Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Imladris

Elronds Haus

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Eandril:
Oronêl fand das Gästezimmer ohne Schwierigkeiten, und lauschte für einen Moment den fröhlichen Stimmen. Kerrys Stimme erkannte er sofort, und auch die andere weibliche Stimme kam ihm entfernt bekannt vor. Als für einen kurzen Augenblick Stille herrschte, öffnete er die Tür, und trat mit einem Lächeln über die Schwelle in den kleinen, aber gemütlichen Raum.
Er ließ den Blick über die vier anwesenden Menschen schweifen. An dem Fenster, dass auf die Gärten Bruchtals hinausblickte, stand eine hübsche Frau mit kunstvoll geflochtenen Haaren, die Oronêl in Fornost bereits flüchtig gesehen zu haben glaubte. Neben ihr auf zwei Stühlen saßen Kerry und ein jüngeres Mädchen mit dunklen Haaren, dass ihn zu seiner Verwunderung zornig anblickte, und auf dem Bett gegenüber lag ein ebenso dunkelhaariger Mann, den Oronêl schnell erkannte, obwohl sie in Fornost nur wenige Worte gewechselt hatten.
"Rilmir", begrüßte Oronêl den Dúnadan, der sich bei seinem Eintreten aufgerichtet hatte. "Schön, euch zu sehen. Ich hoffe, eure Wunde aus Fornost ist gut verheilt?"
Rilmir erwiderte das Lächeln, und nickte. "Natürlich, es ist nur eine Narbe zurückgeblieben." Er deutete mit dem Arm durch den Raum. "Haleth habt ihr ja bereits in Fornost gesehen, und ich glaube, meine Schwester Faeriën kennt ihr ebenfalls bereits...?"
Bei den letzten Worten spielte ein beinahe schadenfrohes Lächeln um Rilmirs Lippen. Oronêl deutete eine Verbeugung in Haleths Richtung an, und fragte wieder an Rilmir gewandt: "Und darf ich fragen, warum eure Schwester mich mit ihren Blicken nahezu erdolcht?"
Bevor Rilmir antworten konnte, war Faeriën bereits aufgesprungen, und bohrte Oronêl einen sehr spitzen Zeigefinger in die Brust, obwohl sie ein gutes Stück kleiner als er war.
"Ich hatte dich um etwas gebeten", stieß sie zornig hervor. "Und du hattest offenbar nie vor, es zu tun. Oder? Oder?"

Oronêl warf einen hilfesuchenden Blick zu Kerry, die jedoch nur hilflos mit den Schultern zuckte. Haleth hatte den Blick abgewandt und betrachtete offenbar etwas äußerst interessantes vor dem Fenster, und Rilmir blickte angestrengt zur Decke empor.
Oronêl blickte wieder auf Faeriën hinunter, bemüht über den beinahe komisch-zornigen Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht zu lächeln, und versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, was es gewesen sein mochte, dass er ihr versprochen hatte - bis es ihm schließlich einfiel.
"Ah", sagte er. "Du hattest mich gebeten, deinen Bruder zu grüßen - was ich offensichtlich nicht getan habe."
"Genau", gab das Mädchen zurück. "Ist dein Gedächtnis mit dem Alter löchrig geworden, oder bedeuten die Wünsche von Menschen dir so wenig?" Kerry blickte mit weit geöffneten Augen zwischen Oronêl und Faeriën hin und her, beinahe ängstlich, doch Oronêl hatte nicht vor, sich mit Rilmirs Schwester zu streiten. Immerhin hatte sie mit ihrem Vorwurf nicht unrecht, er hatte ihr etwas versprochen und es nicht gehalten.
Er nahm die Hand, deren Zeigefinger noch immer schmerzhaft gegen sein Brustbein drückte, zog sie sanft beiseite und sagte: "Du hast recht, ich habe es nicht getan, und ich möchte mich dafür entschuldigen - Es tut mir leid, Faeriën."
Damit schien sie nicht gerechnet zu haben, denn sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Dann befreite sie ihre Hand aus seinem Griff, und ließ sich mit verschränkten Armen wieder auf ihren Stuhl fallen. "Und warum nicht?"
"Nun, es hat nichts damit zu tun, dass ich Versprechen an Menschen weniger hoch achten würde, als an einen Elben", erklärte Oronêl. "Und auch nichts damit, dass das Alter mein Gedächtnis löcherig gemacht hätte - zumindest funktioniert es meistens noch zufriedenstellend."
Faeriëns Augen verengten sich, denn sie war sich offensichtlich nicht sicher, ob Oronêl sich vielleicht über sie lustig machte. Bevor sie etwas sagen konnte, sprach Oronêl weiter: "Aber als ich nach Fornost kam, gab es eine große Schlacht - dein Bruder hat dir sicherlich davon erzählt." Faeriën nickte, während Rilmir komischerweise eine beinahe verzweifelte abwehrende Geste machte. "In dieser Schlacht wurden zwei meiner Gefährten getötet, und beinahe alle anderen verwundet. Dann traf ich alte Freunde wieder, fand ein paar neue..." Er nickte in Kerrys Richtung. "Und da dein Bruder schwer verwundet war und von vielen sogar für tot gehalten wurde, hatte ich..." Rilmirs abwehrende Gesten hatten an Verzweiflung noch zugenommen, und bei Oronêls Worten fuhr Faeriën so heftig in Richtung ihres Bruders herum, dass ihr Haar Kerry direkt im Gesicht traf. "... so schnell keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen", beendete Oronêl seinen Satz langsam, und sah Rilmir an. "Also... tut mir leid, Rilmir."
"Du hast mir nicht erzählt, dass es so schlimm war", sagte Faeriën gefährlich leise, ohne ihren älteren Bruder aus den Augen zu lassen. "Warum nicht?"
Bevor Rilmir antworten konnte, sagte Oronêl leise, aber in dem gleichen bestimmten Tonfall, den er vor langer Zeit auch bei seiner Tochter verwendet hatte: "Faeriën." Auch bei ihre verfehlte der Tonfall seine Wirkung nicht, und das Mädchen wandte sich unwillkürlich wieder ihm zu.
"Das ist natürlich keine Entschuldigung, dass ich deine Bitte vergessen habe", fuhr Oronêl fort, als wäre nichts gewesen. "Nur eine Erklärung, wie es dazu kommen konnte. Also... nimmst du meine Entschuldigung an?"

