Das Schicksal Mittelerdes (RPG) > Imladris
Elronds Haus
Eandril:
Oronêl und Kerry aus der Wildnis rings um Bruchtal
"... dies ist der Stein, den Kerry gefunden hat", schloss Oronêl seinen Bericht, und zog das genannte Objekt hervor. Schwarz und schwer lag die glatte runde Kugel in seiner Hand, und zog die Blicke aller Anwesenden auf sich.
"Ein Palantír?", brach Erestor das Schweigen, und schüttelte im selben Atemzug den Kopf. "Aber das ist nicht möglich."
"Nein", erwiderte Elrond, der in einem Sessel mit hoher Lehne, den Rücken dem großen Kamin an der Seitenwand der Halle des Feuers zugewandt, saß. "Nein, es ist nicht möglich und nein, dies ist keiner der Palantíri. Die Palantíri stammen aus dem Westen, und sie sind ohne Fehl, mit einer Handwerkskunst gefertigt, die hier in Mittelerde nicht erreicht werden kann." Er nahm den Stein von Oronêl entgegen, betrachtete ihn aufmerksam und fuhr mit dem Finger langsam darüber.
"Dieser Stein ist wie ein blasser Abklatsch der sieben Steine. Mächtig auf seine eigene Art, und dennoch anders."
"Also hat Saruman ihn gemacht?", platzte Kerry heraus, und Elrond nickte.
"Das ist anzunehmen."
"Aber... kann er dann nicht hindurchsehen? Uns... ausspionieren?"
"Ich denke nicht, dass er das kann. Als du, junge Kerry, ihn von seinem Platz genommen hast, hat er seine Macht verloren - zumindest vorläufig. Ich werde ihn aufbewahren und untersuchen. Vielleicht kann uns dieses Wissen zum Vorteil gereichen."
"Was werdet ihr nun tun?", ergriff Erestor das Wort, an Oronêl und Kerry gewandt. "Falls ihr vorhabt, eine Weile hierzubleiben, werde ich euch Zimmer herrichten lassen."
Oronêl wechselte einen Blick mit Kerry. Er konnte ihre Gedanken beinahe hören: Sie wollte so schnell es ging nach Eregion zurückkehren, und möglichst keine Zeit verlieren. Doch sie schwieg, und überließ so Oronêl die Antwort.
"Wir werden bleiben, zumindest für die Nacht." Obwohl es bereits dunkel gewesen war, als sie in Imladris eingetroffen waren, war es noch immer recht früh am Abend.
Erestor nickte, die Hände hinter dem Rücken gefaltet. "Nun gut. Ich werde die Räume, die ihr bei eurem letzten Besuch bewohnt habt, für euch vorbereiten lassen. In der Zwischenzeit..."
"Werde ich den Gärten einen Besuch abstatten", beendete Oronêl den Satz für ihn. Er wusste nicht genau, was es war, doch etwas zog ihn zu den Gärten hin. Elrond lächelte, als hätte er genau das erwartet.
"Gut. Und Kerry... es gibt jemanden, den du treffen solltest. Komm mit mir."
Oronêl in die Gärten
Thorondor the Eagle:
Als Elea aufwachte, war es draußen bereits hell und ein paar fahle Sonnenstrahlen fanden den Weg durch das Fenster auf ihren Körper. Sie war alleine im Bett. Als sie einen Fuß unter der Decke hervorschob, bemerkte sie wie kühl es in dem Zimmer war. Sie musste sich überwinden das warme Bett zu verlassen.
Die Dúnadan spritzte sich ein paar Tropfen des kalten Wassers auf ihr Gesicht, dann bürstete sie ihr Haar. Im Schrank fand sie ein Samtkleid in einem dunklen Türkiston die Ränder waren mit zarten, goldenen Verzierungen abgenäht. Vermutlich hat Arwen es für sie bringen lassen. Sie zog es an, darüber legte sie sich einen blassblauen, fast weißen Umhang, den man locker um den Hals warf. Für ihre Pläne schien es ihr nicht passend zu sein, doch hier war es ihr möglich nach all der Zeit wieder ein Gefühl zu bekommen, wie es früher war. Auch wenn dies nur Augenblicke waren.
Sie ging die Treppe hinunter, dort nahm sie sich einen der Äpfel die auf der großen Tafel aufgelegt waren. Als sie sich umdrehte stand plötzlich Finjas hinter ihr. Er starrte sie wortlos an.
„Guten Morgen“, drückte er leise hervor.
„Guten Morgen“, entgegnete sie ihm, als wäre ein ganz gewöhnlicher Tag. Er kam auf sie zu.
„Glorfindel und einige Späher sind heute in den frühen Morgenstunden ausgeritten. Sie werden bald wieder hier ankommen und dann können wir mit Ihnen gen Süden reiten.“
Elea nickte ihm danken zu, danach packte er sie behutsam an den Oberarmen. Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, strich mit seinen Händen ihre Arme entlang nach unten. Dann wandte er den Blick ab und verschwand. Die Dúnadan freute sich über dieses verborgene Kompliment. Sie hatte aufgehört sich darüber zu wundern, dass ein Mann wie Finjas sich so schwer tat diese Dinge auszusprechen.
Ohne Umschweife wusste Elea, wo sie als nächstes hingehen würde. Ihr Weg führte sie aus dem Haupthaus hinaus über eine schmale Brücke in ein turmähnliches Gebäude. Sie folgte der schmalen Treppe hinauf in einen der oberen Räume. Als sie die Tür öffnete, kam ihr bereits der wohlbekannte Duft der Vergangenheit entgegen. Sie war in der Bibliothek Elrond’s. Wie gerne ich früher doch gelesen habe und in den Geschichten verschwunden bin. Und wie gerne ich Helluin vorgelesen habe. Das war eine wunderbare Zeit. Sie nahm sich eines der Bücher heraus und öffnete es. Es war in zarten Elbelettern beschrieben, was ihr keine weiten Schwierigkeiten bereitete. Immer wieder blickte Elea aus dem Fenster, hinter dem sich der Weg zeigte, der in das verborgene Tal führte.
