Oronêl und Gefährten aus Bruchtal...Sie passierten die Bruinen-Furt nur kurze Zeit nach ihrem Aufbruch von Bruchtal, und folgten der großen Oststraße weiter nach Westen. Valandur plante, der Straße nach Westen bis zur Wetterspitze zu folgen, und dann den entlang der Wetterberge nach Nordwesten zu ziehen. Dieser Weg würde zwar deutlich unbequemer sein, als auf der Straße bis nach Bree zu gehen und von dort auf der Nord-Süd-Straße nach Fornost, doch Oronêl nahm die Bedenken des Waldläufers, der die von Saruman beherrschte Stadt umgehen gerne umgehen wollte, ernst.
Einen Tag nach ihrem Aufbruch begannen sich nördlich von ihnen bewaldete Höhenzüge zu erheben, die Cúruon als Trollhöhen bezeichnete.
Oronêl nutzte den Anfang ihrer Reise, um seine Gefährten besser kennen zu lernen. Valandur, der ein kleines, zähes Pferd mit sich führte, war ein schweigsamer und grimmiger Mann, der nur ungern über sich und sein Volk redete. Dennoch gewann Oronêl schnell den Eindruck, dass das Bündnis seines Volkes - wenn man es so nennen konnte - mit Saruman den Waldläufer ebenso schwer belastete, wie Gefangenschaft ihres alten Anführers Aragorn im schwarzen Turm. Valandur kannte sich ebenso wie Cúruon sehr gut in den Ländern zwischen Bree und Bruchtal aus, und würde ihnen ein ausgezeichneter Führer sein.
Gelmir und Faronwe waren eng befreundet, und hatten sich dem Elbenheer in Lórien angeschlossen. Nach dem Bündnis mit Saruman waren sie allerdings nach Bruchtal zurückgekehrt, denn der Fall des Zauberers besorgte sie tief. Gelmir war ein Nachfahre des Gelmir, der einst Túrin und Orodreth vor dem Fall Nargothronds gewarnt hatte und nach diesem benannt. Oronêl fand diesen Zufall interessant, schließlich war sein Vater Ardir bei der Ankunft des ersten Gelmir in Nargothrond zugegen gewesen.
Cúruon, der Wächter der Grenzen stammte aus einem uralten Haus der Noldor, das einst in den Diensten der Söhne Feanors gestanden hatte. Er war früh im Dritten Zeitalter in Imladris geboren worden, und hatte Eriador nur selten verlassen, doch dafür kannte er diese Lande umso besser. Seine Tochter Mírwen war noch jung nach den Maßstäben der Elben, begleitete ihren Vater jedoch schon lange auf seinen Streifzügen rund um Bruchtal. Sie trug eine zwergisch gearbeitete Armbrust auf dem Rücken, und ein elbisches Kurzschwert an der Seite. Oronêl vertraute sie an, dass sie das Volk der Zwerge im Gegensatz zu den Elben faszierend fand und gerne eine Zeit unter ihnen leben würde - was dieser kein bisschen nachvollziehen konnte.
Glorwen war eine typische Elbin aus Lórien, die Bäume liebte und bevorzugt mit dem Bogen in den Kampf zog. Wenn sie den Untergang ihrer Heimat für einen Moment vergaß konnte sie fröhlich und abenteuerlustig sein, doch meistens lastete der Fall Lóriens schwer auf ihr. Sie und Orophin kannten sich von früher, und die gemeinsamen Erinnerungen schienen die beiden unzertrennlich zu machen.
Und dann war da noch Finelleth, mit der Oronêl sich von Anfang an verbunden gefühlt hatte. Er konnte mir ihr über vieles sprechen - über Lórien und das Waldlandreich, ihren Kampf gegen den Schatten, Irwyne - und dennoch, eine gewisse Distanz zwischen ihnen blieb. Noch immer wurde sie vorsichtig und reserviert wenn das Gespräch auf ihre Vergangenheit und Abstammung kam, was Oronêl mit der Zeit etwas enttäuschte, zumal er sich das Hirn zermartete, woher ihre Ähnlichkeit mit Calenwen kam und wem sie noch ähnlich sah.