Faeriën verschränkte erneut die Arme vor der Brust, und schien intensiv nachzudenken. "Was bekomme ich dafür, dass ich dir verzeihe?" Erneut musste Oronêl ein Lächeln unterdrücken, obwohl das Mädchen eindeutig keinerlei Erziehung genossen hatte. Vermutlich waren seine Eltern viel zu früh gefallen, und der Bruder, der um einiges älter war, zu oft unterwegs.
"Mach einen Vorschlag", erwiderte er mit so sanftem Spott, dass er an Faeriën unbemerkt vorüberging.
"Seid ihr sicher, dass ihr wisst was ihr tut?", fragte Rilmir mit besorgter Miene, und Oronêl winkte unauffällig ab. Faeriën nagte ein wenig unsicher an ihrer Unterlippe, denn offenbar hatte sie so viel Entgegenkommen nicht erwartet.
"Also... du könntest meinen Bruder dazu bringen, dass er mich das nächste Mal mitnimmt, wenn er geht", sagte sie schließlich, doch Oronêl schüttelte den Kopf. "Ich fürchte, das liegt allein in seiner Macht, nicht in meiner."
"Hm... dann musst du Kerry helfen, mir von allem zu erzählen, was ihr erlebt habt. Ich will alles wissen." Faeriën klang dabei so sehnsüchtig, dass Oronêl nicht anders konnte, als zuzustimmen. "Solange ich bleibe, werde ich dir berichten, was ich kann", sagte er.
Faeriën schien damit zufrieden zu sein, und wandte sich wieder ihrem Bruder zu. "Und jetzt wirst du mir erklären, warum du mir so etwas verschweigst. Du wärst beinahe gestorben!"
Kerry sprang von ihrem Stuhl auf, wich dem hilfesuchenden Blick Rilmirs aus, und sagte: "Vielleicht sollte ich lieber gehen, und mir ein eigenes Zimmer suchen... es wird spät."
"Ich... komme mit", schloss sich Haleth überraschend an. Anscheinend wollte sie ebenfalls ungern in der Nähe sein, wenn Faeriën ihren Bruder zur Rede stellte. Oronêl schloss sich Kerry und Haleth schweigend an, nachdem er Rilmir einen entschuldigenden Blick zugeworfen hatte. Sein Mitleid für den Dúnadan wurde allerdings durch die Tatsache gedämpft, dass er Faeriën zustimmte, Rilmir hätte ihr davon erzählen sollen. Schließlich wirkte sie alt genug dafür, und Tod und Schlacht waren bestimmt keine unbekannten Erzählungen für sie.
Als sie ein Stück den Gang hinuntergegangen waren, blieb Haleth stehen und seufzte. "Ich möchte wirklich nicht mit Rilmir tauschen... Ihr hingegen scheint mir recht glimpflich davongekommen zu sein", meinte sie zu Oronêl. Er zuckte mit den Schultern und lächelte. "Ihr wisst doch, Elben sind Meister der Rede...", sagte er mit einem Augenzwinkern.