Nach einigen Stunden sah sie plötzlich in der ferne zwei Gestalten näherkommen. Das sind sie! Glorfindel und einer seiner Späher. Ob wir heute noch aufbrechen? Vermutlich nicht… Sie beruhigte sich gleich wieder und beschloss dieses Kapitel fertigzulesen, endete dann aber erst nach dem übernächsten. Anschließend steckte sie das Buch in seine Lücke zurück und ging hastig den Weg zurück. Bevor sie das Haupthaus betrat, bemerkte sie eine Gestalt im Vorhof der Feste. Sie ging zum Geländer der Terrasse und blickte hinunter zu der Elbe. Zu Elea’s Bedauern war es nur Celebithiel, die ebenfalls auf Glorfindel wartete. Er ist also noch nicht wieder da.
Eine Zeit lang beobachtete sie die rothaarige Elbe dabei, wie sie zunächst liebevoll über die Rinde eines Baumes streichelte und dabei ihre Augen schloss. Sie erinnerte sich wohl an einen bestimmten Moment der dort stattfand. Elea glaubte ein Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen. Dann öffnete die Elbe ihre Augen und fixierte damit ihre Nasenspitze. Es sah lustig aus. Ob wohl eine Schneeflocke darauf gelandet war? Sie hatte etwas sehr leidgeplagtes an sich und doch bewahrte sie die Unbekümmertheit in ihrem Herzen. Es war bewundernswert.
Hinter ihrem Rücken hörte Elea plötzlich ein Knarren und als sie sich umdrehte stand Elrond mit einem Mädchen oder eher einer jungen Frau in der Tür. Er schien ihr irgendetwas zu sagen, ehe beide zu ihr herüberschauten. Die Dúnadan war etwas irritiert, drehte sich dann aber wieder um und schaute hinab zu Celebithiel.
„Hallo“, hörte sie eine feine Stimme die der jungen blonden Frau gehören musste.
„Guten Abend“, antwortete Elea.
„Was macht ihr denn hier?“ sie stellte sich neben die Dúnadan und folgte ihrem Blick „Celebithiel?“
„Ja, ich bewundere die Sorglosigkeit von Celebithiel. Sie hat eine beschwerliche Reise hinter sich und ihr Geliebter ist eben wieder im Nebelgebirge unterwegs und trotzdem, sie steht dort unten und lächelt.“
„Hmmm“, das Mädchen grübelte kurz und antwortete dann „Das liegt wohl an Bruchtal.“
Elea musste schmunzeln, als sie feststellte, dass auch sie heute einen unbeschwerten Tag hinter sich hatte: „Das ist sehr scharfsinnig von dir.“
„Nein, nicht scharfsinnig. Ich war bloß schon öfter hier“, brüstete sie sich und lächelte dabei herzlich.
„So? Dabei habe ich dich hier noch nie gesehen“, antwortete Elea „Kommst du auf deinen Reisen öfter hierher?“
„Reisen? Wieso reisen? Woher weißt du das?“, fragte es misstrauisch.
„Deine Kleidung.“
Sie sah an sich hinunter: „Achso. Ja, genau. Auf meinen Reisen in den letzten Jahren bin ich öfter bei Herrn Elrond zu Gast gewesen. Und immer kam mir die Welt hier weniger düster vor, als anderswo.“
„Wie wahr“, bestätigte Elea kurz.
„Herr Elrond sagte mir, dass ihr auch nach Eregion gehen wollt“, fragte das Mädchen nun neugierig.
„Ja, Finjas, mein Begleiter, und ich wollen Richtung Süden. Eregion und dann wohl weiter.“
„Nach Rohan? Wieso denn nach Rohan?“, fragte es weiter.
Die Dúnadan wurde leicht skeptisch: „Ja, nach Rohan. Ich bin auf der Suche nach jemandem und ich glaube, dass ich ihn dort finde.“
„Wirklich?“, die junge Frau wirkte sehr aufgeregt „In Rohan? Wie kommt ihr denn darauf?“
„Glorfindel berichtete mir, dass Helluin dorthin aufbrach“, antwortete Elea automatisch. Wieso erzählte ich das alles so im Detail und um Himmelswillen, warum ist sie so neugierig und aufgeregt?
„Wisst ihr um seinen Aufenthaltsort?“, fragte sie aufdringlich.
„Nein, nein“, entgegnete sie abgeschreckt „Aber wieso willst du denn das alles wissen?“
Sie kennt Helluin schoss es Elea plötzlich durch den Kopf.
„Du kennst meinen Sohn?“, fragte sie, dabei stieg ihr Puls rapide an.
Ertappt blickte das blonde Mädchen plötzlich zu Boden: „Ja, ich kenne ihn. Ich bin Kerry.“
Die Dúnadan erstarrte.
Fine:
Kerry war so aufgeregt, dass sie die dunkelhaarige Frau kaum ansehen konnte. Sie weiß, wo Helluin ist! Sie will ihn suchen gehen! Beinahe hätte sie die Ältere am Arm gepackt, als ihr mit einem Mal die ganze Bedeutung der Worte ihres letzten Satzes klar zu werden schien. Weit riss sie die Augen auf. "Ihr seid... Helluins Mutter?" entfuhr es ihr lautstark und sie begann, sich die Dunkelhaarige genauer anzusehen. Da waren Gesichtszüge, die ihr vertraut vorkamen, und sie kam sich dumm vor, dass es ihr nicht sofort aufgefallen war. Die Nase, die Wangen, das abgerundete Kinn... Kein Zweifel. Nur die Augen, Mundpartie und die Stirn sahen anders als bei Helluin aus.