Am Morgen des dritten Tages überquerten sie die Brücke über den Mitheithel, denn auf der gepflasterten Straße kamen sie rasch voran. Finelleth war als erste über die Brücke gegangen und hatte einen Blick über den Hügel, den die Straße auf der anderen Seite geworfen. Nun stand sie oben, und beobachtete wie der Rest der Gruppe nacheinander über die Brücke ging, als sie plötzlich einen Ruf ausstieß und alle erstarrten und zu ihr aufblickten.
"Neun sind von Bruchtal aufgebrochen", sagte sie. "Aber jetzt sind wir zehn."
Oronêl, der zwischen Mírwen und Orophin gegangen war, wandte ebenso wie alle anderen unwillkürlich den Kopf nach hinten, zum letzten Mitglied ihrer Gruppe, das sich ihnen heimlich angeschlossen haben musste. Die schmale Gestalt war in einen grauen Mantel aus Lórien gehüllt, und deshalb im schwachen Licht der Sonne, die durch die schweren Regenwolken aus dem Westen schien, nur schwer zu sehen. Sie warf die Kapuze ab, und Oronêl erkannte Irwynes schuldbewusstes Gesicht.
Er blickte zu Finelleth hinüber, doch auf ihrem Gesicht sah er die gleiche Mischung aus Überraschung und Entsetzen widergespiegelt, die er selbst empfand.
"Es tut mir leid!", sagte Irwyne mit zerknirschter Miene. "Aber ich konnte euch einfach nicht alleine gehen lassen."
Oronêl schüttelte den Kopf um seine Gedanken zu ordnen, und sagte dann, schroffer als er eigentlich beabsichtigt hatte: "Du musst zurück. Sofort."
Er sah Irwynes Unterlippe beben, doch bevor er etwas hinzufügen konnte um seine Worte etwas weicher erscheinen können zu lassen, wandte Cúruon plötzlich den Kopf nach Norden, sog tief die Luft ein und sagte: "Orks. Sie sind fast über uns."
Instinktiv zogen die Elben und Valandur die Waffen.
"Auf die Brücke", schlug Gelmir vor. "Dann können sie nur von einer Seite kommen, wenn sie in der Überzahl sind."
"In der Überzahl sind sie sicherlich", meinte Glorwen, und befühlte mit grimmiger Miene die Sehne ihres Bogens. "Sonst würden diese Geschöpfe nicht auf die Idee kommen, uns anzugreifen."
Glorwen, Orophin und Mírwen, die ihre zwergische Armbrust vom Rücken genommen und bereits einen Bolzen aufgelegt hatte, liefen ans östliche Ende der Brücke, von wo aus sie die Orks in sicherer Entfernung unter Beschuss nehmen konnten.
"Du bleibst hinter ihnen", wies Oronêl Irwyne an, die sofort gehorchte. Er hatte die Axt aus Rohan bereits gezogen, und postierte sich nun zwischen Valandur und Cúruon, die ihre Waffen ebenfalls kampfbereit hielten, am Westende der Brücke. Hinter ihnen bildeten Finelleth, Gelmir und Faronwe eine zweite Kampfreihe, und ihm gleichen Moment brach die Orkhorde aus dem Wald nördlich der Straße. Dass ihre Opfer sich auf die Brücke zurückgezogen hatten, überraschte die Kreaturen offenbar für einen Augenblick, in dem Orophin, Glorwen und Mírwen bereits zu schießen begannen und erste Lücken in ihre Reihen rissen.
Der Blutgeruch ihrer gefallenen Kameraden schien die Orks in Raserei zu versetzen, und sie stürmten nun auf die Verteidiger zu, als wilder Haufen ohne jegliche Schlachtordnung. Die nächsten Minuten waren blutig, denn obwohl sie weit in der Überzahl waren, hatten die Orks ihren Gegnern nur wenig entgegenzusetzen. Neben Oronêl schwang Cúruon sein großes Schwert in weiten Bögen, und trieb die Orks somit immer wieder auseinander. Auf seiner anderen Seite kämpfte Valandur mit seinem Langschwert in verbissenem Schweigen, und hinter ihnen hatte Finelleth zunächst einige der Anstürmenden mit gezielten Messerwürfen niedergestreckt, und sich dann mit Schwert in der Hand ins Getümmel gestürzt. Gelmir und Faronwe hatten sich etwas von der Gruppe gelöst, und kämpften gemeinsam in einem offenbar lange einstudiertem Tanz, immer Rücken an Rücken. Sie schlugen eine blutige Schneise durch die Orks, die schon bald, nachdem über die Hälfte von ihnen gefallen waren, begonnen in Panik zu geraten. Auch Mírwen hatte nun, nachdem ihr die Bolzen ausgegangen waren, ihr Schwert gezogen und sich ins Getümmel gestürzt.
