Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Eigene Geschichten
Aus den Schatten in den Schatten
Khamul:
Kapitel 21 ist ein wenig verschwiegen und verwirrend:
Freund oder Feind?
Der Fürst Imrahil hatte soeben ein Zelt betreten. Es hatte Wände aus feinen braunen Stoffen, welche er schon aus Harad kannte. Er gab seinen Männern ein Zeichen, dass sie sich nicht rühren sollten und schlich sich zur Zeltwand hin.
Der Fürst Gondors stand inmitten des Raumes und las ein Stück Pergament.
Er zog lautlos einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn an die Sehne. Noch ein letztes Mal überprüfte er, ob seine Kapuze nicht von seinem Kopf rutschen könnte.
Imrahil blickte wieder vom Pergament auf. Der Fürst war zwar vom Zelteingang abgewendet, könnte sich aber jederzeit umblicken. Er musste sich beeilen! So schnell wie es ihm möglich war, schlich er ohne ein Geräusch zu verursachen hinter Imrahil. Noch hatte dieser nichts gemerkt. Er spannte seinen Bogen und berührte den Fürsten Gondors mit der Pfeilspitze an der Schulter.
Erschrocken wandte sich Imrahil um. Das Entsetzen stand dem Fürsten im Gesicht, während er sein Schwert zog.
Der Kapuzierte machte einen Satz nach hinten, warf seinen Pfeil und seinen Bogen weg und zog ebenfalls sein Schwert. Dieses war zwar kürzer als das des Fürsten von Gondor, es würde jedoch seine Pflicht tun. Fürst Imrahil hieb mit dem Schwert auf seinen Arm. Er machte jedoch keine Anstalten, die Klinge seines Gegners abzuwehren, sondern rammte diesen frontal.
Die Klinge traf ihn nicht, und Imrahil kam aus dem Gleichgewicht und stürzte nach hinten. Es war genauso, wie er es beabsichtigt hatte! Der Kapuzierte trat auf die Rechte Hand des Fürsten, in welcher dieser sein Schwert hielt, und setzte ihm sein eigenes an die Kehle.
„Zeig mir dein Gesicht, bevor du mich umbringst, du feiger Meuchelmörder Suladans!“, rief Imrahil ihm zu. Sein Blick war voller Zorn und Hass. Wortlos zog der Kapuzierte seine Kapuze vom Kopf, und der Gesichtsausdruck des Fürsten änderte sich schlagartig.
„Faramir?“
Faramir lächelte. Er trat einen Schritt zurück und ließ seinen Freund Imrahil wieder auf die Beine kommen. „Warum hast du mich angegriffen?“, fragte er. Faramir gab ihm zuerst keine Antwort, sondern hob seinen Bogen wieder auf. Imrahil fragte noch einmal, dieses Mal war jedoch schon mit ein wenig Ungeduld in seiner Stimme: „Warum hast du mich angegriffen?“
„Ist das nicht klar?“
„Was soll klar sein?!“
Faramir sah Imrahil direkt in die Augen. Sein Freund schien wirklich nichts zu ahnen. Man sah ihm nur seinen Zorn an. Er musste ihn wohl aufklären: „Du weißt doch, dass ich mit meinen Waldläufern zu einer letzten Übung aufgebrochen bin...“
„Ja, das weiß ich! Was hat das denn damit zu tun?!“, unterbrach Imrahil ihn zornig. Er erzählte jedoch ruhig weiter: „... Meine Waldläufer und ich haben in dem Großen Flecken Gras noch ein letztes Mal unsere Anschleichtechniken verfeinert. Als ich dich in das Zelt kommen sah, wollte ich versuchen, ob meine Technik die Richtige ist.“
Langsam schien Imrahil seine Beherrschung wieder zu finden. Sein Schwert in die Scheide steckend, erklärte er Faramir: „Ihr und Eure Waldläufer werdet von König Elessar erwartet. Der Angriff auf Umbar steht kurz bevor.“
„Dann wird es den König sicher interessieren, dass König Suladan von Harad sich zurzeit in der Stadt befindet“, erwiderte Faramir. Schon wieder wich die Beherrschtheit aus Imrahils Gesicht. „Woher wisst Ihr dies, Statthalter?“
Faramir beschloss, seinen Freund als Ersten genau einzuweihen: „Ich sah während eines Spähganges die Leibgarde Suladans die Stadt betreten – Er ritt an ihrer Spitze... Es kann unmöglich ein Anderer gewesen sein!“, fügte er noch entschlossen hinzu, als er den skeptischen Gesichtsausdruck Imrahils bemerkte: „Ich bin ihnen Nämlich ein Stück lang gefolgt. Kurz vor den Toren haben sie mich jedoch entdeckt, und ich konnte nur mit knapper Not entkommen.“
Nun herrschte einige Momente lang Stille. Imrahil schien alles, was er eben gehört und gesehen hatte, erst einmal verdauen zu müssen. Schließlich sagte er langsam zu Faramir: „Statthalter, nehmt Eure Männer und kommt zum König. Ihr werdet erwartet. Ich werde währenddessen dem König von Suladan berichten...“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging wieder zum Heerlager zurück.