"Und du bist das Mädchen aus Rohan, von dem mir Glorfindel erzählt hat," antwortete Helluins Mutter, die so aussah, als wäre sie ebenso geschockt wie Kerry. "Die, die geholfen hat... Sarumans Zauber zu brechen."
"Ich... weiß auch nicht, wie das genau passiert ist," sagte Kerry, die auf einmal das starke Bedürfnis hatte, die fremde Frau zu umarmen. "Aber... wenn Helluin in Rohan ist, dann... dann würde das ja bedeuten, dass er aus dem selbstgewählten Exil zurückgekehrt ist, dass er... oh, bestimmt sucht er nach Euch!"
Zu ihrer Überraschung lächelte Helluins Mutter sanft. "Du kannst... Elea zu mir sagen, Kerry. Erelieva, Lote in Dúnedain, haben sie mich früher genannt. Und... nein, Helluin sucht nicht nach mir." Etwas Traurigkeit mischte sich in ihre Stimme, was Kerry nur zu gut verstehen konnte. Immerhin musste sich das für Elea so anfühlen, als wolle ihr Sohn im Augenblick nichts mit ihr zu tun haben. Als Elea allerdings weitersprach, erstarrte Kerry.
"Er sucht nach dir."
Röte schoss Kerry in die Wangen, ehe sie es verhindern konnte, während Elea mit etwas leiserer Stimme sagte: "Er will sich bei dir dafür bedanken, dass du ihn von Sarumans Bann befreit hast. Aber..." Der Tonfall veränderte sich ein klein wenig, als wäre Elea gerade etwas aufgefallen. "Ich vermute beinahe... dass da noch mehr dahinter steckt."
Natürlich ahnt sie etwas, immerhin ist sie Helluins Mutter! dachte Kerry hektisch. Was soll ich ihr sagen? Weiß ich denn überhaupt schon, wie ich zu Helluin stehe? Will ich ihn wiedersehen? Ein klares "Ja" aus ihrem Herzen beantwortete ihr zumindest diese eine Frage, und sie nickte sich selbst zu, was Elea mit einer verwunderten Miene kommentierte. "Was stimmt nicht?" fragte Helluins Mutter sanft.
"A-alles ist in Ordnung, Elea," stotterte Kerry und beschloss, sich einen Ruck zu geben, und reinen Tisch zu machen. "Ich... würde Helluin sehr gerne wiedersehen und... ich glaube, dass er... ähnlich denkt. Dass er sich nicht nur bedanken will, sondern... mich wohl auch noch besser kennen lernen will. Zeit mit mir verbringen will."
Eleas Blick nahm einen wissenden Ausdruck an. "So ist das also," kommentierte sie mit einem zarten Lächeln. "Ah... eigentlich bin ich ganz froh darum. Er hätte sich ja in irgend ein dahergelaufenes Mädel vergucken können. Da freut es mich doch, dass er... es bei einer so anständigen jungen Dame wie dir getan hat." Sie strich auf einmal mit der Hand über Kerrys Kopf und verwuschelte ihr das Haar. "Ich bin wirklich froh. Denn das bedeutet, dass er noch immer der Junge mit dem großen Herzen ist, der er früher war. Mein kleiner Helluin..."
Helles Gelächter unterbrach die Unterhaltung. Beide Frauen fuhren herum und fanden Celebithiel dort stehend vor, die sie angrinste. "Ihr seid beide wirklich niedlich," sagte die Elbin amüsiert. "Weißt du, Elea, eigentlich musst du gar nicht mehr nach Helluin suchen. Bleib' einfach in Kerrys Nähe, und er wird von ganz alleine zu dir kommen!"
Kerry warf Elea einen Blick zu. Sie konnte sich Schlimmeres vorstellen, als mehr Zeit mit Helluins Mutter zu verbringen, und sie über Helluins Kindheit zu löchern. Das wird ganz wundervoll werden, dachte sie.
Elea hingegen zog überrascht die Brauen hoch, als würde sie die Möglichkeit erst jetzt in Betracht ziehen. "Bei Kerry bleiben? Nun... was sind denn dein Reisepläne?" fragte sie Kerry rasch. "Bleibst du ein paar Tage hier in Bruchtal?"
"Oronêl und ich müssen bald wieder zurück nach Eregion," erklärte Kerry. "Die Elben, die sich dort angesiedelt haben, liegen uns am Herzen, und wir fürchten, dass sie in Gefahr sind."
"Elben, die wieder in Eregion siedeln," sagte sich Elea, und nickte bekräftigend. "Das ist etwas, was wohl niemand in diesem Zeitalter erwartet hätte."
"Ja - das Land war jahrtausendelang brach gelegen, doch nun füllen sie es wieder mit Leben. So wie es sein sollte," sagte die Rothaarige. "Ich denke, es wäre kein Fehler, wenn ihr euch zusammenschließt, du und Elea," sagte sie dann zu Kerry. "Wenn Helluin gerade in Rohan ist, dann wird er schon bald erfahren, dass Kerry hier im Norden ist. Immerhin ist er einer der Dúnedain. Und dann wird er den direkten Weg nach Imladris nehmen. Wir könnten ihm quasi ein Stückchen entgegen gehen, wenn wir nach Eregion kommen. Solltet ihr euch dann am Ende doch verpassen, wird ihm hier in Bruchtal sicherlich jemand ausrichten, wo ihr beiden hingegangen seid."
"Das... wäre vielleicht gar nicht dumm," meinte Elea nachdenklich und schaute Kerry dann genau in die Augen. "Wir wollten ja ohnehin mit dir und Glorfindel nach Eregion gehen, um nach den Elben zu sehen. Aber... ich sollte auch Finjas nach seiner Meinung fragen."
"Wer ist er?" fragte Kerry aus einer Ahnung heraus. "Ist er... Helluins Vater?"