Curanthor:
Mathan blickte seinem Freund hinterher, als er zusammen mit Arwen die Halle des Feuers verließ. Er selbst ließ sich auf einem bequemen Stuhl nieder, den Elrond ihm anbot. Das Feuer prasselte angenehm und der Hausherr eröffnete das Gespräch: "Wie ist es dir ergangen? Ich entnehme dem Bericht, dass ihr viel zu tun hattet, nach unseren Gespräch in Aldburg. Selbst die Pläne über Eregion nehmen Form an, wie man so hört..."
Mathan bemerkte sofort, dass Elrond immer auf dem neuesten Stand war, aber das wunderte ihn nicht, denn der Herr von Bruchtal war dafür bekannt Dinge zu erfahren, lange bevor sich die Nachrichten verbreiten.
"Das ist auch der Grund, warum ich nicht mit dem Gespräch warten möchte", sagte er und erhielt ein Nicken Elronds zum weitersprechen: "Damals habt ihr mir Dinge über meine Familie erzählt..." Mathan machte eine kurze Pause und bemerkte, wie sein Gegenüber die Brauen zusammenzog. "Kennst du den Namen Ringelendis?"
"Ich... bin mir nicht sicher, was das bedeuten soll", antwortete Elrond nach kurzen Zögern und rang sich dann doch dazu durch offen zu sein, "Dein Onkel bat mich damals absolutes Stillschweigen über diesen Namen zu bewahren."
"Deswegen die Lüge über Finvain?", stellte Mathan fest, jedoch nüchtern, ohne Zorn.
Elrond nickte langsam und seufzte schließlich, ehe er sich ebenfalls niederließes. "Deine Mutter hat mich darum gebeten. Sie wollte nicht, dass man zu viel über ihre Herkunft weiß. In deinen Augen sehe ich, dass du nun weißt wohin dich dein Weg führt, deswegen kann ich es dir nun erzählen. Es ist lange her, aber ich traf deine Eltern schon einmal, aber damals war ich zu klein um mit ihnen zu sprechen."
Mathan runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, bis er sich an ein Gespräch mit seinem Vater erinnerte. "Amarin erzählte mir einst, dass er Irloê in Gondolin traf."
"Das hat er mir später auch erzählt, denn das erste Mal sah ich die beiden an den Mündungen des Sirion", bestätigte Elrond düster und versank in Schweigen. Mathan wusste warum, denn das dunkle Kapitel in der Geschichte der Elben war ein unausgesprochenes Tabu. Es verwunderte ihn nicht, dass Amarin ungern über seine Vergangenheit sprach.
"Das ist es aber nicht, was ich für mich behalten sollte, sondern das, was ich damals sah", brach Elrond das Schweigen und trank aus einem schlanken Kelch, "Deine Mutter befand sich unter den Überlebenden aus Gondolin, aber dein Vater nicht. Sie trafen sich dort wieder und das nach einer langen Zeit, so wie es für mich damals aussah."
"Das ist so lange her, wie kannst du dich daran erinnern?", fragte Mathan verwundert und scherte sich nicht darum, dass er die persönliche Ansprache nutzte, denn Elrond tat es ihm gleich.
"Nun, es war eine der düstersten Stunden meines Lebens, so Etwas brennt sich in das Gedächtniss. Besonders wenn sich im all dem Chaos zwei Liebenden wiederfinden. Leider weiß ich nicht mehr darüber, denn wie gesagt: Ich war noch sehr jung. Es sind nur Bruchtteile, Bildfetzen wie ein zersprungener Spiegel."
Mathan nickte verstehend und bohrte nicht weiter, auch wenn er irgendwie das Gefühl hatte, dass Elrond den Namen Ringelendis kannte. Doch der Herr Imladris wechselte das Thema: "Wie ist es deinem Vater in all der Zeit ergangen? Ich war schon in Sorge, aber mir war nicht klar, wo er sich befand, denn meine Sicht war getrübt."
"Es geht ihm mehr oder weniger gut...", antwortete Mathan leise und überlegte kurz, zog dann aber die Waffe von seinem Rücken, "Zumindest so gut, dass wir zusammen wieder die Hämmer schwingen konnten." Den letzten Satz sagte er mit einem verschmitzten Lächeln und reichte Elrond Maltahal, der den verlängerten, stabähnlichen Griff packte und bewundernd die lange Klinge betrachtete.
"Eine hoch qualitative Arbeit", bemerkte Elrond anerkennend, "Die Größe eines Langschwerts, Stichvermögen eines Speeres. Ich schätze man führt es hauptsächlich zweihändig."
Mathan nickte stolz, nahm die Waffe wieder an sich und verstaute sie. Sogleich fing er an zu berichten was seinem Vater zugestoßen war. Der Herr Bruchtals lauschte aufmerksam und stellte manchmal ein paar Zwischenfragen zum besseren Verständnis. Mathan schloss mit dem Worten: "Nachdem Kampf in der Schmiede scheint sein Geist sich wieder zu erholen und er wird wieder ganz der Alte, auch wenn einige Charakterzüge anders sind."
"Solch ein Eingriff in die Persönlichkeit hinterlässt immer Spuren", bestätigte Elrond und überlegte kurz, "Wenn Amarin mag, kann er sich gerne hier in Bruchtal erholen. Die Tore stehen jedem offen, der Ruhe und Frieden sucht."
Mathan verneigte sich knapp und bedanke sich in seines Vaters Namens für das Angebot, erklärte aber, dass dieser lieber ein Auge auf die Dinge in Eregion habe.
Elrond nickte lächelnd und sprach: "Das ist verständlich, immerhin hat er gerade erst seine Enkelin kennengelernt und seine Heimat wird auf ein Neues bevölkert. Jeder würde dort bleiben wollen und sich daran beteiligen."
Mathan entging nicht die Andeutung auf sich selbst, ging jedoch nicht darauf ein, sondern antwortete: "Das stimmt, er hat einen großen Erfahrungsschatz und viele Geheimnisse..."
Sie verstummten einen Augenblick und ein blonder Elb brachte eine Karaffe mit einem leichten Wein. Mathan gönnte sich ein kleines Glas und nippte daran, nachdem er sich eingegossen hatte. Elrond tat es ihm nach und sagte nach einer kleinen Stille: "Nun, manche Geheimnisse müssen sein, aus Schutz oder weil man noch nicht bereit für manche Dinge ist."
"Meister Elrond", begann Mathan plötzlich und setzte sein Glas ab, "Habt ihr je etwas von Saphirtoren gehört?" Ihm war aufgefallen, dass Amarin das einmal erwähnte und es so formuliert hatte, dass sie etwas Besonderes waren. Der Angesprochene zog jedoch überrascht eine Braue in die Höhe und stellte ebenfalls sei Glas ab. "Das ist eine schwierige Frage. Ich habe davon nur ein einziges Mal gehört. Damals ging es um einen uralten Bericht aus dem Norden, doch mehr weiß ich nicht darüber. Es erschien uns nicht wichtig, warum fragst du?"
"Nur aus Neugierde, ich hab nur mal Etwas darüber gelesen.", winkte Mathan ab und versank im Gedanken. Ihm war klar, dass Elrond ihn skeptisch musterte, denn es war offensichtlich, dass er mehr wuste, doch Mathan wollte die Saphire nicht mit seiner Mutter in Verbindung bringen.
"Der Bericht stammte von einer Expedition in den kalten Norden, nach dem Wandel der Welt. Ich könnte dir die genaue Richtung nennen, wenn es dir helfen würde", riss Elrond ihn aus dem Gedanken, woraufhin Mathan ihn überrascht anblickte. "Es ist offensichtlich, dass du ein klares Ziel vor Augen hast und dieses Saphirtor irgendwas damit zu tun hat."
"Ich werde mit Sicherheit darauf zurückkommen", sagte Mathan dankend und wechselte das Thema: "Könnte ich dich um einen Gefallen bitten?"
"Das kommt auf die Art des Gefallens an", antwortete Elrond sogleich und nippte an seinem Glas, während er ihn über den Rand des Gefäßes anblickte.
Mathan schmunzelte und trank ebenfalls ein kleinen Schluck des süßen Weins, der einen samtigen Abgang hatte. "Wenn du meine Schwestern wiedersiehst, könntest du ihnen ausrichten, dass sie mir nicht folgen sollen?"
Elrond setzte das Glas ab und faltete die Hände. "Ich kann es versuchen, aber warum soll gerade ich das machen und nicht dein Vater in Eregion, wo sie womöglich zuerst auftauchen werden? Außerdem hätte ich eine Bedingung..."
Auf Mathans Frage, was das für Eine wäre, hob Elrond eine Hand und sagte nur :"Alles zu seiner Zeit, zuerst würde ich gerne das warum erfahren."
"Nun, sie sind etwas kompliziert...", begann Mathan und ließ somit seinen Gesprächspartner schmunzeln, "Und sie waren eine ganze Weile lang hier."
Elrond nickte schmunzelnd. "Du hast es also bemerkt, woran?"
"Die Mäntel und die Waffen, als ich sie in Lindon traf", antwortete Mathan, "Außerdem ist es naheliegend, nach Bruchtal zu gehen, von Lórien ausgehend."
"Nun, sie sind zu ihren Onkel gegangen," bestätigte Elrond und erklärte, dass er die beiden Mädchen als Späher einsetzte, wofür sie sich freiwillig gemeldet hatten, "Sie kundschaften für mich die Bewegungen Sarumans aus und halten Ausschau nach möglichen Verbündeten. Wie zum Beispiel den Sternenbund, wobei sich eure Taten bereits herumgesprochen haben." Auf Mathans hochgezogenen Augenbrauen hin, schmunzelte Elrond erneut und sagte: "Saruman verliert an Halt und sein Rückzug bei Fornost war ein Signal. Nachrichten reisen schnell, besonders solche, wenn Elben daran beteilgt waren."
"Ich verstehe nicht, was das mit meinen Schwestern zu tun haben soll", gestand Mathan stirnrunzelnd. Doch Elrond erklärte nur, dass die beiden Frauen Gerüchte streuten und so die Bevölkerung gegen Saruman aufbrachten. Dafür brauchte man so viele Informationen wie möglich. "Außerdem würde die Ankunft der Elben in Eregion ebenfalls einen großen Einfluss auf Eriador haben..."
"Ich denke, wir sollten das erst einmal für uns behalten, die Manarîn müssen erst Fuß fassen. Sie können keine Aufmerksamkeit gebrauchen, auch wenn große Baumeister unter ihnen sind, können sie sich nicht so bald verteidigen, sie sind schutzlos. Die Hwenti erreichen Eregion nur in Schüben, soweit ich weiß. So müssen die Manarîn die Hauptlast tragen, wenn es zu Problemen kommt", wandte Mathan ein, woraufhin Elrond bekräftigen nickte.
"Ich werde sehen, was ich tun kann. Ist es denn absehbar, dass sie sich dem Kampf gegen das Böse anschließen?", fragte der Herr Bruchtals schließlich und klang weder neugierig, noch wertend. Mathan zögerte einen Moment, denn bei seiner Abreise waren die Manarîn noch richtig angekommen und die Hwenti in mehrere Lager gespalten, Eines von Fanathr geführt, die Faelivrin zwar akzeptierten, aber bei Entscheidungen mitreden wollten und andere Elben, die nicht einem Anführer folgten oder noch keine Zeit und Lust hatten sich damit zu befassen. Nach einer Weile sagte Mathan vorsichtig: "Ich denke, dass sie erst eine Zeit brauchen werden. Die Manarîn sind vorbereitet für neue Herausforderungen, die Hwenti nicht. Die Einen flohen vor dem Schrecken, die Anderen weil sie keine Heimat mehr hatten. Ich denke, dass wir in Kontakt bleiben sollten, die Erste unter ihnen wird mit Sicherheit die Wogen glätten und dann kann man weiter planen."
"Eine Erste?", fragte Elrond sofort neugierig und beugte sich etwas vor, "Wie ist ihr Name?"
Mathan beschrieb zusammengefasst Ivyn und woher er sie kannte, auch wie er mit ihr über Halarîn verwand war. Als er endete nickte Elrond, entschuldigte sich für seine Neugierde und wandte sich dem vorherigen Thema zu: "Selbst wenn Eregion sich zurückhält ist es gut zu wissen, dass sich Saruman dort nicht festbeißen kann und die Geheimnisse der Schmiede sicher sind."
"Das sind sie", bekräftigte Mathan und tippte gegen die Waffe auf seinem Rücken, "Mein Vater wacht über sie."
Elrond schien erleichtert und nickte. Er erhob sich und entschuldigte sich mit den Worten: "Es war ein langer Tag, ich werde mich nun etwas zurückziehen."
"Natürlich, habt Dank für das ausführliche Gespräch, Meister Elrond", sagte Mathan freundlich, während er sich erhob. Er senkte leicht den Kopf, woraufhin sich Elrond aus dem Raum zurückzog. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür ins Schloss und Mathan blieb alleine in der Halle des Feuers zurück. Die Wärme des Feuers schien ihm fern und das Knistern der Flammen merkwürdig dumpf. Ein Windzug ging durch eines der großen,  offenem Fenster. Mathan atmete tief durch und meinte ein Wispern im Wind zu vernehmen, schob es aber dann auf das Plätschern der Wasserfälle und dem Wind in den Bäumen. Das Gespräch mit Elrond hat viel gebracht, aber auch genauso viele Fragen aufgeworfen. Er kannte nur eine Person, die ihm Antworten konnte, auch wenn er ihn nicht sonderlich mochte. Oronêl hatte kurz seinen Namen erwähnt und auch wenn er ihn nicht oft sah, so gehörte er zur Familie. Mathans Schritte führten ihn in den etwas abgelegeneren Teil von Imladris, bis er an das kleine Haus kam, das er nur selten zu Gesicht bekam. Unterwegs traf er einen Elben, den er flüchtig kannte und erkundigte sich nach Kerry. Natürlich wusste der Mann erst nicht, was Mathan von ihm wollte, doch nach einer kurzen Beschreibung erklärte der Elb, dass das Mädchen bei ihren Freunden war. Was er damit meinte, blieb offen.
Mathan musste gar nicht Klopfen, denn die Tür schwang auf, als er gerade die Hand hob.
"Ah, du bist's, Junge. Ich weiß nicht, ob es gut ist zu sehen oder nicht. Trotzdem heiße ich dich willkommen, tritt ein", erklang die strenge Stimme seines Onkels. Er klang nicht wirklich erfreut, aber auch nicht abweisend und eine Spur Neugierde schwang in seiner Stimme mit.
"Cinad", begrüßte Mathan ihn und betrat das Haus, nach der doch recht freundlichen Einladung, "Mae govannen."
"Was führt dich zu mir?", fragte Cinad nachdem er hinter Mathan die Tür geschlossen hatte.
"Meine Mutter, Ringelendis", antwortete er sofort und bemerkte, wie sein Onkel die Brauen zusammenzog.  Der strenge Zug um dessen Mund verschwand jedoch und er ging zu den großen Tisch, der weiter hinten im großen Wohnzimmer stand. Mathan folgte ihm und setzte sich Cinad gegenüber.