Khamul:
Kapitel 22 - die Schlacht um Umbar beginnt:
Gimlis Plan
„Unsere Männer werden gegen die Mauer Umbars rennen so wie Wasser gegen Fels brandet! Sie haben schon zu viele Bogenschützen auf der Mauer!“ Mit diesen Worten hatte Gimli, soweit er es am Gesichtsausdruck Aragorns erkennen konnte, alle Pläne zunichte gemacht. Statthalter Faramir wandte sich an Gimli: „Wie sollen wir dann Eurer Meinung nach die Stadt einnehmen? Sollen wir etwa aufgeben, Gimli Gloinsson?“
Daran hatte er selbst schon gedacht. Es war eindeutig waghalsig, doch er musste seinen einzigen Plan vor die Heermeister bringen. Mit einem Mal war seine Selbstsicherheit dahin. Noch vor wenigen Momenten hatte er sich selbst dabei gesehen, wie er alle Heerführer von seinem Plan überzeugt hatte, doch nun zweifelte er selbst daran. Gimli sah in die Runde der Heerführer. Aragorn überstrahlte als König natürlich alle anderen in Prunk. In seinem Hemd war mit Fäden aus reinem Gold der Baum Gondors eingestickt worden. Die Krone Gondors, die er trug, war angeblich von Zwergen geschmiedet worden, ebenso wie sein Schwert Anduril. Zur Rechten Aragorns stand Statthalter Faramir. Der junge Mann trug über seinem ledernen Wams, auf dem der Baum Gondors gemalt war, einen grasfarbenen Kapuzenmantel. Es war ihm eindeutig anzusehen, dass er zu den Waldläufern gehörte. Fürst Imrahil trug wie immer seine blank polierte Ritterrüstung mit dem Schwan von Dol Amroth darauf. König Eomer war wie Imrahil volkommen gepanzert, nur hatte der König Rohans die Metallplatten braun färben lassen, zusätzlich war auf seiner Brustplatte das goldene Ross Rohans zu sehen. Zu guter Letzt war noch Radagast der Braune, in braune Stoffe bekleidet und mit einem braunen Hut auf dem Kopf. Sein langer weißer Bart ließ ihn beinahe wie ein großer Zwerg aussehen.
Gimli holte tief Luft. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Er hielt die Luft an und dachte noch einmal genau nach. Er musste sie alle sofort überzeugen, ansonsten würde eine lange Diskussion entstehen. Nach kurzem Überlegen hatte er endlich die richtigen Worte gefunden. Kurz und bündig erklärte er den Anderen seinen Plan. Niemand unterbrach ihn, während er sprach, und als er geendet hatte, war es noch einige Momente lang still. Sie schienen wohl darüber nachzudenken. Schließlich öffnete Radagast der Braune erstmals in dieser Versammlung den Mund: „Das ist zu gefährlich, die Soldaten werden sich dabei sämtliche Knochen brechen. Wie sollen sie dann noch kämpfen können?“
Mit dieser Frage hatte Gimli gerechnet. Er antwortete dem Zauberer: „Deswegen sollten es nur Zwerge versuchen. Ich selbst werde als Erster dabei sein. Wir Zwerge sind widerstandsfähig, und außerdem haben wir Schilde, groß genug, um die Pfeile der Verteidiger abwehren zu können.“
Noch einmal blickte Gimli skeptisch in die Runde. Die anderen Heerführer blickten alle auf Aragorn. Sie warteten auf seine Entscheidung.
Zwei Stunden später stand Gimli schon mit den fünfhundert Zwergen, die er ausgewählt hatte, auf der Ebene von Umbar. Sie alle hatten sich vor den Katapulten versammelt, trugen typische Zwergenmasken, einschneidige Äxte und große Schilde. Gimli trug ebenfalls eine Zwergenmaske und einen Schild. Er hatte beschlossen, seine einschneidige Axt für diese Art von Schlacht zu verwenden. Seine andere zweischneidige Axt, mit welcher er eigentlich lieber kämpfte, konnte er nicht gut einhändig führen. Ihr Stiel war zu lang dafür, die andere jedoch war perfekt geeignet für den einhändigen Kampf.
Der Rest des Heeres war schon bereit zum Angriff: Die verbliebenen fünfhundert Zwerge Gimlis begaben sich gerade in die Drachenpanzer-Formation. Dabei Deckten sie sich vorne, hinten und Oben gegenseitig mit ihren Schilden. So bildeten sie eine Schier unaufhaltsame Angriffswelle. Je vier Zwerge bedienten die zwei Rammgestelle auf Rädern, welche das Tor der Stadt zerstören sollten.
„Menschen aus Gondor, Rohan und Thal! Zwerge vom Erebor! Heute werden wir die Stadt Umbar einnehmen, um unseren Königreichen endlich Frieden vor den bösartigen Korsaren und den Haradrim bieten zu können!“ Die Rede Aragorns ließ Gimli aus seinen Gedanken aufschrecken. Er musste schnell seinen Platz einnehmen! Nicht auf die Rede Aragorns achtend, machte er sich auf, sich in die Ladeplattform eines Katapultes zu setzen. Viele der anderen Zwerge taten es ihm gleich. Als alle hundert Katapulte dann mit je einem Zwerg geladen waren, redete Aragorn immer noch: „... Ich war einmal selbst in dieser Stadt, und ich weiß: Sie ist nicht uneinnehmbar! Wir werden dies den Korsaren und den Haradrim beweisen! Auf zur Schlacht!! AUF ZUM SIEG!!!“
Das Heer jubelte Aragorn zu, und Gimli rief dem Menschen, der das Katapult bediente, „Feuer!“ zu. Der Mensch legte einen Hebel um, und schon schnellte der Katapultarm nach Oben. Gimli glitt von der Ladeplattform ab und segelte durch die Luft. Es war ein banges Gefühl für ihn, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Gimli flog über die Ebene von Umbar, segelte knapp über die Mauer drüber und landete knapp hinter ihr am Boden.
