es war Saurons Mund. Als er bei König Ulfang und Khamûl ankam, zügelte er sein Pferd. König Ulfang befohl den sofortigen Stillstand seines Heeres. Saurons Mund deutete auf dem Pferd eine Verbeugung an und sprach in einem übertrieben höflichen Tonfall zum König der Ostlinge: „Ich grüße Euch, König Ulfang, Herrscher über Rhûn. Euch gebührt mein größter Dank, da Ihr mich bei meinem Feldzug gegen das Königreich des weißen Baumes unterstützt. Die Wagenfahrer sind noch nicht angekommen, doch sie dürften in wenigen Stunden eintreffen.“ Khamûl musste schmunzeln. Saurons Mund konnte wirklich gut mit Worten umgehen. Ulfang dagegen war eher ein Mann der Tat. Er antwortete Saurons Mund nur knapp: „Nieder mit dem Elbenfreund Elessar!“
Als Saurons Mund wieder zu seinen Mannen zurückritt, wendete Ulfang sein Pferd und rief seinem Heer zu: „Wir rasten hier so lange, bis die Wagenfahrer kommen!“ Die Soldaten gaben keinen Laut von sich, während sie sich einen geeigneten Ruheplatz suchten. Seit Khamûl König gewesen war, waren die Soldaten des Ostens doch um einiges disziplinierter geworden. Das genaue Gegenteil von den Orks, aus denen das Heer von Saurons Mund bestand.
Khamûl war jedoch nicht nach einer Rast zu mute. Er gab seinem Pferd die Sporen und hatte schon nach kurzer Zeit Saurons Mund eingeholt. „Sorge dich nicht, Khamûl“, sagte Saurons Mund, als Khamûl neben ihm ankam: „schon bald wirst du an Ulfangs Stelle stehen und König der Ostlinge sein!“
Schon waren die Beiden an den Orks angelangt. Khamûl bemerkte einige Orks, welche viel größer waren als die Anderen. Sie waren fast so groß wie Menschen und wurden von den anderen Orks gemieden. Die meisten von ihnen hatten ihre Körper mit rauen Panzerplatten bedeckt und führten barbarische Äxte mit sich. Doch einer von ihnen, der ihr Anführer zu sein schien, war anders bekleidet. Sein muskulöser Oberkörper war frei von Metallplatten, und er hatte das Auge Saurons auf seine Brust gemalt. Er trug einen Helm, der von guter Qualität zu sein schien. Wahrscheinlich war er von Saurons Mund persönlich geschmiedet worden. Der Helm hatte Stacheln, ebenso wie die Arm- und Beinschienen, die der große Ork trug. Bewaffnet war er mit einer stählernen Keule und einer Peitsche.
Saurons Mund rief ein Wort, welches Khamûl nicht verstand. Erst als er den Ruf noch einmal tat, verstand Khamûl das Wort bruchstückhaft. Es klang wie „Unuor“. Der große Ork, der ihm vorher schon aufgefallen war, löste sich aus der Gruppe heraus und kam auf Saurons Mund zu. „Das ist Unûar. Er ist ein Halbork, ebenso wie die anderen großen Orks“, sagte Saurons Mund noch zu Khamûl, bevor er sich an diesen Halbork wandte. Khamûl hörte den Beiden jedoch nicht zu, sondern sah sich ein wenig die Orks an. Sie waren nicht gerade perfekt gerüstet, doch sie schienen mit ihren Waffen umgehen zu können.
„Du da!“, rief Khamûl in die Menge der Orks hinein. Es sah tatsächlich einer unter ihnen auf. „Komm her!“, rief er diesem Ork zu. Der unglückliche wurde von seinen Ork-Kameraden zu Khamûl vorgestoßen. Er hatte einen Säbel und trug einen einfachen Helm ohne irgendwelche Verzierungen. Er war in Leder bekleidet und trug nur vereinzelt Panzerplatten am Körper.
Khamûl zog seine Morgulklinge und sagte zu dem Ork: „Los! Zeig mir, was du von deinem Lehrmeister gelernt hast!“ Sein Gegenüber war jedoch starr vor Schreck. Khamûl beschloss, den Schatten, den er verströmte, ein wenig zu zügeln. Nun wirkte sein Gegner nur noch ein wenig verunsichert. „Greif an!“, rief Khamûl ihm zu. Der Ork zückte seinen Säbel und sprang auf ihn zu. Khamûl wich jedoch mit einer beinahe tänzerischen Bewegung aus und führte einen leichten Hieb auf den linken Arm des Orks aus. Wenn er den Hieb nicht parieren könnte, wäre er ein sehr schlechter Kämpfer.