Mathan in das Haus von Cinad

Fine:
Kerry lachte. "Ja, das hat man gesehen. Da hast du dich wirklich äußerst geschickt aus Affäre gezogen, Oronêl," lobte sie.
"Ach, das war noch gar nichts," befand dieser. "Du hättest sehen sollen, wie ich Mithrellas einst davon abgehalten habe, sich Hals über Kopf darauf zu stürzen, ein eigenes Boot zu bauen und den Celebrant hinauf zu paddeln. Damals war sie nicht älter als neun oder zehn Jahre. Ich musste all meine Überredungskunst aufbringen um sie umzustimmen."
Haleth lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. "Ich bin jedenfalls froh, dass Faeriën euch beide nun nicht als ihre neuen Feinde betrachtet. Das Mädchen hat nicht viele Freunde hier in Imladris, obwohl sie seit ihrem siebten Lebensjahr hier lebt, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Rilmir hat sein Bestes gegeben, für sie zu sorgen, aber... er konnte nicht einfach sein ganzes Leben damit verbringen, in Elronds Haus zu leben und seine Pflichten den Dúnedain gegenüber zu vernachlässigen. Ich glaube, auf eine Art versteht Faeriën das auch, aber... nun, zumindest du, Kerry, müsstest ja wissen, wie Mädchen in ihrem Alter sein können; insbesondere dann, wenn sie keine Erziehung erhalten haben."
"Sie fühlt sich bestimmt furchtbar eingeengt hier in Bruchtal," meinte Kerry mitfühlend. "Aber ich verstehe den Dúnadan: Er kann sie nicht einfach hinaus in die Welt spazieren lassen. Dort ist es dieser Tage viel zu gefährlich."
"Nun, vielleicht könnte er sie auf eine etwas ungefährlichere Reise mitnehmen", überlegte Oronêl. "Wenn Haleth sie ebenfalls begleitet, wäre sie relativ gut geschützt. Vielleicht eine kleine Wanderung hinunter zur Bruinenfurt?"
"Das wäre denkbar," überlegte Haleth. "Ich werde mit Rilmir darüber sprechen... sobald seine Schwester mit ihm fertig ist." Sie verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln und strich die Falten ihres Kleides glatt. "Habt Dank, alle beide. Ich werde sehen, ob ich vielleicht mit einem Abendessen für Versöhnung unter den Geschwistern sorgen kann." Sie verabschiedete sich und eilte in Richtung der Halle des Feuers davon.