Der harte Aufprall drückte ihm die Luft aus den Lungen. Es dauerte einen Moment, bis er es schaffte, sich wieder aufzurappeln und seine Axt aus dem Gürtel zu ziehen. Er war in der Nähe des Tores gelandet, von seiner Position aus war es nicht weit bis zu einer Treppe zur Mauer hinauf. Drei oder vier Feinde, die hinter dem Tor Stellung bezogen hatten, wurden auf ihn aufmerksam und rannten mit gerückten Säbeln auf ihn zu. Gimli hob seinen großen Schild vor seinen Körper und eilte ebenfalls auf die Menschen zu. Als er bei ihnen angelangt war, ließ er seine Axt durch die Luft zischen. Er traf den Feind direkt vor ihm an der Brust. Der Mensch spuckte Blut und sank sofort leblos zu Boden. Mit einem weiteren Hieb zerschmetterte er den Schild des zweiten Haradrim, während er mit seinem eigenen den Hieb des dritten abwehrte.
Gimlis Axt beschrieb einen weiten blutigen Kreis. Sofort sanken auch die restlichen drei Haradrim getroffen zu Boden. Gimli verharrte einen Moment, um festzustellen, was sich um ihn herum abspielte. Soeben flog die zweite Salve Zwerge durch die Lüfte, die Bogenschützen auf der Mauer spannten schon ihre Bögen, weil sie ihn bemerkt hatten, und die Krieger am Tor verschanzten sich hinter ihren Schilden. Gimli schenkte ihnen keine Beachtung und hechtete, gut hinter seinem Schild geschützt, in die Richtung der Treppe zur Mauer. Nach wenigen Schritten eilte er schon die Treppe hoch. Auf der Mauer drauf, zog er sofort mit seiner Axt blutige Streifen in die Verteidiger. Die Bogenschützen wussten nicht recht, wie ihnen geschah, und wichen einige Schritte zurück. Gimli hörte das Surren von Pfeilen. Schnell riss er seinen Schild in die Richtung, aus der das Surren gekommen war. Wie Trommelschläge prallten die Pfeile auf seinen Schild auf.
Kaum hatte Gimli die Deckung seines Schildes verlassen, hackte er mit seiner Axt wieder auf die Feinde ein wie ein Holzhacker auf einen Baum. Ein zweites Mal fing er eine Pfeilsalve mit seinem Schild ab. Seine Axt zischte in einem diesmal engen Bogen durch die Luft und stieß dem Menschen direkt vor ihm in die Seite. Der Haradrim zuckte zusammen, hielt jedoch gleichzeitig mit beiden Händen Gimlis Axt fest, sodass dieser sie nicht mehr aus seinem Feind herausziehen konnte. Gimli zog mit aller kraft. Endlich gab der Mensch nach! Doch... Nein! Der Mensch sprang von der Mauer, noch immer die Axt in seinem Körper! Gimli versuchte noch einmal verzweifelt, seine Axt zu befreien, wurde jedoch von dem Menschen mitgerissen. So stürzten sie beide von der Mauer runter.
Er landete recht weich auf dem Haradrim, welcher jedoch sofort Gimlis Schild mit aller Kraft festhielt. Nun konnte er endlich seine Axt befreien. Mit einem Ruck hatte er seine Waffe aus der Seite des Menschen gezogen, und erhob sie, um seinem Feind den Schädel zu spalten.
Plötzlich durchzuckte ein mächtiger Schmerz Gimlis Hand, und er ließ seine Axt fallen. Ein Pfeil hatte seinen Unterarm durchbohrt! Er bemühte sich, nicht sofort aufzuschreien. Er musste seine Kräfte sammeln und den Schmerz besiegen. Ein Pochen war zu hören, und dann durchzog ihn wieder dieser stechende Schmerz, dieses Mal aber in seinem Rücken. Gimli presste seine Augenlider zusammen und konzentrierte sich. Er durfte jetzt nicht schwach werden!
Wieder ertönte ein Pochen. Gimli wartete auf den Schmerz, doch er kam nicht. Als sich dann auch noch der Griff seines Feindes lockerte, öffnete er wieder die Augen. Aus dem rechten Auge des Menschen ragte ein rot gefiederter Pfeilschaft! Er war von seinen eigenen Kameraden getötet worden! Unter Aufwendung all seiner verbliebenen Kräfte drehte Gimli sich zur Seite und erhob seinen Schild zum Schutz. „So endest du also, Gimli Gloinsson...“, dachte er sich. Plötzlich hörte er ein knacken und kurz darauf ein lang gezogenes Ächzen. Der Kampfgeist regte sich wieder in ihm. Sie hatten das Tor durchbrochen! Er musste jetzt nur noch wenige Momente lang durchhalten, dann wäre er gerettet!
Khamul:
Kapitel 23:
Wüstenskorpione
Imrahil hatte seinen Helm aufgesetzt und saß nun auf seinem Hengst Aiwendil. Er hatte zur Rechten von König Eomer vor der Mauer von Umbar, natürlich außerhalb der Reichweite der Bogenschützen, Stellung bezogen. Die Zwerge, welche nicht von Katapulten verschossen worden waren, hatten in der Drachenpanzer-Formation das Tor eingekreist und den Weg für die Rammgestelle, welche nun mit zerstörerischer Wucht ihr Werk ausübten, freigemacht. Die Zwerge auf der Mauer der Stadt richteten gerade so ein Massaker unter den Bogenschützen an, sodass die Drachenpanzer-Formation eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre. Die Haradrim auf der Mauer hatten nämlich kaum Zeit dazu, den Angreifern des Tores auch nur einen Moment lang Aufmerksamkeit zu schenken, wo sie doch selbst in Gefahr waren, von einer wütenden Zwergenaxt zerhackt zu werden. Dennoch war Imrahil irgendwie in Sorge um die Zwerge, denn ihr Anführer Gimli war nirgendwo zu sehen. Es war dessen Idee gewesen, kurz vor dem Angriff Krieger hinter die Mauer zu schießen, und wenn er dann zu den wenigen Toten gehörte... Das wäre dann wohl sehr großes Pech für ihn.