Der Ork riss seinen Säbel in die Höhe und wehrte so den Hieb Khamûls ab. Er wollte gerade wieder angreifen, als Khamûl seinem Schatten wieder freien Lauf ließ, und sein Gegner wieder in eine Art Starre verfiel. „Du kannst gut genug kämpfen“, sagte Khamûl zum Ork: „und jetzt geh!“
Die Orks hier konnten eindeutig besser mit ihren Waffen umgehen, als die, die noch unter Sauron gekämpft hatten. Dieser Krieg würde hart werden, doch egal, was passieren würde, Khamûl würde auf jeden Fall als Sieger hervorgehen.
Khamul:
Kapitel 19 - Traurigkeit vorprogrammiert:
Ein letztes Lebwohl
Ein letztes Mal noch küsste Fürst Hurin seine Frau Gishilde. Er hatte sehr große Angst um sie, er fühlte, dass Saurons Mund bald seine Festung angreifen würde. Hurin und Gishilde hatten sich am Abend zuvor noch einmal geliebt. Er hatte es zu einer Art Abschied machen wollen, doch nun schien alles so unglaublich schwierig. „Warum müssen Mama und ich weg, Papa?“, durchbrach der kleine Turin das erdrückende Schweigen. Hurin dachte genau nach. Sagte er seinem Sohn die Wahrheit, so würde der Diamant in seinem Kopf seinen Verstand verbrennen, die Morgulklinge in seiner Brust könnte ihn auch zu einem Geist machen...
Doch würde er seinen Sohn belügen, hätte er vielleicht nie wieder die Chance, es wieder gutzumachen...
Es war zum Verzweifeln! Hurin brach in Tränen aus und umarmte seine Frau. Auch Gishilde stiegen Tränen in die Augen, und der kleine Turin beteiligte sich auch an der Umarmung.
Der letzten Umarmung mit seinem Vater.
Hurin löste sich aus der Umarmung und sprach zu seiner Frau und seinem Sohn: „Ihr seid hier beide nicht mehr sicher... Geht nach Fornost, die Stadt wird gerade von den Dunedain wiederaufgebaut. Sucht Elladan und Elohir, die Söhne Elronds von Bruchtal auf und sagt ihnen, ich hätte euch geschickt. Ich...“ Hurin versagte die Stimme.
„Ich will nicht weg, Vater! Ich habe keine Angst!“, flehte Turin seinen Vater an, doch er blieb bei seiner Meinung. „Ihr seid hier nicht sicher...“, wiederholte er noch einmal mit schwacher Stimme, dann zog er sich in seine Gemächer zurück.
Hurin hörte, wie die Kutsche aufgezäumt wurde. Er musste seine Frau und seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen! Hurin fasste sich ein Herz und verließ seine Gemächer. Er durchquerte den Speisesaal, in dem Saurons Mund ihm den Diamanten eingesetzt hatte, den schmucklosen Gang zum Tor der Festung, und schließlich durchschritt er die Tore. Gerade noch rechtzeitig. Gishilde wollte gerade den Befehl zur Abreise geben, als sie noch Hurin erblickte. Sie schaute flehend zu ihm hinüber, doch er wusste, dass er bei seinen Mannen gebraucht wurde. Ohne ihn würden sie zu schnell fallen.
So trug er ihr zum Abschied ein Gedicht vor, das ihm soeben in den Sinn kam. Hurin wusste nicht, warum dieses Lied ihm einfiel, denn er hatte nie ähnliches gehört:
„Der Eine vergeht, ein Anderer kommt,
in Mordor, im dunklen Schicksalsberg.
Doch dort bleibt er nicht, er verlässt ihn prompt,
und macht sich sogleich woanders ans Werk.
Seine Grausamkeit eilt weit vor ihm her,
sie ruft hervor Zerstörung, Leid und Tod.
Darum schick ich dich jetzt fort von hier,
fliehe nun vor der großen Not.
Geh in den Norden, zum Totendeich,
zu Fornost, der einst mächtigen Stadt.
Denn dort entsteht ein neues Reich,
wo man noch Stärke, Mut und Hoffnung hat.
So verlasse mich nun, Geliebte mein,
geh fort und nimm mit unsren Sohn.
Im Norden soll dir was Bessres verheißen sein,
nicht der Schatten des Ostens mit Neid und Hohn.