"Bruchtal ist schon irgendwie ein ganz schön merkwürdiger Ort," murmelte Kerry und folgte Oronêl hinaus ins Freie, wo die Wasserfälle Bruchtals gut zu sehen waren.
"Es sind die Leute, die hier leben, die ihn dazu machen," entgegnete Oronêl. "Über Waldelben wie mich wird gesagt, wir seien gefährlicher, und weniger weise, als die Hochelben, aber im Umkehrschluss kann man genausogut sagen, dass die Hochelben weniger entschlossen, und weniger herzlich als mein Volk sind. Ein Teil von mir fühlt sich mit diesem Ort verbunden, aber gleichzeitig ist er doch so ganz anders als meine Heimat im Goldenen Wald. Wir lebten in Harmonie mit den Bäumen, die Hochelben hingeben haben schon immer lieber in Städten aus Stein gelebt."
"Ich verstehe was du meinst," sagte Kerry. "Und mir geht es ganz ähnlich. Dieser Ort... lädt einen dazu ein, ihn als Zuhause anzunehmen, aber... hier sind so viele Leute, noch mehr als in Ost-in-Edhil, Fornost oder Mithlond, auf einem Haufen, da sie beinahe alle in diesem großen Haus leben."
Oronêl nickte. "Eine ruhige Ecke käme jetzt genau richtig. Ich habe in meiner Zeit in den Pinnath Gelin gelernt, die Stille und Einsamkeit wertzuschätzen."
"Wie lange bist du denn dort gewesen, und weshalb?" fragte Kerry interessiert.
"Nachdem Mithrellas, Nimrodel und Amroth verschwunden waren, zog ich mich in die Einsamkeit der Pinnath Gelin nordwestlich von Dol Amroth zurück... und verbrachte beinahe tausend Jahre dort. Nach meiner Rechnung bin ich erst vor Kurzem von dort aufgebrochen. Nicht einmal ein Jahr ist es her. So viel ist seitdem geschehen..." Oronêl verstummte und ließ den Blick in die Ferne streifen, augenscheinlich von Erinnerungen beeinträchtigt.
"Tausend Jahre..." wiederholte Kerry staunend. "Ist es dir dabei denn nicht langweilig geworden?"
"Langweilig nicht gerade", antwortete Oronêl bedächtig. "Es war einsam, ja, aber das war mir zu der Zeit gerade recht. Ich wollte niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Die erste Zeit verbrachte ich nur unter freiem Himmel, mit den Tieren der Wälder und den Sternen zur Gesellschaft. Irgendwann baute ich mir ein Haus - kein Haus, wie du es kennen magst, sondern nach Art der Elben von Lórien, ein Flett hoch in den Baumkronen. Nach einigen Jahren begann ich, einen kleinen Garten anzulegen. Nach vielleicht hundert Jahren verließ ich die Wälder und Hügel zum ersten Mal wieder, und ging in eine nahe Siedlung der Menschen. Es war nur ein kleines Dorf, dessen Namen ich nie erfahren habe, weil er für mich keine Bedeutung hatte, und dort kaufte ich über die Jahre hin und wieder kleine Dinge, die ich brauchte.
Ich begann, Gedichte zu schreiben, über Amroth und Nimrodel, über Calenwen, über Amdír und seinen Tod auf der Dagorlad..." Er verstummte für einen Augenblick, und die sonst sanften braunen Augen schienen einen silbrigen Schimmer zu bekommen, als ob er in weite Ferne schaute. "Doch die meiste Zeit verbrachte ich in Erinnerungen. Ich saß unter den Sternen und unter der Sonne, und dachte an lange vergangen glückliche - und weniger glückliche - Tage. Die Erinnerungen waren zu dieser Zeit alles was ich brauchte, und in den Gedanken fast aller, die ich damals kannte, war ich selbst auch zu einer Erinnerung geworden. Ich träumte, ließ meinen Geist wandern in ferne Lande die ich nie gesehen habe... ich hoffte vielleicht, eines Tages, einen Blick auf den Westen gewährt zu bekommen, um die zu sehen, dich ich liebe und die dorthin gefahren ist."
Oronêl verstummte, und räusperte sich. Der silberne Schimmer war aus seinen Augen verschwunden.
Kerry war die Veränderung nicht entgangen, die über Oronêl gekommen war. Sie hatte während seiner Erzählung gespannt zugehört und vor ihrem inneren Auge war für einen kurzen Augenblick ein Bild von sanften, grünen Hügeln aufgetaucht, die sich bis zum Horizont hinzogen. "Gerade als ich dachte, dich zu kennen, beweist du mir, wie unterschiedlich Elben doch sein können," sagte sie mit einer gewissen Ehrfurcht. "Und du bist definitiv ein Elb, Oronêl, das hast du mir gerade sehr deutlich gezeigt. Und es ist etwas Wunderbares, einen Einblick in die Sichtweise zu bekommen, wie das Unsterbliche Volk diese Welt sieht. Danke, Oronêl."
Oronêl lächelte, und es war das Lächeln, das Kerry kannte. Sein Blick schien nicht länger in die Ferne gerichtet, sondern auf das Hier und Jetzt. "Du meinst, ich wirke manchmal fast wie ein Mensch, nur gerade eben nicht, hm? Nun, daran seid ihr alle Schuld - du, Irwyne, Amrothos... ihr seid so anders, so lebendig, auf eine andere Art als Elben. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Mensch Jahre damit verbringt, Erinnerungen nachzuhängen, doch für uns ist es so normal wie zu atmen."
Kerry schüttelte energisch den Kopf. "Nein, das zu tun kann ich mir kein bisschen vorstellen. Ich würde wahnsinnig werden, solange still zu sitzen."
"Und ein bisschen habt ihr mich damit angesteckt", meinte Oronêl. "Im Krieg ist ohnehin keine Zeit für lange Erinnerungen, doch ihr zeigt mir eine andere Seite. Elben fühlen tiefer als Menschen, doch ihr fühlt dafür auf gewisse Weise intensiver, jedes Gefühl beherrscht euch und eure Handlungen. Es... hat etwas Belebendes, und... ich fühle mich nicht länger alt." Seine Miene wurde ernst. "Als ich die Pinnath Gelin verließ, war ich bereit in der Schlacht um Dol Amroth zu sterben. Beinahe habe ich es sogar herbeigesehnt, denn ich war alt und glaubte alles verloren zu haben. Viele haben mir gezeigt, dass dem nicht so ist. Ich habe durch meine Freunde, alte und neue, gelernt, dass es sich zu Leben lohnt, und ich bin das Leben in Mittelerde nicht länger leid. Ich fühle mich beinahe wieder jung."
Er verstummte, und lächelte beinahe verlegen. "Ich hoffe, ich habe dich mit meinem Redeschwall nicht gelangweilt."
"Siehst du, jetzt machst du dir schon ganz menschliche Sorgen," sagte Kerry grinsend. "Ein echter Elb wäre doch so sehr von sich und seinen Worten überzeugt, dass er einfach grundsätzlich davon ausgehen würde, dass sie gut ankommen. Egal in welcher Situation."
Oronêl grinste. "Wann bist du denn so weise geworden, Kerry?"
"Vermutlich irgendwo auf dem Weg zwischen Mithlond und Eregion," mutmaßte Kerry lächelnd. "Meine Eltern färben auf mich ab."
"Das sehe ich," gab er zurück. Dann legte er den Kopf in den Nacken, um für einen Augenblick den Himmel zu betrachten. "Ehe es vollständig Nacht geworden ist, sollte ich wohl Celebithiel und Finelleth suchen gehen, bevor sie sich noch Sorgen um mich machen."
"Das solltest du," stimmte Kerry zu. "Und ich suche mir eine Unterkunft."