Imrahils gesamter Körper war angespannt. Er wollte den Haradrim den Angriff auf seine Festung, auf seine Frau Niniel, tausendfach zurückzahlen. Die Krieger der Schlange sollten lernen, die Krieger des Schwans zu fürchten! Die Schlangenkrieger Harads sollten die Schwanenritter Dol Amroths nie vergessen!
König Elessar führte die Fußsoldaten an. Sobald das Tor fallen würde, was in wenigen Momenten der Fall wäre, sollten die Reiter Rohans und die Schwanenritter Dol Amroths noch einmal einen Großteil der Stadt Umbar von Verteidigern befreien, sodass die Fußtruppen dann ungehindert einmarschieren könnten. Diese Strategie war seit jeher bewährt, aber irgendwie hielt Imrahil König Elessar dennoch für einen Feigling. Der König hatte auch ein Pferd, warum kämpfte er nicht mit den Reitern mit? „Lästere nicht über den König“, ermahnte er sich selbst im Stillen. Der König war ein tapferer Mann, er war vor seiner Regentschaft schon einmal mit einem viel kleineren Heer als seinem jetzigen in Umbar eingedrungen und hatte nahezu die Gesamte Flotte der Korsaren zerstört. Der König wusste schon, welcher Gefahr er seine Truppen aussetzte, er war weise und außerdem gab er seinen Männern Mut, der nicht durch einen zweifelnden Fürsten zerstört werden sollte!
Imrahil hörte ein Knacken und kurz darauf ein lang gezogenes Ächzen. Das Tor öffnete sich! Jeder einzelne Muskel in Imrahils Körper spannte sich. Er zog sein Schwert aus der Scheide und wartete mit zusammengebissenen Zähnen, bis die Zwerge den Weg zum Torbogen freigegeben hatten. Noch ehe König Eomer das Kommando übernehmen konnte, rief er mit lauter Stimme: „Zum Angriff!!“, und stürmte vor den anderen Reitern her. Die wenigen Verteidiger hinter dem aufgebrochenen Tor ergriffen panisch die Flucht, weil sie nur allerhöchstens hundert Mann waren, auf die mehr als dreitausend Reiter zustürmten. Imrahil fühlte sich wie ein Ork, während er den Fliehenden hinterher jagte. Er spürte einen Tötungsrausch in sich aufsteigen, er wollte alle Haradrim, die dort vor ihm rannten, eigenhändig töten. Das wäre die perfekte Rache für den hinterhältigen Angriff auf seine Frau!
Nach wenigen Herzschlägen hatte Imrahil schon den letzten der Flüchtenden erreicht. Der Haradrim hatte nicht einmal mehr Zeit, sich umzudrehen, als Imrahils Schwert ihm durch den Rücken stach. So schnell wie das Schwert den Körper des Mannes durchbohrt hatte, so schnell wurde es auch wieder hinausgezogen, und trennte schon den Kopf des nächsten Haradrim von dessen Schultern.
Während Imrahil in vollem Galopp weiterritt, hörte er plötzlich einen Schrei von Hinten. Er blickte sich um. Nur wenige Meter hinter ihm ritt König Eomer, dicht gefolgt von den restlichen Reitern. Der Schrei war von einigen Gestürzten Reitern gekommen, die soeben von ihren Hintermännern niedergetrampelt wurden. Imrahil wendete sein Pferd und rief König Eomer zu: „Da ist etwas!“ Eomer riss auch sein Pferd herum und rief: „HALT!“ Sofort kam Stillstand in die Reiter. „WAS IST HIER LOS?“, brüllte Eomer ihnen zu. „Ein Stolperdraht!“, war die Antwort. Kaum war sie gekommen, waren auch schon die Urheber zu sehen. Von beiden Seiten der breiten Straße sprangen vermummte, schwarz gewandete Krieger auf die Reiter zu.
Sie hatten ihre Gesichter verschleiert und fochten mit zierlich wirkenden Säbeln. Diese Krieger gehörten Zweifelsohne zu den Königsskorpionen, der Leibwache König Suladans von Harad! Sie waren legendär, selbst in Gondor.
Die Königsskorpione fochten wie Berserker mit ihren Klingen, und zogen blutige Furchen in die Reiter. Obwohl die Feinde nicht mehr als zwanzig waren, hatten sie schon unzählige Männer getötet, ehe diese sich überhaupt wehren konnten. Imrahil sprang von seinem Hengst Aiwendil und hechtete auf die Truppe Reiter zu. Wenn er nicht zu Pferde unterwegs war, würde er kein so leichtes Ziel für die Königsskorpione darstellen. So gut es seine Rüstung erlaubte, schlich er zwischen den unruhigen Pferden hindurch, in die Richtung der Todesschreie hin.
Endlich erblickte er einen der verschleierten Krieger, welcher gerade mit zwei Reitern gleichzeitig focht. Der Königsskorpion war ein weitaus besserer Fechter als die beiden Rohirrim, und er streckte sie beide mit nur einem Hieb nieder. Dann erblickte der Vermummte Imrahil und stieß mit einem schrillen Schrei zu ihm vor. Imrahil fing den Hieb des Königsskorpions mit einem Schild ab und stach ebenfalls mit seinem Schwert zu. Sein Feind war jedoch ungewöhnlich geschickt mit seiner Klinge und schaffte es wie durch ein Wunder, Imrahils Stich abzublocken. Binnen eines Herzschlags kam schon der Gegenangriff. Der Säbel des vermummten Haradrim ließ die Brustplatte des Fürsten von Dol Amroth entzwei splittern, und Imrahil spürte einen schnitt auf seiner Brust.