So gehe nun fort, mein tapferes Kind,
mögest du einmal an meiner statt
reiten über Wiesen, in den Haaren den Wind,
in einem Land, dass der Schatten des Ostens nicht hat.“
Gishilde gab den Befehl zur Abreise, die Kutsche fuhr weg. Hurin sah ihnen lange nach, bis die Kutsche nur mehr einen kleinen Punkt am Horizont darstellte. Plötzlich fühlte er sich so allein. „Der Schatten des Ostens...“, murmelte er. Diese Worte waren ihm bei seinem Abschiedsgedicht in den Sinn gekommen.
Was hatte dies zu bedeuten?
Khamul:
Kapitel 20:
Ein Hafen in der Wüste
Die weite Ebene war total ungewohntes Gelände für ihn. Der Boden bestand aus Wüstensand, auf dem kaum Bäume und Gras wuchsen, die einzigen Grasflecken waren jedoch mehr als hüfthoch. Vor ihm lag die große Stadt Umbar, hinter ihm das Heer König Elessars. Die Stadt schien in Aufregung, ihre Anwesenheit war bemerkt worden.
Imrahil spürte einen Anflug von Angst. Umbar war eine gut geschützte Stadt an einem kleinen Kap. Vom Meer aus war die Stadt fast uneinnehmbar, doch auch vom Land her würde es schwierig werden, die Stadt zu erobern, denn sie war umgeben von einer dicken steinernen Mauer. Zum Glück hatten sie noch hundert Katapulte aus Gondor mitgenommen, und die Zwerge führten auch einige ihrer großen Rammgestelle mit sich. Imrahil drehte sich um. Vor ihm stand nun das Heer König Elessars versammelt. Mehr als viertausend Soldaten Gondors, alle vorbildlich ausgerüstet, zirka dreitausend Reiter der Rohirrim, allesamt beritten, etwa tausend Zwerge vom Einsamen Berg und auch noch etwas weniger als tausend Menschen aus dem Königreich Thal, welches mit den Zwergen des Erebor verbündet war, gehörten dazu. Statthalter Faramir befehligte noch zirka Hundert Waldläufer aus Ithilien, doch diese waren kurz zu einer letzten Übung aufgebrochen.
Auf dem weg durch Nah-Harad waren sie kaum auf ernst zu nehmenden Widerstand gestoßen, dazu waren immer viel zu wenige Feinde in den nicht sonderlich gut geschützten Zeltlagern der Haradrim gewesen. Umbar war jedoch das genaue Gegenteil dieser Lager...
Wo die Haradrim großteils als Wüstennomaden ihr Dasein fristeten und in leicht auf- und abzubauenden Zelten hausten, war Umbar eine solide Stadt mit Häusern aus Stein. Auf der Mauer sah man ständig alle paar Meter einen Wächter über die Ebene von Umbar blicken, und im Abstand von zirka hundert Metern zueinander hatten sie auch drehbare Ballistenplattformen auf der Mauer aufgebaut.
Imrahil wurde ungeduldig. Je länger sie den Angriff hinauszögern würden, umso besser wären die Verteidiger von Umbar auf ihr Kommen vorbereitet! König Elessar war jedoch zu den Katapultmeistern gegangen, um die Belagerungswaffen noch einmal persönlich zu überprüfen und laden zu lassen. Endlich sah er den König auf ihn zukommen! Wie immer haftete kein Makel an Elessar Telcontar, dem Erneuerer der Reiche Arnor und Gondor. Imrahil hatte gehört, dass der König Elladan und Elohir, den Söhnen Elronds von Bruchtal, aufgetragen habe, Fornost, die Hauptstadt des einstmals großen Königreichs Arnor im Norden wieder aufzubauen.
König Elessar trug ein glänzendes stählernes Kettenhemd, darüber ein rotes Hemd, welches auf der Brust und an den Ärmeln mit goldenen Fäden den Baum Gondors eingestickt hatte. Ein wallender blauer Umhang, die Krone Isildurs aus Gold und Mithril, sowie das Schwert Anduril, das neu geschmiedete Schwert Isildurs, welches Elessar umgegürtet hatte, umrahmten das Bild des Königs von Gondor endgültig. Imrahil selbst war am ganzen Körper gepanzert, ebenso wie seine Ritter. Er trug eine Ganzkörperrüstung mit dem Schwan von Dol Amroth auf der Brustplatte. Sein Helm, welcher wie bei allen Schwanenrittern an den Seiten Flügel trug, befand sich bei seinem Hengst Aiwendil, der schon fertig aufgezäumt und gerüstet auf die Schlacht wartete.