Während Oronêl in Richtung der Gärten davonging, kehrte Kerry zur Halle des Feuers zurück, die sich mit Elben gefüllt hatte. Sanfte Harfen- und Flötenklänge drangen daraus hervor. Eine große Abendgesellschaft hatte sich dort versammelt. Je weiter Kerry durch das Innere von Elronds Haus kam, desto mehr Elben schien sie zu begegnen. Schließlich wurde ihr der Trubel zuviel und sie nahm die erstbeste Treppe nach oben zu den obersten Stockwerken, wo es zwar etwas leerer, aber dennoch noch immer recht belebt war. Doch dann endlich fand Kerry eine halb offen stehende Tür, die in ein angenehm ruhiges Zimmer führte. Darin stand ein äußerst einladend wirkendes Bett, auf dem sich Kerry spontan niedersinken ließ. Es war frisch bezogen worden und roch angenehm nach einem ihr unbekannten Duft. Ehe sie es sich versehen konnte, war Kerry fest eingeschlafen, denn die Strapazen der Reise und die aufregenden Erlebnisse des Tages hatten sie erschöpft, ohne dass sie es sich bis zu diesem Moment so sehr bewusst gewesen war.

Einige Zeit später schlug Kerry vorsichtig die Augen wieder auf. Draußen war es vollständig dunkel geworden, und der Raum in dem sie sich befand, wurde nur von zwei kleinen Elbenlampen erhellt. Vorsichtig setzte sie sich im Bett auf - und erstarrte. Auf dem Fußboden hinter dem Fußende des Bettes kniete ein Elb mit nacktem Oberkörper auf einer dünnen Matte im Schneidersitz und hatte ihr den Rücken zugewandt. Die dunklen Haare fielen ihm über den muskulösen Rücken und die Ohren stachen spitz daraus hervor. Kerry hatte unwillkürlich den Atem angehalten. Offenbar war dies der private Schlafraum des Mannes, in den sie ohne böse Absicht eingedrungen war. Als sie es nicht länger aushielt, atmete sie so leise sie konnte aus, doch das genügte, um entdeckt zu werden. Der Elb wandte sich um - und Kerry wäre am liebsten in den Tiefen der Bettdecke versunken.
"Was hast du hier zu suchen, Mädchen?" fragte Meister Elrond, der Herr von Bruchtal, im scharfen Ton, während er hastig nach seinem Oberteil griff.
Kerry machte den Mund auf, doch kein Wort kam heraus. Sie zog die Decke über ihren Kopf und wünschte sich weit, weit weg.
Es war Arwen, die sie rettete. "Vater, hast du vielleicht..." erklang ihre Stimme von der Türe her, und brach jäh ab als sie die Lage erkannte. "Was ist denn hier los?" sagte sie mit einer Mischung aus Verwunderung und Belustigung. "Ich wusste nicht, dass du so spät noch Besuch empfängst, Vater. Und wieso versteckt sich dein Gast unter der Decke?"
Elrond zog die Decke mit einem Ruck weg. Sein Blick hatte inzwischen an Schärfe verloren. "Nun, meine Vermutung ist, dass sich die junge Dame verlaufen hat und dabei eingeschlafen ist. Zumindest hoffe ich das."
"Genau so war es, Meister Elrond," rief Kerry hastig und sprang aus dem Bett. "Ich... habe nach einer ruhigen Ecke gesucht, und die Türe stand offen..."
"Und ich habe es versäumt, sie abzuschließen," meinte Elrond. "Es war dunkel, als ich herein kam, und ich habe mich gleich auf meine Matte gesetzt. Hätte ich im Bett nachgesehen, wäre mir diese Peinlichkeit vielleicht erspart geblieben."
"Es... wird nicht wieder vorkommen, Meister," stammelte Kerry während sie sich an Arwen vorbeischob. Während sie eilig ihren Weg zur Treppe nach unten suchte hörte sie noch, wie Arwen sich leise und amüsiert mit ihrem Vater unterhielt.

Wenig später hatte sie mit der Hilfe einiger freundlicher Elben (unter anderem Antien) tatsächlich eine Unterkunft gefunden. Antien sagte ihr, dass in dem Zimmer, das ihr zugewiesen wurde, einst Irwyne übernachtet hatte. Kerry hoffte sehr, dass sich ihr "Besuch" bei Elrond nicht herumsprechen würde. Gnädigerweise dauerte es erneut nicht sehr lange, bis sie eingeschlafen war.

Oronêl in die Gärten

Melkor.:
Ardóneth, Cairien, Maraniel, Acharnor und Elrádan aus Fornost

Nachdem die Gruppe um Ardóneth bereits mehrere Tage in Richtung Imladris gereist war, erreichten sie schließlich das verborgene Tal. Während sie dem geheimen Pfad nach Bruchtal hinunter folgten, begann Acharnor ein Gespräch.
"Was genau soll diese Grotte sein, nach der Euer Vater geradzu fanatisch sucht?" fragte er schließlich an Ardóneth gerichtet. Acharnor hatte zum Dank, dass Argóleth ihn gepflegt hatte, während seine Schwester mit Mathan den Entführer Kerrys verfolgt hatte, bei der Suche nach Hinweisen über die Lage Gilgroths geholfen und schließlich war seine Neugierde geweckt worden.
Ardóneth, der seine schlafende Tochter im Arm trug, beantwortete die Frage. "Allzu viel weiß ich selbst nicht über Gilgroth, wie der Ort genannt wird. Es ist das Erbe meines Hauses und wurde von Finglor, meinem Vorfahren, noch vor dem Fall Arnors, 1830, errichtet. Soviel ich weiß, hatte sie bereits hunderte Jahre vor ihrer Belagerung nahezu die Größe eines großen Dorfes erreicht. Doch Gilgroth war nie dafür gedacht, als Wohnsitz für Dorfbewohner zu dienen. Die Tírn Annúminas, die über die alte Stadt der Könige wachten, nutzten die Grotte um sich selbst, ihre Familien sowie wenige Außenstehende zu versorgen, aber dennoch immer ein aufmerksames Auge auf Annúminas richten zu können."
"Wenn Gilgroth so ein großes Geheimnis ist, weshalb ist es dann gefallen?" hakte Acharnor weiter nach.
Ardóneth hielt einen Augenblick inne und versuchte, sich zu orientieren. Bäume mit gelben, orangenen, roten und grünen Blätterdächern wuchsen hier und im Schatten der Baumkronen gediehen Blumen und kleinere Sträucher. Ardóneth führte seine Reisebegleiter nun auf den Pfad, den seine Waldläufergruppe früher öfters benutzt hatte. Schließlich began er wieder zu erzählen. "Vor ungefähr dreihundert Jahren wurde Eriador von vielen Orks angegriffen. Mein Urgroßvater Hathil hatte zu jener Zeit versucht, ein Teil der feindlichen Armee durch einen Hinterhalt zu schwächen. Er scheiterte dabei jedoch, als ein zweites Heer von der anderen Seite auf ihn und seine Leute zu kam. Bei der Flucht wurden sie von den Orks verfolgt und schließlich belagerte das zweite Heer die großen Hallen meiner Vorväter, während das Hauptheer ins Land der Halblinge zog. Hathil und seine älteren Söhne starben bei der Verteidigung Gilgroths... "Sein Bruder Glórin konnte vermutlich nach Gondor fliehen, doch wir konnten ihn oder seine Nachfahren bis heute nicht aufspüren." Ardóneth stoppte."Wir sind da," sagte er schließlich und ließ die bereits seit einigen Augenblicken erwachte Maraniel zu Boden.