War dies nun das Ende?
Khamul:
Kapitel 24 - eine neue Schlacht beginnt:
Die Schlacht um Dagorland
Das Heer von Saurons Mund lagerte in einer tiefen Mulde von gigantischem Ausmaß. Im Nordosten der Mulde trafen sich zwei Ansätze des Schattengebirges an einer Ruine. Saurons Mund hatte ihm erzählt, dass diese Mulde durch den Sturz Saurons entstanden war und die dunkle Ruine im Nordosten einst das Schwarze Tor Mordors gewesen war.
Boltan war noch nie selbst in Mordor gewesen, er hatte noch nicht einmal gelebt, als der dunkle Gebieter Sauron noch über Mittelerde geherrscht hatte. Er beobachtete gerade einige Ostlinge dabei, wie sie die Trümmer des Tores verehrten. Was für ein Schwachsinn! Warum sprachen diese Menschen einem Stück Stein überhaupt Macht zu? Sie schlitzten sich doch tatsächlich selbst ihre Arme mit den Steintrümmern auf! Glaubten sie etwa, dadurch stärker zu werden? Verwirrt durch die barbarischen Bräuche der Ostlinge wandte er sich ab. Sollten sie doch machen, was sie wollen! Er hatte wichtigeres zu tun!
Der Angriff auf die Festung von Dagorland stand nämlich kurz bevor, alles wartete nur noch auf Khamûl, welcher seine Rüstung verlassen hatte und noch einmal alles rundherum ausspähte. Boltan suchte vorerst einmal seinen Warg, den er an seinem Schlafplatz zurückgelassen hatte. Der große Wolf lag ruhig zwischen den wenigen Orks, die sich noch einmal ausruhen wollten. Als diese Boltan erblickten, taten sie schnell so, als würden sie noch schnell ihre Helme und Waffen suchten. Sie wussten, dass Boltan Faulheit nicht ausstehen konnte, doch im Moment war es ihm egal, was sie taten. Noch stand die Schlacht nicht direkt bevor, und wenn es soweit wäre, würde er sie noch Eile lehren!
Als er seinen Warg erreichte, musste er überrascht feststellen, dass sein treues Reittier eingeschlafen war. Boltan verpasste seinem Wolf einen leichten Knuff in die Seite. Langsam öffnete dieser seine Augen.
„Aufstehen!“, rief Boltan seinem Warg zu. Dieser gähnte noch einmal stark und streckte seine Glieder. Endlich war er vollends wach! Boltan wühlte kurz in seinem Schlafplatz herum, bis er gefunden hatte, was er suchte. Er warf seinem Warg ein Stück Dörrfleisch zu. Gierig schnappte sein Reittier nach dem Fleisch und hatte es schon nach wenigen Sekunden verschlungen. Der Wolf hechelte. Anscheinend wollte er noch mehr. „Das ist Menschenfleisch“, sagte Boltan zu ihm: „Bald wirst du noch mehr davon bekommen.“
Boltan bestieg den Rücken seines Reittieres und fasste es an den Zügeln. Nach einem kurzen Tritt in die Seiten setzte es sich in Bewegung. Er wollte zu Saurons Mund, um zu erfahren, wie lange es wohl noch bis zur Schlacht dauern würde. Saurons Mund besaß ein prunkvoll eingerichtetes Zelt aus schwarzen Stoffen, in welches er sich normalerweise immer gemeinsam mit Khamûl zurückzog, wenn es aufgebaut war. Boltans Misstrauen dem Geist gegenüber war zwar nicht mehr so groß wie bei ihrer ersten Begegnung, aber trotzdem überkamen ihn immer wieder düstere Vorahnungen und unbeschreibliche Furcht, wenn er Khamûl sah.
In der Nähe des Zeltes von Saurons Mund lagerten Unûar und seine Halborks. Sie waren mit nur zweihundert Mann eine eindeutige Minderheit im Heer, doch sie bildeten die Leibgarde von Saurons Mund. Unûar war unausstehlich überheblich geworden seit seiner Beförderung zum Anführer der Leibgarde. Während Boltan an den Halborks vorbei ritt, rief Unûar ihm etwas zu. Er hörte aber nicht darauf, dieser aufgeblasene Muskelprotz wollte ihn doch nur provozieren. Unûar wusste nämlich, dass Boltan immer noch über ihm stand, und deshalb beließ er den Machtstreit der Beiden bei Provozierungen und seiner Überheblichkeit.
Als er von seinem Wolf abstieg, sah er eine goldene Rüstung, die Saurons Mund in seinem Zelt aufgehängt hatte... Nein, das war Khamûls Rüstung, die leer mitten im Zelt stand. Boltan betrat das Zelt und erblickte Saurons Mund. Der in schwarz gekleidete Mensch hatte ihn wohl erwartet. „Ich dachte mir, dass du kommen würdest...“, begann er, nachdem er ihn einmal ordentlich gemustert hatte: „Die Schlacht wird bald beginnen. Khamûl dürfte in wenigen Momenten zurückkehren, ich spüre schon, wie er sich nähert.“ Boltan wollte seinem Meister eine Antwort geben, doch plötzlich hatte er das Gefühl, ihm wäre die Kehle zugeschnürt worden. Ihm wurde kalt, und er spürte, wie überwältigende Angst in ihm aufstieg. Das schier übermächtige Gefühl niederkämpfend, sah er, wie sich Khamûls Rüstung wieder bewegte. Er war also zurückgekehrt.