Elea wurde blass und brauchte einen sehr langen Moment, ehe sie überhaupt antwortete. Kerry riss erschrocken die Augen auf. Ganz eindeutig hatte sie etwas Falsches gesagt.
"He...Helluins Vater... Haldar... er fiel, als er.. Aragorn folgte.." kam die Antwort zögerlich. "Und Finjas... ist ein Weggefährte... ein Unterstützer... ein teurer Freund für mich," fügte Elea dann schon wieder etwas kräftiger hinzu.
"E-er darf selbstverständlich mitkommen!" rief Kerry hastig, bemüht, ihren Fehler wiedergutzumachen. "Wir gehen alle zusammen nach Eregion, helfen dort den Elben und warten auf Helluin. Klingt das gut?"
Celebithiel hob eine Hand. "Nicht so schnell, Kerry. Wir können nicht sofort gehen. Wir müssen erst auf Glorfindels Rückkehr warten, und dann jene zusammenrufen, die uns begleiten: Jene, die sich hier in Elronds Gefolge noch finden, die in den Kampf ziehen wollen, um den Elben Eregions beizustehen, sollte es dazu kommen."
"Na gut," meinte Kerry. "Dann gehen wir eben alle zusammen... aber dann gehen wir auch wirklich los, sobald alles bereit ist, ja? Was sagst du, Elea?"
"Ich... muss darüber nachdenken," antwortete Helluins Mutter, die etwas zurückhaltender wirkte. "Und mit Finjas reden."
"Und ich muss Oronêl fragen," sagte Kerry rasch. "Aber so wie ich ihn kenne, wird er sicherlich nichts dagegen haben."
"Falls doch, werde ich ihn mir mal vorknöpfen," warf Celebithiel scherzend ein.
Kerry kicherte. "Das würde ich nur zu gerne sehen..."
Celebithiel schlug die Hände gegeneinander. "So! Da ihr beiden euch jetzt kennt, denke ich, sollten wir die Gelegenheit nutzen. Wir sammeln Oronêl auf - wo auch immer er sich wiedermal herumtreibt - und suchen uns etwas zu essen. Und erzählen einander von unseren Abenteuern. Wie wäre das?"
Elea blieb etwas zurückhaltend, und schien gerade etwas sagen zu wollen, als auf einmal lautstark der Magen von Helluins Mutter zu knurren begann. Das führte zu allseitigem Gelächter.
"Ich schätze, das beantwortet meine Frage," sagte Celebithiel und ergriff Eleas Hand. "Komm, Kerry, ehe die gute Frau noch vor Hunger umkippt, sollten wir sie in die Halle des Feuers bringen. Nicht trödeln!"
Etwas überrumpelt eilte Kerry den beiden hinterher.
In der Halle des Feuers angekommen fanden sie bereits einen gedeckten, sehr langen Tisch vor. Hier und da saßen vereinzelte Elben, in Grüppchen oder alleine, doch genau in der Mitte saß eine Frau mit rabenschwarzem Haar, die Kerry erst auf den zweiten Blick wiedererkannte. Seit ihrem Ausflug in den Alten Wald, vor beinahe schon einem ganzen Jahr, hatte sie Elronds Tochter nur einmal ganz kurz wiedergesehen, als sie sich damals in Elronds privates Zimmer verirrt hatte. Zu ihrem Glück steuerte Celebithiel genau auf Arwen zu.
"Na sieh mal einer an," sagte Arwen, als die Gruppe näher kam. "Euch drei hätte ich nicht als Gruppe erwartet, aber da ihr schon mal hier seid, setzt euch doch. Noch sind die Speisen warm, die Kost gehaltvoll."
So nahm Celebithiel neben Arwen Platz, während Kerry und Elea nebeneinander auf der anderen Seite des Tisches saßen. Es gab, wie man es in Bruchtal gewohnt war, eine große Auswahl an Essen, hauptsächlich jedoch Gaben der Natur wie Früchte, Gemüse und Fleisch. Als Arwen erfuhr, was Elea und Kerry zusammgeführt hatte, lächelte sie zufrieden. "Welch seltsame Streiche einem das Leben doch spielt," merkte sie leise an. "So werden nun Mutter und Sohn beide das finden, was sie suchen... einander, und... am Ende vielleicht sogar ein neues Familienmitglied?"
Elea und Kerry tauschten einen teils unbehaglichen, teils verlegenen Blick aus. Zum Glück war Celebithiel die Erste, die antwortete. "Nicht so voreilig, liebe Schwester. Helluin hat da immer noch ein entscheidendes Wörtchen mitzureden."
"Oh, nun... verzeiht mir. Vielleicht habe ich euren Blicken zuviel Bedeutung zugemessen," meinte Arwen entschuldigend.
"Es ist ja nicht so, dass ich Elea nicht mögen würde," platzte Kerry heraus.
"Hmm," machte die Angesprochene und nahm zaghaft einen tiefen Schluck aus dem Becher vor ihr, der mit klarem Wasser gefüllt war. "Du scheinst mir ein anständiges Mädchen zu sein, liebe Kerry," sagte sie dann.
"Oh ja, das bin ich," bestätigte Kerry mit einem Grinsen. "Da kannst du jeden fragen. Also, Elea, sag doch mal... wie war Helluin denn so als Kind?"
Thorondor the Eagle:
Diese Frage zu Beantworten fiel Elea sehr schwer. Sie kannte ihren Sohn in- und auswendig, zumindest so wie er früher war. Aber dies zu beschreiben war nicht einfach.
„Nun wo soll ich denn nur beginnen?“, sagte sie und sah in die erwartungsvollen Augen von Kerry. Sie verrieten einem Blinden, dass jede Geschichte egal wie unwichtig sie auch sein würde, das Mädchen erfüllen würde.