Nachdem die Gruppe die Mauern Bruchtals passiert hatte, wurden sie von Elrond auf einem der kleineren Höfe empfangen. "Meister Elrond,"grüßte  Ardóneth und deutete eine Verbeugung vor ihm an."Es freut mich, Euch wieder zu sehen."
Der Herr Bruchtals musterte die kleine Gruppe einen Augenblick ehe er antwortete. "Willkommen in Imladris," sagte Elrond an Cairien, Acharnor und Mara gerichtet.
Nachdem Ardóneth und Elrond sich eine Weile über die Reise von Fornost und den Grund ihrer Ankunft unterhalten hatten, wandte sich Ardóneth an den Rest seiner Gruppe. "Wenn ihr möchtet, könnt ihr euch erst einmall im Gästehaus Bruchtals ausruhen. Es ist gleich dort drüben. Ich zeige euch dann die Zimmer."
Dort angekommen brachte Ardóneth seine Familie und Acharnor in einem der freien Räume unter. Dabei fiel ihm auf, dass die Türe des gegenüberliegenden Zimmers offen stand. Vorsichtig spähte er hinein.
Er blickte in ein größeres Zimmer, das durch die Sonnenstrahlen, die durchs offen stehende Fenster herein fielen leicht beleuchtet wurde. Der Effekt wurde durch die hellen Wandfarben noch verstärkt. In Inneren des Raumes standen drei Betten mit jeweils einem Beistelltisch daneben. Zu Ardóneths Verwunderung lag in einem der Betten noch eine Person, obwohl es bereits recht spät am Morgen war. Die Bettdecke war fast bis über den Kopf der Schlafenden gezogen. Als sich Ardóneth gerade abwenden und zurück in das Nebenzimmer zu seiner Familie gehen wollte, entdeckte er ein Paar Ohrringe, die auf dem Beistelltisch neben dem benutzten Bett lag. Es waren eben jene Ohrringe, die er Kerry kurz vor der Schlacht um Fornost geschenkt hatte. Na sieh mal einer an, dachte er lächelnd.

Vorsichtig schlich er sich zurück in das Zimmer gegenüber, in dem Mara mit Cairien gerade spielte. "Mara, kommst du mal bitte kurz mit?" fragte er seine Tochter. Das Mädchen nickte fröhlich und folgte ihm zurück in den Raum, wo Ardóneth die Ohrringe entdeckt hatte. "Möchtest du meine gute Freundin mal eben vorsichtig aufwecken?" flüsterte er Mara zu, die mit einem Satz aufs Bett sprang und mit einem Ruck die Decke wegzog.

Fine:
Die Sonne hinterließ ein warmes, angenehmes Gefühl auf Kerrys Gesicht und sie schloss die Augen, ganz in einem wohligen Gefühl aufgehend. Ihre Füße standen im weichen, warmen Sand des Strandes, an dem sie mit Irwyne einige Zeit verbracht hatte und von Fern drangen Möwenschreie und die Geräusche der großen Stadt Mithlond an ihr Ohr. Doch Kerry ließ sich davon nicht ablenken. Eine sanfte Brise strich durch ihr offenes Haar und kitzelte an ihren Ohren, die von Ardóneths Geschenk geziert wurden. Sie öffnete die Augen und nahm den Eindruck in sich auf, der sich ihr bot: Das warme, silbrigblaue Wasser, dessen Wellen am Ufer auf- und abstiegen; die weißen Klippen zu beiden Seiten des Golfes von Lindon; und die schlanken Bäume mit ihren großen Kronen, in denen die Elben des Goldenen Waldes ihre Fletts errichtet hatten und sich am südlichen Stadtrand eine neue Heimat geschaffen hatten. Kerry war allein am Strand, der zu ihrer Rechten am Waldrand der Galadhrim endete und zu ihrer Linken schier endlos weiter in Richtung Harlond und Harlindon verlief, doch sie fühlte sich nicht einsam. Sie wusste, dass ihre Familie und ihre Freunde nicht weit weg waren. Mathan und Halarîn hielten Rat mit den Anführern der Manarîn, und Oronêl und Finelleth waren mit persönlichen Angelegenheiten innerhalb der Stadt beschäftigt. Gandalf war kurz nach Kerrys Ankunft in Mithlond verschwunden; sie war sich jedoch sicher, dass sie den Zauberer bald wiedersehen würde, und freute sich darauf. Irwyne und Amrothos waren ganz in der Nähe... oder hatten sie bereits das Schiff mit den hellblauen Segeln bestiegen, das sie tief in den Süden tragen sollte? Kerry wusste es nicht. Ihre Erinnerungen verschwammen; lösten sich auf im warmen, wohltuenden Licht der Sommersonne. Alles andere schien mit jeder vergehenden Sekunde weniger wichtig zu werden und nach und nach verblasste alles um sie herum. Kerry fühlte sich, als würde sie schweben und genoss das Gefühl, ohne Angst zu empfinden.

Und mit einem Ruck war es vorbei.

Kerry riss die Augen auf und schlang die Arme um den wenig bekleideten Körper. Die Kälte war ohne Vorwarnung über sie gekommen und hatte sie brutal aus dem angenehmen Traum gerissen. Das Erste, was sie sah, war ein kleines Mädchen mit hellbraunem Haar, das Kerry fröhlich angrinste und rief: "Schau, sie ist wach!" Kerry blinzelte mehrmals und tastete verärgert nach der Bettdecke, doch das Mädchen hielt ihren Arm fest. "Was soll denn das?" wollte Kerry empört wissen.
"Das soll, was es soll, Kerry," sagte eine wohlbekannte Stimme. "Sieh aus dem Fenster: die Sonne steht schon ziemlich hoch am Himmel. Du hast mehr als genug geschlafen, wenn mich nicht alles täuscht."
Kerrys Kopf fuhr zur Tür des Raumes herum. "Ardan!" rief sie und wurde rot als ihr klar wurde, wie wenig bedeckt sie gerade war. Die Freude über das Wiedersehen mit dem Dúnadan wurde allerdings durch die Beschämung, die Kerry fühlte, überschattet. Sie machte ihren Arm aus dem Griff ihrer kleinen Angreiferin los und schnappte sich die Decke, die sie hastig um ihre Schultern und ihren Oberkörper legte. So bedeckt setzte sie sich auf die Bettkante, während das Mädchen erfolglos versuchte, ihr die Bettdecke wieder zu entziehen.
"Das genügt, Mara," sagte Ardóneth mit einem belustigten Grinsen. "Sie ist wach und wir haben erreicht, was wir wollten." Und endlich ließ das Mädchen - Mara - von ihrer Mission ab.
"Es war also deine Idee, mich aus meinem wunderbaren Traum zu reißen? Ich war am Strand, und es war warm, und schön, und..."
"Du hättest sonst den ganzen Tag verschlafen," gab Ardóneth zwinkernd zurück. Kerry erinnerte sich nur ungerne daran, dass dies in Fornost tatsächlich einmal sogar geschehen war, und Ardóneth hatte es natürlich ebenfalls nicht vergessen.
"Hmpf," machte sie und versank tiefer in der Decke. "Wer ist denn deine neue Freundin?" fragte sie und betrachtete die kleine Mara, die sich neben Ardóneth gestellt hatte und voller kindlichem Stolz zu ihm aufblickte.
Ardóneth brauchte einen Moment, ehe er antwortete. "Maraniel ist... meine Tochter."
Vor Überraschung vergaß Kerry, die Bettdecke festzuhalten, sodass sie langsam an ihren Schultern hinab rutschte. "Deine Tochter? Aber wie ist das möglich? Ich dachte..."
"Ich erzähle es dir ein andermal," unterbrach Ardóneth sie. "Erst einmal würde ich gerne wissen, was du in Bruchtal machst. Wo sind Mathan und Oronêl; sind sie auch hier?"
Kerry schlug die Beine übereinander und zog die Decke wieder höher. "Es ist viel geschehen seit... seit der Sache in Fornost. Am besten fange ich ganz von vorne an..."