Khamûl ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Bei Boltan blieb er einen Moment hängen. Es kostete dem Ork viel Mühe, dem hasserfüllten, durchbohrenden Blick des Geistes standzuhalten. Als Khamûls Blick endlich weiterwanderte, ergriff Saurons Mund das Wort: „Was hast du gesehen, Khamûl?“
„Fürst Hurin von Dagorland hat alle seine Truppen aus den umliegenden Gehöften zu seiner Festung gerufen. Er war wohl auf unser Kommen vorbereitet, wie du es geahnt hast. Die Festung von Dagorland ist jedoch nicht besonders groß und mächtig, die größte Gefahr geht von den tausend Mann aus, die vor ihren Toren lagern.“
Saurons Mund überlegte noch einen Moment, bis er dann sagte: „Gut gemacht, Khamûl. Gehe nun zu König Ulfang und sag ihm, dass ich seine Ostlinge in einer Stunde bereit zum Kampf sehen will“, dann wandte er sich zu Boltan: „Und du gehst jetzt hinaus und sorgst dafür, dass alle Orks innerhalb von einer Stunde hier vor meinem Zelt versammelt sind.“
Eine Stunde später stand Boltan vor dem Heer von Saurons Mund, welches sich voll gerüstet vor dessen Zelt versammelt hatte. Rechts von ihm stand sein Meister, Khamûl und König Ulfang zu dessen Rechten. Die Krieger, die sich hier in der Mulde befanden, waren von unüberschaubarer Zahl. Boltan wusste zwar nicht, wie viel Tausend war, aber das Heer von Saurons Mund musste aus weitaus mehr als tausend Kriegern bestehen, ansonsten würde er den Angriff nicht wagen.
Saurons Mund trat vor und zog sein Schwert: „Ihr Orks! Ihr Menschen von Rhûn! Heute werden wir blutige Rache nehmen an den Ländern des Westens! Ihr Vieh soll bluten, ihre Gehöfte sollen brennen, und ihre Kinder sollen versklavt werden! Wir werden das glorreiche Werk des dunklen Gebieters Sauron vollenden! Wir werden die Menschen des Westens niederwerfen und beherrschen, auf das Sauron seinen Zorn über sie fahren lasse! Auf mit euch! Nehmt die erste Hürde! Nehmt die Festung von Dagorland! AUF ZUM SIEG!!!“
Die Krieger brachen in Unglaublichen Jubel aus, und Boltan, Khamûl und Ulfang brachen zu ihren Reittieren auf, um das Heer zu führen. Saurons Mund kämpfte nicht selbst in der Schlacht mit, anscheinend war er kein so guter Fechter. Mit einem Satz war Boltan auf seinem Warg und schon trat er ihm in die Seiten und jagte um das Heer herum. Die Krieger rannten, um ihm zu folgen, und er genoss es einfach. Am Ausgang traf er mit Khamûl, Ulfang, der Reiterei aus Rhûn und den Wargreitern zusammen, und sie trabten vor den rennenden Fußsoldaten her, um ihnen nicht zu weit voraus zu sein.
Boltan zog seine Streitaxt aus der Lederschlaufe an seinem Rücken. Schon spürte er den Tötungsrausch in sich aufsteigen. Das war schlecht! Er musste den Drang, unbedingt töten zu wollen, niederkämpfen! War er erst einmal in so einem Rausch, war es unmöglich für ihn, nachzudenken! Er hatte auch seinen Schülern gelernt, dass sie, wenn der Tötungsrausch über sie kam, unbedingt einen kühlen Kopf bewahren mussten. Wer ohne Kopf kämpfte, war nämlich schon so gut wie tot!
Kaum waren sie aus der Mulde herausgekommen, war schon die Festung von Dagorland in Sicht. Vor der Festung stand ein Lager aus Zelten, und schon liefen einige Wächter, die sie gesehen hatten, umher. Boltan warf einen Blick zur Seite. Khamûl ritt gemächlich auf seinem braunen Pferd im Trab dahin, während Ulfang eine große Anspannung anzumerken war. Der König der Ostlinge wartete schon ungeduldig auf die Schlacht. Sie ritten noch eine Weile gemächlich dahin, bis hinten schon so ziemlich das ganze Heer aus der Mulde gekommen war. Dann verfiel Khamûl in einen Galopp. Boltan, Ulfang und auch die restlichen Reiter taten es ihm gleich. Viele Zelte im Lager vor der Festung waren schon abgebaut worden, und es hatte sich schon eine Verteidigungslinie aus Speerträgern gebildet, Khamûl galoppierte dennoch wie von Sinnen direkt auf die Speere zu. Boltan fragte sich, ob auch Geister in so einen Tötungsrausch verfallen konnten. Hatte Khamûl seine Strategie auch wirklich durchdacht? Der Geist ritt schneller als alle anderen, und als er nur mehr wenige Meter vor den Speerträgern von Gondor war, stieß er plötzlich ein schrilles Kreischen aus. Boltan erbebte vor lauter Furcht und einige der Reiter wurden von ihren Pferden abgeworfen, doch die Warge schienen ruhig zu bleiben. Die Verteidiger stroben jedoch panisch auseinander. Jetzt wusste Boltan, warum Khamûl so einen offenen Angriff gewagt hatte!