„Schon als Helluin auf die Welt kam war er ein aufgeweckter Säugling. Kaum hatte er seine strahlend blauen Augen geöffnet, wollte er sie auch gar nicht mehr schließen. Es war sehr schwer ihn überhaupt zum schlafen zu bringen und wenn es einmal soweit war, dauerte es keine halbe Stunde bis er wieder putz munter war. Haldar und ich verzweifelten nach nicht einmal einem Monat. Aber und dies muss man schon sage, meistens war der Kleine quietsch vergnügt, solange man ihn herumgetragen hat“, Elea lächelte als sie sich das süße Lachen eines Kleinkindes vorstellte.
„Helluin konnte es kaum erwarten zu laufen, das krabbeln hat er gleich übersprungen und so mussten wir dann ständig hinter ihm her sein. Zum Glück war sein Vater oft zuhause und als er dann älter wurde und man schon halbwegs vernünftig mit dem Kleinen reden konnte, nahm er ihn auch oft mit. Haldar vergötterte seinen Sohn und umgekehrt war es auch so.
Als Helluin schließlich sechs Jahre alt wurde, schloss sich Haldar einer Gruppe von Dunedain an die nach Imladris gingen. Die Angriffe aus dem Norden wurden zahlreicher und die Elben erbaten unsere Unterstützung. Beinahe ein Jahr blieb Helluin’s Vater weg und jeden einzelnen Tag hielt er nach ihm Ausschau und...“, sie unterbrach und die Freude verschwand vom Gesicht der Erzählerin. Die Blicke ihrer Gegenüber, sowohl der der Elben als auch Kerrys, wurden ernst.
„Am Tag konnte er es gut überspielen, denn durch seine blühende Fantasie und seine Freunde hatte er kaum Zeit an seinen Vater zu denken. Sie stürmten durch die Wälder, schwammen im See, jagten den Trollen aus ihrer Fantasiewelt nach und vieles mehr. Aber dann jeden Abend als ich an seinem Bett saß und ihm vorlas oder ihm etwas vorsang, fragte er mich, wann denn sein Papa wiederkommen würde. Ich konnte ihm keine Antwort geben, bis zu dem Tag als Haldar wieder auf der Türschwelle stand. Übersäht mit Kratzern und kleinen Narben, aber keinen ernsthaften Verletzungen. Wir beide, Helluin und ich, waren überglücklich. Endlich würde es wieder so sein wie früher, aber Haldar hatte sich verändert. Irgendetwas geschah in Imladris oder er hat etwas erfahren, dass ihn sehr bedrückte. Er begann damals tatsächlich seinem kleinen Sohn das Kämpfen beizubringen. Zuerst verpackte er es in eine harmlose Jagd, aber später erwischte ich sie immer öfter beim Schwertkampftraining. Zornig und voller Wut habe ich es immer unterbrochen. Wie konnte er meinem kleinen Helluin in so jungen Jahren bereits kämpfen beibringen. Wir haben uns oft darüber gestritten, aber sie übten heimlich weiter. Helluin war zwiegespalten, er musste der mutige Krieger für seinen Vater sein und das liebliche, verspielte Kind für mich. Vielleicht war das der Anfang von allem Unheil… vielleicht hat er da gelernt es allen recht machen zu wollen oder gar zu müssen.“
Bei diesen Worten nahm nun die Melancholie überhand und drückte die Stimmung.
„Obwohl wir beide nur das beste wollten, waren wir wohl keine guten Eltern. Kein Wunder, dass er nichts mehr von mir wissen will.“
„Sag das doch nicht Elea“, widersprach ihr augenblicklich Arwen „Ich habe dich als Mutter erlebt und du hast es hervorragend gemacht. Selten habe ich einen solch liebevollen Umgang mit dem eigenen Kind gesehen.“
Die Dúnadan schätzte dieses Kompliment, sie musste aber gewaltsam die Mundwinkel nach oben ziehen.
Die kleine Kerry, die zunächst förmlich an Eleas Lippen klebte, schaute nun auch betroffen auf ihren Teller.
Zaghaft begann sie zu sprechen: „Ich finde Arwen hat recht. Ich meine… ich habe dich nie als Mutter von Helluin erlebt aber“ ihre Stimme wurde nun kräftiger „Mein Papa hat uns auch verlassen um in den Krieg zu ziehen und er kam nicht zurück. Wir dachten er wäre gefallen und meine Mutter als auch ich waren todtraurig. Es war furchtbar, dass er für immer weg war und es war genauso furchtbar jeden Tag in das verheulte Gesicht meiner Mama zu schauen. Aber nie, in keinem einzigen Moment habe ich meinen Eltern nicht geliebt. Ich glaube gar nicht daran, dass das geht.“
Und bei diesen Worten wurde der Dúnadan leichter.
„Wirklich!“, bestätigte Kerry nochmals. Und die anderen amüsierten sich darüber.
„Seid ihr mir böse, wenn ich mich ein wenig zurückziehe? Ich wäre gerne ein bisschen alleine“, sagte Elea nun abrupt. Die Elbinnen schüttelten verständnisvoll den Kopf. Kerry, die neben ihr saß schaute sie etwas empört an, sagte dann aber fröhlich: „Aber nur wenn du jetzt nicht stundenlang über deine Geschichte nachgrübelst!“
„Einverstanden“, antwortete Elea in leichtem Befehlston und stand auf. Bei der Tür angekommen warf sie einen Blick zurück und sah wie sich Kerry mit Celebithiel unterhielt. Sie war sehr froh auf die kleine Rohirrim getroffen zu sein. Im Sturm hatte sie ihr Herz erobert. Dann ging Elea auf ihr Zimmer und legte sich auf das Bett. Finjas war nicht da.
Entgegen ihrer Zusage dachte sie noch länger an Helluin und den ständigen Streit zwischen Haldar und ihr. Als sie nicht müde wurde beschloss sie nochmals in die Bibliothek zu gehen um ein wenig zu lesen und ihre Gedanken zu zerstreuen. Sie hinterließ Finjas eine kleine Notiz über ihren Aufenthaltsort.