"Lass nicht zu, dass einer entkommt!", versuchte Oronêl, der gerade seine Axt aus dem Hals eines niedergestreckten Orks befreite, und Orophin und Glorwen, deren Pfeilvorrat unerschöpflich schien, streckten jeden Orks nieder der versuchte das Schlachtfeld zu verlassen. Oronêl hatte das Zeichen der Weißen Hand auf einigen der Orks entdeckt, und er wollte unbedingt vermeiden dass Sarumans Diener früher als unbedingt nötig von ihrer Anwesenheit erfuhren.
Ein letzter Ork wich quiekend vor Angst vor Cúruon zurück, wandte sich um und begann den Abhang im Norden zu erklimmen. Oronêl erwartete jeden Moment einen Pfeil der ihn niederstreckte, der jedoch nicht kam. Offensichtlich waren den Bogenschützen nun doch die Pfeile ausgegangen, und er wollte gerade loslaufen, dem Ork hinterher, als eine Axt pfeifend durch die Luft flog und den Ork knirschend in den Rücken traf.
Als Oronêl der Flugbahn der Waffe folgte, fiel sein Blick auf Finelleth, die über ihren gelungenen Wurf zufrieden grinste. Cúruon rammte sein Schwert mit Wucht einem Ork dessen Arme noch gezuckt hatten, in den Rücken und sagte nachdem er einen Blick über das Schlachtfeld geworfen hatte: "Nun, so einen schönen Kampf hatte ich lange nicht mehr."
Auch Oronêl ließ den Blick über die Brücke und die Straße davor schweifen. Etwa fünf dutzend Orks lagen tot auf dem Schlachtfeld, und von seinen Gefährten waren die meisten unverletzt gewesen. Lediglich Gelmir blutete aus einem Schnitt am Oberschenkel, winkte aber auf die besorgten Blicke der anderen hin ab. "Nur ein oberflächlicher Kratzer", sagte er.
Da alle wohlauf waren, konnte Oronêl sich nun wieder dem unerwarteten zehnten Mitglied ihrer Gemeinschaft zuwenden. Irwyne hatte während des gesamten Kampfes hinter den Bogenschützen auf der anderen Seite gestanden, doch nun kam sie über die Brücke. "Das habt ihr großartig gemacht!", und obwohl ihre Stimme ein wenig zitterte, leuchtete ihre Augen.
"Wir haben eben Übung, Mädchen", erwiderte zu Oronêls Überraschung der Waldläufer Valandur mit freundlicher Stimme.
"Aber du nicht", warf Oronêl so streng wie möglich ein, und wechselte einen Blick mit Finelleth, die allerdings keine Miene verzog. "Also musst du zurück."
"Aber wir können sie nicht alleine gehen lassen", sagte Finelleth ruhig, und Cúruon fügte hinzu: "Und wir können auch niemanden entbehren, um mit ihr zurückzugehen, und wir können auch nicht umkehren." Valandur und Faronwe nickten zustimmend, und Oronêl schüttelte ungläubig den Kopf.
"Heißt das, ihr wollt sie mitgehen lassen?" Bei seinen Worten hob Irwyne, die bislang betreten zu Boden geschaut hatte, den Kopf. "Nun... ja", erwiderte Finelleth, und die Augen des Mädchens begannen zu strahlen.
Oronêl seufzte. "Also gut... Aber du musst mir eines versprechen!", sagte er an Irwyne gewandt. "Wenn es zu Kämpfen kommt, wirst du dich immer so weit entfernt davon halten, wie es dir möglich ist."
"Ich verspreche es", erwiderte Irwyne ernst. "Und ich verspreche euch, ich werde euch auf keinen Fall eine Last sein. Wenn jemand verwundet ist, kann ich danach sehen, denn ich habe schon vieles gelernt."
Über ihren Eifer musste selbst Oronêl lachen, wurde aber bald wieder ernst. "Wir sollten hier nicht verweilen.", meinte er mit einem Blick auf die Leichen des Orktrupps. "Wo ein Trupp Orks ist, da kann auch ein zweiter sein."