Er hatte sich wieder einigermaßen vom Schreck erholt und raste jetzt mit voller Geschwindigkeit auf die Menschen zu. Sein Warg fiel einen Fliehenden von hinten an und biss ihm Sofors ins Genick. Boltan sprang von seinem Wolf, er würde ihn ein wenig alleine kämpfen lassen. Außerdem konnte er mit seiner Axt am Boden besser kämpfen. Schon kamen einige Schwertkämpfer auf ihn zu. Während er ihnen entgegen kam, holte er weit mit seiner Axt aus und zog mit seinem ersten Hieb schon eine blutige Furche in die Verteidiger.
Nun hatte seine erste und hoffentlich nicht letzte Schlacht also begonnen. Es war alles genau so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Khamul:
Kapitel 25:
Das Licht Elbereths
Fürst Hurin blickte in eine Wasserschüssel. Ein bärtiger Mann mit langen, dunkelbraunen Haaren blickte ihm entgegen. Er wirkte müde, aber dennoch haftete ihm eine Herrscheraura an. So war es nun mal. Bevor Hurin zum Lehnsherrn von Dagorland ernannt worden war, als er noch Hüter der Schlüssel gewesen war, hätte er sich nie denken lassen, dass er einmal ein Heer führen würde. Doch nun waren tausend Mann vor seiner Festung versammelt, jederzeit wachsam. Gerade erst war es Morgen geworden, und Fürst Hurin spürte es. Der Schatten des Ostens war in der Nähe.
Die ganze Nacht war Hurin wach gelegen, geplagt von einer unerklärlichen Angst. Er war aufgestanden und hatte einige Bücher über Prophezeiungen studiert. Manche dieser Vorhersagen waren bereits eingetreten, andere wiederum klangen so absurd, dass sie wohl niemals eintreten würden. Doch eine hatte ihn tief erschüttert:
„Wenn die Macht des Dunklen Herrschers gebrochen, wenn die Menschen sich in Sicherheit gedenken, so wird sich ein neuer Feind erheben.
Er wird nicht Vala, nicht Maia, nicht Elb, nicht Drache, nicht Ork, noch sonstiges Gezücht der Dunkelheit sein. Er wird ein Mensch sein, und doch wieder keiner. Wohin er auch geht, wird seine Grausamkeit ihm vorau eilen
er wird die Menschen entzweien und gegeneinander aufhetzen,
und kein neues Zeitalter wird mehr anbrechen, denn der Schatten des Ostens wird Mittelerde für Immer mit Krieg überziehen,
und es wird einer großen Macht bedürfen, ihn aufzuhalten...“
Dies war es, was Hurins Angst überwältigend werden zu lassen schien. Der Schatten des Ostens... Seit er förmlich sein Bild vor Augen hatte, als er seine Frau und seinen Sohn verabschiede hatte, suchten ihn ständig dunkle Vorahnungen heim.
Hurin tauchte seine Hände in die Wasserschüssel und wusch sich sein Gesicht. Er musste all diese dunklen Vorahnungen abwaschen, sich reinigen von allem Bösen. Das kalte Wasser tat gut auf seiner Haut, und er fühlte sich wieder erfrischt. Seine Niedergeschlagenheit und seine dunklen Vorahnungen waren wie weggewaschen. Mit einem erleichterten Seufzer machte er sich in das Esszimmer auf. Als er die Tür öffnete, befand sich niemand mehr darin. Die Soldaten hatten wohl schon gegessen, oder sie frühstückten im Lager. Im Grunde genommen war es Hurin auch egal, ob er alleine oder mit all seinen Soldaten essen würde.
Er wollte soeben in die Vorratskammer gehen, um Brot und Käse zu holen, als plötzlich ein aufgeregter Soldat den Speisesaal betrat. „Sie kommen! Orks und Menschen aus Rhûn! Mehr als zehntausend Mann!
Hurin war geschockt. Sie griffen also an, so wie er es schon lange voraus gesehen hatte. Er gab dem Soldaten zur Antwort: „Schnell! Hilf mir dabei, meine Rüstung anzulegen!“
Nur wenige Minuten später begab sich Hurin notdürftig gerüstet zum Tor seiner Festung. Er hatte nur die Zeit dazu gehabt, ein Kettenhemd, Arm- und Beinschienen anzulegen und sich sein Schwert und einen Schild mit dem Baum Gondors in Silber darauf zu nehmen. Über seinem Kettenhemd trug er der Etikette halber noch ein blaues Hemd mit dem silbernen Baum Gondors, seinen Helm hatte er auch aufgesetzt. Als er gemeinsam mit dem Soldaten, der ihm beim Ankleiden behilflich gewesen war, seine Festung verließ, musste er schreckliches sehen: Das Lager seiner Männer war völlig überrannt worden, und nur noch vereinzelt kämpften einige wenige seiner Soldaten gegen eine unglaubliche Übermacht an.
Hurin stürmte gemeinsam mit dem Soldaten auf eine kleine Schar Orks ein, und mit wenigen Hieben hatten sie schon viele dieser widerlichen Geschöpfe niedergestreckt. Doch plötzlich stürmten einige Hellebardiere der Ostlinge hervor. Hurin schaffte es gerade noch, sich mit einem Satz nach Hinten zu retten, doch der Soldat, der mit ihm focht, wurde von den Hellebarden seiner Feinde durchbohrt. Nun stand der Fürst von Dagorland alleine gegen eine unüberschaubare Übermacht. Es war schier auswegslos, doch er würde Kämpfen. Plötzlich kamen ihm einige Worte in den Sinn, die angeblich Dunkelheit vertreiben sollten. Sofort rief er sie aus:
„A Elbereth, Glithoniel!“
Sein Schwert zückte nach Vorne und trennte einem Ostling den Kopf von den Schultern.
„A Elbereth, Glithoniel!“
Mit seinem Schild wehrte er die Hellebarde eines Feindes ab und erschlug einen weiteren Ostling.