Es gab viel zu erzählen. So dauerte es mehr als eine Stunde, bis Kerry endlich bei ihrer Ankunft in Bruchtal angekommen war. Als sie von den Geschehnissen in Carn Dûm erzählt hatte, war eine blonde Frau hereingekommen und hatte Maraniel mitgenommen, was Kerry ganz recht war. Die düstere Geschichte, die sie zu erzählen hatte, war nichts für die Ohren eines Kindes. Ardóneth hatte die Frau als Cairien von Laegobel vorgestellt und hatte dabei einen ganz merkwürdigen Gesichtsausdruck gehabt, aus dem Kerry noch nicht recht schlau wurde. Sie redete sich ein, dass ihr Dúnadan-Freund in Cairien mehr als nur eine Reisegefährtin sah... aber sie konnte sich noch nicht ganz sicher sein. Ardóneth lenkte ihre Aufmerksamkeit rasch wieder auf den Bericht über Kerrys Abenteuer, und sie fuhr fort. Der Waldläufer stellte häufig Fragen, und sie beantwortete sie gerne. Insbesondere die Lage in Dunland schien ihn zu interessieren. Kerry erinnerte sich daran, dass Ardóneth ihr einmal erzählt hatte, dass er vor vielen Jahren einige Zeit in Dunland gelebt hatte.
"Dass ein so junger Krieger zum Wolfskönig gewählt wird ist äußerst ungewöhnlich," sagte er nachdem Kerry geendet hatte, und strich sich nachdenklich durch den Bart. "Soweit ich weiß ist so etwas nur ein einziges Mal zuvor geschehen, und zwar zu Lebzeiten Helm Hammerhands von Rohan. Du kennst sicherlich die Geschichte."
"Ja," bestätigte Kerry. "Wulf, Frecas Sohn, eroberte damals Edoras, bis er von Helms Neffen und Erben Fréalaf erschlagen wurde."
"Und dieser Wulf war damals nicht viel älter als dein Aéd jetzt," sagte Ardóneth. "Dennoch gelang es ihm, sein Volk unter seinem Banner zu vereinen. Nach dem, was ich gehört habe, gehörte er dem Stamm der Kette an."
"Ich bin mir sicher, Aéd wird einen noch besseren König abgeben," meinte Kerry. "Und er wird sicherlich nicht versuchen, Edoras einzunehmen, ganz zu schweigen davon, dass es jetzt eine Ruine ist. Ganz im Gegenteil: er strebt sogar ein Bündnis mit Königin Eówyn an. Ich hoffe, sie hört auf ihn und geht darauf ein."
"Das wäre weise," befand Ardóneth. "Die Dunländer und die Rohirrim sind viele Jahrhunderte Feinde gewesen. Doch der wahre Feind aller Menschen ist der Dunkle Herrscher."

"Wie ist es dir ergangen?" fragte Kerry nach einer kurzen Pause. Von draußen waren leise Harfentöne zu hören und fügten sich nahtlos in die Atmosphäre des Friedens und der Erholung in Imladris ein. "Ich meinte, dich und deine Leute nach der Flucht aus Carn Dûm für einen Augenblick auf einem der südlichen Kämme zu sehen."
Ardóneth nickte. "Wir haben euch ebenfalls gesehen; konnten aber nicht zu euch durchdringen. Die Heere Angmars und Gundabads standen zwischen uns, und wir wurden angengriffen. Nach einem kurzen, aber erbitterten Gefecht mussten wir nach Süden fliehen." Rasch erzählte Ardóneth ihr von dem, was ihm seit der Begegnung in Carn Dûm geschehen war: Wie seine Gruppe in das kleine Dorf Laegobel gekommen war, wo Ardóneths Verletzung geheilt wurde, und sie anschließend gemeinsam mit Cairien und Maraniel nach Fornost zurückgekehrt waren. Wie Belen Ardóneths Auftrag als erfüllt angesehen hatte und er mehr über das geheimnisvolle Gilgroth erfahren hatte. Wie er sich mutig der geflügelten Bestie entgegengestellt und sie bis nach Annúminas verfolgt hatte. Und wie er seine neue Familie nun nach Imladris gebracht hatte, um sie dort in Sicherheit zu wissen.
"Wir wissen jetzt, dass das geflügelte Untier dasselbe war, das du in Eregion gesehen hast," schlussfolgerte Ardóneth. "Es muss vor den herannahenden Elben geflohen sein - und fand in einer Stadt der Menschen sein Ende."
"Ich bin froh, dass wir dieses Monster los sind," meinte Kerry. "Und dass dir nichts zugestoßen ist. Aber da haben wir es wieder einmal: Rilmir hat nicht mit einem einzigen Wort erwähnt, dass er in Fornost gegen eine geflügelte Bestie gekämpft hat. So langsam verstehe ich seine Schwester ein bisschen besser."
"Rilmir ist hier?" fragte Ardóneth interessiert. "Dann nehme ich an, Haleth ist ebenfalls nicht weit?"
Kerry nickte. "Wenn du es einrichten kannst, geh' seiner Schwester aus dem Weg. Sie ist unerträglich, das kannst du mir glauben."
"Oh, keine Sorge," meinte Ardóneth. "Faeriën von Eldalondë ist unter den Dúnedain des Nordens keine Unbekannte. Ich weiß, wie man ihr aus dem Weg geht." Er lachte herzlich. "Nun, ich bin ebenfalls froh, dass es dir gut geht, Kerry. Ich schätze, ich sollte jetzt nach meiner Familie sehen, und du willst dich sicherlich umziehen. Wir sehen uns später."
Kerry nickte und sagte: "Bis später, Ardan."

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