Die Tage wurden erst in gemächlichem Tempo wieder heller und so war draußen bereits der Abend hereingebrochen, obwohl es noch nicht so spät war. In der Bibliothek in dem Turmzimmer leuchtete das orangefarbene Licht einiger Kerzen. Dies war ungewöhnlich, da die meisten Zimmer mit dem weißen Licht der Elbenlampen erhellt wurden.
Elea streifte mit ihrem Finger wie gewohnt über die Rücken der Bücher und überflog die Titel. Diese Angewohnheit gab ihr ein sehr beruhigendes Gefühl. Sie stoppte auf einem grünen Umschlag mit goldenen Lettern: „Bëors Volk“. Sie nahm es an sich. Leise schlich sie zum Fenster und sah hinaus zu den schwarzen Silhouetten der umliegenden Berge. Außer einigen Elben am Fuße des Turmes war nichts zu sehen. Sie setzte sich auf den Fenstersims und schlug das Buch auf. Hastig überblätterte sie die ersten Kapitel und stoppte bei Andreth, der weisen Frau und Vorfahrin von Finjas.
Neugierig las sie über die weise Frau aus dem Stammbaum von Finjas nach. Sie konnte den Schmerz förmlich spüren, als sie über die unglückliche Liebe zwischen ihr und Aegnor dem Elbenfürsten, las. Es gab eine Legende die besagte, dass ihm ihr Spiegelbild während der Schlacht im See erschien und sich daraufhin seine Liebe offenbarte. Die Regeln der Elben missbilligten aber eine Verbindung zwischen den Eldar und Edain. Für einen Fürsten galten diese vermutlich noch strenger. Am Ende stand, dass Andreth und Aegnor kinderlos starben.
Die Dúnadan suchte in den folgenden Kapiteln noch weitere Hinweise nach ihren Nachfahren, aber fand nichts. Plötzlich tauchte Finjas in der Tür auf.
„Was machst du hier?“, fragte er in den abgedunkelten Raum. Er kam auf sie zu.
Sie zeigte ihm den Buchrücken und wartete seine Reaktion ab.
„Liest du es meinetwegen?“, fragte er weiter.
„Ja“, antwortete sie „Ich wollte mehr über deine Vorfahren wissen. Elrond hat es angesprochen.“
„Darüber wirst du aber nichts finden“, antwortet er.
„Hier steht, dass Andreth kinderlos starb.“
„Das stimmt. Andreth war aber ein fürsorglicher und liebevoller Mensch. Du bist ein bisschen wie sie, denn auch sie nahm einst verwaiste Kinder auf und war ihnen eine Mutter. Und in ihren Kindern lebt ihr Geist und ihre Weisheit weiter. Du siehst also, mein Blut ist nicht von hoher Abstammung. Meine Vorfahren haben unserem Namen Ehre und Lob verschafft.“
Elea dachte nach und sagte dann: „Es gibt Geschichten, da ist der Sohn des glorreichen Königs ein Feigling und der Bauernknabe ein mutiger Held. Wenn die Weisheit von Andreth in dir fortlebt, dann bist du meiner Meinung nach ihr Nachkomme.“
Dankend zog er die Mundwinkel nach oben.
„Die Männer haben mir bereits erzählt, dass eine gewisse Kerry hier in Bruchtal ist.“
„Ja, ich habe sie bereits kennen gelernt. Sie ist sehr liebenswürdig und von kindlicher Natur. Sie wollen in Kürze nach Eregion aufbrechen. Lass uns mit ihnen gehen, Helluin wird sie früher oder später aufsuchen.“
„Wie versprochen, helfe ich dir ihn zu finden“, antwortete er.
„Es könnte aber gefährlich werden in Eregion. Bruchtal soll ihnen zu Hilfe eilen, für den Fall das Orks aus dem Nebelgebirge angreifen.“
Finjas murrte daraufhin.
„Du musst nicht mitkommen“, entgegnete die Dúnadan unverzüglich und legte ihre Hand auf seine verschränkten Unterarme.
„Ich komme mit“, antwortete er kurz und knackig. Dann trat er einen Schritt zurück und machte sich zum gehen bereit: „Wenn es zum Kampf kommt, können sie einen mutigen Bauernknaben vielleicht gut gebrauchen.“
Elea musste grinsen und plötzlich aus heiterem Himmel spürte sie seine Lippen auf den ihren. Überrascht riss sie die Augen auf, zuckte aber nicht zurück. Etwas unbeholfen streichelte seine Hand über ihre Wange.
Dann drehte er sich um und verließ das Zimmer.
Fine:
Oronêl und Glorfindel aus den Gärten
Wenige Minuten nachdem Elea gegangen war, kam Oronêl in die Halle des Feuers. Bei ihm war ein Elb, den Kerry erst auf den zweiten Blick als Glorfindel erkannte. Sein Gesichtsaudruck, der oft sorglos und sogar amüsiert gewirkt hatte, selbst während des Krieges im Düsterwald und am Erebor, war nachdenklich, was auf Oronêl ebenso zutraf. Als der Waldelb jedoch Kerry und die anderen entdeckte, schienen sich seine Gesichtszüge ein wenig zu entspannen.
"Hier drüben!" rief Celebithiel den beiden zu und winkte sie zu ihnen an den Tisch. Inzwischen waren nicht mehr viele Elben in der Halle; bereits vor Eleas Rückzug waren schon einige gegangen nachdem sie ihr Mal beendet hatten. Hier und da saßen noch vereinzelte Gäste alleine oder zu zweit entlang der riesigen Tafel, und vor dem großen Kamin hatte sich ein kleines Grüppchen versammelt. Leiser Gesang und das Spiel einer Harfe drangen von dort an Kerrys Ohr.