„A Elbereth, Glithoniel!“
„A Elbereth, Glithoniel!“
Schon zum achtzehnten Mal tat Hurin den Ausruf, der ihm immer wieder neue Kraft gab. Mit nur einem einzigen Schwerthieb streckte er den achtzehnten Ostling nieder. Seine Feinde wichen vor ihm zurück. Sie hatten Angst vor ihm. Nun wartete Hurin darauf, dass diese Feiglinge einen Pfeilhagel auf ihn niedergehen lassen würden, doch er kam nicht. Stattdessen trat ein prunkvoll gekleideter Krieger aus den Reihen der Ostlinge hervor. Der Mann war etwas kleiner als Hurin und hatte gelbliche Haut. Er trug eine ähnliche Rüstung wie die anderen Ostlinge, seine war jedoch von mehr Gold. Anstatt eines Helmes trug der Krieger einen Turban, welche mit einer goldenen Brosche, die einen Halbmond darstellte, zusammengehalten wurde. An seinem linken Arm trug er einen roten Schild mit einem goldenen Halbmond darauf, in seiner Rechten führte er einen blanken Säbel mit goldenem Griff.
Der Ostling sagte zu Hurin in der Sprache der Menschen Gondors: „Du sein Guter Kämfärr, Mann aus Gondor. Aber nun ich dich tötten, denn ich Ulfang, König von Rhûn und bester Kämfärr dort!“ Hurin musste seinen Zorn in Zaum halten. „Alleine für die Art, wie du meine Sprache verunstaltest, sollte ich dir dein verfluchtes Herz herausreißen!“, rief er Ulfang zurück. Der König der Ostlinge schien zwar nur die Hälfte dessen, was Hurin gesprochen hatte verstanden zu haben, aber die Grundaussage der Botschaft war zu ihm vorgedrungen. Mit einem Schrillen Aufschrei sprang er auf Hurin zu und ließ seinen Säbel durch die Luft schneiden. Hurin blockte den Hieb Ulfangs mit seinem Schild, und rief zum neunzehnten Mal: „A Elbereth, Glithoniel!“, während er selbst angriff.
Beide Kontrahenten wüteten mit ihren Klingen, jedes Mal wieder stroben Funken auf, als Stahl auf Stahl aufschlug. Ulfang war wirklich ein guter Fechter, er war Hurin ebenbürtig. Noch vermochte er den Hieben seines Gegners standzuhalten, doch seine Kräfte schwanden. Er musste sich etwas einfallen lassen! Wieder musste Hurin sich hinter seinem Schild ducken. Das einzige, was ihm jetzt noch helfen konnte, war eine Finte!
Hurin holte weit aus und ließ sein Schwert nahezu durch die Luft gleiten. Wie er es erwartet hatte, hob der König der Ostlinge seinen Säbel zur Parade. Im letzten Moment ließ Hurin jedoch sein Schwert etwas weiter nach Unten gleiten, und schon ging sein Plan auf.
Stahl klirrte auf den steinigen Boden vor der Festung von Dagorland, begleitet vom schrillen Schmerzensschrei Ulfangs. Hurin hatte seinem Feind knapp hinter dem Gelenk seine Schwerthand abgetrennt! Er wollte soeben den letzten Todesstoß ausführen, als wieder einige Ostlings-Hellebardiere hervorsprangen. Hurin duckte sich unter die Waffen seiner Feinde und rollte sich weg von ihnen, und die Ostlinge zogen sich wieder zurück, ihren verwundeten König mitnehmend. Nun bildeten die Feinde einen weiten Kreis um Hurin. Wiederum kam kein Pfeilhagel. Wer würde sich ihm jetzt entgegenstellen?
Die Reihen seiner Feinde teilten sich direkt vor ihm, und plötzlich fühlte er sich von tiefster Furcht erschüttert. Es schien ihm so, als wäre jegliche Wärme aus seinen Gliedern gewichen und als hätte er nie in seinem Leben Freude erlebt. Durch die Lücke in den Reihen seiner Feinde schritt ein Krieger in goldener Rüstung. Über seiner Rüstung trug er rote Stoffe, und oben drüber noch einen offenen schwarzen Kapuzenmantel. Sein Gesicht war von einer goldenen Maske bedeckt, deren Augenschlitze sich bis zum Mund hindurch zogen. Der goldene Krieger blieb wenige Meter vor Hurin stehen und zog sein Schwert. Es hatte einen langen goldenen Griff, ebenso wie das des Königs Ulfang. Doch im Gegensatz zum Säbel des Königs der Ostlinge war dieses Schwert gerade, zirka mannsgroß und hatte schwarze Schneiden.
Es kostete Hurin all seine Kraft seinem neuen Gegner hinüber zu rufen: „Nenn mir denen Namen, Ostling, bevor ich dich töten werde!“ Es schien Hurin so, als verforme sich die Maske seines Gegners zu einem grausamen Grinsen, und dann ertönte von diesem ein markerschütterndes, dunkles Lachen. „Du willst mich töten?“, sprach er perfekt in der Sprache Gondors: „Nein, so wird es nicht sein. DU wirst sterben! Meinen Namen will ich dir allerdings nennen: Ich bin Khamûl, der Schwarze Ostling, der Schatten des Ostens!“
Die Worte Khamûls ließen das letzte Bisschen Mut aus Hurins Körper weichen. Er war da! Der Schatten des Ostens stand ihm direkt gegenüber!
In all seiner Verzweiflung riss Hurin sein Schwert in die Höhe und rief zum zwanzigsten Mal: „A Elbereth, Glithoniel!“
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