Als König Elessar bei Imrahil angekommen war, deutete dieser eine Verbeugung an und sagte: „Mein König, die Soldaten Gondors sind bereit zum Kampf. Werdet Ihr Euer Schwert ziehen, so werden auch tausende andere Schwerter mit dem Euren in den Kampf ziehen.“
„Und außerdem noch hunderte Äxte“, ertönte eine ruppige Stimme in der Nähe von Imrahil, noch bevor König Elessar hätte antworten können. Es war Gimli Gloinsson, der Anführer der Zwerge vom Erebor und der Menschen aus Thal. Der Zwerg hatte einen struppigen roten Bart. Er trug ein Kettenhemd, zwergische Schulterplatten und einen Helm. Bei sich hatte er zwei Äxte, eine einschneidige mit einem nicht besonders langen Stiel, welche in seinem Gürtel steckte, und eine zweischneidige, welche er auf den Rücken geschnallt hatte.
König Elessar sagte nichts, sondern begrüßte zuerst Imrahil und dann Gimli. Schließlich wandte er sich an den Fürsten von Dol Amroth: „Wisst Ihr, wohin sich Statthalter Faramir mit seinen Waldläufern zurückgezogen hat?“
„Ich weiß es nicht, mein König“, musste Imrahil gestehen: „doch ich werden ihn suchen gehen.“ Er wartete noch einen Moment auf ein mögliches Widerwort des Königs, wandte sich aber dann in die Richtung, in der gestern noch die Waldläufer gelagert hatten.
Das Nachtlager der Waldläufer befand sich etwas abseits des Heerlagers, direkt neben einem großen Flecken Gras. Die Waldläufer brauchten im Gegensatz zum Rest des Heeres nur leicht zu transportierende Schlafsäcke für die Nachtruhe, diese waren jedoch noch da, also dürften Statthalter Faramir und seine Männer nicht weit von hier entfernt sein. Direkt am großen Grasflecken, in der Nähe des Lagers der Waldläufer, bemerkte Imrahil ein Zelt mit Wänden aus feinen braunen Stoffen. Er näherte sich dem Zelt und betrachtete es genauer. Wer könnte wohl hier drinnen wohnen? Statthalter Faramir? Imrahil beschloss, einfach einzutreten.
Das Zelt war einfach eingerichtet, an seinem Rand befand sich eine einfache Schlafstelle, direkt dieser gegenüber stand ein Schreibtisch. Auf diesem Tisch befanden sich einige Kerzenstummel, Federkiele, ein Tintenfass und ein Stück Pergament. Imrahil betrachtete das Blatt genauer. Es schien ein Brief zu sein. Er begann zu lesen:
„Mein lieber Freund Alatar
Ich war jahrelang nicht mit deiner Ansicht der Welt einverstanden und ermahne dich noch einmal: Du kannst die Valar nicht überlisten!
Vergiss nicht unsere Pflicht, die uns von Manwe auferlegt wurde! Wir sollten die Menschen vor dem Einfluss des Bösen beschützen, und nicht versuchen, den großen Feind aus der Leere zu befreien! Schon seit tausenden Jahren suchst du schon einen Weg, dein Vorhaben in die Tat umzusetzen, aber dennoch scheiterst du immer wieder daran! War nicht der Tod deines Zwillingsbruders Pallando schon ein Zeichen, stark genug, um dir zu beweisen, dass du nie zum Ziel kommen würdest? Früher oder später werden die Valar dich noch bemerken, wenn du versuchst, in die zeitlose Leere einzutreten – Sogar Eru selbst könnte seinen Zorn auf dich niedergehen lassen! Du weißt doch selbst, was er aus dem großen Numenor gemacht hat!
Hiermit bitte ich dich noch ein letztes Mal, Alatar: Lass von deinem Vorhaben ab!
Wenn du wider jeder Vernunft dennoch weiterarbeiten willst, sehe ich mich dazu gezwungen, dein Vorhaben den Valar zu melden.
Wähle!
Vertraue nicht darauf, dass mich die Liebe zu dir dazu bringt, deinem Verrat noch länger zuzusehen! Kehre doch wieder auf den richtigen Weg zurück!“
Hier war der Brief zu Ende. Imrahil wusste nicht, was er denken sollte. Wer war dieser Alatar, und wer war der große Feind? Etwa Sauron? Das ergab keinen Sinn, der Herr der Ringe war tot!
Und wenn es diesem Alatar tatsächlich gelungen wäre, diesen großen Feind aus der Leere zu befreien? War der große Feind vielleicht gar der Schatten des Ostens, von dem Imrahil erst vor kurzem geträumt hatte?
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