Oronêl und Glorfindel kamen an den Tisch und nahmen Platz. Oronêl setzte sich auf den Platz, auf dem zuvor Elea gesessen hatte, während Glorfindel rechts neben Celebithiel Platz nahm.
"Wo hast du dich herumgetrieben?" fragte Kerry halb scherzend
"Oho," ließ sich Glorfindel vernehmen.
"Wie eine strenge Ehefrau, die ihren nichtsnutzigen Mann verhört," sagte Celebithiel.
Kerry verschluckte sich und wurde rot. "So ein Unsinn! So war es nicht gemeint. Ich frage mich doch nur, wohin er so plötzlich verschwunden ist!"
Zu ihrem Glück lächelte Oronêl und seufzte leise. "Deine Sorge ehrt mich, Kerry. Aber sie war unbegründet. Ich habe nur einen Spaziergang in den Gärten gemacht."
Bei diesen Worten hob Arwen den Blick und schaute Oronêl mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck an, ohne jedoch etwas zu sagen. Kerry fragte sich, was wohl dahinter stecken mochte, traute sich aber nicht zu fragen. Verlegen legte sie die Hände im Schoß zu sammen. "Ich habe jemanden kennengelernt," gestand sie, um das Thema zu wechseln.
"Kennengelernt?" wiederholte Oronêl und hob die Brauen.
"Eine ganz wundervolle Frau. Sie heißt Elea, und sie ... würde gerne mit uns nach Eregion gehen."
Oronêl schien einen Augenblick darüber nachzudenken, sah dann Glorfindel an. Der hingegen nickte und sagte: "Es bietet sich ohnehin an, dass ihr mit jenen geht, die zum Schutze Eregions entsandt werden sollen. Die Aufgabe, alle Kampfeswilligen zu sammeln, hat Meister Elrond mir anvertraut."
"Und auch mir," warf Celebithiel ein. "Kerry, du solltest wichtige Details Oronêl gegenüber nicht unerwähnt lassen," fügte sie mit einem kleinen Schmunzeln hinzu.
"Ah... natürlich, du hast Recht..." entgegnete Kerry noch verlegener. "Elea ist... Helluins Mutter."
"So. Daher weht also der Wind," meinte Oronêl und wirkte, als wäre ihm recht unwohl dabei. "Dann nehme ich an, sie ist auf der Suche nach ihrem Sohn?"
"Das ist sie, aber nicht erst seit gestern," erklärte Arwen. "Schon seit seinem Aufstieg zum Stammesführer der Dúnedain des Nordens versuchte Elea, Helluin zur Umkehr zu bewegen. Doch in den Wirren des Krieges ist es ihr bislang nicht gelungen, mehr als einmal mit ihm zu sprechen."
"Ich dachte, Helluin sei in den Osten ins Exil gegangen," meinte Oronêl nachdenklich.
"Er kehrte zurück, noch ehe Celebithiel und ich das Waldlandreich in Richtung Imladris verließen. Er hat sich nach Rohan aufgemacht... " sagte Glorfindel.
Oronêl schaute sie alle einen nach dem anderen an und machte ein verwundertes Gesicht. "Warum habe ich das Gefühl, hier als Einziger nicht im Bilde zu sein?"
Kerry wollte etwas sagen, aber sie bekam vor Verlegenheit keinen Ton heraus. An ihrer Stelle antwortete Arwen. "Helluin sucht nach deiner kleinen blonden Freundin dort. Er ist der Meinung, dass sie es war, die Sarumans Zauber brach, der auf ihm lag. Er möchte sich bei ihr bedanken."
"Rohan könnte sich als nicht sonderlich gastfreundlich für ihn erweisen," meinte Oronêl und schaute dann Kerry in die Augen. Sie sah, wie die linke Augenbraue des Waldelben ein Stückchen höher kletterte und konnte seine Gedanken schier hören. Sie war froh, dass er es nicht laut aussprach.
"Das wird sich zeigen," sagte Celebithiel. "Jedenfalls stimme ich Glorfindel zu, ich habe Kerry auch schon dasselbe gesagt. Wir werden gemeinsam zurück nach Eregion gehen, wenn du nichts dagegen hast, Oronêl."
Das schien Oronêl zu verwundern. "Wieso sollte ich etwas dagegen haben? Ich habe es im Gegensatz zu Kerry nicht ganz so eilig, nach Eregion zurückzukehren." Er nahm einen Schluck von dem klaren Wasser, das er sich mittlerweile aus einer der Karaffen auf dem Tisch eingeschenkt hatte. "Ich heiße euch alle gerne in der Reisegemeinschaft willkommen, auch diese Elea, meinetwegen."
"Das wäre schon die zweite Gemeinschaft des Oronêl," merkte Arwen an. "Wenn dem so ist... dann werde ich ebenfalls mitkommen." Sie lächelte, als sie sah, wie ausgesprochen gut ihr die Überraschung gelungen war. Selbst Glorfindels Miene zeugte davon, dass nicht einmal er das hatte kommen sehen.
"Aber Schwester!" protestierte Celebithiel prompt. "Eregion wird bedroht, und du bist nicht... ich meine, du bist keine...
"Keine Kämpferin?" fragte Arwen und in ihren Augen funkelte es. "Das mag sein. Aber sieh dir Kerry an. Sie geht mit euch, weil ihr ihre Freunde wichtig sind, und weil sie helfen möchte. Ich finde das inspirierend. Ich mag vielleicht keine Klinge wie meine Geschwister zu führen... aber ich werde Eregions Verteidigung unterstützen, so gut ich kann."
Glorfindel nicke sachte. Celebithiel hingegen sprach noch eine ganze Weile gegen Arwens Entscheidung, bis es Kerry schließlich zuviel wurde und sie die Halle des Feuers in einem unbemerkten Augenblick verließ.
Sie kam nicht weit. Als sie auf einen Balkon hinaustrat, der ihr einen guten Ausblick über die Wasserfälle von Bruchtal bot, hörte sie bereits Schritte hinter sich. Es war Oronêl, der ihr gefolgt war.
"Ich, ich wollte doch keinen Streit auslösen," beteuerte Kerry sofort.
"Sehe ich so aus als wäre ich gekommen, um mit dir zu schimpfen, Kerry?" fragte Oronêl ruhig.
"Ähm... ich weiß nicht. Wenn du so fragst, dann... wohl nicht?"
Oronêl lehnte sich gegen das Geländer und schaute auf das rauschende Wasser hinaus. "Ich denke nicht, dass wir Frau Arwen ihren Wunsch abschlagen sollten. Aber ich ahne, dass sie nicht nur aus dem Grund, den Elben Eregions zu helfen, Bruchtal verlassen möchte."
"Wie meinst du das?" fragte Kerry verwundert.
"Hm... hat Elea dir erzählt, weshalb man Helluin damals zum Stammseführer der Waldläufer des Nordens ernannt hat?" fragte Oronel zurück.
"Nein," musste Kerry gestehen. "Ich weiß nur, dass der vorherige Anführer im Krieg gefangen genommen wurde. Von ... Mordor."
"Leise!" zischte Oronêl. "Beschwöre es nicht herauf."
Kerry riss erschrocken die Augen auf und schlug sich beide Hände vor den Mund.
"Ist schon gut. Jedenfalls war jener Stammesführer, der Helluin vorausgegangen war... Arwens Verlobter, Aragorn."
"Aragorn..." wiederholte Kerry den Namen. Gehört hatte sie ihn schon einmal... ob es in Fornost gewesen war? Oder in Rohan? Oder gar von Helluin selbst? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Vielleicht war es sogar Elea gewesen, die diesen Namen erwähnt hatte.
"Verstehst du jetzt?" fragte Oronêl.
Doch Kerry blieb nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln. "Nein, ich verstehe es nicht," gab sie niedergeschlagen zu.
"Arwens Herz gehört jenem, der in die Schatten ging. Und nun hat ihr Herz seinen Ruf vernommen," sagte eine neue Stimme und erschreckte Kerry beinahe zu Tode, als sie herumfuhr. Am Eingang des Balkons stand niemand anderes als Meister Elrond persönlich.
Oronêl senkte das Haupt knapp, als Elrond weitersprach. "Seltsame Zeichen haben wir in den vergangenen Tagen verspürt. Etwas regt sich im Süden. Dinge geraten ins Rollen, die nicht aufzuhalten sind. Meine Tochter hat Hoffnung geschöpft auf, aber ich bleibe vorsichtig." Er blickte an seiner Hand herab und wirkte einen Augenblick nachdenklich. Als Kerry jedoch hinsah, konnte sie dort nichts entdecken, die Finger des Elbenfürsten waren leer. "Sauron ist es gelungen, genügend Kraft zu sammeln, um wieder eine körperliche Gestalt anzunehmen," murmelte Elrond. "Sein Reich hat er entblößt um ein Heer anzuführen... doch wir wissen nicht, wohin es zieht. Saruman mag bald in arge Bedrängnis geraten, wenn er das Ziel des Dunklen Herrschers ist. Ich befürchte auch erneute Angriffe gegen Gondor und Rohan. Doch Arwen... spürte noch etwas anderes. Ein Licht aus den Schatten, nannte sie es. Ich weiß nicht, ob die Last der Jahre meine Weitsicht getrübt hat, aber... ich habe nichts dergleichen gespürt. Ebensowenig habe ich von Pallando vernommen, der in den Osten zurückkehrte um Nachforschungen zu betreiben. Mehr und mehr scheint sich das Schicksal zuzuspitzen... das Schicksal von ganz Mittelerde."
Kerry wagte kaum zu atmen. Meister Elronds Blick war auf einen Punkt oberhalb ihres Kopfes gerichtet, als würde er mit jemandem sprechen, der sich in weiter Ferne befand. Oronêl schien ebenso verwundert zu sein, ließ sich aber bis auf eine einzelne Falte auf der Stirn nichts anmerken. Erst als Elrond nicht weitersprach, nahm der Waldelb das Wort. "Ihr werdet Arwen also gestatten, mit uns nach Eregion zu gehen?"
"Es ist ihre eigene Wahl," entgegnete Elrond etwas langsam. "Aber dich, Oronêl, mache ich für ihren Schutz verantwortlich, sollte sie sich deiner Gemeinschaft anschließen."
"Meine Gemeinschaft?" wiederholte Oronêl zweifelnd.
"Nennt man sie nicht bereits in der Halle des Feuer so?" sagte Elrond und ein kleines Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. "Dein Ruf eilt dir voraus, Sohn des Ardir."
"Ich will diese Bürde nicht," erwiderte Oronêl. "Ich habe versagt als Anführer der Gemeinschaft, die gen Fornost zog."
"Sag das nicht, Oronêl," mischte Kerry sich ein. "Siehst du denn nicht, wie sehr dich alle schätzen und bewundern? Du bist der richtige Anführer für unsere Gruppe. Wir vertrauen, weil wir wissen, dass du das Herz am richtigen Fleck hast."
"Aber warum nicht Glorfindel?" fragte Oronêl in Elronds Richtung.
"Glorfindel mag Heere in die Schlacht führen und im Kampfe große Macht aufbieten. Aber unterschätze niemals sein Urteil, Oronêl. Wenn er sich dir anschließt, dann aus gutem Grunde," antwortete Elrond. "Du hast eine Wahl getroffen, dort auf den Kaien der Schwanenstadt. Du hast dich entschieden, für Mittelerde zu kämpfen. Und hier ist eine Gemeinschaft, die deiner bedarf. Wie wirst du antworten, Oronêl Galion?"
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